Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der „St. Iugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
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auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 159, bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 186. Donnerstag, 24. Januar 1884. 
19. Jahrg. 
— 
Volitische Uebersicht. 
In der Sitzung de Abgeordnetenkammer 
pom 22. ds. wurde der Justizetat erledigt. Abg. 
Märcker (Zweibrücken) sprach bei dieser Gelegen⸗ 
heit die Bitte um Wiedererichtung der in 
der Pfalz aufgehobenen Amtsgerichte oder zum 
Mindesten um Einführung aus wärtiger Amts⸗ 
tage daselbst aus. Der Justizminister sagte 
zu, er wolle ein Gutachten des Oberlandesgerichts 
der Pfalz hierüber einholen und eventuell dem aus⸗ 
gesprochenen Wunsche willfahren. 
Die „Köln. Zig.“ enthält ein Berliner 
Telegramm in welchem es am Schlusse einer Be⸗ 
trachtung der allgemeinen Weltlage heißt, der eu⸗ 
ropäische Friede sei von keiner 
Seite ernstlich gefährdet. Die Reise v. 
Giers' nach Wien und die Versetzung des Gera⸗ 
fen Herbert Bismarck nach Petersburg 
seien Zeichen, daß die Beziehungen der drei Kaiser- 
reiche mehr befriedigend seien, als es seit langer 
Zeit der Fall gewesen. Unter diesen Umständen 
sehe man dem kommenden Frühjahr mit der Zu⸗ 
versicht entgegen, daß es ohne Störung des Frie⸗ 
dens vorübergehen werde. 
Nach dem „Frkftr. Irl.“ hat Fürst Bis⸗ 
marck die Absficht zu den Berathungen des Un⸗ 
jallgesetzes nach Berlin zu kommen, aufgegeben 
und gedenkt so lange in Friedrichsruhe zu berwei⸗ 
len, bis ihm Jahreszeit und Witterung gestatten, 
nach Kissingen zu reisen. Diese Angaben, die sich 
ziemlich bestimmt geberden, sind aber doch wohl 
verfrüht, und sie stehen überdies im strictesten Gegen⸗ 
saße zu allen sonst verlautenden Mittheilungen, 
nach welchen der Reichskanzler gerade in der be— 
borstehenden Session sich besonders lebhaft an den 
Reichstagsdebatten zu betheiligen beabfichtigt, um 
im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen Klar⸗ 
zeit in die Lage zu bringen und Stimmung für 
seine Politik zu machen. 
Der Reichsanzeiger meldet: Bischof Dr. Brink⸗ 
mann ist durch Cabinetsordre vom 21. d. M. be⸗ 
gnadigt und die Wiederaufnahme der eingesiellten 
Staatsleiftungen für die Didzese Münster von Neu— 
jahr 1884 ab angeordnet wotden. 
In Fraukreich nimmt die Fremdenhetze 
hren Fortgang. So haben z. B. nach Meldung 
des „Frkf. Journ.“ die Gemeinderäthe von Clichh- 
a⸗ Garenne und Levallois⸗Perret den Unternehmern 
der durch die Gemeinde vergebenen Arbeiten auf- 
erlegt, alle fremden Arbeiter unverzüglich fortzu⸗ 
jagen. Die Pariser Hetzblätter spenden den Ge⸗ 
meinderäthen dafür den lebhaftesten Beifall. Das 
große Geschäftshaus Bilorei und Mota läßt in 
den Zeitungen bekannt machen, daß es keine Deut- 
chen mehr beschäftigt. In Saint⸗Ehamond ist ein 
deutscher Zahnarzt, Namens Plant, der sich dort 
niedergelassen und verheirathet hat, Gegenstand aller 
nöglichen Verfolgungen und Unbill, und hiesige 
detzblatter fordern die Patrioten von St.⸗Chamond 
Rfen auf, diesem teutonischen Spion den Weg nach 
dem Rhein hin zu weisen. Die französische Corre⸗ 
pondenz knüpft an diese Thatsachen joigende War⸗ 
dung: z, Deutsche Arbeiter und Commis können 
nicht eindringlich genug davor gewarnt werden, sich 
dauernd in Paris niederzulassen, wo unter den 
xegenwärtigen Verhältnissen ihre Stellung im besten 
dall eine höchft prekäre, oft eine ganz unerträgliche 
. Selbst Oesterreicher, Schweizer und Italiener 
derden oft genug hier nicht viel besser wie die 
Deutschen behandelt. Die deufschen Thuristen un 
Vergnügungsreisenden kommen von selbst immer: 
eltener nach Frankreich. 
Deutsches Reich. 
München, 22. Januar. In heutiger Sitz⸗ 
ung erledigte die Kammer der Abgeordneten den 
Justizetat bis zu dem Kapitel über die Strafan⸗ 
stalten nach den Anträgen des Ausschusses. 
mitgenommen, sowie beinahe sämmiliche darin aus— 
gestellten Photographien entwendei. 
M St. Ingbert, 24. Januar. Am 20. 
ds. Mts. wurde im Lokale des Wirthes Johann 
Weirich die alljährliche statutengemäße Generalver— 
sammlung der Allgemeinen Kranken-Un— 
terstützungs- und Sterbe-Kasse St. 
Ingbert abgebalten, die sehr zahlreich sowohl 
von Mitgliedern als auch von Nichtmitgliedern be— 
sucht war. Der J. Vorstand Herr Weirich eröffnete 
die Versammlung. Nach Vorlesung des Prototolles 
der letzten Generalversammlung wurde zur Tages⸗ 
ordnung geschritten. Die ordentliche Muͤgliederzahl 
betrug zu Anfang des Jahres 1883: 83 und am 
Schlusse desselben: 110. Die Zahl der Unter— 
stützer des Vereines hat im Jahre 1888 um 5 
Nitglieder zugenommen. Dir Zahl aller Mitglieder 
betrug am Schlusse des Jahres 1883: 155. Unter— 
tützuntgen wurden im Jahre 1883 an 20 Mit—⸗ 
zlieder verabreicht im Betrage von 2386 Mark 
28 Pfg. und zwar 216 Mark 28 Pfg. für Krank- 
heitsfalle und 20 Mk. für den Todesfall der Frau 
eines Mitgliedes. Das Vermögen des Vereines 
detrug zu Anfang des Jahres 1883 inchk. der 
Zinsen 633,23 Mk. und am Schlusse dieses Jahres 
247,88 Mt. also mehr 314, 15 Mi. und sind 
200 Mt. hievon auf Sparkassenconto beim hiesigen 
Vorschußvereine doponirt. Hier fügte Herr Bayer 
bei, daß die Mitglieder des Vereins ihre Monais⸗ 
beiträge regelmäßig bezahlen, und daß überhaupt 
die Leitung und Führung des Kasse⸗ und Rech⸗ 
nungswesens nichts zu wünschen übrig lasse. Nach⸗ 
dem Niemand sich zum Wori gemeldet, wurde zu 
82 der Tagesordnung — Rechnungsablage und 
Decharge⸗Ertheilung für den Kassierer — übergegan⸗ 
gen. Als Prüfungskommission wurden die Mitglieder 
Georg Allar, Joh. Jos. Hellenthal und 
Ju st jr. gewählt, welche die Rechnung mit ihren 
Belegen einer genauen Prüfung unterstellten und 
dieselbe für richtig erklärten. Dem Kassirer Herrn 
Beckher wurde Decharge ertheitt und dann auf 
Antrag des II. Vorstandes demselben durch Erheben 
von den Sitzen für die umsichtige und gewissenhafte 
Führung der Rechnung gedankt. Nachdem hierauf 
über verschiedene Angelegenheiten des Vereins ge⸗ 
sprochen und den Mitgliedern die Verbreitung der 
Statuten an's Herz gelegt worden war, schritt 
man zur Wahl des Verwaltungsrathes. Es wurden 
gewählt: L. Weirich, J. Bayer, Dr. Ehr⸗ 
hardt, C. Becker, Just jr.G. Müller, 
J. Fuchs, S. Kammerer, J. J. Hellen⸗ 
hal. Diese bilden den Verwaltungsrath; als 
Ersatzleute wurden gewählt: Wirth Haas, Sattler 
Grewenig und Schneider Merker. 
X. In der Ausschußsitzung des Zweigvereins 
des bayer. Landeshilfsvereins, welche 
am Montag stattfand, konnten wieder an 9 Com- 
hattanten aus den Jahren 187071 Unterstützungen 
im Gesammtbetrage von Mk. 375 bewilligt werden. 
Vier unter diesen genießen zum erstenmal die 
Unterstützung des Verein's; zwei Gesuche wurden 
abschlägig beschieden. Im verflossenen Jahre wurden 
Mk. 458 zu Unterstützungen vderwendet. Diese 
Ausgaben werden der Hauptsache nach mit den 
Zinsen aus den nach und nach angesammelten Ca⸗ 
pitalien bestritten, da die Mitgliederbeiträge auf 
Mk. 212,70 herabgegangen find. Ruhmend wird 
hervorgehoben, daß der Kriegerverein Si. Ingberi 
nit einem Jahresbeitrag von Mk. 10 dem Verein 
als Mitglied beigetreten ist. 
Ausland. 
London, 22. Januar. Kurz vor der Ab— 
reise des Prinzen von Wales am vergangeney 
Dienstag nach Halton wurden im Bahn-⸗Tunnel 
mnit Explosionsstoff gefüllte Packete gefunden, was 
das Gerücht eines beabsichtigten Attentats auf den 
Prinzen von Wales veranlaßte. Die Packete, deren 
Inhalt bedeutend weniger gefährlich als Dynamit 
var, wurden in solcher Lage vorgefunden, daß eine 
Schaden anrichnung unmöglich war. 
Eondon, 21. Januar. Verschiedene Abend— 
blätter melden, daß sich auf den Samoainseln eine 
Bewegung zu Gunsten der Annexion mit Neusee⸗ 
and verbreite. 
Lole und pfäl⸗rische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 283. Januar. Dem Ver⸗ 
nehmen nach wird der beliebte Novelist Edu ard 
Jost, welcher im Laufe der letzten Wochen in 
nehreren Städten unserer Provinz, namenilich in 
dandau, Neustadt, Dürkheim u. s. w. 
Vorträge über wissenschaftliche und kunstgewerbliche 
Themata gehalten, die sich des lebhaftesten Beifalles 
rfreuten, demnächst auch in unserer Stadt zu einem 
Portrag schreiten, und zwar über Holzschneide— 
kunst mit besonderer Berücksichtigung des mod e r⸗ 
nendeutschen Jllustrationswesens. Wir 
zweifeln nicht, daß das ungewöhnliche, hoch inter 
efsante Thema ein großes Auditorium herbeiziehen 
wird. Wie wir aus Berichten auswärtiger Blätter 
ersehen, wird der fesselnde Vortrag durch zahlreicht 
xylographien älterer und neuerer Meister erläutert 
* St. Ingbert, 24. Januar. Der königl. 
Gendarmerie ist es gelungen des Schwindlers hab⸗ 
jaft zu werden, der, wie in der vorigen Nummer 
nitgetheilt, am Abend des 21. den Lehrling des 
Buchbinders Friedrich Namens Felke bedrohte 
und beraubte. Von zuverlässiger Seite wird uns 
darüber folgendes gemeldet: Der Verhaftete heißt 
Jakob Wingerter, ist 21 Jahre alt, war früher 
Bergmann, dann Dienstknecht in Rohrbach. Die 
Verhaftung erfolgte am Abend des 22. gegen 6 
Uhr in der Nähe des hiesigen Eisenwerkes. Win⸗ 
zerter ist überführt bei J. Rickel jr. am 16. d. 
Mts. 7 Mk. und bei Gebrüder Becker am 18. 
dss. Mts. 13 Mark auf Rechnung des Schmitt 
seines früheren Dienstherrn geholt zu haben. Außer⸗ 
dem hat Wingerter bei Wirth Johann Schwarz 
)ahier und Jakob Quirin von Rentrisch Versuche 
gemacht sich Geld zu erschwindeln, allein die beiden 
Wirthe waren vorsichtig und gaben nichts her. 
Weiter wird gemeldet, daß Wingerter seinem 
Schwager Johann Gries, Bergmann von hier, 
im 19. eine Joppe, Weste und Hose gestohlen 
zabe. Bei der Verhaftung besaß der Bursche noch 
1Mark. Mit den erschwindelten Beträgen schein 
er flott gelebt zu haben. 
* St. Ingbert, 24. Januar. Vergangene 
Nacht wurde von ruchloser Hand die Thuüͤre an 
»em Auslagkasten, welcher sich an dem Hause des 
derrn Otto Weigand befindet, dem Herrn Photo⸗ 
zraphen Ollig gehörend, gewaltsam erbrochen und