Full text: St. Ingberter Anzeiger

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1. Fagherter Anzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Jugberter Anzeitzer“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs 
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M 100. 
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Samstag, 24. Mai 1884. 
19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Gotha, 21. Mai. Der Landtag nahm das 
Besetz gegen den Mißbrauch des Vereins- und Ver⸗ 
ammlungsrechts auf die Zeit der Geltung des 
Sozialistengesetzes an. 
Berlin, 21. Mai. Der Kaiser empfing 
heute Vorträge, ertheilte mehrere Audienzen und 
conferirte Nachmittags mit dem Minister Maybach 
Berlin, 21. Mai. Die Provinzialcorrespon⸗ 
henz mißt gelegentlich einer Besprechung der Er 
jebnisse der Landtagsfession die große Schuld daran 
)aß die Jagdordnung und die Communalsteuervor 
age gescheitert seien und die Einkommen- und 
apitalrentensteuervorlage nicht einmal über die 
Fommissionsverhandlungen hinausgekommen sei, der 
mmer weiter um sich greifenden Neigung, alle Vor⸗ 
chläge der Regierung nach Parkteigesichtspunkten 
imzugestalten, bei. Durch eine solche unfruchtbare 
Thätigkeit werde das Ansehen des Parlamenis ge— 
chädigt. Jede Regierung werde eine einsichtige 
dritik ihrer Vorlagen durch die Volksvertretung zu 
vürdigen wissen; wenn aber die kritische Thätigkeit 
o überhand nehme, daß die schöpferische Thaätig— 
eit mehr oder weniger in den Hintergrund gedrängt 
verde, so entstehe die Gefahr, daß das Land das 
Vertrauen und Interesse für parlamentarische Ein— 
ichtungen verliere. 
Berlin, 21. Mai. Der Deutsche Colonial⸗ 
nerein, Abtheilung Berlin, wählte heute durch Accla- 
nation als definitiven Vorstand: den Grafen 
Frankenberg⸗ Tillowitz, Hammacher, Arnim-Boitzen⸗ 
purg, Annecke, Baron von der Brüggen, Freiherrn 
Eckarstein, Prötzel, Staatsminister Friedenihal, Hardt, 
Liceadmiral Henk, Staatsminister Hobrecht, Fabri⸗ 
'aut Hoppe, Director Jannasch, Martins, Re—⸗ 
sierungsrath Schück, Direktor Wallich, und nahm 
olgende, an den Reichskanzler zu übergebende 
desolution an: Die Generalversammlung des 
Deutschen Colonialvereins nimmt mit dantkbarer 
Benugthuung von der in die Oeffentlichkeit gebrachten, 
in Folge von Beschwerden der deutschen Handels 
ammern gefaßten Entschließung des Fürsten Reichs— 
'anzlers, die wirthschaftlichen Interessen Deutsch⸗ 
lands im Congogebiete zu wahren, Kenntniß. Sie 
sat das feste Vertrauen, daß es in weiterer Ver⸗ 
olgung dieser Entschließung gelingen wird, die 
Deutschland feindlichen Bestrebungen anderer Staaten 
u vereiteln. 
Ueber die Vermählung des Großßz⸗ 
herzogs von Hessen herrscht, wie aus Hof⸗ 
reisen versichert wird, am rus sischen Hofe eine 
Verstimmung und es werden von da aus große 
Anstrengungen gemacht, um Frau Kalemine zu 
inem Rücktritt zu bewegen, bis jetzt ohne Erfolg. 
Maß⸗ und Gewichtsordnung. Mit 
Bezug auf die Berathung des Gesetzentwurfs über 
die Abänderung der Maß⸗ und Gewichtsordnung 
m Bundesrathe erfährt man nachträglich, daß 
Bahern und Württemberg gegen den Gesetzentwurf 
zestimmt haben, Württemberg mit der Molivirung, 
veil durch die theilweise Revision der Maß⸗ und 
hewichtsordnung deren Verbesserung in anderen 
toch wichtigeren Punkten hinausgeschoben werde. 
Deutsches Reich. 
nicht genügt. — Die Journale sprechen sich über 
die ministerielle Erklärung im Allgemeinen befriedigt 
aus; eine definitive Lösung ist zwar noch nicht er⸗ 
reicht, aber wesentlich erleichtert. 
München, 19. Mai. Im „Gesetz⸗ und 
zerordnungsblatt“ wird die allerhöchste Verordnung, 
d. Schloß Berg 14. d. M., betreffend den Voll⸗ 
ug der 88 44 und 84 des Reichsgesetzes über die 
drankenversicherung der Arbeiter vom 
z. Juni 1883, publizirt. Diese enthält 6 Para⸗ 
raphen. Die Aufsicht über die Gemeinde-Kranken⸗ 
ersicherung führen die Bezirksämter, bezüglich der 
nmittelbaren Städte die Kreisregierungen, Kammern 
es Innern, die Aufsicht über die Orts«, Betriebs⸗ 
Fabrike) und Bau⸗Krankenkassen führen in den 
amittelbaren Städten, sowie in den sonstigen 
zemeinden von mehr als 10,000 Einwohnern die 
jemeindebehörden, im übrigen die Bezirksämter. 
ür Kassen dieser Art, welche sich über mehrere 
jemeinden erstrecken, ist, vorbehaltlich besonderer 
estinmung des königl. Staatsministeriums des 
nern, für einzelne Fälle diejenige Behörde zu— 
—D— 
hren Sitz hat oder erhalten soll. Die Aufsicht 
ber die Innungs⸗Krankenkassen führen die Auf— 
chtsbehörden der Innungen. 
München, 21. Mai. Gleichzeitig mit dem 
arionalliberalen Parteitage in Berlin ist aus 
züddeutschland eine nationale Kundgebung von her⸗ 
orragender Bedeutung zu melden. In Augs⸗ 
urg haben sich am Sonntag Vertrauensmänner 
er liberalen Partei über einen Aufruf geeinigt, 
ꝛelcher folgendermaßen lautet: Wir haben die am 
3. März 1884 zu Heidelberg beschlossene Erklä⸗— 
ung süddeutscher Liberaler freudig begrüßt als ein 
nillkommenes Zeichen, daß man neuerlich in natio⸗ 
alliberalen Kreisen die Nothwendigleit deutlichen 
HBiderspruchs gegen die Bestrebungen der Parltei, 
relche sich heute ,deutsch-freisinnig“ nennt, voll⸗ 
»lkommen erkannt hat. In der Zuversicht, daß 
ie Konsequenzen dieser Erkenntniß rückhalilos und 
achhaltig werden gezogen werden, betrachten wir 
ie Heidelberger Erklärung vom 28. Mai 1884 auch 
ls eine Grundlage für unseren Versuch, alle maß— 
ol denkenden Wähler zu sammeln. Mit Bezug⸗ 
ahme auf den Wortlaut jener Erklärung betonen 
t namentlich unseren Entschluß: 1) für die Be— 
tigung des Reiches und für die zur Wahrung 
iner Machtstellung nothwendige ungeschwächte Er— 
ltung der deutschen Heereskraft, wie nicht minder 
t die durch Vertrag uͤnd Reichsverfassung gewähr⸗ 
fete Selbsistündigkeit Baherns einzutreten ) die 
zialpotitischen Reformvorschläge des Reichskanzlers, 
t unser volles Vertrauen genießt, und das wohl— 
egründete Verlangen der verbündeten Regierungen 
Reiches, daß ihnen die zur Bekampfung der 
einde jeglicher Ordnung unentdehrlichen gesetzlichen 
ollmacht ertheill werden, kräftig zu unterstützen, 
die Interessen des deutschen Handwerks und der 
Atschen Industrie zu verireten . insbesondere jede 
nulerung des der deutschen Arbeit durch den 
Zolltarif zugesicherten Schutzes abzuwehren, 
r deutschen Landwirthschaft nutzbringend bei— 
ehen und deßhalb auch auf angemessene Erhöh— 
der Getreidezösle hinzuwirken. Wir laden alle 
b König uͤnd Heimathland, wie zu Kaiser 
nde haltenden Wähler, welche dem die wahren 
teresen beschädigenden Treiben kirchlich oder 
d ertremer Parteien gleich abgeneigt sind, 
n dringendst ein, sich zu orgamsitenals 
herische Reichz3444 
Landgerichtsrath Brünings (Landau) 
hrachte bei dem Bankett, welches am Sonntag 
18. Mai in Berlin dem nationalliberalen 
Parteitag folgte, nachstehenden Toast aus: 
Ein Redner aus Bayern hat heute Mittag die 
Pfalz erwähnt, sie werde noch besonders zu Wort 
'ommen. Wir Vertreter aus der Pfalz verharrten 
zleichwohl in Schweigen, weil wir der Ansicht 
varen, daß bei einer so großen deutschen Kund— 
zebung, auf einem allgemein deutschen Parteitag, 
dem so bedeutende Ansprachen zugedacht waren und 
zu Theil wurden, eine einzelne Provinz für sich 
nicht zum Zuge kommen dürfe. Gestatten Sie mit 
aber, von dieser Stelle aus als Pfälzer wenige 
Worte zu Ihnen zu sprechen. Man nennt unsere 
Pfalz die Hochburg nationaler und liberaler Ge— 
innung. Ja, warum ist sie die Trägerin solchen 
Beistes? Weil die Geschichte unsere Lehrmeisterin 
ist und uns — wenn die nationalliberale Gesinn⸗ 
ung nicht ohnehin in uns mächtig wäre — mit 
unwiderstehlicher Kraft immer wieder zu ihr hin⸗ 
dreiben müßte. Zu uns, deren Väter oft und auf 
lange Zeiten das Vaterland verloren hatten, zu uns 
mußte ja die Ueberlieferung mit besonderem Nach— 
druck davon sprechen, wie theuer und werthvoll der 
Besitz des Vaterlandes sei. (Lebhaftes Brabo.) 
Noch sind es nicht 14 Jahre her, da erscholl wiederum 
der Ruf: An den Rhein, an den Rhein! Meine 
Herren, unvergessen ist uns die bange Sorge, mit 
— 
jum Abend den Ereignissen entgegensahen, unver⸗ 
essen ist uns der Jubel, mit dem die befreienden 
Heldenthaten aller Söhne Deutschlands bei uns 
degrüßt wurden; wie all' Dies unvergessen, so ist 
iber auch unauslöschlich unser Gefühl der Dank— 
»arkeit gegenüber dem Reiche, durch dessen eigenes 
Werden wir befreit werden konnten. (Bravo!) 
Darum sind wir Pfälzer allewege in erster Linie so 
iational gesinnt, darum überwiegt der einzige Ge— 
janke an das Deutsche Reich in uns jede andere 
Regung. (Beifall.) Daß wir Pfälzer liberal sind, 
st uns kein Verdienst; die freiheitliche Gesinnung 
st uns ebenso, wie die nationale, ein Erbstück, ein 
östliches Vermächtniß unserer Väter, und wir er— 
ichten es einfach als unsere heilige Pflicht, dieses 
kleinod uns zu erhalten! (Lauter Beifall.) So 
intspricht es nur unseren Gefühlen und dem starken 
Antrieb des Pflichtbewußtseins, wenn die National⸗ 
iberalen aus der Pfalz heute so zahlreich hierher⸗ 
gekommen sind. Wir sind aber auch voll Stolz 
zekommen. Herr v. Bennigsen hat es bereits er— 
vähnt, und er hat es als einen willkommenen 
Anstoß ausgezeichnet, der von der Pfalz ausgegangen 
ei zu neuer Bewegung zum Sammeln. Wenn in 
Folge dessen der deutsche Suüden, — vergleichbar 
»em jungen Recken Siegfried, der bis dahin feine 
»igene Kraft nicht kannte, — einig vor und mit 
Ihnen steht, so sagen wir wiederum voll Stolz: 
es ist geglückt, dem jungen Recken ein Schwert zu 
chmieden, — das ist die Signatur des Tages von 
Heidelberg —, welches ihm den Sieg bringen soll, 
— welches ihm den Sieg auch bringen wird, 
denn in Neustadt hat Meister Miquel uns gelehrt, 
das wuchtige Schwert zu schwingen. Geifall und 
aute Bravorufe.) Den Ruf aber: Ausharren in 
ruchtbringender Thätigkeit trok aller Anfechtungen 
Ausland. 
Paris, 21. Mai. Nach der Vorlage der 
stegierung soll der Eingangszoll für fremdes Mehl 
on Fres. 160 auf Fres. 375 erhöht und der bis⸗ 
jerige Eingangszoll für Ochsen und Schafe ver— 
»oppelt werden. Der Eingangszoll für Getreide 
leibt unverändert, um Schwierigkeiten fernzuhalten, 
venn die einheimische Produktion für den Eonsun