Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ganzen die allgemeine Stimmung in Luxemburg 
einem Aufgehen in Deutschland nicht so sehr wider⸗ 
strebt, als dies, nach rein äußerlichen Anzeichen zu 
urtheilen, der Fall zu sein scheint. Sowohl die 
dage als die Handels- und Verkehrsverhältnisse des 
Froßherzogthums weisen es auf einen engern An— 
schluß an Deutschland hin. Zudem ist ja auch 
dieses herrliche Land schon zu verschiedenen Malen 
ein Theil des Deutschen Reiches gewesen, und wenn 
es dann auch im Verlauf der Jahrhunderte abwech- 
selnd österreichisch, burgundisch, spanisch, franzöfisch, 
niederländisch oder auch vollkommen selbstständig 
wurde, so haben doch deutsche Sprache und deutsche 
Sitten bei der überwiegend großen Mehrzahl des 
Volkes Bürgerrecht behalten. Dazu kommt die 
Einverleibung des benachbarten Elsaß- Lothringens 
in das Deuijche Reich und die Aufnahme Luxem⸗ 
hurgs in den Zollverband. Wahrscheinlich wird 
Luxemburg dereinst einmal jener Walramischen Linie, 
—— 
wischen weht noch die dreifarbige niederländische 
Flagge von den Thürmen der malerisch gelegenen 
Dörfer und hoffen wir, daß man noch lange das W 
mit der Krone auf den Tschakos der luxemburgischen 
Gendarmen sehen wird — nebenbei bemerkt der 
einzigen Militärmacht, welche dieses glückliche, von 
keinem Atschin, keiner Niserofrage, keinem Kriegs- 
und Marinebudget belastete Land besitzt. 
Paris, 6. Aug. Der französische Re⸗ 
sident in Hue ist angewiesen, den neuen Kaiser 
nur dann anzuerkennen, wenn derselbe alle Be⸗ 
timmungen des Vertrags mit Patenotre acceptirt. 
Temps?“ will wissen, daß das Kabinet gewillt sei, 
sede Zwangsmaßregel gegen China bis nach der Be⸗ 
rathung der Chinafrage in der Kammer zu ver⸗ 
— 
jammlung stattfinde. 
Der parlamentarische Skandal in 
Versailles. Nähere Berichte über die erste Sitz⸗ 
ung des Kongresses lassen die standalösen Vorgänge 
als noch ärger erscheinen als man anfangs ver⸗ 
muthete. „Halunken, Schufte, Feiglinge, Minister⸗ 
iakaien, Shiefelputzer Ferry's, Strolche, Wilde, 
Schreihälse, Marktschreier u. s. w.“, lauteten die 
Worie, welche Senatoren und Abgeordnete fünf 
Stunden lang austauschten. Diese Komplimente 
konnten aber nur von den zartesten Ohren aufge⸗ 
fangen werden, die meisten gingen in dem wüsten 
Bebrülle und dem durchaus nicht menschenähnlichen 
Betöse unter, welches den weiten Raum des Kon⸗ 
zreßsaales unaufhörlich erfüllte. Die Veteranen der 
darlamentarischen Berichterstattung, welche in Bor— 
deaux und Versailles den tumultuarischen Anfängen 
der 187 1er Nationalversammlung beigewohnt hatten, 
—E 
nals mitgemacht hätten. Die ganze Sizzung glich 
pielmehr cher einer revolutionären Volksversammlung 
oder einem Meeting betrunkener Matrosen als einem 
Parlamente. Frankreich hat allen Grund, sich dieses 
Tages, wie ihm derselbe durch seine Vertretung 
beschert wurde, zu schämen.“ 
Nom, 6. Aug. Die offiziellen Berichte sagen, 
daß weder in den infizirten Orischaften, noch in 
Lazarethen ein neuer Gbolerafallvoraekommen jsei. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
x St. Ingbert, 8. Aug. Die hiesige kgl. 
dateinschule schloß mit der Austheilung der 
Zeugnisse am gestrigen Tage das Schuljahr 188884. 
Dem Jahresberichte derselben entnehmen wir, daß 
die Anstalt das eben abgelaufene Schuljahr mit 81 
Schülern eröffnete. Während des Jahres traten 
10 aus; 1 Schüler wurde entlassen, so daß am 
Jahresschlusse noch 70 vorhanden waren. Auf die 
inzelnen Klassen vertheilen sich dieselben wie folgt: 
Il. 15, H. Kl. 20, III. Kl. 14, IV. Kl. 9, 
VY. Kl. 12. Der katholischen Konfession gehören 
12 Schüler an, der protestantischen 22 und der israe— 
itischen 6; 37 sind hier und in Schnappbach und 
33 sind auswärts geboren. Unter den außerordent⸗ 
lichen Lehrgegenständen finden wir als neu und 
jüt dieses Jahr zum erstenmale Stenographie. 
Dieselbe wurde in der 5. Klasse nach Gabelsbergers 
System während des Sommerhalbjahres in 2 Stun⸗ 
den wöchentlich gelehrt. — Das Studienjahr 1884 85 
heginnt Montag den 29. Sept. an welchem Tage 
die allgemeine Instription stattfindet. Die Auf⸗ 
rahms⸗ und Nachprüfungen werden am 29. u. 30. 
September abgehalten. 
P. Si. Ingbert. 
wird zu Blieskastel 
Feuerwehren des Bezirks 
nit einer Hauptübung der Blieskasteler Feuerwehr, 
ibgehalten. Von dem Feuerwehrkommando Blies⸗ 
astel sind an die verschiedenen Feuerwehren des 
Bezirks sowie an die benachbarten preußischen Orte 
kinladungen ergangen. Wie wir hören, haben 
iele Vereine zugesagt, einige sogar mit Musikkorps. 
zur Hebung der Feierlichkeit wird die bekannte und 
iusgezeichnete Kapelle des Herrn Wittig, welche 
ollzählig erscheint, viel beitragen. Die hiesigen, 
Sulzbacher und Heinitzer Feuerwehren marschiren, 
vie uns mitgetheilt wurde, punkt halb 12 Uhr. 
tädtische Zeit, vom Becker'schen Biergarten (Wei— 
rich) mit Musikbegleitung zum Bahnhofe. Nach 
den bis jetzt getroffenen Anordnungen verspricht 
zas Fest ein großarliges zu werden. 
— Die Direktion der pfälzischen 
fisenbahnen gibt bekannt, daß nach Ent— 
heidung des kgl. Staatsministeriums der Finanzen 
ille Polituren und Lacke (Glasuren, Firnisse u. s. w), 
velche aus mit Harz, Farhstoffen und dergleichen 
Zubstanzen versetzten Spiritus bestehen, bei ihrer 
finfuhr aus den deutschen Staaten des Zollver⸗ 
einsgebietes nach Bayern mit der Uebergangsabgabe 
von Branntwein zu belegen sind, soferne der letztere 
den wesentlichen und charakteristischen Bestandthei 
der Waare bildet. Derartige Sendungen ous an— 
deren deutschen Staaten sind, wenn sie nicht bereits 
nit Uebergangsscheinen versehen, der nächsten zu— 
tändigen Steuerstelle zur steuerlichen Behandlung 
„jorzuführen. — Weiter gibt dieselbe Direktion ihren 
Dienstesstellen bekannt, daß für die Folge dienstlicht 
Schreiben, Berichte ꝛc. in der Adresse die Dienstes— 
telle, oder, wo Dies nach der Organisation nicht 
hunlich, lediglich die Dienstesstellung des betreffen⸗ 
den Beamten ohne Beifügung des Prädikates Herrn 
und des Namens zu bezeichnen haben. 
— In den nächsten Nächten kann man wieder 
den Beginn des August⸗Sternschnuppenschwarmes 
des Perseĩdenstromes, der Laurentiusthränen) be— 
bachten, der in den Tagen vom 8. bis 12. Aug. 
ichtbar wird. Derselbe wird sich dieses Jahr durch 
eine etwas vermehrte Menge von Sternschnuppen be—⸗ 
mekbar machen, deren Glanz aber von dem hellen 
Mondschein sehr beeinträchtigt werden wird. 
— Bis zum 1. Dezember des laufenden Jahres 
nüssen die bestehenden freien Krankenkassen ihre 
Statuten den Bestimmungen des neuen Kranken⸗ 
assengesetzes und der Novelle zum Hilfskassengesetz 
jemäß abgeändert haben, widrigenfalls sie von der 
zehörde aufgelöst werden. Wir machen die be— 
heiligten Kreise hierauf wiederholt aufmerksam, 
amit nicht etwa der Termin versäumt werde, was 
im so bedauerlicher wäre, als es sich dringend em— 
fiehlt, die freien Krankenkassen aufrecht zu erhalten. 
Für viele Krankenkassenvorstäude, welche mit den 
ieuen Gesetzen nicht so genau vertraut sind, dürfte 
zie Abänderung der Statutrn allerdings Schwierig- 
eiten bieten, und diesen ist zu empfehlen, sich mit 
Zachverständigen in Verbindung zu setzen. Wie 
vir nun hören, hat sich Herr Redakteur Kutschbach 
n Krefeld, welcher als Abgeordneter an dem Kranken⸗ 
assengesetze mitgearbeitet hat, bereit erklärt, jede 
jewünschte Auskunft zu ertheilen und die Abänder⸗ 
ing alter, sowie die Ausarbeitung neuer Statuten 
orzunehmen. Es dürfte diese Notiz auch für die⸗ 
enigen Fabrikherren von Interesse sein, welche für 
zie in ihren Etablissements beschäftigten Arbeiter 
ine Betriebs⸗ (Fabrik-) Krankenkasse errichtet haben 
der eine solche errichten wollen. 
— Für die Absender von Telegrammen 
zürften folgende Notizen wohl nicht überflüssig sein. 
luf die Gewohnheit, Worte zu unterstreichen, um 
ie dem Adressaten besonders bemerklich zu machen 
perzichte man, denn jedes unterstrichene Wort gilt 
ils zwei; 24 u. s. w. sind zwei, hingegen 3 ꝛc. 
— was dasselbe sagt — nur ein Wort. Werden 
en Zahlen Buchstaben angehängt, wie 21sten oder 
ten, so wähle man letzteres, 21ten, denn jeder 
zuchstaben zählt in diesem Falle eine Zahl und 
ahlengruppen dürfen nur fünfstellig sein, widrigen— 
alls sie als zwei Worte zählen. Widernatürliche, 
»em Sprachgebrauch zuwiderlausende Zusammen⸗ 
iehung, wie „morgenfrüh, schonlange“ und ähnliche 
ind zwecklos, weil ein solches Wort als zwei ge— 
ählt wird. „Mülheim am Rhein, Frankfurt a. d. 
Ider“, sind drei resp. vier Worter; hingegen be— 
agen „Mülheim Rhein, Frankfurt Oder“ dasselbe und 
ählen nur als je zwei Wörter. Apostrophirte Wörter 
vie „machen's, geht's“, sind Doppelwörter, — „ma⸗ 
hens, gehts“ besagen dasselbe und sind jeein Wort. Im 
verkehr innerhalb Europas darf ein Wort 15 Buch 
tiben und eine Zahlengruppe 5 Zahlen enthalten. 
Im außereuropäischen Verkehr sind für ein Wo 
aur 10 Buchstaben, für eine Zahlengruppe ug 
Zhlena zulässig. 
— In der am Montag stattgehabten Mongts. 
»ersammlung der deutsch- freisinnigen Partei in 
Frankenthal kamen vorwiegend nur engete 
Zereinsangelegenheiten zur Sprache. Bezüglich der 
evorstehenden Wahlagitation wurde allseits der 
obenswerthe Wunsch ausgesprochen, daß sich die 
Barteidresse selbst den Provokationen der Gegner 
jegenüber. aller persönlichen und ursachlichen An— 
zriffe enthalten und die zu bekämpfenden Ansichten 
zer Gegner stets nur rein sachlich und mit schlagen. 
den Gründen der Vernunft widerlegen möge. 
— Kaiserslautern, 7. Aug. Die Gym— 
iasialabsolutorialprüfung, wie in den beiden letzten 
Jahren unter dem Vorsitze des kgl. Studienrekioe 
herrn Dr. Simon abgehalten, ging gestern zu Ende 
ind wurde den 19 Schülern der Oberklasse daß 
Zeugniß der Reife zum Uebertritt an eine Hochschul— 
uerkannt. 
— Wolfstein, 7. Aug. In einem Wein— 
herge des Brauereibesitzers Schneid er dahier, sind 
eit 8 Tagen schon völlig reife schwarze Trauben 
mzutreffen und zwar nicht einzelne Beeren, sondern 
janze Klötze, welche als Dessert auf der feinsten 
Tafel alle Ehre einlegen würden. G. 3) 
— Böhl, 5. Aug. Ein goldenes Amts— 
Jubiläum feiern zu können, ist gewiß eine höchst 
eltene Gnade Gottes. Eine solche seltene Feier 
vurde dem 74jährigen geistlichen Rathe und kathol 
Bfarrer Herrn Katterfeld dahier zu Theil 
die vielen treugemeinten Glückwünsche seiner Vor— 
jesetzten, Kollegen und Pfarrkinder der verschiedener 
Irte seiner bisherigen Wirksamkeit zeugen dafür 
vie treue und gewissenhafte Amtsführung, herzge— 
vinnende Freundlichkteit und Güte gegen Jedermann 
ich stets der allseitigen Liebe und Verehrung er— 
reuen dürfen. Gestern, als am Vorabende seines 
50jährigen Jubelfestes, brachte ihm der aus fast 
auter protestantischen Mitgliedern bestehende hiefige 
Besangverein ein Ständchen. Sichtlich erfreut über 
»ie hübsch vorgetragenen Lieder: „Das ist der 
Tag des Herrn“ und „Das treue deutsche Herz“ 
rwiderte er tiefbewegt die einfache, aber aus war— 
mem Herzen gesprochene Gratulation und bekräftigt 
die Gefühle der Freude und des Dankes durch die 
dem Vorstande und Dirigenten des Vereins darze— 
reichte Rechte. Möge keine Wolke den Abend seines 
Lebens trüben! 
— Speyer, 6. Aug. Nur kurze Zeit war 
es dem jfüngst pensionirten früheren Commandem 
des 2. Pionierbataillons, Herrn Oberst Körbling 
bergönnt, die wohlbverdiente Ruhe auf Erden zr 
genießen. In Folge eines Herzschlags ist er an 
gestrigen Tage in Neuulm, wo einer seiner Söhn 
Jarnifonirt isf zur ewigen Riih⸗e eingegangen 
Das Ausschreiben von Rechnungen 
und Baarzahlung. 
Eine Mahnung an unsere Handwerker. 
Folgende beherzigenswerthe Zuschrift erhält di— 
Rh.⸗W. Zig.“: 
In unserem deutschen Vaterlande hört man 
namentlich in vielen kleinen und mittleren Städten 
aach Neujahr nicht selten Klagen von verschiedener 
Seilen über die „schlechten“ Zeiten äußern. De 
stöhnt ein Beamter über die unangenehmen Rech 
aungen, welche täglich einlaufen, dort beschwert sich 
ein Kaufmann oder Gewerbetreibender darüber, daß 
das Geld so schlecht einginge. Das rühre, so meinen 
die Letzteren, meist von der Bequemlichkeit Derjenigen 
her, welche im Laufe des vergangenen Jahres 
Waaren auf Kredit genommen hätten, sie bedochter 
nicht, wie nöthig der Geschäftsmann jetzt das baar— 
Held brauche, da er von den VLieferanten aedränc 
würde. 
Der Vorwurf der Lassigkeit ist hier indessen seh 
oft an die falsche Adresse gerichtet. In 
hielen, ja wohl in den meisten Fullen liegt de 
Fehler zunächst und besonders an den Geschäfta⸗ 
uden welche diesen schlechten Geschäftsgang al 
mälig haben einreißen lassen und sich noch gar 
nicht dabon losmachen können. Das ist leicht nach 
uweisen. Wie schwer ist es, wenn man einen 
Begenstand beim Kaufmann oder Handwerker an⸗ 
zertigen läßt, die Rechnung über die gekauflen 
Hegenstände gleich mit denseiben zu erhalten. da 
Jeißt es gewöhnlich: „Es eilt ja gar nicht, v 
„Wir wissen noch nicht genau, wie die Waare s 
tellt, wir haben sie erst eben erhalten und udn 
ihl baehnen Cs nimt vor. daß man zwe