Full text: St. Ingberter Anzeiger

dieser lautlos zusammenstürzte; infolge dieses 
Schlages verstarb Jacobi wenige Tage darauf. — 
Urtheil 3 Jahre Gefängniß. 
Zweibrücken, 20. Juni, Nachm. Verhand⸗ 
lung gegen Olto Wilken, 37 J. a., früher 
Schuhfabrikant von Pirmasens, wegen betrügerischen 
und infachen Bankerotts. Vertreter der kgl. 
Staatsanwaltschaft Herr Staatsanwalt Schneider, 
Veriheidiger Herr Rechtsanwalt Schuler. 
Die Geschworenen sprachen den Angeklagten 
unter Annahme mildernder Umstände schuldig, wo— 
rauf derselbe, zu einer Gefängnißstrafe von 192 
Jahren Gefängniß verurtheilt wurde. 
Mit dieser Verhandlung schloß die Schwurge⸗ 
richtssession des 2. Quartals und wurden die Herren 
Geschworenen nach einer kurzen Ansprache Seitens 
des Herrn Prasidenten in ihre Heimath entlassen. 
Bermischtes. 
Saargemünd. Die Strafkammer des k. 
Landgerichts hat am 20. d. den 22 J. a. Chemiker 
Antoa Burgun und dessen Vater Mathäus Bur— 
gun, 59 J. a., Fabrikdirektor und Bürgermeister 
deide in Meisenthal wohnhaft, wegen wider⸗ 
rechtlicher Befreiung vom Militärdienste verurtheilt, 
und zwar ersteren zu zwei Monaten, letzteren zu 
einem Monat Gefängniß. Als Vermittler diente 
auch in diesem Falle der bekannte Wolf in Mainz, 
welcher bei Ruchbarwerden seiner faulen Geschäfte 
—D Zeit noch in Unter⸗ 
suchungshaft befindliche Stabsarzt Dr. Hennike 
hom nassauischen Feldart.⸗Reg. Nr. 27. (BS. 3.) 
Darmstadt, 18. Juͤni. Einen ereigniß⸗ 
reichen Tag hatte kürzlich ein hier in Garnison 
liegender junger Mann aus einem Nachbarorte. 
Fr kam ohne Urlaub nach Hause und beichtete um 
7 Uhr Morgens, um 8 Üht nahm er das Abend⸗ 
mahl, um 9 Uhr ließ er sich auf dem Standesamte 
trauen, um 10 Uhr fand die kirchliche Trauung 
statt, und um 1 Uhr gab es — Kindtaufe. Um 
2 Uhr war er auf dem Rückwege nach der Garni— 
son und um 3 Uhr im Arreste. 
Munchen. Im „Fremdenblatt“ steht 
folgendes Inserat: „Augenkranke finden vom 
1. Juli an in der neuerbauteu, comfortabel einge⸗ 
richteten und schön gelegenen Krankenanstalt zu 
Tegernsee Aufnahme. Miltellose wollen sich behufs 
unentgeltlicher Verpflegung, unter Vorlage eines 
ärztlichen und Armunhszeugnisses, mit einem Gesuche 
an Se. kgl. Hoheit den Herrn Herzog Karl in 
Bahyern Dr. med., wenden.“ 
p Freising, 20. Juni. Ein gräßliches Un— 
zlück ereignete sich vorgestern in Hohenwart. Der 
in der dortigen Marktmuhle bedienstete Sägknecht 
Matth. Holzapfel gerieth, am Schurzfell vom 
Riemen erfaßt, so unglücklich in die Maschine, daß 
ihm ein Fuß vollig abgerissen und der Körper 
foͤrmlich zerquetscht wurde. Der Verunglückte, ein 
sehr arbeitsamer braver Mann, Vater von sechs 
Kindern, ist an den Verletzungen wenige Minuten 
darnach verschieden. 
4WBaheerische Chronik.) Drei Tölzer 
und zwei, Münchener Velocipedisten traten am 
Sountiag eine Fahrt von Tölz an über Lenggries, 
Fall, Vorder⸗ und Hinterriß und Hagelhütte, dann 
uüber das 6000 Fuß hohe Plumserjoch nach Pertisau 
Scholastika, Glashüite, Kreuth, Tegernsee und Gmund. 
Die ganze Partie, 128 Kilometer, wurde von Hin—⸗ 
terriß ab unter fortwährend strimendem Regen, die 
Ueberschreitung des Pluͤmserjoches, wobei die Ma⸗ 
schinen geschoben werden mußten, unter starkem 
Schneegestöber durchgeführt. 
pKärn, 19. Juni. Vor einigen Tagen 
Abends versuchten zwei Schwestern aus einer hiesigen 
Familie, auf dem Bahndamme bei den Gerbhäusern, 
ihrem Leben ein Ende, zu machen, daß sich dieselben 
don dem Zuge 1080 überfahren lassen wollten, 
welche unselige That noch rechtzeitig durch das 
Herbeieilen der Mutter vereiteli wurde. Ursache 
der That soll eine ernste Zurechtweisung von Seiten 
des Vaters gewesen sein. 
F Langenlonsheim, 22. Juni. Die auch 
anderwärts übliche Gewohnheit, beim Verlassen der 
Behausungen ꝛc. den Schlüssel zum Hause oder 
Hofthore nach Verschluß der Thüre auf einer Fenster⸗ 
bank oder hinter einem Fensterladen ꝛ⁊c. aufzube⸗ 
wahren, hat der hier wohnenden Wittwe H. L. 
recht empfindlichen Schaden gebracht. Die allein⸗ 
stehende und schon bejaͤhrte Wittwe L. als einzige 
Bewohnerin ihrer Hofraithe ging vor einigen Tagen 
in unsere Nachbarstadt Bingen zum Markte und 
dte den Schluͤssel zu ihrem Besitzthum an seinen 
either immer inne gehaltenen Platz auf eine Fenster⸗ 
‚auk ihres Wohnhauses. Doch wie erstaunte sie, 
als sie nach Hause zurüllgekehrt, in ihrem Wohn⸗ 
zimmer, in ihr gleich auffallender Weise Verschiedenes 
herangirt vorfaund. Gleich Verdacht schöpfend, fand 
ie denn auch bald beim näheren Durchsuchen zu 
hrem wohl nicht geringen Schrecken, daß sie fast 
hrer ganzen Baarschaft von im Ganzen ca. 600 Mart 
»eraubt war. Irgendwelche Verdachtsmomente gegen 
zestimmte, Persönlichkeiten, welche diesen im hellen Tage 
erübten und wohl sehr riskanten Diebstahl ausgeführt 
jaben, kann die Bestohlene nicht aussprechen, da— 
gJegen mögen im Uebrigen vielleicht der oder die 
Thater mit den Lokalitäten der Wittwe L. doch 
dertraut gewesen sein. 
Mainz, 21. Juni. GAuf der Flucht er⸗ 
chossen. Heute Morgen hat sich em bedauerlicher 
Fall erignet. Die Festungssträflinge sollten gerade 
zur Arbeit geführt werden, als einer derselben die 
Gelegenheit benutzen wollte, um zu entfliehen. Der 
die Abtheilung begleitende Gefreite von der 8. Com—⸗ 
pagnie des 88. Infanterie-Regiments legte seint 
chußbereite Waffe auf den Flüchtling an und durch⸗ 
choß diesem das Bein; der Fluchtige stürtzte, erhob 
iich aber sofort wieder, um seine Flucht noch weiter 
fottzusetzen. Mittlerweile hatte der Gefreite zum 
weiten Male geladen, er schoß abermals; diesmal 
zrang dem Unglücklichen die Kugel in den Leib, so 
»aß er tödtlich getroffen zusammenstürzte. In das 
Militärlazareth gebracht, ist der Sträfling, der wegen 
Fahnenflucht eine Strafe von 8 Monaten zu ver—⸗ 
»üßen gehabt hatte, verstorben. 
Ein drolliges Vorkommniß fand 
im Montag Abend auf dem Flachsmarkt zu Mainz 
tatt. Ein junger Mann fand beim Nachhause— 
ommen die Hausthüre verschlossen, und es warf 
eine Mutter den Hausschlüssel, eingewickelt in einen 
Strumpf, herab. Ein großer Hund, der sich da 
—00 
zu, faßte ihn und lief davon. Mehrere Leute, da⸗ 
runter der obenerwähnte junge Mann, liefen zwar 
»em Hunde nach, konnten ihm aber die Beute nicht 
ibjagen, mußten auch bald die Jagd aufgeben, da 
ie vor Lachen nicht mehr laufen konnten. 
Frankfurt a. M., 20. Juni. Seit län— 
zerer Zeit machte ein junger Mann der Tochter 
ines wohlhabenden Kaufmanns den Hof und schon 
laubte er sich am Ziel, als ihm von dritter Seite 
nitgetheilt wurde, er brauche sich keine Hoffnung 
zu machen, das Fräulein liebe ihn nicht, und 
uußerdem habe ihr Vater erfahren, daß er Schulden 
jabe wie ein Lieutenant. Der Freiersmann zog 
ich in Folge dieser leider nur allzu wahren Auskunft 
urück. Eines schönen Tages erhielt er ganz uner—⸗ 
vartet eine Verlobungsanzeige seiner früheren An— 
Jebetena und da er auch eine dichterische Ader zu 
jaben glaubte, so schrieb er eine poetische Gratu— 
ation. Er legte sie zusammengefaltet auf seinen 
Tisch, wo noch andere Papiere lagen und schickte 
iie später ab. Einige Tage darauf — 
einem Erstaunen eine quittirte Schneiderrechnung, 
ie er erst in einigen Monaten zu bezahlen gedachte. 
Das Räthsel löste sich in folgender Weise. Er hatte 
instatt des Gedichtes die ebenfalls zusammengefaltete 
Zchneiderrechnung als Gratulation an die Verlobte 
Jesandt und ihr generiöser Papa hatte sie ihm be— 
sahlt. Am vergnügtesten war bei dieser jatalen 
Beschichte der Schneider. 
Schwelm, 20. Juni. Hier passirte vorige 
Woche einem Bienenzüchter ein eigenes Mißgeschick. 
Bor seinem Bienenhaus stehend, kam ihm ein 
Schwarm Bienen durch die Luft entgegen geflogen. 
Die Königin desselben wurde von dem Manne 
ergriffen und in die Rocktasche gesteckt. Jegt setzte 
iich der ganze Schwarm an ihm fest bis er von 
einem anderen Züchter befreit wurde. 
Ems, 20. Juni. Gestern wurde hier, wie 
dem „Rh. Cour.“ gemeldet wird, ein junger Mensch, 
leines Zeichens angeblich Schiffer, gut gelleidet, 
zerhaftet. Der Verhaftete trug einen Revolver, ein 
Zäckchen scharfer Patronen und einen Dolch bei sich. 
Den Weg von Coblenz hierher hatte er zu Fuß 
zurückgelegt und dabei im Walde Schießübungen 
emacht. 
Mülheim a. d. Ruhr, 20. Juni. Dieser 
Tage ereignete sich hier ein sehr bedauerlicher Un— 
zlückzfall, durch welchen eine in der Kohlenstraße 
vohnende Familie ihr 6 Jahre altes Töchterchen 
erloren. Das Kind wurde nämlich von seiner 
Mutter bei deren Hineintreten in's Schlafzimmer 
in einem Bettpfosten mittels eines Halstuches er⸗ 
ängt aufgefunden. Es wird vermuthet, daß das 
uuf so schreckliche Art zu Tode gekommen?e Mädchen 
»eim Hineinsteigen ins Bett gefallen und hierba 
nit dem lose um den Hals gebundenen Tuche an 
dem etwas hervorragenden Pfosten hängen geblieben 
ist. Das bedauernswerthe Kind scheint gewaltige 
Anstrengungen gemacht zu haben, sich aus seimt 
nerhängnißvollen Lage zu befreien; denn abgesehen 
»on einigen Abschürfungen an den Händen fam 
ich auch die Zunge durch einen Biß um ein hbe— 
rächtliches Stück gekürzt. 
F Ger verschluckte Bart.) Aus Kaßssel 
17. Juni, schreibt man dem „Hann. Cour.“ Ein 
igenthümliches Mißgeschick widerfuhr in der vor— 
zestrigen Vorstellung von „Robert und Bertram“ 
inserem beliebten Baßbuffo Herrn Schulze, welcher 
den Gefängnißwärter Strambach spielte. In Folge 
»er drückenden Hitze löste sich die eine Spitze des 
aufgeklebten martialischen Schnurrbartes los und 
rutschte bei der nächsten Fermate, als der Sänger 
Athem holte, in den Schlund, und blieb vor der 
Luftröhre hängen, sodaß Herr Schulze einen förm⸗ 
ichen Erstickungsanfall bekam. Der Vorhang fiel 
elbstverständlich und die Aerzte stürzten auf die 
Bühne, während das Publikum in Aufregung und 
Angst peinlich verharrte. Der Patient mußte dan 
rasch einige Brotkugeln nehmen, mehrere Glas 
Wasser thaten das Uebrige, und der vermaledaite 
Schnurrbart war hinuntergeschluckt, wenn es auch 
einige Anstrengungen kostete. Die ganze Operation 
jatte nur kurze Zeit erfordert, und da das Uebel— 
zefinden rasch beseitigt war, nahm der beliebte 
Sänger mit dem ihm eigenen unverwüstlichen Humor 
eine Rolle wieder auf und führte sie ungestört 
durch, selbstverständlich iait besonders lebhaftem 
Beifalle ausgezeichnet. 
In Bielefeld trank ein in einem Dro— 
guen⸗Geschäft thätiger Lehrling in einem Kellerraum 
aus einer Flasche, in dem Glauben, sie enthalte ein 
gjenießbares Getränk. Der Inhalt bestand jedoch 
aus konzentrirter Karbolsäure und theilte der 
dehrling dies sofort seinem Prinzipal mit. Obschon 
'ofort Mittel zur Rettung des jungen Menschen 
ingestellt wurden, starb derselbe nach kurzer Zeit 
4 Mit der Verwendung des elektrischen 
dichtes zu militärischen Zwecken waurde 
n der Nacht zum Tonnerstag bei Berlin eine Probe 
zemacht, die günstig ausfiel. Es wurde eine Alta⸗ 
sue gegen einen markirten Feind vorgenommen und 
kurz nach Beendigung des Gefechtes ging ein Korpe 
der Sanitäts⸗Kolonne vor, um das Schlachtfeld zu 
ekognosziren. Zu diesem Behufe kam zum ersten 
Male das elektrische Licht in Anwendung. Auf 
rinem mit Pferden bespannten Wagen, ähnlich wie 
der Extinkteur bei der Feuerwehr, hefand sich der 
Motor zur elektrischen Beleuchtung und auf neun 
hohen Slangen waren Bogenlichtlampen angebracht, 
velche durch diesen Apparat gespeist werden konnten. 
Im diese Stangen nach beliebigen Richtungen trans— 
vortiren zu können, wickelten sich Drähte, ähnlich 
vie die Schläuche bei Spritzen, von einer Rolle ab, 
im den Lampen den elektrischen Strom zuzuführen. 
Die Aerzte, Krankenwärter. und Träger, 818 
in der Zahl, konnten ganz deutlich die an den 
cheinbar Verwundeten, resp. Todten angeheftelen, 
auf Marken verzeichneten Blässuren lesen und dem—⸗ 
nach den ihnen obliegenden Dienst verrichten. 
Köonigswinter, 19. Juni. Dieser Tage 
zat ein Consortium von Spitzbuben hier eins ihrer 
cunststückchen zum Besten gegeben. Sie betraten 
m Gänsemarsch den Laden einer Putzmacherin. 
der Eine stellie sich zum Kaufen an der Theke auß, 
er Zweite Postirie sich hinter ihm, der Dritte nahn 
Slellung in der Nahe der Thüre und der Viert 
lieb im Hausgange stehen. Der Erstere ließ sih 
Diverses vorlegen und frug nach den Preisen der 
Zachen, die er hochohen auf dem Regal placirt sah. 
Die Verkäuferin bestieg das Ladentreppchen, um die 
sewünschten Kartons hervor zzu langen; auf dem 
elben siehen bleibend, reichte sie verschiedene Sachen 
dem kauflustigen Herrn herunter, so eine Schachtel 
nin Spihen eine mit Bandern und dergl. Füt 
zie Industrieritter war diese Situation sehr günstig 
Die Schachteln wanderten hurtig und /eraus hlo⸗ 
aus der Hand des Kaäufers in die des nachsten 
Fefährten dieser übermillelte sie dem Nebenmanne 
und alsdann gelangten sie an den letzten im Bunde, 
ind als die Verkäuferin den Diebstahl zu merlen 
gann, waren im Nu Schachteln und Diebe 
chwunden. Leider gelang es nur zwei dertlbe 
u fassen. Die beiden Inhaftirien haben sid b 
Zjahrige Burschen von auswäris herausgestelt'