Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
det ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltung— 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljiährlich 1M 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 75 H, einschließlich 
d A Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solcher 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 4, NReclamen 30 4. Bei 4maliger Einrlickung wird nur dreimalige berechnet. 
—D — 
Zeit-Fragen. 
Heutzutage gibts der „Fragen“ gar viele, fast 
ind sie nicht mehr zu zählen. Vor einem Men⸗ 
chenalter noch wußte man im politischen Leben nur 
— 
Zie ist jetzt in den Hintergrund getreten, eine 
Nenge viel näher liegender Fragen nimmt uns in 
Anspruch und rüttelte uns aus jener Behaglichkeit 
nuf, mit der noch unsere Väter beim dampfenden 
pfeifchen die orientalische Frage hin- und herwen⸗— 
zeten und betrachteten. Die heutigen Fragen sind 
chon mehr ungemüthlicher Natur; Ruhe und Be— 
jaglichkeit kommen dabei nicht auf, sondern schwinden 
mmer mehr, je mehr die „Fragen“ unserer Zeit 
ijch in den Vordergrund und ins Gesichtsfeld des 
rinzelnen wie der Gesammtheit drängen. Die 
yrund- und Hauptfrage für uns ist die „soziale 
Frage“, die einen jeden, weß Standes und Berufes 
er auch sei, direkt angeht. Brennend geworden ist 
je zuerst in den Kreisen der „Arbeiter“, d. h 
esjenigen Standes, der ohne eigentlichen Besitz von 
der Hand in den Mund, vom täglichen Verdienst 
n den großen Fabrikbetrieben lebt. Die „Arbeiter⸗ 
rage“ setzt aber jetzt nicht mehr nur die Arbeiter 
n Bewegung, — seit 2 Jahrzehnten ist sie, immer 
veitere Ringe ziehend, in die höheren Schichten des 
bolkes gedrungen, sie ist salonfähig, zuletzt sogar 
joffahig geworden; ihre eminente Bedeutung er⸗ 
sennend, haben zuerst die Gelehrten und die Rath— 
geber des Volkes ihr ein volles Interesse zugewendet 
und jetzt beschäftigen sich seit einigen Jahren auch 
die Regierungen und gesetzgebenden Körperschaften 
nit ihr. Eine untrennbare Seite der Arbeiterfrage 
st die Handwerkerfrage“, die zwar in den breiten 
dolksschichten noch nicht in ihrer vollen Bedeutung 
etlannt, aber nachgerade doch brennend geworden 
st. Sie verdankt ihr Dasein dem Druck der Groß— 
dastrie, die unter der Gunst der Zeiten und der 
Menge, dem Handwerke nach und nach den gol—⸗ 
denen Boden, auf den dieses bekanntlich von Allers 
ner sich festgewurzelt hatte, zu entziehen gewußt hat 
degegen ist die neuerdings angeregte „Bauernfrage“ 
ur viele ein noch fast unbekannter Zweig der so—⸗ 
ialen Bewegung unserer Tage. Aber vorhanden 
t sie und wird unaufhaltsam sich au die Ober—⸗ 
luche der öffentlichen Verhandlungen drängen, denn 
auch in dem prakiisch besungenen und vielfach be— 
geideten Bauernstand zeigen sich berechtigte Klagen 
unberkennbare Bedürfnisse hinfichich seiner sozilen 
Swelung, drückende Mißverhälinisse, die Abhiffe 
Ist er doch in unserem industriellen 
ahrhundert am meisten übersehen umd zyrückgesetzt 
vorden, weil er sich am geduldigsten in fein Schid 
al fügt und nicht so leicht sein Wort deltend zu 
hen vermag, wie die anderen Stände. Man 
von der Bauernfrage nicht reden ohne einer 
ren Standes⸗, Frage zu erwähnen, die man 
Win unrichtig, Juden-Frage“ genannt und als 
ins öffentliche Leben eingeführt hat. Denn 
hat es nicht mit dem Judenthum als Religions- 
clenutniß, sondern mit dem beweglichen Kapital 
8 ja allerdings zumeist dem rührigen Han⸗ 
peist, der jüdischen Rasse dienstbar ist, — zu 
em in Rußland, Ungarn, Norddeutsch- 
* Wdrane zu einer borartigen Ausbeutung 
uin —F at, io Mehrt wes nicht zum Wesen 
inenh nr enig wie die Arbeiterfrage nothwen⸗ 
— Dynamit. und Dolch gelöst werden 
ha ine Lösung dieser Frage ist anders nicht 
rrals im Zusammenhang und in gleichem 
Dienstag, 15. Juli 1884. J 
——— 
Schritt mit allen übrigen Seiten der sozialen Be— 
wegung — im weiteren Fluß dieser letzteren wird 
auch dieses partielle Reformbedürfniß sich zur Klar— 
heit und Uebersichtlichkeit herausarbeiten. 
Sowohl in den Zeitungen wie auch schon ge— 
legentlich in den Parlamenten wird neuerdings eint 
Frage gestreift und vorsichtig erwähnt — man will 
den Teufel nicht an die Wand malen, — die in 
nicht ferner Zeit mit Ungestüm das Wort verlangen 
vird: die Beamten-Frage. Seitdem eine Unzahl 
von jungen Leuten sich zu den gelehrten Studien 
uud in die höheren Schulen drängt, um dadurch 
eine Versorgung im Staatsdienst zu erlangen, nach⸗ 
dem eben Handwerk und Technik, Handel und In— 
zustrie an Ueberfülle leiden — seitdem erhebt diese 
BZeamten-Frage drohend ihr Haupt. Denn es ist 
nicht damit abgethan, daß man etwa entgegnet 
„Die keine Anstellung finden, die sollen eben warten“ 
— die m Aussicht stehende Ansammlung beschäf— 
tigungsloser, slellenloser, mittelloser Leute, die nu 
an geistige und gelehrte Arbeit gewöhnt worden 
ind, vermag sich vielmehr zu einer ungeahnten 
Gefahr auszuwachsen, einer Gefahr, von der wir 
uns eine Vorstellung bilden können, wenn wir das 
Beispiel des „geistigen Proletariats“ in Rußland 
ernstlich ins Auge fassen. 
Ein Seitenstück endlich zu der Beamten-Fragt 
aildet die „Frauen⸗Froge“, welche hauptsächlich den 
nittleren und höheren Bürgerstand angeht. In 
allen größeren und kleineren Städten mehren sich 
'ortwährend die „höheren Töchter“, die auf Grund 
hrer langjährigen mehr oder weniger gründlicher 
jelehrten Bildung nach einer „Stelle“ trachten 
Auch hiebei ist es vorwiegend auf intellektuelle und 
gelehrte Dienstleistung abgesehen — aber wer ver— 
möchte für alle diese Lehrerinnen, Gesellschafterinnen, 
Erzieherinnen, Stützen der Hausfrau u. s. f. Stellen 
zenug zu schaffen? Und doch haben wir thatsächlich 
solcher gebildeten Damen im Ueberfluß, die wirth— 
schaftlich einen besonderen Beruf zu ergreifen ver— 
mlaßt sind und außerhalb der Familie einer Ver— 
iorgung bedürfen. 
Also „Fragen“ genug auf sozialem Gebiete 
Wer nur für jede eine passende Antwort wüßte 
Ob die neue, soziale Aera, die wirthschaftliche Re— 
form, die von der deutschen Reichsregierung inan—⸗ 
guriert ist, — ob die künftige Kolonialpolitik und 
die Eröffnung neuer Ansiedelungen unter der deut⸗ 
schen Flagge — ob der erstrebte allgemeine Völker— 
riede, — ob die geeinten Kräfte der Völker oder 
ob der leuchtende Geist irgend eines zukünftigen 
Reformators die Wege finden und weisen wird zur 
rösung einzelner oder ihrer aller — über Mittel 
und Wege, über Werkzeug und Gang dieser Lösung 
äßt sich heute noch nichts voraussagen, die Beruh⸗ 
gung nur dürfen wir hegen und bekennen, daß es an 
rüͤhriger Arbeit, an opferwilligen Bemühungen und aus 
zauernden Angriffen hiezu nicht fehlt. (Fr. Tabl.) 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Elberfeld, 13. Juli. Der heutige natio— 
aalliberale Parteitag für die Rheinlande nahm fol⸗ 
Jende Resolution an: „Im Einklange mit dem 
Parteiprogramm vom 29. Mai 1881 und der am 
23. März d. J. in Heidelberg erfolgten Kundgeb⸗ 
ung unserer Parteigenossen schließt sich die Ver— 
ammlung der Berliner Resolution vom 18. Mai 
). J. mit voller Zustimmung an; sie erklärt ihre 
lebereinssimmung mit der Haltung der national— 
liberalen Fraction des Reichstages, insbesondere 
auch bei der Beschlußfassung des Unfallversicherungs- 
gesetzes; sie begrüßt mit Freuden die in der Rede 
des Reichskanzlers Fürsten Bismarck entwickelten 
Grundzüge einer deutschen Colonialpolitik und be— 
kiagt die engherzig verschleppende Behandlung, welche 
der hochwichtigen Postdampfer-Vorlage im Reichs— 
tage zu Theil geworden ist. Mit gleicher Ent— 
schiedenheit glaubt sie indessen gegen den preußischen 
Entwurf einer Geschäftssteuer Verwahrung einlegen 
zu müssen, da seine Annahme eine schwere Benach⸗ 
theiligung und Belästigung des soliden Waarenge—⸗ 
schäftes zur Folge haben würde; sie verpflichtet ihre 
Mitglieder in ihren Wahlkreisen eine dauernde Or— 
zanisation der nationalliberalen Partei herbeizuführen 
und fordert sie zu hingebender Thätigkeit bei den 
nächsten Wahlen auf, damit der begeisterte Auf⸗ 
chwung, der alle national und liberal geünnten 
reise unseres Vaterlandes mächtig ergriffen hat, 
seinen thatsächlichen Ausdruck finde.“ 
Berlin, 12. Juli. Ueber den Termin für die 
Neuwahlen zum Reichstage ist eine letzte Bestim— 
mung noch nicht getroffen. Es ist nur im allge— 
meinen beabsichtigt, die Wahlen im Laufe des 
Oktobers zu vollziehen und den neuen Reichstag 
im November zu berufen. — Das Reichsversicher- 
ungsamt wird nun demnächst konstituirt werden. 
Die Ausführung des Unfallversicherungsgesetzes, an 
welche das Amt zunächst heranzutreten hat, ist 
ungemein umfangreich; besonders wird die Auf— 
stellung des Organisationsplanes der Berufsge- 
nossenschaften große Mühen erfordern. Man hofft, 
die bezüglichen Vorschläge an den Bundesrath bis 
zu Ende des nächsten Monats oder anfanagas Sep— 
tember festzustellen. 
Berlin, 14. Juli. Der Reichsanzeiger publicirt 
die Ernennung des Geheimerathes Boedicker zum 
Präsidenten des Reichsversicherungsamts und meldet, 
daß das Reichsversicherungsamt mit dem heutigen 
Tage in Thätigkeit tritt. Ferner veröffentlicht das 
Blatt eine Bekanntmachung, betreffend die Anmel⸗ 
dung der unfallversicherungspflichtigen Betriebe, 
welche bis zum 1. September erfolgen muß. 
Herr v. Bennigsen spricht — so wird 
dem B. T. mitgetheilt — in einem Briefe „an 
einen hervorragenden nationalliberalen Parteigenos⸗ 
sen“ die Absicht aus, an dem parlamentarischen 
Leben wieder theil- und ein Mandat zum Reichs— 
tag anzunehmen. „Er will“ — so meldet genann⸗ 
tes Blatt — „mit seiner Absicht indessen erst kurz 
vor den Wahlen an die Oeffentlichkeit treten, und 
begründet in jenem Briefe seinen Entschluß mit der 
Meinung, daß die Zeit gekommen sei, in welcher 
es wieder zu einer Verständigung zwischen Parla— 
ment und Reichsregierung ohne Hintansetzung der 
Privilegien und Rechte des ersteren kommen werde, 
und daß damit auch wieder an eine erfolgreiche 
gesetzgeberische Thätigkeit der Nationalliberalen ge— 
dacht werden könne.“ 
Ausland. 
Paris, 13. Juli. Der radikale Deputirte 
Tony Reveillon kämpfte gestern in der 
Kammer für eine allgemeine Begnadigung aller 
Derjenigen, die wegen mit der Politik in Zu— 
ammenhang stehenden Verbrechen derurtheilt worden 
ind. Er erinnerte an die Art, in welcher diese 
Urtheile zu Stande gekommen. Die Gefangenen 
seien auf Grund des von einer royalistischen Volks— 
ertretung votirten Gesetzes über die „Internation ale“ 
1bgeurtheilt worden. Allemal habe es aher ein⸗