Full text: St. Ingberter Anzeiger

undzwanzig Staaten und Stäütchen (der größte zählt 
etwas über eine halbe Million, der kleinste etwa 
pwölftausend Einwohner) will seinen vollständigen 
Beamtenapparat in der Verwaltung, Justiz und 
Polizei haben. Daß sich etwa zwei oder mehrere 
Kanlone zusammenthäten, um z. B. ein gemein⸗ 
sames Obergericht einzusetzen, das ist bei dem Sou⸗ 
beränetätsdünkel der Kantone ganz undenkbar. 
Paris, 18. Aug. Ein Telegramm aus 
Thuanam meldet heute die in Hue in Gegenwari 
des Oberst Guerrier, des Kommandanten du Tarn 
und des französischen Residenten vollzogene Krönung 
des neuen Königs von Anam, sowie die Be⸗ 
setzung der Citadesle von Hue. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 19. Aug. Die gestern 
Abend im Saale der Frau Wittwe Grewenig statt⸗ 
gehabte Versammlung behufs definitiver 
Gründungeines „Garten und Obstbau— 
Vereins Si. Ingbert“ war von etwa 45 
Personen besucht. Herr Pfarrer Rütter von 
Erfweiler, der bekannte eifrige Förderer des Obsi- 
baues in unserer Gegend, war ebenfalls zu derselben 
erschienen und leitele mit einer kurzen Ansprache 
die Berathung der von ihm entworfenen Statuten 
ein. Die Siatuten wurden sodann paragraphen⸗ 
weise vorgelesen, besprochen und nach einigen un⸗ 
wesentlichen Abänderungen genehmigt. Sie enthalten 
genaue Bestimmungen über den Zweck des Vereins, 
die Mittel zur Erreichtung desselben, die Thätigkeit 
des Vereins im Allgemeinen wie der einzelnen Aus 
schußmitglieder im Besonderen u. s. w. und lassen 
insgesammt den praklischen Standpunkt ihres Herrn 
Verfassers erkennen. Das Wesentliche aus denselben 
werden wir nächstens zur besseren Aufklärung unserer 
Leser in dieser Angelegenheit nachtragen. Erwähnt 
sei noch, daß sie eine Eintritisgebüht von 1 Marlk 
und einen Jahresbeitrag von 8 Mark, in drei Raten 
zahlbar, festsetzen. Nach einer kleinen Pause und 
nachdem 40 der Anwesenden auf Grund der soeben 
angenommenen Statuten ihren Beitritt erkläri 
hailen, wurde zur Wahl des Vorstandes geschritten. 
Mittels Stimmzettel wurde als J. Präsident Herr 
Pfarrer Ferchel gewählt; per Akklamation wurden 
alsdann gewählt: Herr Kaminfeger Adt als Vize⸗ 
präsident, Herr Organist Woll als Schriftführer, 
Herr Stadieinnehmer Alt als Kassierer und Herr 
Zäckermeister Joh. Fries als Bibliothekar. Hier⸗ 
mit war die Tagesordnung erschöpft. 
* St. Ingbert, 19. Aug. Neben dem 
seit 10 Jahren hier bestehenden Kriegervereine hat 
sich, wie uns mitgetheilt wird, am Sonntag ein 
„Kandwehr-Verein“ gebildet. Derselbe soll 
bereits gegen 80 Mitglieder zählen. In die Vor— 
standschaft desselben gehören die Herten: J. Peters. 
staufmann, als 1. Präsident, Dr. Ehrhardt als 
2. Präsident, J. Schust er, Steiger, als Adjutant, 
Conrad Pflug jr. als Schriftführer und Nikolaus 
Schmelzer, Bergmann, als Kassierer. 
— Die pfälz. Bahnen vereinnahmten in 
den verflossenen 7 Monaten von 1884 um 880, 155 
Mark mehr, als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. 
Pf. L.G. Dem diesjährigen pfälzisschen 
Handels- und Gewerbekammerberichte 
ist eine äußerst lehrreiche Nachweisung über die in 
den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken 1882 und 
1888 vorgekommenen Wechselproteste beige— 
fügt, welche ein ziemlich anschauliches Bild der 
pfaͤlzischen Kreditverhältnisse giht. Letzteres enthält 
zwar einzelne Lücken, der Ueberblick wird jedoch da⸗ 
durch nicht allzusehr beeinträchtigt. — Wenig er— 
freulich ist es, daß sich auf Grund der mitgetheilten 
Zahlen 1883 ein nicht unerhebliches Steigen der 
im Wechselverkehr entstandenen Verluste gegen das 
Vorjahr konstatiren läßt. Betrug 1882 die Ge—⸗ 
sammtzahl der protestirten Wechsel 2,575 mit dem 
Werthoͤetrage von 879,356 Mark, so beziffert sich 
deren Summe 1883 bereits auf 3,001 und einen 
Werth in der Höhe von 987,395 Mark. An dieser 
offenbaren Verschlimmerung der Lage trägt aber 
nur die kleinere Halfte der pfälzischen Gewerbsorte 
Schuld. Zugenommen hat die Unsicherheit des 
Wechselverlehrs entschieden in Grünstadt, Landau, 
Kirchheimbolanden, Kaiserslautern, Pirmasens, Ann— 
weiler, Blieskastel, Landstuhl, Wolfstein, Kusel, 
Homburg, Edenkoben und Zweibrücken. Am un⸗ 
günstigsten lauten die aus Pirmasens verzeichneten 
Zahlen, denn während 1882 dortselbst 91 Wechsel— 
ßroteste mit einem Betrag von 40,811 Mark vor— 
famen, sind dieselben 1883 schon auf 218 mit 
708.314 Mark angewachsen. Das läßt sich um so 
chwerer erklären, als die Pirmasenser Schuhwaaren⸗ 
fabrikation im abgelaufenen Jahre doch zugegebener 
maßen gleich lebhaft beschäftigt war, wie 1882 
Es müßie denn sein, daß die in Folge der will⸗ 
kürlichen Auslegung des Zolltarifs bezw. einer 
höheren Klassifizirung der Pirmasenser Schuhwaaren 
berminderte Ausfuhr dem lokalen Erwerb meh— 
Schaden, wie die Hebung des Verkehrs nach Hol—⸗ 
and dem Orte Nutzen gebracht hat. Bei alledem 
findet sich in dem Handelskammerberichte ausdrück 
lich betont, daß im Ganzen eine Zunahme des 
Mehrerzeugnisses an Schuhwaaren von 10 90 an⸗ 
zunehmen wäre. Daß die Zahl der Arbeiten sich 
entsprechend der ausgedehnten Herstellung von Schuh 
waaren vermehrt habe, und vielfach mit Ueberstun— 
den gearbeitet worden sei. Das Kreditwesen selbsi 
vird demnach hier etwas reformbedürftig sein. — 
Die meisten Wechsel überhaupt in Umlauf gesetzt 
Jat Kaiserslautern. 477 gegen 423 im Vorjahre 
vurden protestirt. Ihm zunächst steht dann Neu— 
tadt, wo 1883 432 Wechselproteste gegen 497 im 
Jahre 1882 gerichtlich angemeldet wurden. 
— Die Generalversammlung des pfälzischen 
Schreibgehilfenvereins findet zufolge der dem Rechen⸗ 
chaftsberichte pro 1883/84 beigefügten Einla— 
dung Sonntag, den 31. Aug. Vormittags 11 Uhr 
zu Neustadt a. H. in der Restauration Bavario 
zatt. Inhaltlich des Rechenschaftsberichtes verein 
nahmte der Verein im abgelaufenen Rechnungs 
Jahre 1391 Mk. 63 Pfg. und verausgabte der⸗ 
elbe 1294 M. 96 Pf., so daß ein Einnahme— 
jberschuß von 96 M. 67 Pf. sich ergibt. Ein 
Beweis dafür, daß der Verein sich in weiten Krei— 
sen Sympathien erworben hat, ist der Umstand 
daß demselben im letzen Jahre 128 Mk. 10 Pfg 
als Geschenke zuflossen. Von den Einnahmen wurden 
950 Mk. zu Kapitalanlagen und 221 Mk. zu 
Unterstützungen verwendet und 123 Mk. 96 Pf. 
tür Verwaltungskosten verbraucht. Außer dem 
obigen Baarbestande von 96 Mk. 67 Pfg. besitzt der 
Berein einen Ausstand bei der Bezirksverzinsungs 
'asse Frankenthal von 7176 Mtk. 43 Pfg. einen 
veitern bei einem Vereinsmitgliede im Betrage von 
115 Mk. 90 Pfg. und an Werthpapieren 280 Mk 
25 Pfg. so daß das Vereinsvermoͤgen nunmehr 
7619 Mk. 25 Pfg. gegen 6612 Mtk. 97 Pfg 
)es Vorjahres beträgt. Gewiß ein sehr günftiger 
Bestand für den noch jungen Verein. 
— Vor der Strafkammer des k. Landgerichts 
'n Landau kam am 12. d. ein Fall zur Ab— 
irtheilung, der seinerzeit allgemeines Aufsehen erregte, 
aämlich jene Geschichte einer Entführung aus 
»der Irrenanstalt Klingenmünster. Der 
L. A.“ berichtet hierüber: „Johann Georg Guh⸗ 
mann, Ziegler, und dessen Ehefrau Theresia Schultz 
heide auf der Ziegelhütte bei Frankweiler wohnhaft, 
ind des Vergehens wider die persönliche Freiheit 
yeschuldigt. Eine Schwester der letzteren war in 
der Kreisirrenanstalt Klingenmünster in Diensten, 
und ein zu jener Zeit als krank in der Anstalt be⸗ 
findliches Fräulein Oktavia Weigel von Rheinzabern 
uchte sich mit derselben auf freundschaftlichen Fuf 
zu stellen, damit diese ihr zur Flucht aus genannter 
Anstalt behitflich werde. Dieselbe setzte sich mit 
hrer Schwester, sowie ihrem Schwager Guhmann 
ins Benehmen und entwarf mit diesen den Plan 
zur Flucht. Die Beschuldigten gingen, da sie wußten. 
daß die Wärterin der Weigel mit letzterer öfter aus 
das bei Klingenmünster gelegene Schloß „Landeck“ 
paziren ging, mehrere Male dahin, ohne daß jedoch 
ihr Gang mit Erfolg gekrönt war. Als sie am 
2. April abhin wieder als arme Bauern verkleidet 
dahin gingen, sahen sie auf einmal die Wärterin 
der Weigel mit 3 Damen, worunter letztere war, 
in den Burghof gehen, weßhalb sie sich in deren 
Nähe schafften und hiebei, um nicht auffallend zu 
sein, sich mit Holzsuchen beschäftigten. Auf einmal 
zing Ehefrau Guhmann auf die Weigel zu, redete 
mit ihr leise einige Worte und nahm dieselben mit 
sich aus dem Burghof fort, während ihr Ehemann auf 
die sehr erschrockene Wärterin zusprang, dieselbe fesl 
an die Wand drückte und sie nicht eher losließ, bis 
er dachte, daß seine Frau mit der Weigel einen 
zroßen Vorsprung habe, worauf er sich dann eben⸗ 
alls eiligst entfernte. Das Gericht erkannte heute 
aur den Ehemann Guhmann für schuldig und ver— 
urtheilte denselben unter Berücksichtigung seines guten 
Rufes in eine Gefängnißstrafe von 8 Tazgen sowit 
zu den Kosten, während die Ehefrau des Guhmann 
freigesprochen wurde. 
— Frankenthal, 17. Aug. Die Frage 
der Errichtung einer dritten Apotheke in hiesiger 
Stadt ist nunmehr endgiltig entschieden. Daz igl 
Siaatsministerium hat den angegriffenen vaͤcht 
der k. Regierung der Pfalz, inhaltlich dessen de 
Apotheker Herrn Forn in Ens heim die Konzes. 
—X hiesigem 
Platze ertheilt worden ist, bestätigt. 
— In Westheim biß kürzlich ein Schmied 
einem Bäcker wegen einer Kleinigkeit in den Dauͤmen 
Es trat Blutvergiftung ein, in Folge deren sih 
der Bäcker einer dreimaligen Operation unterziehen 
mußte. Die Kosten für ärztliche Behandlung und 
Arbeitsunfähigkeit belaufen sich auf 292 Mk. und 
der „bissige Schmied“ wird nun wohl oder übel in 
den sauren Apfel beißen und diese Kosten bezahlen 
müssen. 
— Folgende Kuhschwanzgeschichte he— 
richtet man der „Pf. Pr.“: Kauft da ein Bäuer 
lein in einem Orte zwischen Worms und Kaisers— 
lautern von einem Handelsmanne eine weiße Kuh 
groß, schön gebaut, jung und milchreich ꝛc, m. 
was mer will hawe von 'ner gute Kuh“. diejelb⸗ 
ist nur etwas kitzlich am Schwanz, doch laßt sie sich 
melken und fällt Niemandem etwas darüber ein. 
Mein Bauer hat die Kuh vier oder fünf Tage im 
Stall, da fällt seiner Ftau mehr und mehr auf 
daß die untere Partie des Schwanzes gefühllos, 
steinhart, kalt und so wackelig, auch plötzlich von 
so „dusterer dunkler Farbe“ sei; man putzt und 
reibt ein wenig, forscht genauer nach und reinigt 
mit warmem Wasser; die Kuh springt dabei hin 
und her und „pauf Nikla“ — ein prächtiges künst— 
liches Schwänzlein bleibt dem erstaunten Bauer in 
der Hand, der Kuh aber nur mehr der 37 Cemii— 
meter lange Stumpfschwanz, mit dem sie recht ver— 
gnügt wedelt, froh von dem Anhängsel befreit zu 
sein. Dieses entpuppt sich als die untere Hälfie 
eines braunen Kuhschweifes, dessen Wirbel und 
Fleischtheile total fehlen und der über den Stumpf 
gestülpt und mit demselben durch Nähte, Klebmittel 
und Zuschmieren xc. künstlich verbunden war. Der 
Käufer hat nun den Schaden davon, da die Kub 
verstümmelt und der Schwanzstumpf krankhaft ent— 
artet ist; auch läßt sich die Kuh nicht mehr melken 
Der betreffende Handelsmann hat sich wahrscheinlich 
vegen Betrugs vor Gericht zu verantworten. 
Peusionsvertin „ßavaria“ a. V. in München 
(Unter dem Proteltorate 
Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen 
Ludwig von Bayern.) 
Die Sorge für eine gesicherte Zukunft dräng' 
sich bei den jetzigen Zeitverhältnissen immer meht 
in den Vordergrund, hauptsächlich aber für Fami— 
lienväter, die kein hinreichendes Vermögen besißern 
und durch ihre Lebensstellung auch nicht in der 
Lage sind, ss viel zu ersparen, um der Zukunft in 
allen Wechselfällen des Lebens mit Beruhigung ent 
gegensehen zu können. Am fühlbarsten macht sic 
diese Sorge aber da, wo niemals Pensionen oden 
Sustentationen zu erwarten bezw. dieselben so ge 
ring sind, daß sie zum nothdürftigsten Lebensunter 
halte nicht ausreichen. 
Zweck des Pensionsvereines „Bavaria“ ist es 
diese Sorge abzunehmen, wenn die Tage der Et⸗ 
werbs⸗ und Verdienstunfähigkeit heranrücken oder dit 
Familie das Oberhaupt, den Ernährer, vorzeitig 
derliert. Dieser, schon seit einer Reihe von Jahren 
segensreich wirkende Verein, sichert seinen Mit⸗ 
guedern für das Alter oder bei schon früher ein 
fretender Berufs- resp. Erwerbsunfähigkeit eint 
bruslangliche Pension. welche im Ablebeusfal 
des Mitgliedes sodann nach Maßgabe der Statuten 
auf die Wittwe übergeht, während ehelichen Kindern 
»ezw. Doppelwaisen bis zum 16. Lebensjahre Pen⸗ 
ion gewährt wird. 
Hiitgiied kann jeder deutsche Staats angehörigt 
zwischen dem 21. und 45. Lebensjahre werden, 
Jesund ist und im Besitze der buͤrgerlichen Ehrn 
rechte sich befindet, indem der Pensionsverein v 
daria“ nicht etwa blos für Beamte oder dense 
Ind anieibeschaftigte ac. besteht, sondern aue 
Berufsklassen den Beitritt gestattet, wie demsel — 
nuch bereits Männer aus allen Lebensstellungen a 
Mitglieder angehören. 
Der Pensionsverein „Bavaria“, welchet 
»em erhabenen Protektorate Seiner — — 
Hoheit des Prinzen Ludwig von Bayern, uneinnn 
Zertrauen sich erworben hat, verfügt bereits 9 
cin Vermogen don citca 330000 Mark und gon 
zasselbe alljährlich um circa 45000 Mart, 
Bestreitung der Pensionen und Verwaltungskoste