— Speyer, 12. Januar. Heute fand da—
hier unter dem Vorsitze des J. Vorstandes des land⸗
wirthschaftlichen Kreis-Komités eine Sitzung statt,
au der fich ca. 12 Mitglieder betheiligten. Der
erste und Hauptgegenstand war: Antrug auf Auf⸗
hebung der Gewerbesteuer auf landwirthschaftliche
Brennereien“ und- fand dieser Antrag allgemeine
Zustimmung. Hieran ftellte das außerordentliche
Peilglied Herr Frenzel den weiteren Antrag, es
möge höheren Orts dahin gewirkt werden. daß das
Branniwein⸗Aufschlaggesetz dahin abgeäudert werde.
daß bei der Besteuerung ein Unterschied zwischen
fleckigen und kranken Kartoffeln und gesunden ge⸗
macht werde, da bei nassen Jahren erstere in Menge
vorhanden und rasch mit Nachtheil verarbeitet werden
müßten, eine Besteuerung daher eine ungerechte sei.
Der Autrag fand allgemeine Zustimmung und wird
—D Kreis⸗Komitoé's seine
Erledignng finden.
Speyer. Se. Excellenz Regierungspräfi⸗
dent der Pfalz hat aus Mitteln des Fonds für
Erhaltung von Alterthümern ⁊c.: 1) dem Pfälzischen
Architekten⸗ und Ingenieur⸗Verein für das von dem⸗
selben unternommene Werk einer Aufnahme der
historisch und kunstgeschichtlich wichtigen Baudenk⸗
maler der Pfalz 150 Mi., 2) dem Madenburg-
Verein in Landau 100 Mi. und 8) dem Trifels
Verein behufs Restaurirung des Trifels 445 Mk.
93 Pfg. als Unterstü zungsbeitrag zugewiefen.
A Nach der „Speyerer Zeitung“ sind bis jetzt
etliche 30 Konkurrenzproielte für die Protestations⸗
kirche eingelaufen.
— Frankenthal, 15. Januar. Vor der
Strafkammer des k. Landgerichts wurde heute gegen
die Brüder Heinrich und Herman Cron von Neu⸗
stadt wegen Weinfälschung verhandelt. Nach der
Anklage jollen dieselben vom Jahre 1879 bis ein⸗
ichließlich 1882 sogenannten Kunstwein in großen
Parthien hergestellt und als Naturwein verkanft
haben. Zur Herstellung des Kunstweins wurden
Sprit, Giycerin, Weinsteinsäure, Tannin u. s. w.
berwendet. Die Gutachten der die Weine aus dem
Cron'schen Keller untersuchenden Chemiker gingen
dabei weit auseinander; derselbe Wein, der von
den Einen als Kunstwein bezeichnet wurde, erhielt
don den andern das Prädikat Naturwein. Die
Urtheilsverkündigung wurde schließlich auf den 22.
ds. Mis. vertagt.
— Ludwigshafen, 15. Jan. Der ledige
Eisenbahnbeamte F. G. dahier wird seit 2 Tagen
dermißt. Wie es heißt, hat derselbe einer Wittwe,
dei welcher er längere Zeit hindurch in Logis war,
großen finanziellen Nachtheil gebracht. Die derselben
entlehene Suͤmme soll sich auf über 2000 Marl
belaufen. G. soll dieses Geld unter dem Vorwande,
die Witlwe heirathen zu wollen, erhalten und von
seinen Freunden ebensoviel dazu bekommen haben,
um diese Schuld wieder abtragen zu können. Mit
dieser Summe und unter Zurücklassung von anderen
Schulden scheint G., welcher der doppelt schwer
geprüften Wittwe ein theueres Andenken hinterließ
den Weg nach Amerika eingeschlagen zu haben.
Des schweren Betruges beschuldigt, wird der Ver⸗
mißte polizeilich verfolgt. (F. T.)
— Ludwigshafen, 16. Januar. Man
schreibt der „Frlih. Zig.“ von hier: Vor ungefähr
zMonaten derlor ein Schlosser in der hiesigen
Waggonfabrik beim Einhauen sein rechtes Auge,
indem ihm ein Eisensplitter in dasselbe sprang. Für
den Verlust des unersetzbaren Augenlichtes aber
wurde demselben von der Direltion der Waggon⸗
fabrik in Anbetracht dessen. daß er nur kurze Zeit
arbeitsunfähig war, eine Entschädigungssumme von
450 Mk. angeboten, aber der Schlosser hat das
Offert zurückgewiesen und man ist gespannt, welches
höhere Angebot nunmehr erfolgen wird. In einem
früheren ähnlichen Falle hat die nämliche Fabrik
inem Arbeiter die Summe von 3000 Mt. zuerkannt.
— Ludwigshafen a. Rh., 16. Januar.
Heute vormittag hat sich in Mannheim in der
Stadt Jerusalem“ der Kaufmann Müller, Associe
hder Firma Ritter u. Comp., erschossen. Wie das
„M. Tgbl.“ hört, soll Müller durch eine von
feinem Socius gegen ihn eingereichte Denunziation
wegen eines Vergehens gegen die Sittlichkeit zu
dem unglückseligen Schritt getrieben worden sein.
Vermischtes.
Mannheim, 185. Januar. Eine Kiste,
jozialistische Flugblätter enthaltend, wurde gestern
Naͤchmittag durch die hiesige Schutzmannschaft ab⸗
gefaßt, in dem Augenblick. als sie der Schreiner⸗
———
iüdressirt war dieselbe an Malergehilfen Kräker.
Sowohl der Adressat wie der Abholer wurden ver⸗
jaftet, und fanden sowohl bei diesen wie bei an—⸗
zeren Parteigenossen umfassende Haussuchungen statt.
fMannheim, 15. Januar. Herr Hof⸗
opernsänger Fritz Plank wurde wie man hört, mit
einer Jahresgage von 8000 Mk. für das Karls⸗
cuher Hoftheater engagirt und wird im Herbste
dieses Jahres aus dem Verbande unserer Bühne
cheiden. Der Verlust dieses Kunstlers dürfte von
»em Theaterpublikum allgemein beklagt werden.
FKoln, 165 Zanuar. Durch Vermittlung
des Polizeikommissars Herwagen in Mülheim a. Rh.
ist es gelungen, den muthmaßlichen Mörder der
Familie Stockhausen, den bereits steckbrieflich ver⸗
solgten Tillmann Hans, heute in Lüttig festzunehmen
f Ueber den Edelmuth eines Frankfur—
ter Droschkenkutschers schreibt das dortige
Journ.: Vor einigen Tagen hat ein Droschken⸗
kutscher an der löwenlenkenden Bavaria eine treffende
und unerbittlich strenge Kritik ausgeübt. Gestern
aber hat ein „College“ von ihm bewiesen, welch'
zutes Herz unter der rothen Weste shlägt. Am
Bockenheimer Thor hatte nämlich der Führer eines
tädtischeun Kehrichtwagens einer Droschke das Rad
veggefahren. Darob furchtbare Entrüstung unter
ämmtlichen Lackhüten! Gleichsam als ob sie alle
ür das abgefahrene Rad solidarisch zum Rächer⸗
imte berufen wären, hielten sie den armen Fuhr⸗
nann fest, um ihn die böse That sühnen zu lassen.
Der Unglückliche erschrack furchtbar vor den wilden
Blicken, den (natürlich nur vom gerechten Zorne)
zerötheten Gesichtern und dem Stimmengewirr der
stosselenker. Er versprach jämmerlich um Entschul⸗
zigung bittend, das Rad dezahlen zu wollen. Das
iber rührte die guten Droschkenkutscher; sie ließen
ib von ihm und der Besitzer der übel zugerichteten
Droschke trat hervor aus der Menge, öffnete den
MRund und sprach mit Würde: „Geh' haam',
Dos, Du brauchst das Rad net zu bezahlel, Wenn
zie Droschkenkutscher so weiter machen, wird der
nächste preußische Finanzminister sicher aus ihren
Reihen gewählt.
F Bernburg. Man höri wohl öfter, daß
dienstboten 25 Jahre bei einer und derselben Herr⸗
chaft aushalten. Daß ein Diensthote aber 71
Jahre lang einer Familie, vom Großvater bis zum
kntel, seine treuen Dienste ohne Unterbrechung ge⸗
eistet hat, steht wohl einzig da. Eine Magd des
Sanitätsraths Dr. Frenckel dahier, welche in wenigen
Wochen ihr 80. Lebensjahr zurücklegen wird, trat
mit ihrem 9. Jahre in den Dienst der Frendel'schen
Familie und ist bis jetzt in derselben verblieben.
Nur ihr hohes Alter veranlaßt sie, nunmehr ihren
Wirkungskreis zu verlassen und sich in einem Stifts⸗
hause zur Ruhe zu setzen.
Hamburg, 17. Jan. Der muthmaßliche
Arheber des Frankfurter Dynamit⸗Attentates, der
Anarchist Schriftsetzer Reinsdorf aus Leipzig, wurde
gestern von hier nach Frankfurt transportirt. Der⸗
selbe simulirte anfangs Irrsinn.
F (Reiche Erbschaft.) Aus Kiel wird
nitgetheilt, daß der Professor Dr. Himly, ein
Schwager des in London verstorbenen Siemens
uus dem Nachlaß des Leßteren fünf Millionen Mk
Jeerbt habe. Siemens soll im Ganzen 160 Mill.
Mark hinterlassen haben.
Merkwürdige Familienverhält—
nisse. In Fürstenau wohnte bis vor einem halben
Jahre ein Bauer, der, wie die Dorfzeitung erzählt,
nacheinander drei Schwestern heirathete. Jede seiner
Frauen war Wittwe und brachte ihm Kinder zu.
Da aus jeder Ehe zwischen ihm und seinen Frauen
dinder hervorgingen, so hatte er das „Glück“,
Bater von 27 Kindern, aus sechs verschiedenen
ckhen, zu sein. Trotß der vielen Esser waren die
iußeren Verhältnisse des Mannes recht günstig zu
rennen, und er konnte es ermoͤglichen, jedem seiner
dinder zu einem angemessenen Fortkommen zu ver⸗
jelfen. Heute sind die vielen Vögel bereits ausge⸗
logen, während der kinderreiche Vater in einem
leinen Städtchen in Ruhe seinen Lebensabend ver⸗
zringt. Das Wort, „viel Kinder, viel Segen“ ift
hier zutreffend gewesen.
F In Bromberg stahl Jemand die Lgiti⸗
nation eines Anderen zum Gefängnißantritt, um
elbst ins Gefängniß zu kommen.
F Wien, 15. Januat. Ueber das Vorleben
»es Hugo Schenk wird aus Olmüz berichtet:
hugo Schenk wurde bereits am 5. Dezember 1870
jier wegen Betrugs zu fünfjahrigem schweren Kerker
zerurtheilt, welche Strafe vom Obergerichte auf
2113 Jahre herabgesetzt wurde. Die Angelegenheit
zetraf ebenfalls einen Heirathsschwindel, den Schenk
n Littau ausübte, wo er sich der Wittwe Aloisia
ercek als Bahndirektor in Warschau und polnischer
HZutsbesitzer unter dem Namen Fürst Wielopolski
jorstellte, der nut auf Dienstreisen in Oesterreich fich
hugo Schenk nenne. Er bewarb sich sogleich um
zie Hand der siebzehnjährigen Tochter Marie Kreek.
Da diese nach Rußland nicht heirathen wollte, er—
klärte er, daß er in Wien bei der englischen Bank
eine Anstellung haben könne, die jedoch eine Kaution
j»on 2000 fl. erforderte. Frau Kreek gab Schenk
1600 fl. Staatspapiere und später in Wien 500
Bulden. Schenk stellte ihr dort einen älteren Herrn
als seinen Bureauchef und später einen anderen
aülteren Herrn als Direktor der englischen Bank vor,
welche ihr zur Verbindung mit Schenk gratulirten.
— Aus Prag wird über den Raubmörder be—
richtet: Hugo Schenk war 1878 als Direktor in
der Papierfabrik des Herrn Reimann in Brettgrund
dei Schatzlar bedienstet; er huldigte dort unbefug—
tem Jagdvergnügen. Mit der Gouvernante der
Familie Reimann begann er ein Liebesverhältniß,
sündigte den Dienst und verschwand mit derselben.
— Ueber den Mord an der Theresia Ketterl, den
arl Schenk allein vollführt haben dürfte, erfährt
nan Folgendes: Karl Schenk, sein Bruder Hugo
ind die Köchin wohnten durch vier Tage im Gasthof
zu den drei Lilien“ in Lilienfeld. Am vierten
Tage ging Karl, nach seinem eigenen Geständnisse,
nit Ketterl allein aus und zwar machten die beiden
einen Spaziergang in den Jungwald, der oft wochen⸗
ang nicht besucht wird. An einer verlassenen Stelle,
vo sich ein mehrere Ouadratklafter großer, mehr
ebener Platz auf der Höhe befindet — verübte
Schenk die That, indem er das arme Opfer nieder⸗
choß. Die Stelle, wo die Leiche im Jungwalde
iegt, ist nur wenige Schritte von der Waldgrenze
mn Hochwald, in der Nähe des „Holzschlages“.
dilienfeld hat ein Gendarmerie-Posten-Kommando
nit einem Wachtmeister und drei Gendarmen; diese
urchstreiften aber nur die Wege der Fluren und
Wälder. An die bezeichnete Stelle kommt selten
Jemand, allenfalls ein Jäger nach dem Pürsch⸗
zange. Die Leiche hätte dort Jahre lang, vielleicht
bis zur völligen Vernichtung liegen koͤnnen, ohne
entdeckt zu werden.
F Wien, 16. Januar. Pongraz und
Dürschner verharren bei hartnäckigem Leugnen.
hongraz antwortet auf alle Fragen mit großer
Vorsicht und Ueberlegung, ohne sich in Widersprüche
zu verwickeln, von dem dritten Mitschuldigen ist
noch keine Spur. Eiserts Befinden hat sich ge⸗
beffert. Die Aerzte hoffen, das Leben desselben zu
erhalten. Es ist ermittelt worden, daß der Frauen⸗
mörder Schenk vor seiner Verhaftung wieder einen
Briefwechsel mit einem Mädchen angeknüpft hatte;
dessen Name ist bis jetzt noch nicht genannt. Heute
Nacht verhaftete die Polizei ein verdächtiges Indi⸗
piduum, welches nach den gemachten Erhebungen
als der dritte Theilnehmer der Raubmorde in Maria⸗
hilf Eisert) erscheint.
F Ein ähnliches Verbrechen wie jenes, welches
gegenwärtig Wien in Aufregung und Unruhe ver⸗
etzt, ist in Lemberg verübt worden. Auch in
ziesem Falle ist es die unmenschliche Grausamkeit
zegen ein Kind, welche das Verbrechen um so furcht⸗
zarer erscheinen läßt. Schon vor einigen Tagen
iberfiel ein biͤher unbekanntes Individuum die
ugendliche Tochter eines in der Friedhofgasse wohn⸗
jaften Eisenbahn⸗Conducteurs, unverkennbar in der
Abficht, während der Abwesenheit des bei der Familie
vohnenden Zimmerherrn sich in gewaltsamer Weife
der Werthgegenstände und des vorhandenen Baar—⸗
jeldes zu bemächtigen. Nur der Wachsamkeit eines
daushundes hatte damals das Mädchen die Er—
jaltung ihres Lebens zu verdanken, denn der raub⸗
ustige Strolch war durch das drohende Dazwischen⸗
reten des treuen Thieres gezwungen, die Flucht
u ergreifen. Sonnabend Vormittag erneuerte der⸗
elbe das Attentat in der Wohnung des »Bahncon⸗
zucteurs und leider mit einem schrecklichen Erfolge.
Er zerschmetterte dem unglücklichen Mädchen mit
nehreren Axthieben den Schädel. Die behördliche
Fommission, die um 12 Uhr Mittags auf dem
Thatorte erschien, fand das Mädchen noch am Leben,
edoch ohne Besinnung und überhaupt in hoffnungs⸗
losem Zustande. Der Verbrecher ist entkommen
und bis Abends war man demselben noch nicht
auf der Spur.