Full text: St. Ingberter Anzeiger

vxt. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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— 162. Samstag 23. August 1883. 19. Jahrg. 
Indirekte Steuern. 
Ueber die Wirkungen der indire 
urd zwischen den Vertheidigern und un ee 
verselben in der Regel mit Gründen en di 
u schwer kontrolirbar sind, als daß man line 
zürfte, es werde aus dem Streit jemals eine Iu 
jemein anerkannte Ansicht hervorgehen. Dies wird 
uuch neuerdings wieder durch den zwischen der 
uvernementalen und der „deutschefreisinnigen“ 
horesse über diese Frage geführten Kampf un t 
Seitens der ersteren wird versichert, daß aug 
ie set dem Jahre 1879 eingeführten hoͤheren * 
ind Verbrauchssteuern weder die Preise der Leb * 
edürfnisse eine Steigerung, noch die — * 
eine Verminderung erfahren hätten 3 
aus der indirekten Besteuerung keine Benachtheili 
ing der arbeitenden Klassen herzuleiten 
freisinnige“ Presse hingegen behauptet des e 
hegentheil. Da stellt man eine Berechnun 7 
vonach der Gesammtertrag der indirekten t r 
der der Ertrag jeder einzelnen indirekten —* 
zurch die Kopfzahl der Besteuerten dividirt e 
det Satz, der auf jeden Steuerzahler * v p 
neintlich auf eine sehr leichte und unfehlb * 
ermittelt wird. Auf diese Weise würde * tü 
iich bei der indirekten Besteuerung eine ga —* 
weifelhafte Ueberlastung der ärmeren een n 
jerausstellen. Die fragliche Berechnun * 334 
nichts weniger als unanfechtbar. —* An' e 
eradezu behaupten, daß sie hondgreflich falsch 9 
kine gewisse Ueberwälzbarkeit sowohl der indi n 
us auch der direkten Steuern läßt sich n un 
ich hinwegläugnen, und ist selbst pip 
unbefangenen dolkswirthschaftlichen Denker 
Udam Smith offen anerkannt worden ue 
velche auf die Einnahmen der wohlhabenden Kl 
elegt sind, können unter Umständen auf di n 
dssen abgewälzt werden, so gut wie —— 
Steuern, welche man auf die Ausgaben der * 
dlassen legt, von den letzteren auf die Wohl nu 
ibgewälzt werden können. Daß Don — 
n von der Industrie vorgeschossenen Zu en 
—— schließlich im Preise der —* 
n den letzten Konsumenten bezahlt werden müssen 
für einen ebenso unbestritienen als u e 
aten Satz gelten. Daß umgekehrt ein sn 
onsumirenden Arbeiter rge n 
em Arbeiter auf die grundbesitzend aien 
denden oder irgend wie von Iinn od sereet 
5* Klassen abgewälzt werden —— 
egnern der indirekten Steuern in der Regel 
n zugegeben, ist aber nichtsdestoweniger 
un Thatsachen sehr gut unterflützte —*— aun 
ith ist sogar der Meinung, daß ein — * 1 
Arbeitslohn gelegte Su ——— v 
e leg euer, so lange die 
un ge nach Arbeit und der Preis der Lebens⸗ 
ne nanet bleibt, keine andere Wirkung 
* Alet 3 um einen etwas 
nz gern, als die Steuer aus⸗ 
enso wirke, glaubt er, eine Steuer auf 
nnengnden Bedürfnisse des debens in —— 
wie eine direkte Steuer auf den Arbeitsl 
Ahhe dem Arbeiter im Laufe der —* 8 
dee eitgeber in den erböhten Lohn vorgeschossen 
Wir glauben, daß di i 
* diese i i 
we Grenzen k de A 
h ndet die indirekten Steuern iiberhaupt bd 
8 uern auf dringende Bedürfnisse des Leb 
ausch und Bo i zbens 
aen durch die Behaubtung be— 
kämpfen lassen, die ärmeren Klassen werden dadurch 
unter Umständen nur wenig oder auch gar nicht 
belastet. Allerdings hängt dabei, wie schon hervor— 
gehoben, Alles von den Umständen, von der stei— 
genden oder sinkenden Nachfrage nach Arbeit u. s. w. 
ab. Eine ihren Zweck wahrhaft erfüllende Steuer 
wird aber immer nur die sein, welche wirklich Die— 
jenigen trifft, auf welche sie gelegt ist. Steuern, 
welche diesen Zweck verfehlen, tragen stets die Ge⸗ 
fahr in sich, korrumpirend zu wirken. Und eben 
weil die indirekten Steuern den fraglichen Zweck 
in der Regel nicht erfüllen, sind sie im Prinzip 
verwerflich. Dieses Zugeständniß darf uns jedoch 
nicht verhindern, anzuerkennen, daß, wenn eine Be— 
teuerung der ärmeren und ärmsten Klassen über— 
haupt nothwendig ist, die indirekte Besteuerung des 
Verbrauchs eine zweckmäßigere und leichtere Methode 
der Erhebung ist, als die Einforderung eines 
direkten Geldbetrages. 
Allein die Hauptfrage ist die, ob nicht' die Be— 
steuerung lediglich auf denjenigen Klassen ruhen 
sollte, welche recht wohl direkte Steuern zahlen 
önnen. Der gesundeste Gedanke der Bismarch'schen 
Steuerdolitik scheint uns der zu sein, daß den 
irmeren, bloß auf den Ertrag ihrer Arbeit ange— 
viesenen Klassen eine direkte Besteuerung ganz er⸗ 
part werden sollte. Nur müßte, meinen wir, dieser 
Bedanke dahin erweitert werden, daß die ärmeren 
dlassen nicht hloß von direkten, sondern von allen 
Steuern frei bleiben sollten. Dies kann natürlick 
zicht der Ausgangspunkt, sondern nur das Ziel 
einer Steuer-Reform sein. 
Die Existenz und thatsächliche oder vermeintliche 
Nothwendigkeit der indirekten Steuern deutet an 
uind für sich auf einen ungesunden Zustand der 
Besellschaft, auf das Vorhandensein einer Massen⸗ 
armuth, welche die direkte Besteuerung einer Mehr⸗ 
heit der Bevölkerung ausschließt oder unräthlich 
macht. Das Bestreben jeder gerechten Politik muß 
daher darauf hinausgehen, die Zustände zu beseitigen, 
velche das System der indirekten Steuern zu einer 
relativen Nothwendigkeit machen; nicht aber dasselbe 
zuszudehnen, nur weil es bei der Widerstands⸗ 
losigkeit der Massen leichter auszudehnen ist, als 
das System der direkten Besteuerung. 
In den meisten Fällen sind die indirekten 
Steuern nur ein schlechtes Auskunftsmittel und ver⸗ 
jindern die Auffindung besserer Methoden. Wie 
ehr dieses Letztere der Fall ist, kann man daraus 
ersehen, daß ein dem Reichskanzler nahestehendes 
Blatt neuerdings allen Ernstes vorgeschlagen hat, 
die Getreidezölle so weit zu erhöhen, daß dadurch 
die im Inlande erhobene Grundsteuer ausgeglichen 
würde. Die Grundrente, die in Deutschland wohl 
nuf einen Betrag von 4000 Mill. Mark jährlich 
geschätzt werden kann, ist ein ohne alle Mühe nur 
hurch die Tributleistung der Arbeit gewonnenes 
rFinkommen, und es gibt daher im Allgemeinen kein 
geeigneteres Objekt staatlicher Besteuerung als sie. 
Dieselbe künstlich steigern und dagegen allen übrigen 
Einkommensarten, darunter auch dem Arbeitslohn, 
eine neue Steuer auferlegen zu wollen — und dies 
allein kann der Sinn der vorgeschlagenen Maßregel 
ein — wäre wahrlich eine Ungerechtigkeit. (Alla. 3.) 
Die Anbahnung besserer Beziehungen zu 
RPußland soll, wie der „Köln. Ztg.“ aus Wien 
herichtet wird, einer der Hauptgegenstände der Var— 
iner Besprechungen gewesen sein. Wwar heruh 
Politische Uebersicht. 
diese Nachricht nur auf einer Vermuthung, allein 
es ist dies eine jener in Bezug auf diese Verhand⸗ 
lungen, welche am meisten Glauben finden, daß die 
heiden Staatsmänner miteinander darüber zu Rathe 
zehen wollen, in welcher Weise wohl ein besseres 
Zerhältniß zu Rußland anzubahnen sei, das bekannt- 
lich nach Abschluß des deutsch⸗österreichischen Bünd— 
nisses als derjenige Staat galt, gegen dessen etwaige 
Absichten das Bündniß gerichtet sei. Es ist erinner⸗ 
lich, daß Graf Kalnoky, der als früherer Botschafter 
in Petersburg einige Vorliebe für freundschaftliche 
Beziehungen zum dortigen Kabinet zu haben schien, 
dann und wann leise Versuche machte, die deutsche 
Politik dafür zu gewinnen, sich mit Rußland besser 
zu stellen, um jedoch, wie es scheint, lange Zeit 
uuf entschiedenen Widerspruch des Fürsten Bismard 
zu stoßen. Dies ist nunmehr anders geworden. 
Die offenkundig deutschfreundliche Haltung Alexan⸗ 
der's III. scheint auch den deutschen Reichskanzler 
versöhnt und die musterhaft loyale Geschäftsführung 
des Herrn v. Giers ihn für die alte Freundschaft 
wiedergewonnen zu haben. Ohne sich in Vermu— 
hungen einzulassen, kann man doch nach Mitthei— 
ungen aus den Kreisen unseres Auswärtigen Amts 
„estätigen, daß namentlich seit den anarchistischen 
Anschlägen der Wunsch, Deutschland und Oester- 
reich mögen das neue Freundschaftsbewerben Ruß— 
sands nicht zurückweisen, ein lebhafter geworden ist. 
damit stehen die Gerüchte über eine bevorstehende 
Zusammenkunft zwischen dem Zaren und Kaiser 
Franz Joseph, die jetzt vielfach in der europäischen 
presse auftauchen, in Verbindung. Diese Monarchen⸗ 
begegnung ist aus dem Stadium etwaiger Er⸗ 
waͤgungen noch nicht herausgetreten. Die Haltung 
des österr. Ministeriums des Auswärtigen beweist 
nur, daß ihm eine solche Begegnung wünschens⸗ 
werth und erfreulich sei. 
Von Berlin wird der „Fr. Z.“ berichtet: 
Die von Hamburg hierher telegraphirte Nachricht 
von der Besitznahme von Cameroons fär 
das deutsche Reich war hier in offiziellen Kreisen 
schon vorher bekannt und hat dort durchaus nicht 
überrascht, da das Ereigniß, wie man jetzt erfährt, 
schon von langer Hand her vorbereitet war. Wa⸗ 
rum trotzdem die offiziösen Blätter noch völlig da⸗ 
von schweigen, ist schwer zu verstehen, da von zarter 
Rücksichtnahme auf die Gefuͤhle John Bulls schwerlich 
die Rebe sein kann. Daß aber England durch den 
Vorfall nicht nur höchst unliebsam uͤberrascht, son⸗ 
dern in hohem Grade erbost sein wird, ist selbst⸗ 
»erständlich. Cametoons ist einer der wichtigsten 
Handelsplaͤtze an der Westküste Afrikas und seit 
aͤnem Menfschenalter so vollständig unter englischem 
Finfluß, daß England es für überflüssig gehalten 
hatte, die Annexion förmlich auszusprechen, vielmehr 
sich mit einem Protektorat begnuͤgte, das ihm die 
faltische Herrschaft sicherte. Dadurch aber wurde 
es der Reichsregierung möglich, dem durch Vermit. 
telung dort angesiedelter deutscher Handlungshäuser 
ihr überreichten Gesuch eingeborener Häuptlinge, sie 
und ihre Unterthanen in den Verband des deutschen 
Reiches aufzunehmen und ihr Gebiet hinfort dem 
deutschen Reiche einzuverleiben, zu willfahren, und 
von Cameroons und Umgegend in aller Form Besitz 
zu ergreifen, ohne irgend welche entgegenstehende 
stechte Englands zu kränken. Denn um nicht mehr 
und nicht weniger als um formelle Besitzergreifung 
handelt es sich. Die Neger haben nicht, wie zu Angra 
Pequena, eine Strecke Landes einem Privatmanne ver— 
ktauft gund das RPeich hat nicht. wie gegenüber Herrr