Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
er ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltung⸗ 
jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich JIAM 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 H, einschließlich 
¶ Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr für die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 18 4, Reclamen 30 B. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
119. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 20. Juni. Der Reichsanzeiger 
oncirt das Gesetz betreffend die Stempelsteuer für 
uf, uud Lieferungsverträge im kaufmännischen 
erkehr und für Werkverdingungsverträge. 
die Dampfersubventions vorlage wird 
ne man in Regierungskreisen annimmt, doch noch 
ar zweiten Lesung im Plenum des Reichstages 
umen. Die Obstruktion, welche von den Frei— 
mmigen in der Commission versucht wird, dürfte 
icht durchdringen. Der von nationalliberaler Seite 
egebenen Anregung, bei dieser Gelegenheit sich über 
i Politik der Reichsregierung in Sachen der Co⸗ 
onialfrage zu informiren, duͤrfte wohl Folge ge⸗ 
ebhen werden. 
Ausland. 
Wien, 19. Juni. Die Zusammenkunft 
es deutschen Kaisers mit unserem Kai⸗— 
et soll am 9. August in Ischl stattfinden. — 
us Galizien treffen Meldungen ein über durch 
ihaltendes Regenwetter verursachte Ueberschwem⸗ 
uungen. 
kokale und pfälzische Nachrichten. 
— Enkenbach, 19. Juni. Einem hiesigen 
zütger war dieser Tage eine Sau entlaufen, nach 
lelcher sich eine Anzahl Nachbarn desselben auf 
e Suche machten. Dieselbe wurde auch gefunden, 
zer auch noch etwas anderes. In einem dichten 
ebüsche fand man nämlich eine Hoöhle, in welcher 
Personen bequem Platz haben und mit allen 
iööglichen Gegenständen ausgerüstet, einer Hacke, 
ammer, Stemmeisen, einer Lampe, einem Gewehr 
c. Wie sich nun herausgestellt hat, hat eine Anzahl 
ehrlinge eines hiesigen Geschäftes diese Höhle her⸗ 
estellt, mit der ausgesprochenen Absicht, ein Räu—⸗ 
etleben zu führen. Die Werkzeuge ꝛc. haben die⸗ 
elben ihren Dienstherren gestohlen. 
— Neustadt. Am Sonntag, den 29. Juni 
itd der Münchener Opernsänger Franz Nach—⸗ 
aur mit dem Cellisten Jean Hugo Becker von 
er Frankfurter Oper, Sohn des verstorbenen Jean 
F & Mannheim, hier im Saalbau ein Kon⸗ 
ext gehen. 
Bermischtes. 
St. Johann, 20. Juni. In der hiesigen 
isenbahn⸗ Consum⸗Anstalt wurde in diesen Tagen 
ne Brod⸗Revision vorgenommen, bei welcher sich 
erausstellte, daß von den sehr vielen vorräthigen 
roden auch nicht ein einziger Laib im richtigen 
ewicht stimmend, vorgefunden wurde, ja, daß fich 
gar zum Schaden der Consumenten Gewichtsdif⸗ 
tenzen bis zu 250 Gr. feststellen ließen. 
Dann, 185. Juni. In unserer Nachbar⸗ 
meinde Uedersdorf ist heute ein schrecklicher Un⸗ 
lücköfall vorgekommen. Da die Pfarrei Ueders- 
otf keinen eigenen Pfarrer hat, so wurde heute 
diesem Orie die Frohnleichnams-Prozession ab⸗ 
chalten, bei welcher Gelegenheit, wie fast überall 
blich, während des Segens Boöllerschüsse abgefeuert 
xerden sollten. Bei dem dritten Schusse sprang 
er Böller, und ein großes Stück davon flog dem 
enselben abfeuernden 28jährigen jungen Manne 
n der Seite an den Kopf,, so daß dieser voll⸗ 
andig zerschmettert wurde. Das Gesicht war voll⸗ 
undig abgetrennt und lag einige Schritte abseits 
mf dem Boden dasssselhe wurde wieder alif die 
Sonntag, 22. Juni 1884. 
19. Jahrg. 
noch übrigen Reste des Kopfes aufgelegt. Das 
Fehirn und verschiedene Schädelstücke hingen an den 
imliegenden Hecken. Da das Unglück bei Beginn 
ꝛer Prozession vorkam, so ist es leicht erklärlich, 
aß sich aller Theilnehmer eine tiefe Erschütterung 
emächtigte. 
Mertesdorf, 18. Juni. Der Reichthum 
in Erdbeeren auf dem zum Gemeindebezirk von 
Metersdorf gehörigen Stumm'schen Rittergute Grün⸗ 
zaus war immer bekannt. Eine so außergewöhn⸗ 
iche Menge dieser Beeren, wie in diesem Jahre, 
ürfte aber wohl noch selten dort gefunden worden 
ein. Es ist wirklich interessant, zu sehen, wie das 
Futter, welches die Leute aus dem Grünenberge 
ringen, von Erdbeersaft wie von Blut getränkt 
ussieht. Man braucht sich daher nicht zu wun⸗ 
ern, daß die benachbarten Ortschaften Ruwer, Fell 
c. scharenweise dorthin ziehen, um einen guten 
Taglohn zu finden. 1 Person soll an einem Tage 
nitunter 12 Mark mit Erdbeersammeln verdient 
saben. Wie man hört, wurden in den letzten 
Tagen unberechtigten Beerensammlern die gesam— 
nelten Beeren sammt den Körbchen confiscirt. 
f Metz. Auf dem hiesigen Bahnhof wurde 
zor einiger Zeit die Pauline Silberschmidt 
uus Montenach bei Sierck (Kheinpreußen) von 
„chlafsucht befallen; man verbrachte das 
Mädchen in das jüdische Hospital dahier, wo sie 
eitdem schlafend lag und durch Eingießen von 
lüssiger Nahrung erhalten wurde. Am Montag 
ndlich erwachte sie, leider aber zum geistigen Tod, 
um Irrsinn, der bald bis zur Tobsucht stieg. 
Schon am Dienstag aber fiel sie wieder in ihre 
-Zchlafsucht zurück. Nun wurde sie zu ihren Eltern 
nach Montenach verbracht. Eine Schwester von 
hreist seit 10 Jahren geisteskrank, nachdem fie 8 
Jahre lang die gleichen Schlafsuchtsanfälle gehabt hat. 
(Gindermund.) Ein kleiner zweijähriger 
Münchener, der seine Halbe schon wohl zu heben 
versteht, hat herausgefunden, daß Bockbier der höchste 
gipfel aller Biere sei, und er ist demgemäß sehr 
ntzückt von Bockbier. Als er nun dieser Tage auf 
iner Landparthie Milch zu trinken bekam, die 
einem großen Durste trefflich behagte, wußte der 
leine Mann seinem Lobe keinen besseren Ausdrud 
uu geben, als daß er mit Nachdruck ausrief 
Mama, die Milch ist aber gut, das ist gewiß 
zockmilch!“ 
Von der Strogen, 17. Juni. Wie dem 
Münchener Boten“ geschrieben wird, fand ein 
Mühlbursche im Strogenflüßchen die Füße eines 
nenschlichen Leichnams, der im Wasser angebunden 
hien. Man schöpfte Verdacht, es könnte die Leiche 
er schon seit September 1883 vermißten Krämerin 
I. Siglmaier sein; dieselbe war von Eichenkofen, 
vo sie ein kleines Anwesen und eine Krämere 
jatte, nach Altwegmühle gekommen, um ihren Ehe⸗ 
nann, der als Mühlbursche daselbst lebte, zu be⸗ 
uchen. Als die Leiche aus dem Wasser gehoben 
vurde, erkannte man sie wirklich als die der Eben⸗ 
senannten. Eine Kette war um die Mitte der 
deiche gebunden. Der Ehemann wurde verhaftet 
ind hat ein theilweises Geständniß abgelegt und 
Jesagt, er habe der Frau einen Stoß gegeben, so 
aß sie starb, und dann die Leiche im Wasser ver⸗ 
orgen. 
F (Retourbillets nach London.) Die 
dessische Ludwigsbahn hat die häufig gewünschten 
detourbillets nach Vondon soeben auf ihren Sta— 
ionen Frankfurk. Mainz und Mannbeim zum Ver— 
kaufe auflegen lassen. Der Preis dieser Billets 
über Calais und Ostende stellt sich ab Frankfurt 
auf M. 130.20 für erste und auf M. 94. 10 für 
weite Classe bei 301ägiger Giltigkeit. Ab Mann⸗ 
heim kosten die Billets M. 188.50, resp. 100. 80, 
ab Mainz M. 125.60, resp. M. 90.50. 
Karlsruhe, 18. Juni. Ein gräßlicher 
Unglücksfall ereignete sich gestern Abend vor 6 Uhr 
bei der Kanalisalion am Grünen Hof. Der Auf⸗ 
seher Koch, ein verheiratheter Mann aus Würnem⸗ 
berg, so berichtet die Badische Landeszeitung. war 
im Begriff, mit einem brennenden, offenen Licht 
durch den behufs der Rohrlegung unter dem Bahn⸗ 
körper erbauten Tunnel zu gehen. Als er etwa in 
der Mitte angelangt war, erfolgte plötzlich eine Ex⸗ 
plosion und im Ru standen die Kleider Kochs in 
hellen Flammen. Er konnte noch bis zum Aus⸗ 
zang des Tunnels gelangen, wo er dann heraus⸗ 
Jjezogen wurde, war aber derart verbrannt, daß er 
sofort in das benachbarte städtische Krankenhaus 
derbracht werden mußte; sein Zustand soll ein 
ebensgefährlicher sein. 
EGSchwurgericht in Darmstadt.) Am 
19. Juni wurde der erst 19jährige Georg Hechler 
von Vielbrunn, der am 19. April d. J. einen 72- 
jährigen Mann bei König i. O. zusammenschlug 
und ihn seiner Baarschaft von einer Mark 10 Pf. 
beraubt, zu 18jähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. 
Der Verletzte war nämlich an den Folgen der er⸗ 
haltenen Schädelverletzung gestorben und bestritt der 
durchaus geständige Angeklagte nur, daß seine Ab⸗ 
sicht auf die Tödiung des alten Mannes gerichtet 
gewesen. 
Barmen, 186. Juni. Eine ganz außer⸗ 
oxdentliche und abenteuerliche Fußtour hat dieser 
Tage ein Hund gemacht, welcher am 2. d. Mis. 
her Eisenbahn von Hamburg hier eintraf, aber be⸗ 
reits am folgenden Tage wieder ausrücte und spur⸗ 
los verschwand. Nach drei Tagen (am Freitag den 
6. des Morgens) fand der frühere Besitzer in Ham⸗ 
hurg das arme Thier ganz abgemagert und halb⸗ 
odt wieder auf seinem Hofe vor. Der treue Phylax 
hatte den Weg von Barmen nach Hamburg ohne 
dompaß und Karte und selbstredend ohne Mitnahme 
von Geld und „Fressabilien“ in drei Tagen und 
drei Nächten zurückgelegt. Wie hat nun das Thier 
den Rückweg nach Hamburg überhaupt gefunden? 
Das ist jedenfalls eine Frage, die ebenso interessant 
aber vielleicht noch schwieriger zu beanwworten ist, 
als das bisher noch ungelöste Problem, wie die 
Brieftauben aus riesigen Entfernungen ihren Rüc⸗ 
weg nach dem heimathlichen Schlage finden. 
fF (GDistanzritt von Schleswig naqh 
Stuttgart.) Um 16. Juni haben zwei Offiziere 
des in Schleswig garnisonirenden Husarenregiments 
Nr. 16, Licutenant v. Pachelbl Gehag auf Ella, 
zjährig, vom Prahler aus der National, Araber⸗ 
tute, und Lieutenant Frhr. v. Reischach auf Figaro 
vom Lahier aus einer preußischen Halbblutstute die 
jenannte Stadt verlassen, um einen Distanzritt nach 
Stuttgart innerhalb 14 Tagen zu unternehmen. 
Der Marsch geht über Rendoburg, Hamburg, Han⸗ 
nover, Bebra, Fulda, Lohr, Buchen, Heilbronn, 
Stuttgart und beträgt im Ganzen 787 Km., also 
zurchschnittlich täglich 56.2 Km. 
F New⸗York. Drei riesige Eisberge wurden 
n letzter Woche an der Küste von Neufoundland 
zeobachtet. Einer derselben, welcher 9 Meilen lang 
var, wurde an der Mündung der White Bay und 
in anderer, sieben Meilen langer, vierzig Meilen 
Rlich hon S4 VRalmns gesebent: der drifte Eissera