Full text: St. Ingberter Anzeiger

Besetzung höherer militärischer Posten entgegen. 
Auch bezüglich des Kommandos über das preußische 
Gardekorps ist mit Gewißheit eine Veränderung zu 
erwarten. Der jetzige Inhaber des Postens. General 
der Kavallerie Graf Brandenburg, der belkanntlich 
vor Jahr und Tag durch einen Sturz mit dem 
Pferde auf dem Exerzierfeld verunglückte, hat hier⸗ 
bei eine solche Erschütterung seiner Gesundheit er⸗ 
fahren, daß er ernstlich an seinen Rücktritt denkt, 
der sich vielleicht schon bald vollziehen wird. 
Kiel, 23. Aug. Die Korvette „Bismarck“ 
16 Geschütze, wird zum 1. Ottober für Westafrika 
in Dienst gestellt und zum Theil mit vierjährig 
Freiwilligen bemannt, wovon 700 Mann neu eiu— 
gestellt werden. Die „Leipzig“ ist von Westafrika 
auf der Heimreise und berührt zunächst Cap Vincent. 
Ausland. 
London, 25. Aug. Der Postdampfer „Ca— 
meron“, welcher am Samstag von der Westküste 
Afrikas in Liverpool ankam, bestätigt die Entfaltung 
der deutschen Flagge in Bageida; die Mannschaft 
hatte aber nichts von einer Insultirung der britischen 
Flagge daselbst vernommen. An der Küste kursirte 
das Gerücht, Deutschland wolle Fernando Po 
annektiren und eine Kohlenstation daselbst herstellen. 
London, 25. Aug. Nach einer Meldung 
der „Times“ vom 25. ds. sind die französischen 
Panzerschiffe heute Nachmittag um 2 Uhr in die 
Flußmündung eingelaufen. Ein chinesisches Fort 
eröffnete auf eine Entfernung von drei Meilen das 
Feuer auf dieselben mit Krupp'schen Geschützen 
Die französischen Panzerschiffe zogen sich nach einer 
einstündigen Kanonade zurück. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— St. Ingbert, 26. Aug. Das am gestrigen 
Tage an allen Orten, wo Bayernherzen schlagen, 
gefeierte Doppelfest unseres edlen und hochherzigen 
Königs S. Maj. Ludwig II. ruft in uns die Er— 
innerung an jene Proklamation wach, welche der 
für das Wohl seines Volkes allezeit besorgte Monarch 
por nun 4 Jahren aus Anlaß des 700jährigen 
WittelsbachJubiläums an sein Volk richtete und 
die also lautet: 
„Es ist meinem Herzen ein Bedürfniß, an dem 
Tage, welcher zu Ehren Meines Hanses festlich be— 
gangen wird, dem wahren und tiefen Danke Aus— 
druck zu geben, den ich bei dem Rückblick auf 7 
Jahrhunderte empfinde. Dieser Dank gilt der un— 
wandelbaren Treue und Anhänglichkeit, mit welcher 
mein Volk dem Throne der Wittelsbacher ergeben 
ist. Unter den Eigenschaften, welche den Ruhm aller 
Stämme Meines Volkes bilden, steht rein und 
glänzend die Treue und Anhänglichkeit obenan 
Diese Treue ist Mir die Grundlage Meines Thrones 
diese Anhänglichkeit der schönste Juwel Meiner Krone. 
Mit dem innigsten Danke verbinde Ich die Ver⸗ 
sicheung, daß das Glück Meines treuen 
Volkes das Ziel Meiner heißesten 
Wünsche, daß es die Bedingung Mei— 
nes eigenen Glückes ist. Gleich Meinen in 
Gott ruhenden Ahnen, deren Andenken in diesen 
Tagen mit so rührenden Beweisen der Pietät geehrt 
wird, bin Ich don dem vertrauensvollen Bewußtsein 
durchdrungen, daß mein Volk in allen Zeiten fesl 
zu seinem Fürsten steht. Mit diesem erhebenden 
Gefühle trete Ich in das 8. Jahrhundert der Re— 
gieruug Meines Hauses ein. Möge Memem Volke 
ungetrübte Wohlfahrt beschieden sein für alle Zukunft. 
Daß walte Gott!“ — — — Wahrlich, einem 
Fürsten, der so spricht, dem werden die Herzen 
seiner Unterthanen zu allen Zeiten in treuer Liebe 
und im Gefühle des Dankes gegen die Vorsehung 
entgegenschlagen mit dem Jubelrufe: „Heil unserm 
König, Heil! Lang' Leben sei sein Theil! Erhalt 
ihn Gott!“ 
*St. Ingbert, 26. Aug. Das gestern im 
„Hotel zur Post“ zu Ehren des Allerhöchsten Ge— 
burts⸗ und Namensfestes stattgehabte Festessen 
war von Beamten und Bürgern recht zahlreich be⸗ 
fucht. Die patriotische Stimmung der Theilnehmer 
fand ihren begeisterten Ausdruck in einem dreifachen 
Hoch auf S. Maj. König Ludwig II. Was das 
Festmahl selbst betrifft, so muß gesagt sein, daß 
Küche und Keller des Herrn Gastgebers Conrad 
Vorzügliches geleistet hatten. 
— Die aus Anlaß des Königlichen Geburts⸗ 
und Namens-Festes erfolgte Ordensverleihung ist, 
so fern die uns vorliegenden Nachrichten vollständig 
sind, diesmal nicht so reichlich ausgefallen. In der 
Ffalz erhielten: das Großkreuz des St. Mi— 
haels⸗Ordens der Regierungspräsident der 
Pfalz, Staatsrath v. Braun, das Komthur⸗ 
kreuz desselben Ordens der Bischof v. Ehrler 
in Speyer, das Ritterkreuz 1. Klasse 
zieses Ordens Hauptmann Windisch im 2. Pio⸗ 
nierBataillon und das Ritterkreuz ll. Klasse 
esselben Ordens der Regierungs- und Fiskalrath 
der vfälzischen Regierungsfinanzkammer August 
3chwarz. 
*St. Ingbert, 26. Aug. Sonntag, den 
7. Sept. c., feiert die hiesige protestantische Pfarr⸗ 
jemeinde das 25jährige Jubilaum der 
Einweihung ihres Gotteshauses. Wie wir hären 
soll zu dieser Feier nach einem Beschlusse des Pres⸗ 
byteriums Herr Dekan Kriceger in Kirchheimbo— 
landen, der als langjähriger früherer Pfarrer dahier 
sich um die Erbauung der Kirche große Verdienste 
erwarb, eingeladen werden. 
*St. Ingbert, 26. Aug. In einer hie— 
sigen Gartenwirthschaft geriethen gestern Nachmittaç 
einer geringfügigen Ursache wegen mehrere Gäste, 
dabei auch verheirathete Leute, in Streit. Durch 
wuchtige Hiebe machten sie einander gegenseitig ihre 
Beweisgründe so lange handgreiflich und fühlbar 
bis es blutige Köpfe gab. Der Schlußakt der 
Geschichte wird nun wohl im Gerichtssaale sich ab⸗ 
pielen. 
— Die Aufnahmsprüfung ins Bischöfliche Kleri⸗ 
alseminar zu Speyer fand am 18., 19. und 
20. August statt. An derselben betheiligten sich 
folgende Theologiekandidaten: Johannes Bohnert 
nus Stochborn, Jakob Divon aus Contwig, Heinrich 
Endres aus Speyer, Leopold Hermann aus Studern⸗ 
zeim, Nikolaus Jung aus St. Ingbert, Fr. Xaver 
deßler aus Harsberg, Jakob Peter aus Landstuhl, 
Augustin Schneider aus St. Ingbert, Fridolin 
Schuler aus Bornheim, Johannes Stutzinger aus 
dandstuhl. 
*— Am Sonntag fand zu Oberauertbcoc 
das landwirthschaftliche Bezirksfest für 
den Bezirk Zweibrücken statt. Von dem Be— 
zirkkkomité wurden dabei verschiedene Preise ver— 
theilt, und zwar für Zuchtkühe 8 Preise von je 
10 — 40 Mtk., für Zuchtrinder 18 Preise von 
je 5—230 Mt. für Zuchtstiere 3 Preise von je 
20 —50 Mk., für Schweinefassel 2 Preise 
von 5. u. 10 Mk., für Mutterschweine 2 
Preise von 5 u. 10 Mk., fär Ziegenböcke2 
Preise von 3 u. 5 Mk., für Ziegen 3 Preise 
»on je 3—259 Mtk. Bei der Hufbeschlag⸗ 
Rdonkurrenz wurde der J. Preis mit 20 Mark 
nicht ausgegeben, dagegen wurden 4 weitere Preise 
»ou je 5 u. 10 Mt. mit Ehrendiplomen vertheilt. 
In der Gruppe landwirthschaftliche Produkten⸗Aus- 
tellung wurden 11 Ehrendiplome ausgegeben theils 
ür Getreide- und Feldbau, theils für Obst⸗ und 
Bartenbau. 
— Blieskastel, 24. Aug. Den unaus— 
zesetzten Bemühungen unserer tüchtigen Gendarmerie 
st es gelungen, den seit Monaten steckbrieflich ver⸗ 
olgten arbeitsscheuen Menschen Karl Zitt von 
rautzkirchen, welcher einer Menge von Betrügereien 
eschuldigt ist, gestern Abend zu verhaften, und 
sierher in Nummer Sicher zu bringen. 
— Dahn, 24. Aug. Die Einweihung der 
aeu erbauten protest. Kirche dahier findet Donners⸗ 
tag, den 4. September statt. Die kirchliche Feier 
beginut morgens 10 Uhr. Nach dem Gotiesdienst 
iindet gemeinschaftliches Festessen im Mugler'schen 
Saale, dann um 3 Uhr Nachfeier, bestehend in 
einer geselligen Unterhaltung auf dem Altdahner 
Schloß, ebenfalls mit Musik und Abends in obigem 
Saale wieder Festball statt. 
— Nach einer Meldung des „Pf. K.“ soll in 
Edenkoben an einem der nächsten Sonntage 
eine Versammlung nationalliberaler Wähler statt⸗ 
iinden, in welcher Mahla über seine Thaätigkeit in 
der vergangenen Reichstagssession Bericht erstatten 
wird. 
— In Frankenthal brach am Freitag aus 
dis jetzt noch nicht ermittelter Ursache in einem 
Magazin der Reverdy'schen Stärkefabrik Feuer 
sus. Die Feuerwehr der in unmittelbarster Nähe 
zelegenen Zuckerfabrik war sofort zur Stelle, und 
nuch die stadtische Feuerwehr war rasch am Platze; 
zei der reichlichen Nahrung jedoch, die ein gefüllter 
heuspeicher den Flammen bot, war an ein Retten 
des Gebäudes nicht zu denken; dasselbe brannte 
pollständig aus, wobei außer einer großen Quan⸗ 
titat Heu ansehnliche Vorräthe von Stärke zu 
Hrunde gingen. Die nachbarlichen Gebäude, sowie 
Rein unmittelbar anstoßendes Wohnhäuschen konnt⸗p 
zgerettet werden. 
— Aus der Borderpfalz wird der Pf 
Ztg.“ geschrieben: „Das über den raffiniren 
Wucherer Hausmann von Flohingen in — 
jefällte Urtheil hat öffentlichen Berichten * 
olge üderall gerechte Befriedigung gefunden, und 
nanches bewucherte Bäuerlein hegt gewiß den 
Wunsch, daß so wie über den entlaroten Blutsauger 
9. über alle anderen systematischen Land— und 
Stadtwucherer der Stab gebrochen würde. Vieles 
stt in dieser Hinsicht durch die neuen Gesetze schon 
geschehen, mehr aber kann und wird das Volk selbst 
thun: erstens durch rücksichtslose Beanzeigung solchet 
verbrecherischen Vampyre bei dem Gerichle, zweitens 
durch Meidung der Gesellschaft solcher gemeinschäd. 
lichen Individuen, drittens durch große Sparsam— 
keit und viertens durch Beitritt zu gut organisirten 
Kreditanstalten für Land. und Hauswirthschafi. 
Wir verweisen hier mit Vorliebe auf die Raiff⸗ 
eisen'schen Darlehenskassen, welche sich als ausge- 
zeichnete Mittel gegen den Wucher bewähren. Diese 
Punkte bilden den besten Kitt zum Zusammenhalten 
unsicherer, schwankender finanzieller und ökonomischer 
Güter, zugleich aber auch einen vortrefflichen Magnet 
zum allmäligen An- und Herbeiziehen dberechtigter 
und zum Lebensunterhalte nothwendiger Guͤter. Die 
jo oft mit Unrecht gebrauchten Worte: „Da ist 
leicht zu reden, auch ich sehe ein, daß es so am 
besten wäre, — aber ich hänge zu sehr von dem 
Wucherer ab, und wenn ich heute mich nach einer 
anderen Seite hin wende, so werde ich ruinirt', 
sind als Einwand haltlos, sobald sich möglichst 
Viele vereinigen, sich ihre bedrängte Lage einander 
klar machen und die eben erwähnten Mittel ge⸗ 
hrauchen. Da diese weitverbreitete „Volkskrankheit“ 
durch allgemeines und energisches Vorgehen geheilt 
werden muß, so empfehlen wir schließlich noch allen 
dekuniär Unselbstständigen und von notorischen 
Wucherern und unersättlichen Harpyen Bedrängten 
das Vorgehen jener Bürger der Gemeinde X., welche 
einen scheinbaren Wohlthäter, dabei aber thatsäch— 
lichen Wucherer durch allgemeine Verachtung zum 
— Auswandern brachten.“ 
Vermischtes. 
Der „Dorfzeitung“ schreibt ein Korrespondent 
derselben: Nicht wenig bin ich erschrocken, als ich 
dieser Tage die Gelegenheit fand, die Heiraths— 
requenz im deutschen Reiche einzusehen 
ind mich daran machte, eine Berechnung darüber 
inzustellen. Im Jahre 1876 gab es bei 434 
Mill. Bewohner 366,912 Eheschließungen, im Jahre 
1883 bei 46,8 Millionen nur mehr 338,80. In 
Verhältuißzahlen ausgedrückt, macht dies für das 
Jahr 1876 auf 10,000 Bewohner 85 Eheschließ⸗ 
ungen, für das Jahr 1883 aber nur noch 72, so⸗ 
daß ein Rückgang von 13 auf 10,000 eingetreten 
ist. Die Hauptursuche ist in der wirthschaftlichen 
Krisis zu suchen, in der wir uns seit mehr denn 
12 Jahren befinden und die noch andauert, wenn 
auch seit 1879 eine Wendung zum Bessern einge⸗ 
treten ist. Diese Besserung ist aber nicht so be— 
deutend gewesen, daß sie der rückgängigen Bewegung 
in den Eheschließungen hätte Einhalt gethan, wenn 
sie darin auch eine Verlaugsamung hervorgerufen 
hat. Während nämlich der Rückgang von 1876 bis 
1879 sich auf 10 pro 10,000 Bewohner stellte, 
betrug er von 1879 bis 1883 nur noch 3 pro 
10,000. Ein Rückgang ist es aber immerhin und 
je weniger nach allen Anzeichen darauf zu rechuen 
ist, daß ein kräftigerer Geschäflsaufschwung uns aus 
insern stockenden Wirthschaftsverhältnissen, heraus 
ceißt, um so mehr gilt es, darauf Bedacht zu 
nehmen, die durch jenen Rückgang stets anwachsende 
inproduktive Bevölkerung zu vermindern, und sie in 
eine produktive zu verwandeln. Wodurch kann dies 
geschehen? 1) Dadurch, daß bei der Erziehung des 
veiblichen Geschlechts, insbesondere der unbemittelten 
dlassen, das Underheirathetbleiben grundsätzlich ins 
Auge gefaßt wird, im Gegensatz zu der herrschenden 
Anschauung, wonach Nichtverheirathung als ein 
bermaßiges Unglück betrachtet wird. Zu diesem 
Zweck muß naturuͤch eine Handfertigkeits- und sonstige 
horbildung den Töchtern zu eigen gemacht werden, die 
ie befahigi, ihr Brod seibst zu verdienen. 8) Da⸗ 
)urch, daß die Eltern ihre Töchter in der Enthalt 
amkeit vom Luxus erziehen. Der Luxus ist troß 
des seit meht denn 12 Jahren sich vollziehenden 
Rückganges unserer wirthschaftlichen Vechaͤtnise 
ffenbar andauernd im Zunehmen begriffen, wn 
tens ist dies wieder seit 1879 der Fall, wo di