Full text: St. Ingberter Anzeiger

mit jedem Jahre deutlicher herausstellt, ihren An— 
theil nehmen. Einige unserer Landsleute haben 
dies vollkommen eingesehen und sich am Platze 
niedergelassen. Von guten, in Frankreich geworbenen 
Arbeitern unterstützt, kämpfen sie mit Vortheil 
nicht blos mit der Einfuhr, gleichviel woher sie 
kommt, sondern auch mit ihren Konkurrenten spa⸗ 
nischer Abkunft. 
Obgleich diese Mittheilung nur auf Franzosen 
berechnei ist, wird sie doch auch für die deutschen 
Industriellen gut zu wissen sein. 
LEokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 20. Juni. Am nächsten 
Sonntag, 22. ds. Mis., feiert der Zweigver— 
ein der Gustav-Adolf-Stiftung für das 
Dekanat Homburg dahier sein Jahresfest. Der 
Gollesdienst beginnt des Nachmittags um 2 Uhr. 
Die Festpredigt hält Herr Pfarrer Jung von 
Waldmohr. Rach Beendigung des Gottesdienstes 
findet im Oberhauser'schen Saale eine Nachver⸗ 
sammlung statt. 
o. Behufs Errichtung der durch das Reichsgeset 
über die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. 
Juni 1883 vorgeschriebenen Ortskrankenkasse wur⸗ 
den für die Bürgermeisterei Enstzeim durch die 
betreffenden Gemeinderäte die ortsüblichen —A 
festgestellt. wie folgt: 
a. für erwachsene männliche Arbeiter auf 2,00 
b., weibliche F 1,00, 
c. maännl. Arb. unter 16 Jahren, 0,80, 
d., weibl. , 0,50, 
— Einem Knaben in Vogelbach, der sich 
seither mit Kegel aufsetzen beschäftigte, passirte 
während des Kegelspiels das Unglück, daß ihm eine 
Kugel an's Bein flog. Es entstand eine Entzün⸗ 
dung, zu welcher Blutvergiftung hinzutrat, und 
gestern Mittwoch, mußte der arme Bursche infolge 
dessen sein junges Leben aushauchen. 
— Steinfeld, 18. Juni. Heute früh um 
148 Uhr passierte hier ein gräßliches Unglück. Der 
Zimmermann Metz von Oberotterbach ließ mit seinen 
Jeuten behufs Reparatur den oberen Theil des 
Joseph Nist'schen Hauses mittelst Hebgeschirrs in 
die Höhe heben. Als er schon über 2 Fuß geho—⸗ 
ben war, stürzte das Haus plötzlich zusammen, wo⸗ 
bei der Ackeret Andreas Straßer, Vater von 7 
unmündigen Kindern todt blieb; der Ackerer Martin 
Paul, Sohn von Michael, wurde schwerverletzt aus 
den Trümmern hervorgezogen. Wären die Hand— 
werker nicht 3 Minuten vorher zum Frühstück ge⸗ 
gangen, so hätten gewiß noch 6 bis 7 Versonen 
ihren Tod gefunden. 
— In Neustadt hat sich ein Verein gegen 
den Hausbettel gebildet, welchem sogleich über 400 
Personen mit Jahresbeiträgen von mehr als 2000 
Mark beigetreten sind. 
— Freinsheim, 186. Juni. Die Einnahme 
der Gemeinde aus Kirschen beträgt dieses Jahr 
wenigstens 200.000 Mark. 
Pfälzijches Schwurgericht. 
Zweibrücken, den 18. Juni, Vormittags 
8 Uhr. Verhandlung gegen Georg Schmitzer 
20 J. alt Dienstknecht von Eschbach wegen 
Meineides. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft 
Herr Rechispraktikant Weber. 
Dem Angeklagten wird zur Last gelegt in der 
Sitzung des Schoffengerichts Bergzabern vom 11. 
März abhin in der Einspruchsverhandlung gegen 
Nikolaus Nuß, Küfer von Gleiszellen beschworen zu 
haben, genannter Nuß sei in der Neujahrsnacht 
1884 des Morgens 312 Uhr in Begleitung von 
Jakob Kuhn und einigen anderen Burschen von 
Gleishorbach vor die Wohnung des Waldhüters 
Johann Wisser von Gleiszellen gezogen und habe 
dort zwei Schüsse aus einem sogenannten Sack⸗ 
puffer abgegeben. Er, der Angeklagte, habe den 
Nuß genau gekannt, täusche sich nicht, da er 
nur 4 Schrüt von den Gleishorbacher Burschen 
am Hofthore seines Dienstherrn Johannes Hofmann 
don Gleiszellen gestanden sei. Auch die Zeitangabe 
sei richtig, da er die Uhr habe schlagen hören. 
Nuß stelit in der fraglichen Schöffensitzung entschieden 
in Abrede, geschossen zu haben und wurde hiebei, 
namentiich von dem Zeugen Heinrich Wendel, unter⸗ 
stützt, welcher aussagte, er sei mit Nuß und verschiedenen 
—— 
gewesen und erst später nach Gleiszellen gekommen. 
Urtheil: ein Jahr Gefängniß wegen fahrlässigen 
Falscheides 
Zweibrücken, 17. Juni. Schwucgericht. 
Vorm. 8 Uhr. Verhandlung gegen Kath. Schar⸗ 
fenberger, 20 Jahre alt, aus Iggelheim 
wegen Meineids. Der Fabrikaufseher Jakob 
dolb von Schifferstadt, welcher am 2. Dez. 1883 
Abends 10 UÜhr mit der Bahn von Böhl nach 
Schifferstadt fahren wollte, war auf der Station 
Zöhl, als der Bahnzug bereits im Gange war, auf 
)enselben gesprungen, und sollte deßhalb auf der 
nächsten Station Schifferstadt dessen Persönlichkeit 
zestgestellt werden. Er wurde zu diesem Zweckt 
dem Bahnhofpverwalter in Schifferstadt vorgeführt, 
bei welcher Gelegenheit er heftig Widerstand leistete 
und die Flucht ergriff. Daraufhin wurde Unter 
uchung wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt 
jegen iͤhn eingeleitet und auf Grund derselben die 
äröffnung der Hau twerhandlung vor dem Schöffen— 
zerichte Speyer beschlossen. In der Sitzung dieses 
Herichts vom 6. März 1884 machte Kolb geltend, 
er sei allerdings um 6 Uhr des fraglichen Abends 
am Bahnhofe Böhl gewesen, aber schon um diese 
Zeit nach Schifferstadt gefahren. Zur Unterstützuug 
einer Aufstellung trat die Angeklagte als Entlast— 
ingszeugin auf und gab an, sie habe am 2. Dez 
1883, Abends gegen 6 Uhr den Kolb im Bahn— 
hofe Böhl gesehen und bei ihrem Weggehen noch 
Hemerkt, daß derselbe an einem Coupe stand; ein— 
leigen habe sie ihn jedoch nicht gesehen. Auch habe 
ie denselben vorher nicht gekannt, Die Verhand—⸗ 
ung mußte behufs weiterer Erhebungen in die 
Sitzung vom 13. März vertagt werden, wo die 
Angeklagte ihre ersten Angaben wiederholte, mit 
dem Hinzufügen, daß sie sich am Bahnhofe deß— 
wvegen befunden habe, um Besuch aus Metz abzu— 
solen, der ihr brieflich angezeigt worden sei. Zur 
Bethätigung nochmaliger Recherchen wurde die Ver— 
jandlung auf den 20. März 1884 vertagt. Auch 
hier blieb sie auf ihren Aussagen stehen, und ins- 
hesondere darauf, daß sie den Kolb vorher nie ge— 
kannt habe und in keinem Liebesverhältniß mit 
demselben stehe. Trotz dieser für ihn günstigen 
Aussage wurde Kolb unter Berücksichtigung der 
»estimmten Aussagen der Belastungszeugen verur— 
heilt, und hat auch später zugegeben, daß er wirk⸗ 
ich mit dem kritischen Zuge nach Schifferstadt ge⸗ 
ahren und dem Bahnpersonal sich widersetzt habe. 
Daäraufhin wurde die Angeklagte wegen Verdachts 
des Meineides sofort verhaftet. In heutiger Haupt⸗— 
nerhandlung gibt die Angeklagte nach anfänglichem 
deugnen zu, den Kolb schon vor dem 2. Dezember 
1883 näher gekannt und zu seinen Gunsten 
deponirt zu haben, was auch durch die Zeugenaus⸗ 
aussagen, die ein Liebesverhältniß der beiden fest- 
itellen, auf das Bestimmteste dargethan wurde. Die 
Angeklagte wurde zu 1 Jahr Gefänaniß ver— 
urtheilt. 
Zweibräücken, 17. Juni. Nachmittags 8 
Uhr. Verhandlung gegen Stephan Hoecker, 
32 Jahre alt, Agent von Friesenheim, wegen Mein— 
eids. Vertreter der kgl. Staatsanwaltschaft Herr 
„taatsanwalt Wagner. Vertheidiger Herr Rechts- 
zraktikant Dr. Mayr. 
Der Angeklagte ein schon mehrfach und theil. 
weise empfindlich bestrafter Mensch war Verkaufs 
agent bei der Neidlingerschen Nähmaschinen-Nieder- 
lage in Mannheim. Mitte Januar dieses Jahres 
kain er mit dem Inhaber dieser Firma nach Lud⸗ 
wigshafen, in das Haus des dort wohnenden 
Schlossers Müller, dessen Frau er zu dem Ankaufe 
einer Nähmaschine zu bewegen suchte. Da diese 
jedoch erklärte, sie könne ohne Erlaubniß ihres 
Mannes einen derartigen Kauf nicht abschließen, so 
wurde nach dem Ehemanne Müller gesendet, welcher 
ts jedoch vorzog nicht zu erscheinen. Nichtsdesto— 
weniger verhandelte der Angeklagte mit der Frau 
Müller weiter, welche er denn auch zu dem Kaufe 
zu bewegen vermochte. Als ihm bei dem Verlassen 
des Hauses der Inhaber der Firma Neidlinger da— 
rauf aufmerksam machte, daß es kein Kauf sei, 
venn man nur mit der Frau verhandeln, erwiederte 
hm der Angeklagte, dies mache nichts, mit dem 
Manne werde er schon fertig. Des anderen Tages 
andte er eine Nähmaschine in das Haus des Müller, 
ind verfügte sich ebenfalls noch einmal dorthin. 
Im Monate März abhin erhob die Firma 
Neidlinger bei dem kgl. Amtsgerichte Ludwigshafen 
gjegen Müller Klage auf Zahlung des Kaufpreises 
der Nähmaschine. Da Müller bestritt, mit der 
Firma Neidlinger einen Nähmaschinenkauf ab— 
Jeschlossen zu haben, so wurde von dieser der An⸗ 
Jeklagte als Zeuge produzirt, welcher auf seinen 
ẽid hin angab, daß zwischen ihm und dem Ehe⸗ 
mann Müller an dem Tage, als er zum ersten 
Male in dessen Hause gewesen sei, der fragich 
dauf abgeschlossen worden sei. Trotzdem von vð 
chiedenen anderen Personen eidlich festgestellt wurde 
daß Müller an diesem Tage gar nicht in seinem 
Hdause anwesend sei, und trotz wiederholten Vorhali— 
bon Seiten des kgl. Oberamtsrichters von idne 
hafen beharrte der Angeklagte auf seinen Angabin 
In Folge deren wurde Anklage wegen Meineide 
erhoben. 
In heutiger Sitzung behauptet der —X 
er habe dem Müller damals als er zum erften 
Male in dessen Haus gewesen die Nähmaschine der 
auft. Jedoch sei der definitive Vertragsabschluß 
nicht im Zimmer, im Beisein der anderen Personen 
ondern im Hausgange erfolgt; es sei deßhalb leihi 
nöglich, daß diese nichts davon wahrgenomme 
Jätten. Durch die vorgenommenen Zeugen wird 
edoch die Unstichhaltigkeit dieser Aufstellungen dar 
gethan. 
Der kgl. Staatsanwalt stellte auf, durch di— 
seutige Verhandlung habe sich zur Evidenz erwiesen 
daß der Angeklagte wissentlich einen falschen Eid 
geschworen habe, und es hieße, nach Lage der Sache 
dem Gesetze Gewalt anthun, Fahrlässigkeit annehmen 
zu wollen. Es sei nachgewiesen, daß der Angeklagi 
riemals mit dem Ehemanne Müller über den frag 
lichen Maschinenkauf verhandelt habe. Er huadͤ— 
onach eine objektiv unwahre Thatsache wissentlid 
alsch beschworen. Alle Requisiten des Meineidet 
eien mithin gegeben, und müsse deßhalb Schuldig⸗ 
prechung im Sinne der Anklage erfolgen. 
Die Vertheidigung suchte auszuführen, daß der 
Angeklagte eines Meineides sich nicht schuldig ge— 
nacht habe, da derselbe offenbar nur beschwörer 
vollte, das überhaupt ein Kaufvertrag mit der 
Eheleuten Müller zu Stande gekommen sei, und 
aicht, das er speciell mit dem Ehemann Müller in 
Unterhandlung gestanden und auf Grund dieser 
Berhandlungen mit diesem contrahirt habe und be— 
intragt Freisprechung. In zweiter Linie machte 
der Vertheidiger geltend, es könne jedenfalls uur 
»em Angeklagten ein fahrlässiger Falscheid imputir! 
verden, welche Frage er dem Ermessen der Ge— 
chworenen überließ. 
Die Geschworenen sprachen den Angeklagten im 
Zinne der Anklage schuldig, worauf derselbe zu 
iner Zuchthausstrafe von 8 Jahren verurtheilt 
vurde, ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf di 
Dauer von 10 Jahren aberkannt und zugleich die 
»auernde Unfähigkeit als Zeuge oder Sachverstän— 
diger eidlich vernommen zu werden. ausgesprochen 
wurde. 
Bermischtes. 
f Metz, 17. Juni. Ein französischer Offiziet 
der Commandant der Territorial-⸗Armee im 86 
Kegiment, Rosenberg, welcher vor Kurzem aus Pari 
iethergekommen und im Hotel de l'Europe abge⸗ 
tiegen ist, wurde gestern, als er sich bettelnd in 
Montigny herumtrieb, vom dortigen Ortspolizen 
iener verhaftet und der Gendarmerie überlieferh. 
Der Verhaftete, welcher allem Anschein nach irr— 
innig ist, trug einen geladenen Revolver bei sich 
xinem gewissen Wilhelm Zech hatte er, wie dir 
„L. Ztg.“ berichtet, vorher seinen Ring übergeben 
nit der Angabe, derselbe sei aus deulschem Golde 
ind alles Deutsche verachte er. Rosenberg wurde 
in Pagny über die Grenze befördert und der dor⸗ 
ligen französischen Polizei übgeben. 
Ansbach, 14. Juni. Zu der im Monu 
August in Ansbach Statt findenden Hauptversamm 
sung der bayerischen Volksschullehte 
inde der „N. Würzb. Zig.“ zufolge, bis jetzt hob 
zende Vorträge angemeldet: 1) Trägt die modernt 
Volksschulbildung zur Mehrung oder zur Minderun 
zes sozialen Elends bei?“ von Winter in Nürn 
»erg. 2) „Die Behauptung, unsere —ãA 
verde weniger als die früherer Zeiten in Religion— 
Siltlichteit ind anständigem Betragen gefordert, it 
uingerechtfertigt“ von Diltmarin Nürnberg. 3) . 
Jeutige Volksschule in Bayern und ihr nafurgemãßt 
Ausbau bou',A. Weichsel in Würzburg. derre 
Jat Prof. Bopp in Stuttgart einen Vortrag ühen 
feine physikalischen Apparate angemeldet. 
p'hHerzogenaurach, 14. Juni. Hit 
wurde unlängst ein Paar getraut, von dem di 
zartere Ehehaͤlfte 74 Jahre alt und der Brauian 
Janze 22 Jahre alt ist. Die braäutliche Braut 
seit 22 Jahren Wittwe und war —XX du 
derschiedener frommer Ordensgesellschaften. d 
Aufsehen, welches diese Hochzeit verursachte; wo