Full text: St. Ingberter Anzeiger

S»t. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.A 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließlich 
o S Zuftellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr für die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 B, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 135 H, Reclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
XXX — 
19. Jahrg. 
Deutsche Kolonialpolitik. 
(Die Grenzboten.) 
Fürst Bismarck hat seine frühere Anficht, daß 
dionien für Deutschland äberflüssig seien, insofern 
ufgegeben, als er zwar keine Kolonien von Reichs- 
degen gegründet wissen, wohl aber Privatunter⸗ 
ehmungen nach dieser Richtung hin vom Reiche 
irdern und stützen lassen will. Dieser Gedanke, 
er an die Anfänge des anglo-ostindischen Reiches 
rinnert, führt uns in die große Konkurrenz um 
»e noch nicht vergebenen überseeischen Preise ein, 
»enn auch nicht direkt, als Staat, und Manches 
neb bei der Erörterung der Angelegenheit wohl 
nausgesprochen, obwohl es an einer leisen Andeu— 
ing weiterer Pläne fehlte. Man darf dabei an 
deuguinea und vielleicht auch an andere Punkte in 
zolhynesien denken. In einigen Jahren wird die 
arische Landenge durchstochen und damit die reiche 
nselwelt des Stillen Oceans und der Südsee, die 
zzt noch größtentheils herrenloses Land ist, für 
uropa verhältnißmäßig nahe gerückt sein. Es wird 
n Wettstreit der Nationen um diese Gebiete be— 
mnen, und wenn Deutschland, mit seiner Handels— 
otte, der dritten im Range, in dieser Beziehung 
ur schwächer als Großbritanien und die nordame— 
tanische Union, davon nicht ausgeschlossen sein 
ill, muß es sich in der Zeit, wo der Wettstreit 
»ginnt, wie andere Mächte dort schon an einigen 
hunkten festgesetzt haben. Die Postdampfer, welche 
uübventionirt werden sollen, könnten das vorbereiten. 
Wie aber der Reichskanzler jetzt zu der Kolonial⸗ 
zage eine andere Stellung einnimmt, so auch die 
dation, soweit sie an großer Politik theilnimmt. 
ei der Samoafrage waren die Meinungen im 
uublikum noch sehr getheilt, und biele verhielten 
ch gegen das betreffende Projekt noch gleichgültig, 
iele verwarfen es. Jetzt dagegen begegnetie der 
eue Versuch, den Reichstag fuͤr eine bestimmte 
olonialpolitik zu gewinnen, nahezu aller Orten 
eunigem Willkommen und die Ablehnung der Vor— 
ge durch die Majorität lebhaftester Mißbilligung. 
dassenhaft gingen dem Reichskanzler aus den ver— 
hiedensten Gegenden Deutschlands Dankadressen für 
ne Initiative in der Sache zu, Vereine aller Art in 
Lürttemberg, in Baden, in Sachsen (Oresden, 
ipzig, Meerane), in Hessen und den Rheinlanden 
vünschten ihm Glück zu seiner überseeischen Politik 
nd erklärten die Verschleppung des Subventions— 
esetzes für eine Schädigung der wirthschaftlichen 
uteressen und der nationalen Entwicklung des 
reiches, und es steht zu hoffen, daß man bei den 
aͤchsten Reichstagswahien sich dessen erinnern, die, 
belche die Verschleppung veranlaßten, nicht für ge⸗ 
gnete Vertreter des Volkswillens ansehen und statt 
stet solche Männer wählen wird, welche das In⸗ 
esse Deutschlands besser verstehen und ihm nicht 
ne tiefere Stellung als ihrem Hasse gegen den 
anzler, ihrer Partaͤtheorie und ihrer —A 
it anweisen. Fort mit dieser Opposition, diesen 
liquenpolitikern, diesen ewigen Hemmschuhen alles 
ntlichen Forischrittes diesen nörgelunden Klein— 
stern! sei die Wahlparole, und dabei lasse man 
d nicht dadurch irre machen, daß einige Herren, 
— sie gemerkt, daß ihre Haltung ihnen bei den 
ahlen schaden könnte, nothgedrungen die Politik 
s Kanzlers anerkannten. Die Verschleppung blieb, 
nd nicht an ihren Reden, sondern an ihren Thaten 
iben wir ihren Werth zu messen. Sie haben sich 
eder einmal —VV——— 
non dem nationalen Bewußtsein geschieden sie 
im unbelehrbare und unverbesserliche Gegner der 
ßröße des Vaterlandes. Der Kanzler hat im 
eichstage und in seiner Antwort auf die Adresse 
»er Freiburger Handelskammer erklärt, daß das 
Subventionsgesetz dem neuen Reichstage wieder vor⸗ 
jelegt werden soll, und wir hoffen, daß dann auch 
iber die Beweggründe zu demselben, die der Vorlage 
iefere politische Bedeutung geben, aber jetzt ver⸗ 
chwiegen werden mußten, Aufschluß ertheilt werden 
ann. Mit Sicherheit ist für diesen Fall voraus— 
usagen, daß die Herrschaften, die ihre Hauptpflicht 
n der Verweigerung der Mittel erblicken, welche 
»er Kanzler zur Verwirklichung nützlicher Pläne 
sedarf, und die sich dabei auch in Sachen der 
ußeren Politik höchst lächerlicherweise klüger und 
esser unterrichtet zu sein einbilden als er, ihr altes 
Spiel wieder beginnen werden, wenn sie die Wahlen 
sinter sich und das vielgeliebte Mandat wieder in's 
ẽrockene gebracht haben. Darum nochmals fort mit 
hnen und gute Patrioten an ihre Stelle. 
VPolitische Uebersicht. 
Deutjches Reich. 
Muünchen. Zum Bau einer neuen Infan— 
erie⸗ Bataillonstaserne in München sind durch das 
nit dem letzten Landtage vereinharte diesbezügliche 
Besetz vom 1. April d. J. 700,000 Mt. bewilligt 
vorden; wie die A. A. nun vernimmt, sind die 
Blaäne für diesen Neubau bereits fertig gestellt und 
oll mit den Bauarbeiten demnächst begonnen wer— 
»en und wird die neue Kaserne auf das nördliche 
Terrain des Marsfeldes zu stehen kommen. 
S. Maj. der Kaiser von Rußland haben dem 
.Regierungs- und Polizeidirektor von München, 
Vilh. Frhr. v. Pechmann, den k. russischen 
7ztanislausorden 1I1. Classe mit dem Stern, und 
em Polizeiassessor Ludwig Meixner denselben Orden 
II. Classe verliehen. 
Nachdem von der nationalliberalen Partei das 
Iperationsfeld ihre Wahlthätigkeit im Großen 
imschritten worden ist und die zahlreich abgehaltenen 
Zarteiversammlungen hinlänglich die Meinung über— 
ill geklürt haben, wird nunmehr mit regem Eifer 
in die Wahlarbeit im Kleinen gegangen. Von 
llen Seiten regnet es schon Nachrichten über Auf⸗ 
tellung von Candidaturen, die erkennen lassen, daß 
»er neue Reichstag voraussichtlich eine ziemiich ver— 
inderte Physiognomie gegen seinen Vorgänger zeigen 
ürfte und daß der Kampf der Parteien mit einander 
in sehr hartnäckiger sein wird. Einer der meist⸗ 
imworbenen nationall. Candidaten ist Herr v. Schauß, 
»er an nicht weniger als 4 Orten nominirt wurde: 
n Alzey⸗Bingen, in Fürth, in Halle und in Immen⸗ 
tadt. Drei der angebotenen Mandate sind von 
hym auch angenommen worden. In Allzey stellte 
cch am vergangenen Sonntage Hr. Direktor v. Schauß 
einen Wählern vor und entwickelte vor einer etwä 
300 Köpfe zählenden Versammlung sein politisches 
Zrogramm. Dasselbe schließt sich im Wesentlichen 
öllig der Heidelberger Erklärung an. Eine sehr 
ichtvolle Beleuchtung fand durch ihn die Stellung 
»es Nationalliberalismus zur neueren Zollpolitik, 
um Sozialistengesetz, zum Unfallversicherungsgesetz, 
zur Postdampfersubvention und der Colonialpolitik 
des Kanzlers. Die Sachlichkeit, mit welcher Hr. 
»on Schauß seine Ansichten vortrug, trotz der kaum 
laublichen Anfeindungen seiner Person im Wahl— 
reis Alzey-Bingen — ein anonymer Brief drohte 
ym gar mit dem Hängen — die Würde, mit 
nescher er seinen Mahsagegner hehandelfe. gewonner 
hm schnell viele neue Freunde, und steigerten die 
Siegeszuversicht der nat. lib. Wähler ganz bedeutend. 
luch für die anwesenden Pfälzer speziell war das 
Auftreten Herrn v. Schauß' von entschiedenem Inter⸗ 
esse, zumal er es sich zur Aufgabe gemacht, die eigen⸗ 
artigen Landesculturverhältnisse des Rheingaues und 
der Pfalz mehrfach in Betracht zu ziehen. Etwas 
zurückhaltend geht man hinsichtlich der Wahlvorbe— 
ceitungen bei uns in der Pfalz selbst ans Werk, 
vo zwar keine tiefer im Volke wurzelnde Partei⸗ 
derschiebung seit 1881, noch weniger eine solche bei 
den seitherigen pfälzischen Vertretern im Reichstage 
tattgefunden hat, wo aber doch mit antinationalen 
iberalen Einflüssen genugsam gerechnet werden muß. 
Jeder nationalgesiunte Mitbürger sollte deshalb bei 
Zeiten auf dem Platze sein und fleißig die Werbe⸗ 
rommel rühren. Cantonsversammlungen haben schon 
einige und zwar kürzlich erst eine solche im Wahl⸗ 
reis Bergzabern⸗Germersheim und am Sonntag 
ine andere zu Ludwigshafen stattgefunden. Sobald 
»ie nöthigen Vorverhandlungen zu Ende geführt 
ind, werden wir nicht ermangeln für die 6 Wahl⸗ 
reise die Namen unserer Partei⸗Candidaten als 
SZammelparole auszugeben. (Pf. L. C.) 
Durch die Eröffnung der Congoländer bietet 
ich den Colonisationsbestrebungen aller 
Fulurvölker ein neues vielversprechendes Feld zur 
Erprobung ihrer Kräfte. Ein Ausspruch des Abg. 
Zamberger mit welchem gegen die Dampfersubven⸗ 
ionsvorlage neulich im Reichstage argumentirt wer⸗ 
en sollte, dahin lautend, daß Amerika sich vor 
eder die Macht des Landes etwa schwächenden Co— 
onialpolitik zu hüten wisse, wird damit vielleicht 
eine alsbaldige praktische Wiederlegung finden. 
Man hat nämlich die Idee gefaßt, gerade den ame⸗ 
itanischen Schwarzen, die zum Theile von moderner 
dulinr bereits durchdrungen sind, die Aufgabe zu⸗ 
uweisen, das Innere Afrika's gänzlich dem euro⸗ 
päischen u. amerikanischen Handel u. heutiger Ci— 
ilisation zu erschließen. In Anlehnung an den 
ereits bestehenden Negerfreistaat Liberia hofft man, 
»aß unter Leitung von amerikanischen Schwarzen 
ieue Staaten entstehen und daß die in ihre alte 
deimath Zurückgewanderten in freier Entwickelung, 
iber unter Fortbildung der ihnen bereits eigenthüm⸗ 
ichen abendländischen Bildung eine neue afrikanische 
dultur schaffen werden. Es eröffnen sich so, wie 
nan glaubt, die weitesten Perspectiven für einen 
veit verzweigten, regen Handel zwischen Amerika 
i. Afrika und unter diesem Gesichtspunkt erfährt 
)enn auch das Vorgehen des Washingtoner Cabinets 
n der Congofrage eine ganz besondere Beleuchtung. 
Zeiläufig gesagt, ist übrigens auch von deutscher 
Seite an die Associaton internationale du Congo 
die Frage gerichtet worden, ob sie wohl geneigt 
väre, unter günstigen Bedingungen deutschen Händ— 
ern u. Pflanzern, die sich an den Ufern des Congo 
niederlassen wollen, Land zu überlassen. Die Asso— 
iation hat sofort darauf geantwortet, ihr Gebiet 
väre Jedermann offen, und gern würde sie mit 
»eutschen Handelsfirmen und Landwirthen unterhan⸗ 
deln, die fähig wären, ernstliche Unternehmungen 
in Westafrika einzurichten. Außerdem hat Kapitän 
daussons Chef der Station Bolobo, u. A. berichtet, 
daß das Land in der Umgebung der Station An— 
vflanzungen jeder Art gestaättet. (Pf. L. C.) 
Berlin, 26. Jüli. Unerlaubte Auswander⸗ 
ing wegen der langen Militärdienstzeit. Nach dem 
—D 
icht weniger als 15,877 Verurtheilungen wegen 
nerlquhter Answanderung erfolaf. In dem Jahr—