Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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172. Samstag 6. September 1884. 
19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Beranlaßt durch einen Artikel der „Berl. klin. 
hochenschrift“ beschäftigt sich die Oeffentlichkeit mit 
erZahl der jungen Mediziner an un— 
eren Universitäten. Unter sämmitlichen 20 
eutschen Hochschulen hat Würzburg die höchste Pro⸗ 
ntziffer der Mediziner, nämlich 857 (im Verhältniß 
der Gesammtzahl der Studirenden), dann kommt 
reifswald mit 51 pCt., Freiburg mit 41 pCt. 
s. w., an fünfter Stelle steht München mit 34 
Ct., an dreizehnter Erlangen mit 23 pCt. Es 
at seit 1880 eine rapide Steigerung der Anzahl 
er Studirenden der Medizin stattgefunden. Von der 
zermehrung der Studirenden überhaupt entfallen auf die 
Nediziner mehr als die Hälfte. Während 1880 noch 
ur *s der Studirenden Medizin betrieb, widmen 
ch jetzt diesem Fache beinahe s, mehr wie 34 
er Gesammtzahl. Die größte Ueberfüllung im 
tztlichen Berufe zeigt Bayern. Im Sommer 1883 
udirten in München 700, im Sommer 188384: 
27 und im Sommer 1884: 848 junge Leute 
Nedizin. Diese Zahlen müssen natürlich zerlegt 
derden; aller Herren Länder sind hierbei betheiligt, 
eider treffen aber sowohl im Winter, als auch im 
zommer dieses Jahres 400 auf Bahern. Leider 
wdiren in diesem Jahre an einer einzigen Landes⸗ 
mibersität 400 Landeskinder ein Fach, über dessen 
lussichtslosigkeit sich wohl keine zwei Prozent der 
zetreffenden die geringsten Gedanken machen. Durch 
Tod, Militärdienst, Auswanderung ⁊c. werden aber 
m ganzen Königreiche keine 40 Stellen im Jahre 
rei, in welche jüngere Kräfte einrücken könnten. 
do sollen also die alljährlich nachdrängenden, künf⸗ 
gen bayerischen Aerzte untergebracht werden? Es 
tdas wirklich schwer zu beantworten, auch wenn 
nan berücksichtigt, daß die 400 Münchener und die 
veiteren Hunderte in Würzburg und Erlangen nicht 
uuf einmal von der Universität abgehen, sondern 
uf allen drei Universitäten vielleicht nur 90 bis 
20 im Jahre. 
Tharakter eines wahrhaft patriotischen Festes. An⸗ 
gesichts der edlen Denkmäler von Bartholdi und 
Mercie pochten alle Herzen einmüthig; es blieb da 
ein Platz mehr übrig für die niedrigen und ge⸗ 
neinen Anschuldigungen; nur der reinste fran⸗ 
ösische Patriotismus fand da noch Raum. Wer 
zus dem Elsaß kam, frente sich noch mehr als alle 
Anderen über die glänzenden Waffenthaten unserer 
xkxpedition in Indo⸗China. Man war nicht der 
Meinung, daß die Erfolge und die Politik, die 
dazu gesführt haben, geeignet wären, uns in Europa 
bor irgendwem zu demüthigen! Ein Erlaß des 
Marschalls Manteuffel hatte eben viele Freunde 
unserer Elsässer Gäste in ihren Söhnen und Enkeln 
mit außerordentlicher Härte getroffen. Aber dieser 
neue Jammer machte sie nicht ungerecht gegen Die, 
welche niemals vergessen werden, was Gambetta 
jsurz nach dem Schreckensjahre in Saint-Quentin 
den guten Patrioten der Aisne empfahl.“ 
geleitet, doch haben wir ein Verständniß dafür, wie 
wenig man diesem Volksvertreter gerade, der kürz⸗ 
lich erst aufs Zutreffendste als eine der „Arbeits- 
hbienen des Reichstags“ bezeichnet wurde, seine 
dingabe an die Arbeiten für das Gemeinwohl, 
eine Aufopferung für das allgemeine Beste, zu 
danken wußte. In Haß und Schmähungen lohnte 
man auch hier dem Verdienste, wie es ja leider 
sich immer und überall im Menschenleben wieder⸗ 
holt. So tief es daher immerhin vom Partei⸗ 
andpunkte zu beklagen ist, gerade diesen Mann 
— the right man in the right place — und 
diese eminente Arbeitskraft im Reichstage künftig 
u vermissen — so dürfen wir Einem unserer Besten 
och eine Zeit der Erholung nicht mißgönnen. 
derr Dr. Buhl war von der ersten Session bis 
auf die heutige Stunde unausgesetzt Mitglied des 
Reichstages und einer der thäligsten Abgeordneten 
in den Kommissionen. Das Zustandekommen der 
meisten wirthschaftlichen Geseze aus den letzten 
zehn Jahren ist speziell von ihm mit beeinflußt 
worden. Das aber gibt auch der Hoffnung Raum, 
daß Herr Buhl so gut wie Herr von Bennigsen 
nicht für alle Zeiten die Reichstagsarbeit von sich 
weisen werde. Wir denken vielmehr im Sinne der 
Partei, ja im Namen aller schaffensfreudigen 
Mitgliedet des deutschen Parlaments zu handeln, 
wenn wir statt des Scheidegrußes dem Verzicht⸗ 
leistenden ein warmes: Auf Wiedersehen im Reichs⸗ 
tage! zurufen. 
Muünchen, 2. Sept. Das Generalkomite 
des landwirthschaftlichen Vereins ist von der Staats- 
regierung zuͤr Abgabe eines Gutachtens über die 
Frage der Errichtung einer Mobiliar-Versicherungs 
Unstalt unter staatlicher Leitung aufgefordert worden, 
wird zur Abgabe desselben aber erst dann in Be— 
rathung treten, wenn die in derselben Sache an 
die Kreiskomite's hinausgegebenen Fragebogen zurück⸗ 
gelangt find. 
Amberg, 3. Sept. In der heutigen oͤffentlichen 
Versammlung des Katholiken-Kongresses sprach 
Abt Koneberg für Ausdehnung geistlicher Exerzitien 
in Laienkreisen, Domkapitular Haffner⸗Mainz über 
die moderne Bildung. Er reklamirte schließlich 
energisch für die Kirche die Unterrichts- und Er⸗ 
ziehungsfreiheit. Graf Küfstein dankte Namens der 
anwesenden Oesterreicher für die freundliche Auf— 
nahme der Gäste aus dem politisch glücklicherweise 
jetzt engherbundenen Nachbarreiche. 
Amberg, 4. Sept. Hergenrother (Rom), 
gruüder des TCardinals, sprach in der heutigen 
Zatholikenversammlung über die Lage des Papstes. 
Windthorst forderte die katholischen Bayern auf, 
r die paritätische Behandlung der Katholiken 
Deutschlands einzutreten, betonte die Nothwendig⸗ 
keit einer energischen Wahlagitation, forderte die Auf⸗ 
hebung aller Kulturkampfgesetze und schloß mit 
inem Protest gegen die Wegnahme des Kirchen— 
sttaates und der Güter der Propaganda. Zum 
nächsten Versammlungsorte wurde Münster be— 
stimmt. 
Augsburg. Dem Bischof v. Dinkel 
wurde von Ihrer Majestät der Koͤnigin⸗Mutter 
die hohe Auszeichnung zutheil, anläßlich seines 
rünfzigjährigen Priester-Jubilaäums nach Hohen— 
schwangau eingeladen zu werden. 
Berlin, 2. Sept. Wie alljährlich, so hat 
der Kaiser auch am gestrigen Sedantage verschiedene 
Auszeichnungen und Beförderungen voslzogen. Zu 
den ersten gehörte auch die Verleihung eines Ordens 
an den Reichsskanzler Fürsten Bismarck 
England lenkt in seinem Verhalten gegen⸗ 
iber Deutschland immer mehr ein, um jüngst 
heschehenes vergessen zu machen. In der eng— 
ischen „Presse“ findet dieses Streben bemerkens⸗ 
verthesten Ausdruck. Beispielsweise schreibt der in 
ingefehensten Kreisen vielgelesene, Daily Telegraph“: 
Es liegt etwas Ergötzliches in der Freude franzö— 
ischer Journalisten über den „Bruch“ zwischen Eng 
and und Deutschland. Ein bischen Nachdenken 
pürde unsere Nachbarn indessen überzeugen, daß, 
da ein formelles Bündniß zwischen London und 
Zerlin niemals bestanden hat, irgend ein „Bruch“ 
desselben nicht in Frage steht. England und 
Preußen sind stets natürliche Bundesgenossen ge⸗ 
vesen und England und Deutschland sind dies 
benfalls. Eine deutsche Besitzung neben einer eng⸗ 
ischen Kolonie würde die Gelegenheiten für gute 
Befinnungen und gegenseitige Hülfe vervielfältigen 
ind beweisen, daß „Blut dicker als Wasser“ ist. 
Irgend ein Schnitzer englischer Beamten mag die 
Anerkennung deutscher Ansprüche auf die afrikanische 
Züste verzögert haben, aber wir, deren Rechte sich 
üͤber nicht besetzte Quadratmeilen des riesigen 
zunklen Kontinenis ausdehnen, konnten unmöglich 
»on Eifersucht träumen, weil eine andere europäische 
Macht ihre Flagge auf einem Punkte dieses Terri— 
oriums entfaltel hat. Jeder weise englische Staats⸗ 
mann sollte unsere Freundschaft für Deutschland 
als den Grundton unserer auswärtigen Politik be⸗ 
rachten. Es ist nicht nothwendig, daß wir die 
Freundschaft in eine Form kleiden, die den Fürsten 
Bismarck zu unserem besten Bundesgenossen macht. 
Wir hegen keinen Wunsch, Frankreich zu verwunden 
der zu isoliren. Indessen angesichts der Pariser 
leinlichkeit mögen unsere Nachbarn daran erinnert 
verden, daß die englische Staatsmannskunst in dem 
Bunde mit Deutschland eine prächtige „Reserve“ 
hat, die uns mehr als einmal angeboten worden.“ 
der Erlaß des Feldmarschalls von 
Nanteuffel, welcher den wehrpflichtigen jungen 
hhassern, die unter dem Vorwande der Optirung 
hrer Eltern für Frankreich sich des Dienstes im 
eutschen Heere weigern, den siändigen Aufenthalt 
mn Reichslande untersagt, konnte nicht ermangeln, 
mParis sehr bemerkt zu werden. Während aber 
e radikalen und intransigenten Blätier, denen 
benso sehr darum zu thun ist, dem Kabinet Ferry 
nangenehm zu sein, als mit ihrer chauvinistischen 
jesinnung zu prunken, ihrer Entrüstung kein Ziel 
unen, äußern sich die der Regierung nahestehenden 
reßorgane mit einer Mäßigung, die man noch im 
iugenblick des Nationalfestes vergeblich von ihnen 
rwartet hätte. So schreibt die „Rep. fr.“ an 
az Fest in Belfort anknüpfend: „Die Einweihung 
er Gruppe von Antonin Mercie, jenes herrlichen 
uand möômo?, welches eine der leßten Freuven 
unbetta's war, ist ein nicht gewöhnliches Fest 
wesen. Das Herbeiströmen zahlreicher Wehrvereine 
die edle Stadt, welche Denfert und Thiers uns 
walten haben, die Anwesenheit vieler elsässischer 
Xlegationen, das eigenthümliche Wesen der aus— 
mauschten Reden, welche stolz waren, ohne lächer⸗ 
d herausfordernd zu fein, bescheiden, ohne falsche 
ham. Die Feierlichkeit, welche aus der Nähe der 
sgrenze entsprang die andachtvolle Sammlung 
— Menge, die Anwesenheit von Vertretern der 
egierung und des Heeres gaben dem Tage den 
Deutsches Reich. 
PLO. Aus dem Wahlkreise Hom— 
burg⸗Kusel ist uns die Bestätigung einer Nach— 
icht zugegangen, welche innerhalb der Pfalz wie 
nuuch weit hinaus über die Grenzen unserer engen 
deimath das aufrichtigste Bedauern hervorrufen 
nußte: die Verzichtleistung unseres bewährten Par⸗ 
amentariers Herrn Dr. A. Buhl auf ein Reichs— 
agsmandat. Wir kennen die Beweggründe im 
Zesonderen nicht, welche Herrn Dr. A. Buhl zu 
iesem Entschlusse gerade in der gegenwärtigen Zeit 
hywerer Anariffe auf die nationalliberale Sache