Full text: St. Ingberter Anzeiger

nen Verrichtungen sind an nachbezeichneten Stellen u. 
Behoörden wahrzunehmen, nämlich: 1) Die Verrich— 
tiungen der höheren Berwaltungsbehörden von den 
Kreisregierungen, Kammern des Innern, 2) die 
Berrichtungen der unteren Verwaltungsbehörden von 
den Districtsverwaltungsbehörden, in München vom 
Magistrat, 83) die Verrichtungen der Ortspolizeibe⸗ 
hörden in den Gemeinden mit städtischer Verfassung 
von den Magistraten, in den Gemeinden mit Land⸗ 
gemeinde⸗Verfassung und ia der Pfalz von den 
Bürgermeistern. 
Berlin, 28. Juli. Die afrikanische Gesell⸗ 
schaft in Deutschland hat eine neue Erpedition aus 
zerüstet, um das südliche Congobecken gründlich zu 
erforschen. Leiter der Expedition ist der Premier- 
Lieutenant vom 47. Regiment, E. Schulze. Ihm 
werden sich zwei Offiziere des 17. Regiments, dar— 
unter als Topograph Premier⸗Lieutenant Kund in 
Neu⸗Breisach, sowie der Assistenarzt Dr. Wolff in 
Britz bei Berlin als Arzt und Anthropologe, sowie 
der Realgymnasiallehrer Dr. Büttner in Potsdam 
als Botaniker, Zoologe und Mineraloge anschließen 
Die Abreise wird Ende d. M. von Hamburg aus 
mit dem Dampfer Wörmann erfolgen. Heute Mit⸗ 
tag gab der Generalsekretär der afrikanischen Gesell⸗ 
schaft, Konsul Annecke hierselbst, der Expedition ein 
Abschiedsessen. Die Segenswünsche der ganzen ge— 
bildeten deutschen Welt begleiten die unternehmenden 
Herren auf ihrer gefahrvollen Reise. 
Berlin, 28. Juli. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ 
plaidiert heute sehr energisch für die Einführung 
einer Normalzeit für Deutschland in einem 
Arlikel von hochgeschätzter sachkundiger Seite, ver— 
muthlich dem Direktor der hiesigen Sternwarte Pro⸗ 
fessor Dr. Förster. 
Ausland. 
Unruhen in Marseille. Die verzweifelte 
Lage der unteren Volkskassen aus Anlaß der Er— 
werbslosigkeit, welche die Geschaftsstockung als eine 
böse Frucht der Cholera mit sich bringt, beginnt 
sich bereits in aufrührerischen Auftritten und anar⸗ 
chistischen Kundgebungen zu äußern. Für den 20. 
ds. war eine Sozialistendersammlung in Marseille 
durch ein Manifest einberufen, welches eine Droh⸗ 
ung zum Bürgerkrieg enthielt. Die Polizei verbot 
die Versammlung und besetzte alle Zugänge und 
Straßen zum Rathhause, wo die Versammlung 
stattfinden sollte. Trotzdem fanden sich zur festge⸗ 
setzten Stunde auf dem Platz vor dem Stadthause 
ungefähr 2000 Arbeiter ein, und es ließen sich 
Rufe: „Wir verlangen Arbeit und Brod!“ ver⸗ 
nehmen. Der Sozialistenführer Buisson begann 
eine Brandrede zu halten. Die Polizei schritt sofort 
ein, trieb die Menge auseinander und verhaftete 
Buisson und mehrere andere Arbeiterführer. 
Der Anarchist Buisson, welcher die Volksver— 
sammlung in Marseille leitete und deshalb verhafte! 
worden ist, wurde vor dem Untersuchungsrichter 
von heftigen Choleraerscheinungen befallen und 
sogleich ins Spital gebracht. 
Der neue Kronprätendent. Ein Mit⸗ 
arbeiter des Figaro, Emile Blavet, hat Don Carlos 
in Venedig einen Besuch abgestattet und ist von dem 
Prätendenten huldreich empfangen worden. Das 
erste und das letzte Wort der langen Unterredung 
drehte fich um die Ausweisung des Herzogs von 
Madrid aus Paris, welche er selbst seinem könig⸗ 
lichen Vetter von Spanien in die Schuhe schiebt. 
„Wenn Ihre Minister nur wüßten, wer von uns 
Zeiden ihr wahrer Feind ist! Man hat nach der 
berühmten überrheinischen Reise gar viel über die 
germanischen Sympathien Spaniens geschwatzt. 
Man hatie aber Unrecht, was das spanische Voll 
betrifft. Niemals — ich, der ich es kenne, kann 
Ihnen diese Versicherung geben — wird es sich 
gegen die Franzosen mit den Germanen verbinden. 
Mat dem Koͤnig verhält es sich freilich auders. Um 
die inneren Fragen kümmert er sich wenig, desto 
mehr aber sind Auge und Herz dem Fremden zu— 
gewandt und macht er kein Geheimniß aus seinen 
heißen Sympathien für die Deutschen. Bezüglich 
der Gefühle, die er für Sie hegt, genügt ein Wort, 
um diese zu kennzeichnen. Als er nach der Parade 
in Berlin in seine Staaten zurückgekehrt war, sehr 
erregt von dem Auflauf am Nordbahnhofe sagte er 
in Nadrid zu mehreren Personen: „Ich hoffe eines 
Tages wieder nach Frankreich zurückzukehren, aber 
an der Spitze von 800,000 Mann!“ Dies war 
gewiß nur eine Prahlerei gegen welche das spanische 
Hationalgefühl sich auflehnen würde, aber es bleibt 
darum nicht minder wahr, daß Sie im Falle eines 
neuen Krieges einen groößen Theil Ihrer Soldaten 
zur Bewachung der Pyrenäengrenze verwenden 
müßten.“ Auf die Frage Blavet's, wie Don Carlos 
sich zu dem Kreuzzuge der „Weißen aus Spanien“, 
das heißt der französischen Royalisten, verhalte, gab 
der Herzog von Madrid keine bestimmte Antwort: 
seine Herkunft will er nicht verleugnen; aber er 
fühlt sich als spanischer Prinz und würde es für 
»ine Undankbarkeit halten, an die Rettung eines 
anderen Landes als desjenigen zu denken, das 
seinen Rechten und Ansprüchen schon so viele Opfer 
gebracht hat. . . . Er läßt sogar in seinem Palaste 
mit großen Kosten einen Waffensaal anlegen, „um 
iich für den Kampf zu stärken.“ — Wird er bald 
nusbrechen? fragte Blavet. — „Das weiß Got! 
allein,“ entgegnete Ton Carlos. 
London, 24. Juli. Das deutsche Kronprin⸗ 
zenpaar nebst Töchtern ist heute Morgen in Sheer⸗ 
neß auf der königlichen Yacht „Osborne“ einge— 
troffen nnd begab sich sodann mit einem Extrazug 
nach London. 
Das Attentat auf Kaiser Alexander. 
Aus Warschau wird geschriehen: Die Zahl der 
Verhafteten wird auf 100 angegeben. Es sind 
zrößtentheils Russen, dann Serben und Bulgaren. 
Am Mittwoch wurden 20 Studenten russischer 
Nationalität verhaftet. Zwei Offiziere des hier 
zarnisonirenden Regiments „Kaiser Wilhelm' haben 
ich erschossen, und zwar nimmt man an, weil sie 
in das nihilistische Complott verwickelt waren. Der 
eine Offizier war erst acht Tage verheirathet. Der 
verhaftete Friedensrichter Bardowski wurde in seinen 
Amtsstube, die unter seiner Wohnung liegt, aber 
nicht während der öffentlichen Gerichtssitzung, von 
zwei Gendarmerieoffizieren verhaftet. Der andere 
berhaftete Friedensrichter Fürst Meischerski ist wieder 
freigelassen. Bardowski, bei dem man Dynamit 
fand, wohnt an der Straße, die Kaiser Alexander 
passirt haben würde, wäre er nach Warschau ge— 
kommen. Die Verhaftungen sind durch die Gen— 
darmerie, nicht durch die Polizei vollzogen; deßhalb 
ist es sehr schwer, die Thatsachen vollständig festzu—⸗ 
tellen. Die Polen versichern, daß nicht ein einziger 
datholik verhaftet sei. Warschau wimmelt von 
ZSoldaten. 
Eokale und pfaälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 25. Juli. Vor kurzem 
zrachten wir die Mittheilung, daß Herc Johann 
Weirich die lobenswerthe Absicht habe, drei Abon— 
nements-Konzerte zu veranstalten und hierzu 
die Militärkapelle Reckzeh aus Saarlouis zu 
engagieren. Eine Liste, worin zur Betheiligung 
eingeladen war, hat berrits zirkuliert und soll, wie 
vir hören, das erste Konzert schon nächsten 
Dienstag, den 29. ds. Mts., des Nachmittage 
don 4 bis 9 Uhr stattfinden. Indem wir ein 
Musik liebendes Publikum hierauf aufmerksam 
machen, wollen wir zugleich auf die vortreff— 
lichen Leistungen der Kapelle Reckzeh hinweisen. 
diese genießt einen ausgezeichneten Ruf; ihr Pro— 
zramm ist immer ein sehr gewähltes und im Vor⸗ 
trage ribalisiert sie mit den besten Millitärkapellen. 
kin Kunsigenuß, wie ihn das projektierte Konzert 
»erspricht, wird uns hier selten genug geboten und 
verdient darum das Vorhaben des Herrn Weirich 
zdurch zahlreiche Betheiligung die kräftigste Unter— 
tützung. Die Eintrittsbedingungen sind, besonders 
für Familien, sehr günstig. Erwähnt sei noch, 
daß die Liste behufs weiterer Einzeichnung zur Er—⸗ 
langung von Einzel- und Familien-Billets bei 
herrn Weirich offen liegt. 
— Um der Wichtichkeit der Sache willen sei 
noch einmal darauf hingewiesen, daß bezüglich der 
celigiösen Erziehung von Kindern aus gemischten 
Ehen durch die Entscheidung des Verwaltungsge⸗ 
richtshofes jetzt voͤllige Klarheit geschaffen worden 
ist: Bestimmungen darüber können die Eltern nur 
vor Abschluß der Ehe treffen, und zwar notariell 
in Eheverträgen; später sind keinerlei Abänderungen 
mehr möglich. Ist kein Ehevertrag vorhanden, so 
gilt 85 14 der 2. Verf.Beilage: die Knaben folgen 
dem Vater, die Mädchen der Mutter. Die Be— 
merkung in den Entscheidungsgründen des Verwal⸗ 
tungsgerichtshofes, wonach solche elterliche Bestim⸗ 
mungen auch während der Ehe gemacht werden 
können — Band 4 der Eutscheidung S. 166 — 
hat nur für das jenseitige Bayern, nicht aber für 
die Pfalz Giltigkeit, weil in der Pfalz der code 
ciyvil eine Errichtung von Eheverträgen nur vor 
Abschluß der Ehe gestattet. 
MRohrbach, 23. Juli. Durch einstimmigen 
Beschluß des Gemeinderathes wurde Herr Lehrer 
Mihel von Hassel als Lehrer auf die hier erledigt 
Schulstelle gewählt und der kgl. Regierung 
Ernennung in Vorschlag gebracht. dur 
— Der Kalksteinlieferant und Ackerer Johan 
Frenzel von Blickweiler wollte am un 
des 21. Juli an der Bahn daselbst noch ainn 
Waggoñ mit Steinen einladen. Beim Hinfahn 
mit seinem schwer geladenen Wagen kam dieser 
dem eisernen Storren an den Waggon, —X 
dieser etwas fortbewegt wurde. Unglücklcher Wuß 
saß das djährige Töchterchen des Fuhrmannes hinie 
dem Waggon auf dem Schienengeleise, und wurd. 
dasselbe von dem Waggon erfaßt und derart ge 
drückt, daß es sofort eine Le iche war. Die da 
stürzung und den Schrecken des Vaters kaun ma— 
sich leicht denken. 
— In Blickweiler wurde am 22. Jul 
folgendes Bubenstück verübt: Beim Viehtranlen 
wurden einer Kuh und einem Rind die Schwanp 
zusammengebunden. Die Thiere machten darah 
dehrt und eilten in ihren Stall zurück. Bis hie 
her ging's gut; nun aber fingen die Thiere an p 
zerren, und das Ende war, daß dem Rinde d 
Schwanz herausgerissen wurde. Der Besitzer de 
Thiere hat Klage eingeleitet. 
— Wie schon so oft, wo es galt, Edles un— 
Gemeinnütziges zu fördern, spendete Herr Heinrid 
Dilgard Genry Villard) auch die Geldmuͤttel 
Herausgabe der ärchäologischen Karte der Pfol 
herausgegeben vom Studienlehrer Professor Dr. 
Mehlis in Dürkheim a. H. 
— Kallstadt, 22. Juli. Im Garten de 
Herrn Friedrich Karl Bender trifft man schef 
gefärbte Möhrchen-Trauben an. Hoffen— 
lich wird eine sehr gute Qualität den Winzer fü 
den Ausfall in der Quantität entschädigen. G 
— In Wattenheim stürzte der Ackerer un 
Schuhmacher Benz von dem Gerüste seiner Scheun 
und starb nach Verlauf weniger Stunden. D 
herbeigerufenen Aerzte constatirten außer andere 
schweren Verletzungen einen Schädelbruch. De 
Verlebte, ein braver fleißiger Bürger, hinterläs 
außer der trauernden Wittwe sechs theilweise uner 
zogene Kinder. (Fkthl. T.) 
— In Neupfotz scheinen es die Diebe namem 
lich auf die Gänse gepackt zu haben, und betreibe 
diese Gripsereien dorten geradezu en gros. S 
wurden in zwei Tagen in einer einzigen Straf 
blos 16 Stück dieser schnatternden Kapitolserrette 
mitgehen geheißen, ohne daß man bis jetzt auch nu 
eine Spur der Thäter hat. Gegen ihre Vorfahte 
auf dem Kapitol scheinen eben die Neupfotzer Gän 
die reinen Schlafhauben zu sein. 
— Landau, 22. Juli. Die kgl. Regierun— 
hat das Konzessionsgesuch der Herren Clundt un 
Gürleth um Errichtung einer Gastwirthschaft, der 
bunden mit Schank- und Speisewirthschaft, in ihren 
Hause am Paradeplatz (früher „Pfälzer Hof“) ge 
nehmigt. Die Eröffnung soll Mitte August erfolgen 
Das k. Bezirksamt hatte die Genehmigung versagt 
obgleich der Stadtrath die Bedürfnißfrage beiah 
hatte.) 
— Speher, 22. Juli. Heute Morgen wurd 
die Austrittsprüfung an der hiesigen kgl. Lehret⸗ 
bildungsanstalt beendet. Sämmtliche 8 
Prüflinge resp. 33, weil einer während der Prüf 
ung erkrankte, bestanden dieselbe. 31 Pfälzer un 
ein Niederbayer treten in den pfälzischen Volk 
chuldienst, während ein Unterfranke in seiner Hei 
math Anstellung suchen wird. 
— Speher, 22. Juli. Ein tragischer de 
hat sich hier zugetragen. Die ledige Tagnetr 
Christiana Weffa wurde, während ihre ebenfale 
ledige Schwester abwesend war, vom Herzschlag ge 
——— 
ihre Schwester todt am Boden liegen. Ein gewa 
siger Schrecken erfaßte sie und sie mußte ohnmochtit 
ins Spital gebracht werden, woselbst sie, ohne wiede 
die Besinnung erhalten zu haben, ebenfalls infolur 
eines Schlages gestorben ist. Ê 
— In Ludwigshafen soll nun auch n 
Gewerbeschule errichtet werden, nachdem der Gewert 
Verein dorten eine solche als ein Bedürfnitze 
diese Stadt bhefürwortet hat. 
Zweißeücker Musikfest. 
0 Zweibrucken, 24. Juli. Unser le 
ziniger Zeit unter Hra. A. Gehlens gediegenen 
deitüng wieder mit sshönstem Erfoig emporstreden 
der Cacilienverein hat sich bekanntlich an die Ver⸗ 
anstaltung eines größeren Musikfestes gewag 
e üee minn er e in da liebenswürdiafter