Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒt. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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gzlalt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1A 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.)4 75 2, einschliekliq 
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X 16I. Donnerstag 21. Auaust 1884. 
7. Jahrg 
Politische Uebersicht. 
In Berliner politischen Kreisen wird ange⸗ 
ommen, daß es noch im Laufe dieses Herbstes zu 
iem europäischen Kongreß in Berlin 
enmen werde. Allem Anschein nach würde nicht 
ur die Congofrage, sondern auch die äghp— 
ischhe Angelegenheit, und zwar in einem 
veiteren Sinne, sodaß nicht nur die finanziellen 
hunkte zur Erörterung ständen, den Gegenstand der 
hderhandlungen bilden. 
Lothringen wieder französisches Gebiet werden 
ürfte, in dieser Aeußerung des Blattes, dessen 
dauptaktionär eines der einflußreichsten englischen 
dabinetsmitglieder ist, sei viel eher eine Drohung 
zu finden. Wenn der „Standard“ bei den Ver—⸗ 
chleppungen durch das auswärtige Amt, bei der 
Empfindlichkeit der Engländer auf der südlichen 
h»albkugel gegen fremde Erwerbungen von zufälligen 
Zzwischenfällen rede, müsse die „Norddeutsche“ dem 
Ausdrucke „zufällig“, widersprechen. Die Kolonieen 
seien Dependenzen der britischen Krone und würden 
durch die Regierung des Mutterlandes dertreten. 
Die fremden Regierungen hätten nur mit dem aus⸗ 
wärtigen Amte zu thun; es wäre eine seltsame 
Reigung des Völkerrechts, wenn man die Ver— 
pflichtung zur Achtung deutscher Interessen auf die 
englischen Kolonialunterthanen abbürden und letztere 
nii dem Kolonialamte und seinem Chef, Lord 
Derby, gleichsam als gesondertes Reich nebhen Eng⸗ 
land anerkennen wollte. Die deutsche Regierung 
werde nicht geneigt sein, das, was in dieser beson⸗ 
dern Welt geschehe, die Versuche die Niederlassung 
in Angra⸗Pequena zu unterbinden und hermetisch 
inzuschließen, als Zufälle, zu betrachten. Diese 
Bersuche, welche eine geringschätzige Unfreundlichkeit 
zegen eine befreundete Nation bildeten, seien nach 
dem internationalen Recht als Handlungen der 
englischen Regierung zu betrachten, die sie nicht 
yerhindert habe. 
Auslanud. 
Paris, 19. Aug. Der Dampfer „Rionegro“ 
st gestern Abend von Algier mit 1300 Mann und 
Zriegsmaterial nach Tongking abgegangen. 
um 1210. Die Rückkehr erfolgt am Samstag den 
20. Sept., früh 5 Uhr. 
— Aus Waldmohr, 18. Aug., wird der 
„Kais. Z.“ geschrieben: Herr Dr. Georg Heinrich 
ẽmonts, praktischer Arzt in Homburg, ist im 
Zurorte Reichenhall gestorben. Derselbe war ob 
eines biederen Charakters und seiner Leutseligkeit 
ehr geachtet wie auch wegen seiner Geschicklichkeit 
n Ausübung seiner Praxis sehr beliebt. Nachdem 
r als Abiturient die Studienanstalt in Speyer ver⸗ 
assen, machte er den Feldzug gegen Frankreich im 
amaligen 5. Jäger-Bataillon mit. Die harten 
Tage der Belagerung von Paris brachten dem kaum 
l7jährigen jungen Manne einen gifligen Keim bei, 
'odaß er 8mal von Blutsturz und 11mal von Rippen⸗ 
fell⸗ Entzundung befallen wurde, was ihn jedoch 
uicht hinderte, sein Studium fortzusetzen. Nach er⸗ 
jaltenem Dekret wurde er Schiffsarzt. Später übte 
er eine sehr schöne Praxis in Homburg aus, die 
er aber leider wieder aufgeben mußte. Er ging 
nach Italien. Dort erhielt er auch noch einen bösen 
Urm. Die Gefahr erkennend, eilte E. nach Würz⸗ 
durg. Hier wurde ihm der rechte Arm amputirt. 
Nun suchte der Schwergeprüfte in Reichenhall Ge— 
nesung, wo er am 16. Aug. l. J. im Alter von 
32 Jahren seine Seele aushauchte; er hinterläßt 
eine hier wohnende trauernde Muiter. 
— Von Herrn Direktor Dr. Karrer in 
—lingenmünster wird darauf aufmerksam ge⸗ 
macht, daß der Bericht über die Gerichtsverhandlung 
in Sachen Frl. Weigel von Rheinzabern, (siehe 
vor. Nr.) eine Unrichtigkeit enthält, die auf das 
Dienstpersonal der Kreis-Irrenanstalt ein schlechtes 
Licht wirft. Es heißt in dem Bericht, eine Schwester 
der Frau des Guhmann sei in der Anstalt in 
Diensten gewesen. Das ist aber falsch; eine Schwester 
des Guhmann war in der Anstalt als Kranke, und 
mit dieser Kranken konspirirte Frl. Weigel. 
— Neustadt, 18. Aug. Der durch seine 
ebenso kühnen als glücklichen Fahrten berühmte 
duftschiffer Securius bewerkstelligte gestern vom 
Turnplatze aus seinen 259. Aufstieg. Die Füllung 
des 500 Kubikmeter haltenden Ballons nahm über 
drei Stunden in Anspruch. Gegen 6 Uhr Nach—⸗ 
nittags war dieselbe beendet, und der birnenförmige 
Ballon präsentirte sich in seiner ganzen Groͤße (33 
Meter Umfang, 18 Meter Höhendurchmesser). Unter 
den Klängen der Musik und dem Hurrahrufen der 
zu vielen Tausenden die Wege und Berge bedecken⸗ 
den Menge stieg Herr Securius, oberhalb des 
Korbes auf dem Reifen stehend und mit Fahne 
und Mütze herabwinkend, mit großer Schnelligkeit 
um 6 Uhr 8 Minuten in die Höhe. Der Ballon 
nahm bei schwacher Luftströmung eine Richtung 
nach West⸗Süd⸗West, drehte sich, in eine Höhe von 
1200 Fuß gekommen, aber mehr westwärts. Gegen 
127 Uhr hatte Herr Securius die Höhe von 3700 
Fuß erreicht. Von der Gondel und dem kühnen 
denker erblickte man mit unbewaffneten Augen Nichts 
mehr, nur der Ballon bildete an dem herrlichen 
Abendhimmel einen winzigen Punkt. Gegen 7 Uhr 
versuchte Herr Securius zu landen, was aber wegen 
der gebirgigen, bewaldeten Gegend mit größten 
Schwierigkeiten und Gefahren verknüpft war. Um 
die Landung zu erleichtern, mußte der Anker abge⸗ 
schnitten werden. Endlich gelang es Hrn. Securius, 
zwischen Erfenstein und Breitenstein im Elmsteiner 
Thale am sogenannten Breitendlatz den Gipfel einer 
70 Fuß hohen Tanne zu erreichen. Mit Lebens⸗ 
gefahr kletterte Ht. Securius den Baum hinunter. 
dem er mit Hilf⸗ des herbeigeeilten und Fcehe 
Italienische Blätter, darunter der „Diritto“, 
ellen in Abrede, daß die Beziehungen Ita— 
jtens zu Deutschland und Oesterreich 
n lezter Zeit lauer geworden seien und daß das 
gehlen Mancinis bei der Varziner Begegnung in 
sesem Sinne zu deuten wäre. 
Jast alle Pariser Blätter beschäftigen sich mit 
et Zusammenkunft in Varzin ohne aber 
hemerkenswerthes zu sagen. Noch sei hervorgehoben, 
aß die Idee eines Zusammengehens von Deutsch⸗ 
and und Frankreich und England sehr viel be—⸗ 
prochen wird und auch in den nichtamtlichen Kreisen 
mter dem großen Publikum Anklang findet. 
Deutsches Reich. 
Dem kommandierenden General des 2. bayer. 
Utmeekorps, General der Infanterie Karl v. Orff, 
vurde in Rücksicht auf seine ehrenvoll zurückgelegte 
zbjahrige Dienstzeit das Ehrenkreuz des Ludwigs⸗ 
udens verliehen. 
Wie in militärischen Kreisen verlautet, soll die 
beförderung des Prinzen Wilhelm 
Sohn des deutschen Kronprinzen) zum Obersten 
m 10. künftigen Monats bevorstehen. Ob der 
hrinz dann auch schon ein Regiment erhalten wird, 
noch nicht entschieden sein. 
Köln, 20. Aug. Es ist nach der „Köln. 
g.“ nunmehr endgültig bestimmt, daß die Kaiser⸗ 
darade des 8. Armeekorps bei Euskirchen nicht 
im 12. September, sondern erst am 22. September 
IJ. stattfinden wird. 
Berlin, 20. Aug. Der Besuch des öster⸗ 
echisch. ungarischen Ministers des Aeußern, Grafen 
dalnoky, in Varzin soll, wie man in diploma- 
ishen Kreisen wissen will, direkt durch Kaiser Wil⸗ 
im veranlaßt worden sein, der bei seiner jüngsten 
Unwesenheit in Ischl den Grafen in längerer Audienz 
apfangen hatte. Man behauptet sogar, daß Graf 
dalnokg ebenfalls auf besonderen Wunsch des dem 
hen Kaisers sich nach Ischl begeben hatte, daß 
»esen Anwesenheit daselbst zur Zeit der Kaiser⸗En⸗ 
revue also keineswegs eine ganz zufällige gewesen, 
ind daß unzweifelhaft schon in der Sommerresidenz 
cs Kaisers Franz Joseph sehr wichtige politische 
lubertedungen stattgefunbven hätten. — Graf Kal⸗ 
oln ist gestern Abend von Varzin hier angekommen 
nd alsbald über Dresden nach Wien zuruüdgereisi. 
der oͤsterreichische Botschafter, Szechenyi, gab dem— 
lben bis zum Bahnhofe das Geleite und begab 
dann mit einem spaäteren Zuge ebenfalls nach 
»en zu längerem Urlaub. 
Berlin, 20. Aug. Die „Nordd. Allg. Ztg.“, 
Erwiderung des . Standard auf ihren Arutei 
15. Aug. besprechend, erinnert gegenüber der 
ueztung des „Standard“, daß die englische 
uudschaft nicht durch Drohungen zu sichern sei, 
Inene vorausgegangene Aeußerung des „Stan⸗ 
. daß ohine Englands Freundschaft Elsak 
Eokale und pfälaische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 21. Aug. Das am Diens— 
ag Abend im Oberhauser'schen Saale stattgefundene 
donzert des Zapf'schen Vokal-Künstler— 
Quartetts war verhältnißmäßig recht gut be— 
ucht. Die Leistungen der Sänger, von denen Jeder 
ein Künstler zu nennen ist, waren ganz ausgezeichnet 
und dürfte Vollkommeneres im Vortrage des Kunst⸗ 
Jjesanges wie des Volksliedes selten oder nie ge— 
boten werden. Rauschender Beifall folgte den ein⸗ 
—X 
ein eingelegtes bayer. Volslied mußte da capo ge— 
ungen werden. 
— Gemäß amillicher Erhebungen beträgt die 
Zahl der Taubstummen in Pfalz der im Alter von 
7—16 Jahren 148. In der Kreis⸗Taubstummen⸗ 
anstalt waren im Schuljahr 1883,84 82 Knaben 
und 14 Mädchen untergebracht. 
— Dem Rechenschaftsbericht des bayerischen 
Frauenvereins unter dem rothen Kreuz ent- 
nehmen wir folgende Angaben, die sich auf die 
Pfalz beziehen. Es gab in der Pfalz 16 Zweig⸗ 
»ereine mit 2142 Mitgliedern. Der Vermögens⸗ 
tand war 43,118 Mk. 78 Pf. Die Ausgaben 
detrugen für besondere Nothstände (Ueberschwem⸗ 
nung) 47,059 Mi. 11 Pf., für lokale Friedens- 
hätigkeit 3335 Mk. 11 Pf. und für Anschaffung 
von Depot⸗Materialien 444 Mk. 99 Pf. 
— Der Gewerbeverein Frankenthal hat 
—E 
leiteten Mobiliar-Brandversicherungsanstalt einstim— 
mig verneint. 
— Zweibrücken, 20. Aug. Die Abfahrt 
unseres Bataillons 18. Inf.⸗Regts. zu den 
Mansvern im jienseitigen Banern erfolat beufte Nacht