Full text: St. Ingberter Anzeiger

im Jahre 1883 umfaßt 72,100 Hektoliter, was 
also weit mehr als anderthalb Millionen Hektoliter 
Bier ergibt, einen recht niedlichen See, den auszu⸗ 
rinken die Munchener immerhin einiger Unterstützung 
jeitens ihrer Gäste aus Nord und Süd bedürfen, 
obschon ihnen nur die Million verblieb, der Ueber⸗ 
schuk aber ausgeführt wurde. 
F Nürnberg. 27. Mai. In Burglengenfeld 
ist am 24. ds. Mis. der prakt. Arzt Dr. Rudolf 
Rubner, Assistenzarzt l. Cl. der Reserve; ver⸗ 
heirathet und Vater von zwei Kindern, beim Baden 
in der Naab ertrunken. Wie das „A. Tgöl.“ des 
Näheren berichtet, wurde Rubner, ein guter 
Schwimmer, plötzlich vom Krampfe befallen. Die 
hm drohende Gefahr erkennend, rief er den mit 
ihm gleichzeitig Badenden zu: „Helft mir; Ich kann 
mir nicht mehr helfea“, ging dann unter tauchte 
wieder auf und schrie nochmals aus allen Kräften: 
„Ich kann nimmer schwimmen, ich gehe unter, 
lann denn keiner hereinschwimmen?“ Statt dem so 
Flehenden die so sehr benöthigte Hilfe zu bringen, 
uüberließen die vier Mitbadenden, darunter zwei 
üchtige Schwimmer, den Unglücklichen seinem ent— 
setziichen Schicksale, welch' befremdende Passivität 
aur durch die Annahme eines jede Thattraft 
ähmenden Schreckens einigermaßen entschuldigt 
verden kann. Bald nach dem letzten vergeblichen 
Hilferufe versank der Verlassene und wurde erst 
jach dreistündigem rastlosem Suchen aufgefunden. 
F Zu den ersten vier Aufführungen des „Par⸗ 
sifal“ (am 21. 23. 25. und 27. Juli) werden 
acht Extrazüge aus München, Prag, Breslau, Berlin, 
haͤmburg, Koln und Stuttgart nach Bayreuth ver— 
anstaltet. 
F Heinitz, 29. Mai. Gestern Abend hatten 
ich auf hiesiger Grube die Königlichen Beamten 
zu Ehren des aus ihrer Mitte scheidenden Herrn 
Oberbergraths Täglichsbeck zu einem Abschiedsessen 
vereinigi, an welchem sich weit über hundert Per- 
sonen betheiligten. Für morgen Abend ist ein 
—D 
zereins, der Feuerwehr und der verschiedenen Vereine 
»on Elversberg, Spiesen und Heinitz in Aussicht 
zenommen. Die Abreise des Herrn Oberbergraths 
ndach Halle a. S. erfolgt am Samstag Morgen; 
sein Rachfolger im Amte, Herr Berginspektor Gräff, 
wird morgen hier eintreffen. (S. u. B.Z.) 
Neunkirchen, 27. Mai. Eine Reihe 
bon höchst wichtigen und interessanten Versuchen 
wird im Laufe des nächsten Monats auf der Grube 
Konig eröffnet werden. Dieselben gelten dem schlimm⸗ 
sten und gefährlichsten Feinde des Bergmannes, den 
schlagenden Wettern. Es soll durch die Versuche 
zruirt werden, welche Wirkungen die Explosionen von 
schlagenden Wettern, sowie von solchen in Verbind⸗ 
ang mit den verschiedenen Arten des Kohlenstaubes 
hjerborbringen. Es wird dazu Kohleustaub von den 
Bruben des Saarreviers, sowie von Gruben aus 
Westphalen und Schlesien verwendet werden. Auf 
der alien Halde der Königsgrube wird zu diesem 
Zwecke ein künstlicher Stollen (aus starken Bohlen 
ind schwerer Eisenverschiebung) von ca. 50 Meter 
dänge hergestellt, in welchen Schlagwetter aus der 
Brube eingeführt werden. Die Explosion derselben 
wird durch Boller herbeigeführt, deren im ganzen 
nieben, darunter einer im Gewicht von 16 Ctr. in 
die Abschlußwand eigemauert werden. Die Ab⸗ 
feuerung der Böller erfolgt auf elektrischem Wege. 
Die preußische Schlagwetterkommission wird die 
Erperimente leiten, doch werden wegen der eminenten 
Bedeutung derselben, jedenfalls auch andere Fach⸗ 
nänner dabei zugegen sein. 
Aus dem Kreise Forbach. Amor 
ist ein loser Schalk, am schlimmsten aber treibt er 
es, wenn er seine Pfeile auf Leute richtet, welche 
den Lenz ihres Lebens schon hinter sich haben. So 
wurde juͤngst ein Witiwer von einigen siebenzig 
Jahren, wohnhaft in der Nähe des Ortes H., von 
Heirathsgedanken heimgesucht. Durch Vertrauens⸗ 
dersonen hatte der liebesdurstige Freier auch schließlich 
eine seiner Hand würdige Person ausfindig ge— 
macht, eine Wirthin, Wittwe von einigen sechzig 
Jahren, in einem Grenzstädtchen der schönen Rhein⸗ 
lande sollte die Auserkoren? sein. Nun begann 
ein süßes Minneleben. Eine Reise nach der andern 
machte der Freiersmann, wohl ausgestattet mit 
Beldmitteln, zu seiner Auserwählten; zu Ostern 
ollte die Hochzeit sein; abet — o weh, als der 
Freier genügend Geld bei ihr gelassen, erklärte sie 
hmm, eine Ehe nicht eingehen zu wollen. Der ab⸗ 
edankte Freiersmann, drohte nun mit Klage wegen 
getrugs; darauf kam wieder eine ermuthigende 
Antwort, auf's Neue wurde die Reise unternommen 
und ab ermals kehrte der Liebhaber, mit erleichterten 
Taschen uUund einem Herzen voll Gram zurück. Einem 
Mittelsmann, der nun zu der ungetreuen Braut 
geschickt wurde, erging es nicht besser; sein ganzes 
Held war bei dem Besuche draufgegangen, ja sogar 
inen Theil seiner Kleider soll er haben zurücklassen 
nüssen. Wie Schuppen fiel es nun dem betrogenen 
Freier von den Augen. 
Saargemünd, 28. Mai. Auf dem in 
z»er Nähe von St. Avold gelegenen Schlosse Ham—⸗ 
inter-Varsberg hat man var mehreren Tagen bei 
Jusgrabung eines Kellers viele höchst interessante 
Hhegenstände, aus längst vergangenen Zeiten her— 
ührend, zu Tage geföcdert. Man fand nämlich 
wei gegossene Bombarden von kleinem Kaliber, 
ioch ganz gut erhalten, mit der deutschen Juschrift 
Vor Dich“, ferner ein eisernes Kanonenrohr, stark 
om Roste angegriffen. Merkwürdig hierbei ist, 
saß die drei Geschütze noch geladen waren. Außer⸗ 
)em fanden sich noch vor: eine steinerne Kugel, 
wei Mörser, der eine mit, der andere ohne Hand⸗ 
saben, und noch eine Menge von Gegenständen, 
deren frühere Bestimmung sich beim ersten Anblick 
uicht sogleich erkennen läßt. 
FMetz, 28. Mai. Abermals wurden, wie 
zie „M. Z3.“ meldet, 22 Kreuzottern, und zwar 
uus Groze, am gestrigen Tage zur Prämiierung 
ʒei hiesiger Kreisdirektion eingeliefert. 
F Aus Belfort schreibt man dem „Odilien⸗ 
hlatt“ eine Geschichte, die ein merkwürdiges Licht 
auf die Gewissensfreiheit in Frankreich und die 
Behandlung wirft, die dort manchmal den Elsässern 
u Theil wird. Es heißt da: „Die meisten unserer 
Landsleute, die in Belfort sich niedergelassen haben, 
vohnen in der Cite, und müssen bei Wind und 
Wetter eine halbe Stunde Weges zurücklegen, um 
in der P. arrkirche dem Gottesdienste beiwohnen zu 
önnen. Seit einigen Jahren ist ihre Zahl auf 
nehrere Tausend angewachsen; die Nothwendigkeit 
iner neuen Pfarrei hat sich als dringend erwiesen. 
Der Gemeinderath verweigerte jeden Zuschuß. Die 
Fabrikanten, an welche der Pfarrer der Cite⸗Pfarrei, 
humbrecht, das Gesuch richtete, sie mögen das 
Fyrige dazu beitragen, daß ihre Arbeiler eine 
dirche erhielten, gaben gute Worte, aber kein Geld. 
Ddie Kirche wurde trotzdem gebaut; einige hervor⸗ 
agende Katholiken gaben reiche Beiträge, den Rest 
zer Kosten lieferten einige Sammlungen im Elsaß. 
endlich hatten die Elsässer eine Kirche; wohl nur 
ine Nothtirche, aber sie waren glücklich, daß sie 
hre religiösen Pflichten erfüllen konnten. Da traf 
ie ein Schlag, der sie auf's Schmerzlichste berührte. 
im Tag, wo die Einweihung der Rothkirche statt 
inden sollte, am 20. April, wurden auf Befehl 
es Prafelkten Gendarmen an die Kirchenthüre ge⸗ 
tellt, um den Eingang in das Gotteshaus zu ver⸗ 
vehren. Der neuernannte Pfarrer wurde benach⸗ 
ichtigt, daß die Regierung die Erlaubniß zur Ein⸗ 
»eihung der Kirche nicht ertheilt habe. Daß die 
ẽrbitterung über eine solche Maßregel sehr groß 
var, kann man sich denken; es fehlte nicht viel, 
o hätten die Gendarmen etwas dabvon empsunden, 
die inmiiten der tobenden Menge, die in scharfen 
lusdrücken ihrem Unwillen Lufl machte, ausharren 
nußten. Was soll man denken von einem Ge— 
neinderath, der ohne Weiteres mehrere taufend 
zürger von den Wohlthaten der Stadtkasse aus— 
hließt! An den Kosten der Stadtverwaltung müssen 
ie Theil nehmen, den Oktroi, die Polizei- und 
—chultosten bezahlen; aber für die Kosten einer 
Ifarrei erhalten sie keine Centime. Das ist ein 
Schandfleck für den Stadtrath von Belfort, und 
ine schreiende Ungerechtigkeit gegen unsere katho—⸗ 
ischen Landsleute.“ 
Vor der Strafkammer in Karlsruhe 
tand am vergangenen Samstag Bürgermeister Jos. 
haug von Ettlingen wegen Kapitalrentensteuerde⸗ 
raudation. Derselbe hat im Jahre 1874 seine 
dartoffelmehlfabrik „Pulvermühle, bei Ettlingen an 
die badische Kartoffelmehlfabrik Mannheim auf 10 
Jahre verpachtet, wofür er laut Kontrakt einen 
Jachtzins von 10,000 fl. per Jahr, sowie Tan⸗ 
iemen von 6000 fl. bezog. Auf die Denunciation, 
»aug, habe die als Tantieme in den Jahren 1881 
is 1883 bezogenen Beträge von 11,592 Mark, 
12,010 Mk. und 12,072 Mt. nicht versteuert, wurde 
ex vom Hauptsteueramte zu Karlsruhe in eine Geld⸗ 
trafe von 8681 Mk. 76 Pf. und zur Nachzahlung 
der Steuer von 1936 Mk. 62 Pf., sowie der 
dosten verurtheilt. Der Beklagte wollte jedoch eine 
zerichtliche Entscheidung und so kam die Sache vor 
die Strafkammer. Das Urtheil lautete auf 8675 w 
52 Pf. und Zahlung der Kosten. 
f Ems, 26. Mai. Vermißt wird seit gester— 
Abend eine junge Dame aus Kreuznach, die ig 
inige Wochen hier in einer befreundeten Fami 
auufhielt. Sie hat sich gestern Abend unter einem 
Vorwande von der Familie entfernt und ein don 
hr zurückgel assener Brief besagt, daß sie sich de— 
Tod geben werde. Die, junge Dame war verloht 
doch hatte ihr Bräutigam vor einigen Tagen di 
Verlobung plötzlich aufgehoben. 
f Reinsdorf und Bachmaun, die beiden 
vegen der bekannten Dynamitverbrechen verhaflelen 
Anarchisten, werden voraussichtlich nicht vor du 
Bericht in Frankfurt, resp. Elberfeld, sondera do 
zas Reichsgericht in Leipzig gestellt werden, da ihr— 
Berbrechen — und zwar in erster Linie das n 
ẽUberfeld im Willemsen'schen Restaurant verübte 
Uttentat — mit dem auf dem Niederwald versuchten, 
»ezw. geplanten Attentat verbunden werden dürften 
etzteres wird nämlich als Hochverrath gegen de 
Kaisers Majestät behandelt werden. 
Aus dem Rheingau. In Oestrich fand 
zieulich die Versteigerung der reichhaltigsten und 
interessantesten Collektion Rheingauer Weine sftatt 
welche die Saison brachte. Die Weine waren auß 
dem Nachlaß des verstorbenen Freiherrn v. Cunibert 
Derselbe war bekanntlich ein großer Sonderling 
der aus lauter Sparsamkeit nur Apfelwein traut 
uind seine Weine wie seine besten Schätze hütete. 
Seinen Keller, dessen Schlüssel er immer bei sich 
rug, durfte nur er betreten. Herr v. Cunibert 
jinterließ ein Baarvermögen von 22 Millionen 
Nark, von dem Niemand wußte. In seinem 
dassenschrank fand man Aktienpapiere vor, von 
velchen die Koupons seit Jahren nicht abgeschnitten 
varen. Die Konkurrenz bei der Versteigerung war 
ine nie dagewesene und es wurden ganz enorme 
Jreise erzielt. Mehrere Stück 1865er wurden zu 
12,000 Mk. pro Stück (12 Hektoliter) verkaust. 
zgon den älteren Jahrgängen hat der Bremer Raths— 
eller einen großen Theil gekauft. Zwei halbe 
Ztüd 1868er, die „Augenweide“ des Herrn v. 
Funibert, wurden nicht versteigert und blieben den 
ẽrben als Reliquie erhalten. Das billigste Stüc 
ein 1882er) wurde zu 420 Mark und das theuerste 
ein 1865er) zu 12,710 Mark verkauft. In 
hanzen wurden für 54 Nummern (S—1 Stüd 
aahezu 200.000 Mark gelöst. 
fAus Thüringen. In Neustadt be 
Foburg hat sich in der Nacht vom Freitag au 
Zamstag ein fuͤrchtbares Unglück ereignet. Gegen 
Uhr öbrach in dem Hintergebäude des Bauerschen 
hauses am Marktplatz Feuer aus, wodurch der 
Hasthof zur Post ebenfalls ergriffen und eingeäschert 
vurde. Der energischen Hilfe der Feuerweht war 
s gelungen, das Feuer zu lokalisiren und weiteren 
Schaden zu verhindern, obwohl noch bis in den 
Hormittag hinein die hellen Flammen aufschlugen. 
Hegen 10 Uhr unterrahm es der Feuerwehrmann 
Belsch, trotz der Warnung der Vorgesetzten, die 
ine Decke stützende Saule umzuhauen, welches den 
ofortigen Stuürz der Decke zur Folge hatte und 
nicht nur den Welsch, sondern noch einen älteren. 
nicht zur Feuerwehr gehörenden Mann, Namen⸗ 
Ddorst unter den hrennenden Trümmern begrub 
die augenblicklich in Angriff genommenen Rettung 
irbeiten beschäftigten eine Anzahl wackerer Männer 
velche im Eifer ihrer aufopfernden Thätigkeit nich 
ahen, daß eine Mauer, bei welcher sie arbeiteten 
u wanten begann, der Schredensschrei der nahh 
Taufenden zuhlenden, auf dem Marklplatz stehenden 
Nenschen kam zu spät, die Mauer krachte zusammen 
ind begrub weitere fünf Männer, von denen det 
Hlasermeister Koch. Obersteiger, mit einem schweren 
Zeinbruch und ebensolchen Kopfwunden und * 
hacer Fischer in graßlichem Zuͤstande noch leben 
jervorgezogen wurden. Todt dagegen wurden u 
nüheboller Arbeit aufgefunden Tüncher Ann 
Zaitlergehilfe Brauschmidt und Kaufmann Binn 
vie aug der Feuerwehrmann Welsch. Erst gn 
„on Coburg beorderten Abtheilung von 24 
Infanterie gelang es Nachmittags 8 Uhr den 9 
ufzufinden. Die Stadt ist in tiefster Trauer i 
das entsetzliche Unglück. 
— — * 
aim 210 ds. Mtis. in Erfurt verstorbene Fuam 
der Infanterie z. D. Ludwig von Rothmaler * 
der einzige deutsche General der Gegenwart, p 
virklich von der Pike auf gedient hat. 5 bi 
mn Jahre 1814 in Teistungen im Kreise Won 
rat t1830 dbei der Schulabtheilung des