Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Kinder mit Kuchen und Kaffee durch freiwillige 
Beitrüge aufbringen und werden wohl auch dies— 
nal wieder seine Mitglieder bei der Handhabung 
der Ordnung im Festzug und alten Kasinogarten 
mithelfen. (S. Ztg.) 
p'Aus dem obern Saarthale. Ein 
Korrespondent aus dem obern Saarthale, woselbst 
noch diel Aberglauben herrscht, hörle an einem 
Tage 3 Hexengeschichten. Am Morgen wurde ein 
Kind begraben, dessen Pflege vernachlässigt worden 
war, weil man die Krankheit mit einem Zauber— 
jaden gebunden und ins Feuer geworfen hatte. 
Zur Mittagsstunde kam ein altes Weib zu einer 
Rachbarin und bat um einen Zauberspruch für ein 
Fußleiden. Am Abend wurde ein Bauer verklagt, 
als habe er das Pferd seines Nachars verhert. 
Unser Gewährsmann zögerte, diese Thatsachen der 
Redaktion mitzutheilen, als neue Dorfgespräche 
hinzukamen. Einer alten Frau wurde rundweg 
erklärt, sie duürfe das Haus des Nachbars nicht 
betreten, so lange das neugeborene Kind nicht ge— 
sauft sei. Ein Bürger mußte Bußgeld in die 
Armenkasse legen, um einen Prozeß zu vermeiden, 
veil er eine sogenannte Hexe beleidigt hatte. Eine 
Frau jammerte, ihre Kuh sei und bleibe krank, 
obgleich man derselben eine geweihte Osterkerze an 
den Schwanz und ein Schapelier (Skapulier) an 
den Hais gehängt hatte. Man lese das interessante 
Büchiein, welches der Straßburger Schriftsteller 
dambs über den Aberglauben, im Verlage Heitz in 
Straßburg, veröffentlicht hat. (S. 3.) 
FWiebelskirchen, 2. Juli. Ein Akt 
großer Brutalität, wie er ärger kaum gedacht wer⸗ 
den kann, wurde heute während der Mittagszeit an 
einem armen und gebrechlichen Drehorgelspieler auf 
offener Straße verübt. Etwa in der Mitte unseres 
Ortes wurde dieser von einer Anzahl von der 
Schicht heimkehrender Bergleute aus Hangard dazu 
uüberredet, sie auf dem Heimwege auf der Orgel 
spielend zu begleiten, für welche Dienstleistung ihm 
die musikliebenden Knappen 1 Mark versprachen, 
welches Versprechen dadurch seine Erhärtung fand, 
daß einer der letzteren dem Orgelspieler den gerade 
nicht mehr neuen oder werthvollen Hut abnahm und 
in dessen Statt seine noch im Glanze der Neuheit 
schimmernde Bergmannsmütze setzte. Eine kurze 
Strecke weit folgte denn auch der Orgelspieler unter 
den Klängen seines Instrumentes seinen Auftrag- 
gebern. Bald jedoch mußte er inne geworden sein, 
daß der versprochene Lohn sehr illusorisch werden 
tönne und man ihn gar zum Besten halten wolle, 
weßhalb er, seine Absicht bekundend, wieder zu dem 
oon ihm zuletzt verlassenen Hause zurückkehrte, um 
nn voriger Weise seinen Broterwerb fortzusetzen. 
Hierüber gerieth der Besitzer der vorerwähnten Mütze, 
Fie noch immer das Haupt des Kunstlers zierte, 
derart in Wuth, daß er demselben nachsetzte, ihm 
die Mütze entriß und dann den harmlosen Musikan⸗ 
ten derart mit wuchtigen, weithinschallenden Hieben 
seines derben Bergmannsstockes bearbeitete,, daß der 
also Getroffene nunter lautem, markerschütterndem 
Aufschrei neben seine stumm gewordene Drehorgel 
zur Erde sank. Bald hatte sich, durch das unge⸗ 
wöhnliche Geschrei herbeigezogen, ein Haufen Neu— 
gieriger und Mitleidiger um den Mißhandelten ge⸗ 
schart, die unter Ausbrüchen heftiger Entrüstung 
sich von den wahrhaft empörenden Spuren der 
wenig gerechtfertigten Züchtigung überzeugten. Alle, 
die den Bedauernswerthen sahen, welcher im letzten 
Feldzug durch einen Schuß in den rechten Ober— 
arm arbeitsunfähig geworden ist, und nunmehr in— 
folge der hier erlͤttenen Mißhandlung auch dem 
zuletzt betriebenen kümmerlichen Erwerb auf längere 
Zeit nicht mehr nachgehen kann, wünschten, daß 
der Vollbringer dieser rohen That zur wohlver— 
dienten Strafe gezogen werde. (S. u. Bl.Z.) 
Straßburg, 2. Juli. Wie der „Fr. Ztg.“ 
ein zuverlässiger Reisender berichtet, ist gestern Nacht 
ein Cholera-⸗Fall in Macon Gurgund) vor—⸗ 
gekommen. — Die Stadt Straßburg baut zur event. 
Ünterbringung der Kranken, da die Cholera schon 
an der Grenze, Baracken mit tausend Betten. 
4 München, 2. Juli. Donnerstag abends 
5 Uhr wurde ein Dienstmädchen, namens Josephine 
Hahn aus Weihern, in den Bogenhauser Anlagen 
bon einem Strolche angepadt, mit einem Messer 
bedroht und ihrer Barschaft beraubt. Trotz der 
Drohung, daß sie getödtet würde, wenn sie einen 
Laut von sich gebe, rief das Mädchen dennoch um 
dilfe, worauf der Räuber mit seiner Beute entfloh. 
das Mädchen machte Anzeige und promenierte den 
Janzen folgenden Taa in Begleitung eines Gendarmen 
in den Anlagen. Plötzlich wurde sie des Indivi— 
uums ansichtig und stieß einen Schreckensruf aus. 
der Gendarm verfolgte den Gauner, welcher zu 
ntfliehen suchte, von Zivilisten, die an der Ver⸗ 
olgung sich betheiligten, mehrfach angehalten wurde, 
ich abet immer wieder loszureißen vermochte. Schließ⸗ 
ich wurde er so in die Enge getrieben, daß ihm 
ein anderer Ausweg mehr blieb, als sich in die 
Isar zu stürzen, wo er seinen Tod durch Ertrinken 
and. Derselbe Kerl hat vermuthlich am selben 
Tage zwei Frauen in der Nähe von München in 
chändlicher Weise vergewaltigt. 
München, 2. Juli. Auf Grund des Ge— 
etzes vom 21. April J. J. „die Landes-Kultur⸗ 
Renten⸗Anstalt betr.“ und der Allerhöchsten Verord— 
iung vom 4. Juniel. J. ist im kgl. Staatsmini⸗ 
terium des Innern eine Landes-Kultur-Renten⸗ 
dommission gebildet worden. Dieselbe hat ihre 
Thätigkeit bereits aufgenommen. Das Geset ist 
bekanntlich am 1. Juli in Kraft getreten. 
Bamberg. Wie die „Allg. Ztg. für Fran— 
ten“ mitzutheilen in der Lage ist, ist die Einrichtung 
)es zweiten deutschen ReichsWaisenhauses 
ahier beschlossene Sache. 
In Vach bei Fürth in Bayern hat sich, 
wvie von dort berichtet wird, am Samstag Nach-⸗ 
mittag ein schweres Brandunglück ereignet. Um 
Jalb K Uhr, während alles auf den Wiesen mit 
Zeumachen beschäftigt war, ging ein Haus in 
Feuer auf, welches bei der großen Trockenheit und 
em herrschenden starken Winde schnell vier weitere 
Wohngebäude und zwei Scheunen ergriff und total 
inäscherte. Zwei etwa vierjährige Knaben befan den 
ich, ohne daß Jemand darum wußte, in einem der 
rennenden Gebäude und sind jämmerlich um's 
zeben gekommen. 
— Ueber die Avancements-Verhältnisse des Offi— 
iercorps in Bayern bringt die „V.⸗Z.“ fol—⸗ 
jende Angaben: Das bahyerische Infanterie-Offi— 
iercorps hat, besonders in den niederen Chargen, 
»eit langen Jahren ein beispiellos langsames Avan⸗ 
»ment.Augenblicklich sind noch 68 (d. i. a aller) 
dauptleute vorhanden, welche bereits im Kriege 
87071 in diese Charge avancirten; 38 von ihnen 
ind schon im Jahre 1859, also vor 25 Jahren 
Iffiziere geworden. Ebenso sind noch 29 Premier⸗ 
jeutenants vorhanden, welche seit 1870,71 in dieser 
Stellung sind. 63 Premierlieutenants sind bereits 
866 Offiziere geworden, dienen also über 18 Jahre. 
In der Secondelieutenantscharge avanciren augen— 
licklich die Offiziere von 1873 und ausnahmsweise 
874, also ähnlich wie in Preußen. Bei der Ca⸗— 
allerie ist das Avancement etwas besser, die ältesten 
Kittmeister sind seit 1874 in dieser Charge und 
eit 1861 Offiziere, die ältesten Prämierlieutenants 
eit 1867 bezw. auch noch 1866, die ältesten Se— 
londelieutenants 1874. Aehnlich liegen die Ver— 
zältnisse bei. der Feldartillerie; bei der Fußartillerie 
ind sie noch ein wenig günstiger, und bei den In⸗ 
jenieuren abanciren bereits Hauptleute von 1877, 
Jremierlieutenants von demselben Jahre und sei 
870 Offiziere, auch Secondelieutenants von 1877. 
Rüdesheim, 1. Juli. Am Samstag 
vurde hier ein ca. 6Ojähriger Mann beerdigt, dessen 
Tod durch den Genuß einer einzigen Kirsche her— 
zeigeführt wurde. Dem alten Manne kam beim 
henuß der ersten Kirsche der Kern derselben in die 
unrechte Kehle“, d. h. er setzte sich in der Luft— 
öhre fest, und es gelang den beiden sofort hinzu— 
erufenen hiesigen Aerzten, sowie einem telegraphisch 
jerbeigerufenen Frankfurter Arzt nicht, denselben zu 
niferuen, so daß der alte Mann einen schmerzlichen 
ẽrstickungstod erlitt. 
Limburg, a. d. Lahn. Vorige Woche 
tarb im Hospitale der barmherzigen Schwestern 
ahier nach längerem Leiden der vormalige öster⸗ 
reichische Dragoner-Major M. Diepenbrok, Bruder 
»es früheren Fürstbischofs von Breslau. Mit ihm 
jeht ein alter 1848er Kämpe für Freiheit und 
stecht zu Grabe. 
F Bad Soden, 2. Juli. Der hier schon 
ängere Zeit mit seiner Familie zur Kur weilende 
ussische General Ed. von Totleben, General— 
Houverneur von Wilna, Kowno und Grodno, ist 
jestern hier gestorben. Der General war bereits 
ängere Zeit sehr leidend. 
Ein sonderbares Mißverständniß, 
das leicht zu einer Klage wegen Veamtenbeleidigung 
hätte führen können, ist in Sachsenhausen passirt. 
Dort kam in das Haus eines am Podagra leiden⸗ 
»en Bürgers der Steuerbote, um den Obolus zu 
erheben, und traf den Censiten im Stuhle sitend 
Nachdem dieser die Abficht des Ankömmlings dbe 
rommen, rief er mit Stentorstimme zum Ie 
zimmer hinein: „Fritz, bring mir mal mein 
Stock!“ Der Beamte, welcher offenbar san 
Absichten witterte und sich keiner Rauferei —8 
wollte, machte sofort Kehrk und konnte erst auf u 
Treppe benachrichtigt werden, daß der Slu 
chuldner ja gar nichts weiter beabsichtigt halle 
als mit Hilfe seines Stockes sich vom Stuhie 
erheben, um das Geld aus dem Schranke zu —9— 
Mit herzlichem Lachen von beiden Seiten wurd 
das bösartige Mißverständniß beseitigt. 
F Der „Fliegende Rathgeber“, welche 
seit einiger Zeit verschiedenen Blättern beigegeben 
wird, scheint im Grunde nichts als eine Rekuͤm— 
Blatt zu sein für den „amerikanischen“ Arx 
William Becker in Berlin. Ein an Flecht— 
eidender Neustadter wurde durch den „Fliegenden 
Rathgeber“ veranlaßt, sich an Becker zu wenden 
dieser schickte eine Salbe, Pillen und Thee unde 
Nachnahme von 9Mk. 80 Pf. nebst Gebrauchs 
Anweisung; dann folgte eine zweite Sendung zu 
7 Mk. 80 Pf. Das Geld war fort, das Lehde 
aber blieb! Nun ließ der „Hineingefallene“ di 
Medikamente durch Apotheker Stammler in Neustad 
uind einen Arzt in Haßloch prüfen und erfuhr, daß 
ex — angeschmiert sei. Auf eine an den „Arzt' 
Becker gerichtete Aufforderung zur Rückgabe det 
Beldes antwortete dieser erst mit Grobheiten und 
dann mit einem neuen Rupfyversuch! 
Eine Amazone.) Bei der dieser Tage 
n Paris stattgehabten Preisvertheilung der „Loecicte 
nationale d'encouragement au bien“ ist die Ehren 
nedaisle einer kühnen Amazone zugesprochen worden 
rämlich der Mademoiselle Antoinette Lix, „ehemaligen 
dieutenant in der polnischen Armee und ehemaligen 
Franctireur während des Krieges von 1870“. Di 
dame, welche heute fünfundvierzig Jahre alt ist 
st als die Tochter eines Offiziers Karls X. in 
dolmar geboren, wurde von ihrem Vater warhaf 
partanisch erzogen und trug bis zu ihrem neunter 
Jahre Knabenkleider. Reiten und Fechten waren 
chon damals ihee Lieblingsbeschäftigungen. Wi 
ehen von dem heldenmüthigen Benehmen, welche 
im Jahre 1863 als Erzieherin nach Polen ge 
zangenen und activ am Unabhängigkeitskrieg theil 
nehmenden Dame den Lieutenantsgrad einbrachte 
ib, und es sei nur erwähnt, daß sie in einen 
Scharmützel durch einen Lanzenstich an der Bruj 
»erwundet wurde. Bei ihrer Rückkehr nach Frank 
reich 1866, wo gerade in den Norddistrikten di 
Tholera wüthete, zeichnete sich Antoinette Lix durd 
hre aufopfernde Pflege von Cholerakranken aus 
Die Regierung belohnte sie hiefür, indem sie ih 
ein Posibureau in Lemarche (Vogesen) anvertraute 
Als der deutsch-französische Krieg ausbrach, legt 
Antoniette Lix wieder ihre Manneskleider an, tra 
in ein Franktireurcorps und nahm als Lieutenan 
am Kriege von Bourgonie-Nompatelice Theil. Uner 
schrocken setzte sie sich dem Kugelregen aus, abe 
ie führte nicht nur die kleine Truppe an, sonder 
pflegte auch die Verwundeten. Als später da— 
Frauktireurcorps mit den Truppen Garibaldi's fr 
qonirte, widmete sich der weibliche Lietenant aus 
schließlich dem Ambulanzwesen. Nach dem Krien 
war Antoniette Lix sechs Jahre lang „receyous 
Jes postes““ im Vogesen-Doepartement und als ß 
sich in Folge rheumatischer Leiden, die aus der 
lehten Feldzug stammen, genöthigt sah, ihre Ste 
lung aufzugeben, erhielt sie als Entschädigung bo 
der französischen Regierung ein Tabaksbureau w 
hordeaur Heute dewegt' sich Mademoiselle N 
nur noch mahsam an Krücken vorwärts. Die 
muthige Frau ist bereits verschiedenemale qusg⸗ 
zeichnct worden.“ Im Jahre 1872 verlieh iht d 
Regierung eine goldene Medaille erster Classe un 
das Bronzekreuz der Ambulanzen. General d 
Tharelle üdersandte ihr 1873 die Medaille de 
päpstlichen Zuaven und die elsässischen Damen 
uüͤberreichten ihr einen kostbaren Ehrendegen.“ ve 
Marseille, 2. Juli. Hier kamen iund 
letzten Nacht zwei Choleratodesfälle vor, oh 
Personen sind don hier geflüchtet, Vintimille 
bon italienischen Truppen besetzt, die zahlrei 
Flüchtlinge zurückwiesen. Ahen 
Marseille, 3. Juli. Seit gestern Ad 
sind hier drei Choleratodesfälle vorgekommen. g 
der gestrigen Versammlung der Aerzte und v 
macenten erklärte der Vorsitzende, die — 
der Bevölkerung sei unbegründet, die Sierbli — 
Ifer überschreite nicht die bei starker Hitze gew