vt. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöͤchentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sounntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
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M 155.
Kolonialpolitik.
Hierüber enthält der Jahresbericht der pfälzischen
handels · und Gewerbekammer pro 1883 Folgendes:
„Mit besonderer Genugthuung haben wir in
üngster Zeit die Wahrnehmung gemacht, daß die
rühere Abneigung der Reichsregierung, Kolonieen
n überseeischen Ländern zu erwerben, bezhw. dahin
ielende Unternehmungen von Privaten in geeigneter
Heise zu fördern, einer anderen Auffassung der
berhältnisse Platz gemacht hat. — Die beabsichtigte
Anterstützung von Dampferlinien nach asiatischen
and australischen Plätzen, sowie die amtliche Er—
dlärung des Fürsten Reichskanzlers, daß die von
xr Firma Lüderitz in Bremen erworbene An—
iedeling in Angra Pequena dem Schutze des
keiches unterstellt sei, lassen uns zuversichtlich hoffen,
daß diesen ersten Schritten weitere nachfolgen wer—
den, geeignet, Deutschland auch nach dieser Richtung
eine Weltstellung zu sichern. — Die starke Be—
yͤlkerungszunahme einerseits und die Wanderlust,
ünschmiegungsfähigkeit an klimatische Verhältnisse
u Verbindung mit zäher Ausdauer lassen die
deutschen zweifellos als ein zur Kolonisation her⸗
votragend geeignetes Volk erscheinen, wie Dies die
bürfahrung jeit Jahrhunderten ja auch gelehrt hat.
Diese Vorzüge im Interesse der deutschen Industrie—
und Handelsthätigkeit nach Kräften auszunützen, ist
ine Aufgabe von weitgehendster Bedeutung für
das wirthschaftliche Wohlergehen des gesammten
Deutschland, und alle dahin zielenden Bestrebungen
uerdienen deßhalb die nachhaltigste Untersiützung und
örderung von Seiten der Reichsgewalt. Tritt
deutschland auch etwas spät auf den Plan, zu
iner Zeit, da die Welt so zu sagen schon ver⸗
nehen ist, es wird sich immerhin noch manches Stück
and finden, das geeignet ist, der Ueberfüllung zu
hause vorzubeugen und dem Unternehmungsgeist
und der Thatkraft aller Berufsklassen ein weites,
ꝛonkbares Feld zu eröffnen. — Daß es dabei mit
u den Aufgaben seiner umfassenden Kolonialpolitik
hört, den Auswandererstrom in die Kanal⸗ zu
enlen, die demnächst berufen sind, dem Mutterlande
uhe zu stehen im Punkte der Rechtsverhältnisse
owohl, wie des gegenseitigen Austausches von Er⸗
ugnissen des Bodens und der industriellen Thätig⸗
tit, bedarf keiner besonderen Begründung, und wir
ldenken dieses Umstandes auch nur, um daran die
hitte zu knüpfen, es möge die k. Staatsregierung
hren Cinfluß geltend machen, daß auf Grund eines
wsassenden Planes die Auswanderung einer geseh—
ihen Regelung unterworfen werde. — Dies kann
lerdings hei voller Aufrechterhaltung der persön⸗
hen Freiheit des Einzelnen, mur insoweit moͤglich
en als für die Auswanderer nach einem bestimm⸗
in Lande, das bereils eine geregelte Staatsverwal⸗
und besißt, durch Veriräge die gleichen politischen
nd licchlichen Rechte mit den Staatsangehörigen
hergestellt werden. Für herrenlose Gebieie ist der
achisschuß des Deutschen Reiches erste Bedingung,
e den jeweiligen Verhältnissen entsprechende Vor⸗
oleistung bei dem Erwerb von Ländereien aber
minder von großer Bedeutung und Anzieh.
bhift. — Noch ehe diese Zeilen zum Bruck
angen, haben wir das beschämende Schau—
n erleben müssen, daß die Forderung der
—— von Seiten einer Mehrheit des
—5 eine Beurtheilung gefunden hat, die an
nnngteit und Engherzigkeil das Mögliche leistet
F — der Zustimmung der weitesten Kreise
eutschen Volkes rühmen darf. — Wir bitten,
dieses Mißerfolges an dem als richtig Er—
Montag. 11. Augqgust 1884.
19. Jahrg.
mkannten festhalten zu wollen, überzeugt, daß eine
wiederholte Vorlage des Dampfer⸗Subventions⸗
Gesetzentwurfes auch im Reichstage entgegenkommen⸗
der und verständnißvoller behandelt werden wird.“
Volitische Uebersicht.
der Kammer verlangte. Von der Börse aus begab
sich der Zug nach den verschiedenen Ministerien,
wo unter Hochrufen auf den König die Entlassung
des Ministeriums gefordert wurde. Die Ordnung
wurde nirgends gestört.
London, 9 Aug. In Newyork wurden drei
deutsche Sozialisten verhaftet, weil sie ein revolu—
ionäres Schriftstück anschlugen, in welcher sie Stell⸗
macher priesen und die Bevölkerung zur Rebellion
aufreizten.
Der Werth der deutschen Freund⸗
schaft für England geht aus der Spraͤche hervor,
velche die tonangebenden englischen Blaͤtter den
üngsten Auslassungen deutscher Journale gegenüber
ühren. So schreibt die „Pall Mall Gazetie: „Es
vürde eine schlimme Aussicht für Deutschland, für
England und für Europa sein, wenn der Ton, den
die „K. Z.“ gegen dieses Land anschlägt, die Ge⸗
ühle des Fürsten Bismarck verdolmetschte, oder,
was eine gleich ernste Gefahr sein würde, wenn
die Engländer fich durch dieses Knutren berleiten
tießen, eine Haliung entsprechender Feindseligkeit
anzunehmen. Fürst Bismarck wird nicht, wir mögen
das als gewiß annehmen, obwohl er eine gewisse
Bereiztheit gegen England bekundet hat, den Fran⸗
zosen zu Liebe einen Streit mit uns vom Zaun
orechen oder versuchen, es unmoͤglich für uns zu
machen, unsere Pflicht gegen Eghpten zu erfüllen.
Er mag wünschen, uns den Werth seiner Freund⸗
chaft empfinden zu lassen, und er wird natürlich
für seine Unterstützung von uns irgend ein Aequi⸗
dalent erwarten. Aber es wird uns auf die Länge
nicht schaden, selbst in etwas rauher Weise an die
Wichtigkeit jenes guten Einvernehmens erinnert zu
werden, welches wir auf alle Fälle einst zu stark
vernachlässigten in dem eitlen Versuche, Frankreich
zu versöhnen. Das gänzliche Fehlschlagen dieser
Anstrengung war der nothwendige Vorläufer der
Pflege einer natürlicheren und heilsameren Bundes⸗
genossenschaft.“ Der Standard betont ebenfalls die
Nothwendigkeit eines innigeren Zusammengehens
mit Deutschland in allen politischen Fragen von
Belang. „Englands Premierminister“, sagt das
Blatt, „muß sich entschließen, Deutschland als einen
Freund Englands zu behandeln und die Idee auf⸗
zeben, daß es unsere Sache ist, uns eher die ganze
Welt zu entfremden, als der Empfindlichkeit Frank⸗
reichs zu nahe zu treten.“
Kairgo, 8. August. Der Nil steigt in so be—
enklich geringer Weise, daß große Besorgniß
jerrscht sowohl wegen der Saaten, als auch im
dinblick auf die Schwierigkeiten, welche ein niedriger
Wasserstand einer Entsaß-Expedition nach Chartum
dereiten würde.
Dem „Reuterschen Büreau“ wird aus Shyang⸗
hai vom 9. August telegraphirt: nach den dort
yorliegenden Nachrichten habe das französische Ge—
chwader, bestehend aus fünf Kriegsschiffen, unter
»em Kommando des Generals Lespes, die Stadt
deelung bombardirt und genommen. F
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 11. Aug. Das gestrige
Waldfest des Vereins „Casino“ war sehtr zahi⸗
ceich besucht; auch zwei auswärtige Vereine, von
Rohrbach und von Friedrichsthal, waren anwesend.
Bis zum Abend herrschte auf dem Festplatze, dem
ür solche Zwecke sehr gut geeigneten Walde im
Mühlenthal, fröhliches Leben und Treiben. Die
Musik, hiesige Stadikapelle, spielte recht wacker
ind von den beiden Festwirthen war für des Leibes
bedürfnisse ganz vorzüglich gesorgt. Gegen Abend
Deutsches Reich.
Deutjsch⸗õoste rreichische Allianz. Gegen⸗
uüber den Vermuthungen, daß die Kaiser⸗Entrevue
uu Ischl eine Verlängerung des österreichisch⸗deutschen
Bündnisses bezweckt, meldet, wie dem „B. T.“ be⸗
ichtet wird, das Pester offiziöse Nemzet: Die Al—
ianz sei bereits im vorigen Jahre auf weitere sechs
Jahre verlängert worden und dauere somit bis zum
Jahre 1890.
Trotz aller abweichenden Nachrichten, nament⸗
ich in der englischen Presse, hält man in Berliner
ipl omatischen Kreisen, denen durch ihre engen Be—
iehungen zu der chinesischen Gesandtschaft eine mehr
als oberflächliche Sachke nntniß wohl zuzutrauen ist,
an der Anficht fest, daß es zu einem friedlichen
Ausgleich zwischen Frankreich und China kommen
verde. Die noch schwebenden Verhandlungen sollen
iich ausschließlich auf die Höhe der grundsätzlich
zugestandenen Entschädigungssumme beziehen.
Aus Berlin wird die Meldung verschiedener
Blaͤtter, daß der Capitain zur See, v. Hollen, oder
indere deutsche Marineofficiere demnächst in den
rürlischen Militärdienst treten würden, für unrichtig
erklärt.
Ausland.
Das telegraphisch erwähnte kaiserliche Schreiben,
des Kaisers von Oesterreich welches die mit
dem Besitze gewisser Orden verbundene Ranges—
erhöhung, sei es den Ritterstand oder eine
Beheimrathswürde und ähnliches, aufhebt, hat
»edeutendes Aufsehen erregt. Einmal schon darum,
veil diese Veränderung unerwartet kam, und
»ann, weil ja das Jagen nach Orden und Titeln
neist nur darin das aneifernde Motiv fand, daß
die Erhebung in den Adelstand damit erreicht wer—
den konnte. Der Bürgerstand hat dabei nichts ver⸗
oren, daß gewisse Persönlichkeiten seinen Reihen
intrückt wurden, aber der Adelstand fühlte sich doch
jfter nichts weniger als erfreut, diesen und jenen
ieuen Ritter zum Collegen erhalten zu haben. Im
zroßen Publikum hat die Maßregel eine günstige
lufnahme gefunden, zu der man nur die Glosse
ügte, daß sie mindestens um 10 Jahre zu spät
am. Für die höhere Finanz, welche die größte
Zahl der Ordensjäger stellie, haben die Orden nun
»edeutend an Werth verloren; damit ist aber auch
auf ein Mittel verzichtet worden, das in den letzten
Jahren sehr oft angewendet wurde, der politischen
Richtung dieser oder jener Persönlichkeit durch Or—
densverleihung den bestimmenden Weqweiser zu
verleihen.
Die belgische Kammer nahm die Vorlage,
betreffend die Wiederherstellung diplomatischer Be⸗
ziehungen Belgiens zur Kurie, mit 73 gegen 44
Stimmen an. An den Zugängen zum Kammer—
gebäude waren polizeiliche Sicherungsmaßregeln ge⸗
troffen.
Brüssel, 10. Aug. Heute fand die ange⸗
zündigte Kundgebung gegen das neue Schulgesetz
tatt. Ein großer Zug setzte sich nach der Börse
in Bewegung; dort hielt Janson eine Rede, in der
er an die Thronrede des Königs bei Eroffnung der
Kammersession im Jahre 1878 erinnerte, das Mini—
terium und das neue Schulgesetz heftig angriff und
die Zurückziehung des letzteren und die Aufloösung