Full text: St. Ingberter Anzeiger

no die Leipziger Stadtgemeinde und den Rest 
jje Leipziger Schützengesellschaft zu tragen. 
Breslan, 3. Aug. In Schlesien ist ein 
rebierförster zum Lokal⸗Schulinspektor ernannt 
vorden. Die „Preuß. Lehrerzeitung“ bemerkt hierzu: 
Wie leicht muß es doch sein, die amtliche Thätig⸗ 
a der Lehrer zu beurtheilen. Hoffentlich macht 
ieselbe Regierung nach der preußischen Devise: 
Hleiches Resht für alle“ auch einmal einen Schul⸗ 
neister zum Oberförster!“ 
pCEine Pfändungdurcheinen Blitz 
terbroschen.. Bei einem am Donnerstag 
atgehabten Gewitter schlug der Blitz, wie der 
Bohemia“ aus Petschau gemeldet wird, in rin 
aus in Leimgruben, in welchem sich gerade be— 
ufs einer Piändungsvornahme ein Gerichtskanzlist, 
in Karlsbader Geschaäftsmann und der Gepfändete 
efanden. Der Kanzlist blieb sofort todt, während 
beiden Anderen sich von der Betäubung ver⸗ 
altnißmäßig bald erholten. 
pAus Wien kam die Trauerkunde, daß 
seinrich Laube daselbst gestorben ist. Mit 
aube geht einer der letzten eigentlichen und hervor⸗ 
agendsten Vertreter des „jungen Deutschland' und 
ner unserer hervorragendsten Dramaturgen nach 
mem vielbewegten Leben zu Grabe. 1806 zu 
zprottau in Schlesien geboren, studirte er nach 
urückgelegter Gymnasialzeit Theologie, wandte sich 
der später der Litteratur zu, bis ihn Anfangs der 
reißiger Jahre die Politik in ihre Kreise zog. Die 
zolitik aber ist eine Feindin der Kunst, und in 
srem Banne gedeiht das Schöne nur selten; auch 
id die Dichter aller Zeiten meist recht schlechte 
‚olitiker gewesen. So war auch Laube's einziger 
olitischer Erfolg eine neunmonatliche Untersuchungs⸗ 
aft in der Hausvogtei zu Berlin und eine acht— 
Inmonatliche Festungshaft, zu der er 1886, kurz 
ach seiner Verheirathung, verurtheilt wurde, die 
im aber Muße gab, seine übrigens ziemlich un— 
erühmte Litteraturgeschichte zu schreiben. Nach 
jelen Kreuz⸗ und Querzügen, besonders einer Reise 
urch Frankreich und Algier, die er mit seiner Frau 
zachte, und nachdem er 1848 kurze Zeit dem 
rankfurter Parlamente angehört hatte, führte ihn 
in guter Stern nach Wien, wo er zum artistischen 
direttor des Hoftheaters ernannt wurde, und hier 
eginnt nun die Zeit des Schaffens und des Wir⸗ 
ens, dessen Früchte für das deutsche Theater und 
ir die deutsche Litteratur von bleibendem Werthe 
in werden. Als Dichter, als Uebersetzer und Be— 
ixbeiter hervorragender französischer Theaterstücke, 
ind besonders als Dramaturg, praktisch tüchtiger 
zühnenleiter und Regisseur entwickelte er eine un— 
tmüdliche und erfolgreiche Thätigkeit und führte 
as Burgtheater, und nachdem er nach siebzehnjähriger 
chätigkeit von dieser Stelle zurücktrat, das Stadt- 
heater zu hoher Blüthe. „Das Burgtheater“, „das 
iener Stadttheater“ und „das Norddeutsche 
heater“ sind Früchte seines umfassenden drama— 
urgischen Wissens und Könnens und seiner reichen 
ind gereiften Lebenserfahrung. Die Litteratur ver⸗ 
ankt dem Verblichenen eine Reihe vorzüglicher 
domane, darunter „Der deutsche Krieg“, von denen 
er letzte „Lebenserinnerungen“, erst vor Kurzem 
ischen und noch nicht ganz abgeschlossen war. 
lußerdem eine große Anzahl von Stücken, von 
enen „Struensee“, „Die Karlsschüler“, „Graf 
isse“, „Böse Zungen“ die bekanntesten sind. Laube 
var ein knorriger, aber kein laubloser Stamm; die 
leste dieser in vielfachster Beziehung hochbedeutenden 
isönlichkeit breiteten sich weithin, und der Schatten 
nar erquickend und befruchtend. In demselben ge— 
jehen und reiften dem deutschen Volke herrliche 
ttüchte von bleibendem Werth, entwickelten sich 
lreiche Talente der dramatischen Kunst, für deren 
uffindung der Heimgegangene einen feinen Spür⸗ 
un und für deren Fortbildung und Förderung er 
lhst ein gediegenes Können und, was hierbei nicht 
enig sagen will, ein warmes Herz hatte. Jetzt 
her todi; aber: nennt ihr die besten Namen, so 
ard auch der seine genannt werden, so lange das 
entiche Volk seine Dichter und Denker noch hoch hält. 
»Wien, 3. Aug. Die Beerdigung Laube's 
ind heute Nachmittag bei auffallend geringer Be 
vriligung statt. Krouprinz Rudolf fandte einen 
cachtdollen Kranz. Die wenigen Worte, welche 
er Direktor des Berliner Hofschauspiels sprach, 
xrfehlten ihren Eindruck nicht. 
„f Aus Agram wird berichtet: „In Pokuvsko 
3 ein wüthend gewordenes Schwein unter 
nsben und Vieh während des stark besuchten 
arktes große Verwirrung an. Das Schwein biß 
Nenschen und Thiere. Letztere wurden scheu, rissen 
ich los und raunten in rosender Flucht durch den 
Irt in die engen Gassen, wo ein furchtbares Ge— 
ränge entstand. Sechs Männer und eine Frau 
vurden zu Tode getreten, 29 Stück Rinder ver⸗ 
ndeten, viele Menschen und Thiere sind verwundet. 
das Schwein wurde endlich gefangen und zur Be⸗ 
bachtung übergeben.“ 
F (Eine Ausrede. Der Schuhmacher Adam 
yruber in Wien ist wegen versuchten Diebstahls 
ingeklagt. Er kam des Nachts in eine fremde 
Vohnung und griff nach der auf dem Nachtkästchen 
iegenden Uhr. Der Besitzer derselben erwachte, 
vackte den Dieb an der Hand und dieser antwor— 
ete auf die Frage, was er denn eigentlich wolle: 
„Ich hab' nur wollen auf die Uhr schauen!“ Der 
zorsitzende gab darauf dem Gauner den Rath: „Wenn 
zie wieder einmal auf die Uhr schauen wollen, so 
ehen Sie sich eine Kirchthurmuhr an und gehen 
richt in eine fremde Wohnung.“ und der Gerichts— 
sof verurtheilte Gruber zu 6 Wochen Gefängniß. 
FParis, 4. August. Seit gestern Vormittag 
vurden in Toulon keiner, in Marseille 3 und in 
Arles 1 Choleratodter konstatirt. 
EGEine neue Taschendiebfinte.) 
kine junge Dame ging dieser Tage in Paris die 
stue de Soͤvres entlang, ihr zartes Kind auf dem 
lrme tragend. Plötzlich tritt ein feingekleideter 
derr auf sie zu und sagt, indem er mit vollendetem 
Anstand seinen Hut lüftet: „Madame, ich erlaube 
nir, Sie aufmerksam zu machen, daß eine anschei— 
nend giftige Fliege auf dem Capotehütchen Ihres 
eizenden Kindes sitzt.“ Die erschreckte junge Mutter 
riff nach ihrem Battisttaschentuch, um das garstige 
Thier zu verscheuchen, und der liebenswürdige Herr 
hlug mit seinem Glackhandschuh nach dem Insekt, 
obelches er bald auf der Schulter, bald auf der 
Tournure der jungen Frau zu bemerken schien. 
endlich zeigte er mit einem triumphirenden „Ah 
oila“ der geängstigten Dame zwischen seinen Fingern 
en zerdrückten Leichnam einer feisten Fliege und 
iing dann, abermals den Hut ziehend und von der 
Nutter mit Dankesbezeugungen überschüttet davon. 
daum war der gefällige Fremde jedoch um die 
ẽcke, so bemerkte die Dame, daß mit der giftigen 
Fliege auch ihre kostbare Uhr nebst Kette verschwun⸗ 
en war. 
F Doppelselbstmord. In Pegli wurden 
zie Bewohner des „Grand Hotel“ eiwa um 4 Uhr 
Norgens durch einige aufeinanderfolgende Schüsse 
ind herzzerreißendes Schreien aufgeschreckt, das aus 
inem Zimmer drang. Die Zimmerthüre wurde 
eöffnet, und man fand die Insassen, ein junges 
zJaar, in einer furchtbaren Blutlache am Boden. 
der Mann war bereits todt, und der Zustand der 
dame ist nach den Aussagen der Aerzte ziemlich 
voffnungslos. Beide Personen hatten sich in die 
zrust geschossen. Die Dame bat die Hinzueilenden 
lehentlichst, man möchte sie vollends tödten, sie könne 
ind dürfe nicht mehr leben. Durch zurückgelassene 
zriefe hat sich das Dunkel ziemlich aufgeklärt. Die 
Uuglücklichen waren ein Liebespaar; die Zustimmung 
ur ehelichen Verbindung wurde von den Eltern 
erweigert, weshalb Beide das Elternhaus heimlich 
erließen, um in der Ferne den traurigen Entschluß 
ingestört ausfühten zu können. Wenige Stunden 
jach dem Unglück traf eine Depesche von den Eltern 
des jungen Mannes ein, laut welcher ihm die 
Trauung mit seiner Geliebten gestattet wurde; leider 
u spät. Der Herr war aus Turin, die Dame von 
ssti gebürtig. Ersterer war 22 Jahre. letztere 20 
zahre alt. 
F (Das schreiblustige England.) Wie 
ie Franzosen das redseligste, so sind die Engländer 
zas schreibseligste Volk der Welt. Nach Ausweis 
»es neuesten Jahreshberichtes der britischen Postver⸗ 
valtung wurden in dem Zeitraum vom 31. März 
883 bis 31. März 1884 im Vereinigten König— 
eiche 1,322, 086,900 Briefe befördert, was auf 
en Kopf der Bevölkerung eine Anzahl von 37 
Zriefen ausmacht. Im vorhergegangenen Jahre 
etrug diese Durchschnittsziffer nur 35, während 
leichzeitig in den Vereinigten Staaten von Nord⸗ 
merika 21, in Deutschland 17, Frankreich 16, 
ztalien 7 und Spanien 5 Briefe auf den Kopf 
er Bevölkerung entfielen. Man berechnet den An— 
vachs der Briefzahl in England auf 3,2 Prozent, 
zen Anwachs der Bevölkerung auf nur 1 Prozent 
ährlich; sonach erscheint die Zunahme der natio— 
alen Korrespondenz dreimal größer als die Zu— 
abme der Kopfzabl 
GEelbstschließende Waggonthüren.) Paul 
Weinlich in Berlin hat eine Vorrichtung erfunden, 
velche den Eisenbahnschaffnern eine nicht unerheb⸗ 
liche Mühe ersparen soll. Bisher wird nur bei 
der Berliner Stadtbahn von den Passagieren er— 
wartet, daß sie die Wagenthüren selbst auf⸗ und 
zuschließen; bei den anderen Bahnen hält man eine 
olche Initiative des Pnblikums für nicht wünschens— 
werth und hat dafür gesorgt, daß die Thürklinken 
nur von außen zugänglich sind, und daß das Auf— 
und Zuschließen selbst möglichst erschwert wird. 
Die Weinlich'sche Erfindung besteht nun in einem 
urch verdichtete Luft wirkenden Apparat, der die 
Thüren aufschließt, sobald der Zug hält, und sie 
vieder zuschließt, wenn er weiterfährt. Selbstver⸗ 
tändlich ist auch für eine Abstellung der Vorrich— 
ung gesorgt, so daß beispielsweise bei durchgehen⸗ 
den Zügen gewisse Wagen auf den Haltestellen und 
auch die nicht im Dienste befindlichen Wagen ge— 
chlossen bleiben. — Dr. Siemens will dies bei 
einen zukünftigen elektrischen Bahnen einfacher durch 
»ie Zugkraft selbst bewirken: vorerst erfreuen fich 
ndessen wenig Bahnen des Vorzugs einer Elektrizi— 
ätsquelle, und so kommt Weinlich mit seiner Er— 
indung nicht zu spät. 
F(GNittel gegen die Schwindsucht.) 
Julius Kircher, angeblich ein Schüler Liebigs, 
chreibt in der Zeitschrift des österreichischen Apo— 
hekervereins: Die epochemachende Erfindung des 
)eutschen Sanitätsrathes Dr. Koch hat eine von 
nir seit 40 Jahren beobachtete Erfahrung glänzend 
nestätigt. Ich betreibe seit 44 Jahren eine Ultra— 
narinfabrik nach eigen erfundener Methode. Es 
vird auch bei meinem Verfahren eine Masse Schwefel 
erdampft und verbrannt, wobei sich selbstverständlich 
zroße Mengen schwefliger Säure bilden. Keiner 
neiner vielen Arbeiter wurde je von Schwindsucht 
inweggerafft, obgleich angesteckte Personen sich 
äufig genug als Handwerker meldeten. Einige 
Wochen in den Dünsten der schwefligen Säure 
ebend, wurden die meisten gesund und wieder 
räftig. Alle Krankheiten, die von mikroskopischen 
Thierchen erzeugt werden, ja selbst Cholera, blieben 
neiner Fabrik fern. Man weiß, daß Krätzmilben 
zurch schweflige Säuren getödtet werden — man 
veiß, daß Einathmen von schwefliger Säure alle 
atarrhalischen Beschwerden sehr schnell kurirt, indem 
»urch den Tod der eingedrungenen Parasiten die 
hurch dieselben erzeugte Entzündung sich verliert 
ind nun ein Abfluß der Schleimflüssigkeit erfolgt, 
der vorher durch Verstopfung der Drüsen verhindert 
var. Das Auffinden der Bakterien in der Lunge 
eweist, daß die Schwindsucht eine ähnliche Kranf— 
jeit wie die Krätze ist, und da die Entstehung mi— 
roskopischen Thierchen zugeschrieben wird und man 
ängst weiß, daß die Krätze durch Schwefel (xesp. 
rus diesem sich bildender Säure) kurirt wird, so 
erechtigt die analoge Entstehungsursache einen 
-„chluß auf die Heilung der beiden Krankheiten 
»urch dasselbe Mittel zu ziehen. Man bringe 
dungenkranke in Räume, worin stündlich kleine 
ZQuantitäten Schwefel, (etwa 12 Drachmen) über 
iner Spirituslampe oder hesser auf eineimn warmen 
Ifen verbrannt werden, und man wird bald 
zrößeren Hustenreiz und vermehrten Auswurf be—⸗ 
nerken, als eine Folge der unbehaglichen Stimmung 
»er Parasiten. Nach 8—12 Tagen iegt sich dieser 
Reiz. da die Bakterien allmälig absterben und auf⸗ 
yören, einen Reiz auf die seröse Flüssigkeit der Ge— 
vebe der Lungen auszuüben. Zur Nachkur bringe 
nan den Patienten in Räume, die etwas aroma⸗— 
ische Wasserdämpfe enthalten. Möge meine Erfah⸗ 
rung und dieses erprobte Mittel der leidenden 
Menschheit zum Heile gereichen. 
F Gas Gift keimender Kartoffeln,) 
Noch unreife, besonders auf schlechtem und feuchtem 
Boden gewachsene Kartoffeln, sowie in dumpfigen 
dellern und Miethen aufbewahrte, entwickeln einen 
ziftigen Stoff — das Solanin — in solcher Menge, 
zaß ihr Genuß der Gesundheit von Peenschen und 
Thieren nachtheilig werden kann. Die Vergiftung 
iußert sich in ohnmachtähnlicher Mattigkeit, Üenom 
nenheit des Kopfes, Sehstörungen bei erweiterter 
zupille, Trockenheit und Kratzen im Halse, Er— 
hwerung des Sprechens, Brechneigung, Athmungs⸗ 
zeschwerden, Beschleunigung des Puͤlsschlages, Durst, 
illgemeiner Nervosität und Schlaflosigkeit. Es ist 
saher nothwendig, die im Keimen begriffenen Kar— 
offeln vor dem Kochen zu schälen, die Keime vor— 
ichtig abzustechen und das Kochwasser abzugießen 
ind zu erneuern. Man hüte sich auch, dem Wieh 
zie Kartoffelkeime zu geben