Full text: St. Ingberter Anzeiger

Tagesbefehl seine Anerkennung ausgesprochen und 
zies auch an den Kaiser berichtet. 
Heidelberg. Bei dem am 2. d. Mis. in 
der Museumsgesellschaft abgehaltenen Festmahle des 
VBereins deutscher Ingenieure, das sich zu 
einer patriotischen Feier des Sedanstages gestaltete, 
wurde das folgende Telegramm nach Berlin ent⸗ 
sendet: „Den beiden Oberingenieuren des deutschen 
Reiches Fürst Bissmarck und Generalfeldmarschall 
Moltke bringt heute den Zoll tiefsten Dankes 
der deutsche Ingenieurverein.“ 
Ausland. 
Paris, 6. Sept. Der „Nouvelliste de Bor⸗ 
deaux“ veröffentlicht den Brief eines Freundes von 
Gambetta, in welchem dieser über die Zusammen⸗ 
kunft mit Thiers in Tours nach der europäischen 
Reise des letzteren berichtet. Thiers habe (wie 
Bambetta schreibth auf „Frieden um jeden Preis“ 
Jedrungen; darauf habe er Gambetta) höchlt auf⸗ 
jeregt die Bedingungen des Siegers verworfen und 
eine Worte dadurch verstärkt, daß er auf den Tisch 
geschlagen. Da habe Thiers die Geduld verloren 
und gerufen: „Bah, was gehen uns die Elsaß 
dothringer an! Sie waren Deutsche: Nun gut, 
Sie werden wieder Deutsche werden, das ist Kriegs 
spiel!“ Der „Nouvelliste“ veröffentlicht zugleich 
ein Schreiben Gambettas an seinen Freund, der 
Kabineischef im reaktionären Ministerium von 1873 
geworden war und beabsichtigte, die Unterredung in 
Tours der Oeffentlichkeit zu übergeben: Gambetta 
iltet in dem Schreiben, in der Sache nichts zu 
thun, weil der bassende Augenblick noch nicht ge— 
kommen sei. 
Paris, 7. Sept. Die „Schwarze Bande 
bon Moniceau les Mines“ hat ihre Unthaten 
wieder begonnen: Am Fuße des Kreuzes von 
Magny wurden 7 Dynamitpatronen gefunden; der 
Zerstörungsversuch mißlang indessen, weil die Zünd⸗ 
shnur erloschen war. Auch hat eine Anzahl Per⸗ 
onen wieder Drohbriefe erhalten. 
Brüssel, 8. Sept. Ueber gestern in Brüssel 
tattgehabte bedauerliche Ruhestörungen wird 
etzt gemeldet: Die Aufregung dauerte gestern den 
Janzen Abend, jedoch kamen keine weitere Ruhe⸗ 
dörungen vor. Die Zahl der Verhafteten beträgt 
183, die Zahl der Verwundeten ist beträchtlich. 
Antwerpen, 8. Sept. Beim Bahnhof fan⸗ 
den gestern während des ganzen Abends starke 
Boltsansammlungen siatt. Da wiederholt 
Tumulte entstanden, machte die Gendarmerie von 
der Waffe Gebrauch. Eine Person wurde verwundet. 
zier wurden verhaftet. 
London, 8. Sept. Einem Telegramm der 
„Times“ aus Futscheu vom 6. September zufolge, 
zätten die chinesischen Behörden bekanntgegeben, 
daß, nachdem der Krieg erklärt worden, Shanghai 
As neutral und Woosung als blokirt erklärt worden 
sei. Eine Bestätigung dieser Nachricht fehlt. 
London, 8. Sept. Ein Telegramm des 
„Reuter'schen Bureaus“ aus Futscheu vom 7. d. 
neldet: Die Häuser der Fremden jeder Nationa⸗ 
lität wurden von chinesischen Soldaten geplündert. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
B-St. Ingbert, 9. Sept. Am Sonntag 
feierte der hiesige Turnverein sein drittes 
Stiftungsfest. Trotz des schlechten Wetters 
hatten sich neben den bereits gemeldeten Vereinen 
zuch viele Schaulustige zu den Turnübungen ein⸗ 
gefuͤnden. Nach Empfang und Begrüßung der 
Festgäste setzte sich der Feltzug, unter Vorantritt 
der St. Ingberter Stadtkapelle, nach 3 Uhr in Be⸗ 
wegung, um nach Beendigung in den Becker'schen 
Garten einzumarschiren, woselbst das Schauturnen 
stattfand. Dasselbe wurde eröͤffnet mit Stab⸗ und 
Freiübungen seitens des hiesigen Turnvereins, sodann 
Riegenturnen an Barren, Schaukel und Reck und 
darauf Kürturnen sämmtlicher Vereine. Es wurde 
flott und eifrig geturnt, so daß man den Turnern 
nsah, daß sie mit Lust und Liebe sich der edlen 
Sache hingaben; besonders erwähnenswerth sind 
— 
Saarbrücker Turner. Gegen Abend traten die 
meisten auswärtigen Vereine den Heimweg an, 
ndeß die hiesigen Turner sich zu dem um 9 Uhr 
beginnenden Festballe rüsteten, um auch hier zu 
zeigen, daß sie Tüchtiges zu leisten vermögen und 
nicht allein auf dem Turnplatze, sondern auch auf 
dem Tanzboden zuhause sind. Die Festtheilnehmer 
müsirten sich bei demselben aufs Angenehmste und 
jerließen erst mit dem Morgengrauen die Stätte 
des Frohsinns. — Der St. Ingberter Turnverein 
jatte sein Möglichstes gethan, um sein Stiftungs⸗ 
est zu einem schönen zu gestalten und bei dem 
Schauturnen gezeigt, daß auch er bei Fleiß und 
Ausdauer Tüchtiges zu leisten vermag. — Bei 
zieser Gelegenheit wollen wir bemerken, daß hier 
m Allgemeinen das Turnen noch viel zu wenig 
jewürdigt wird. Wie viele Jünglinge gibt es 
—XI 
ein könnten, dies aber aus Bequemlichkeit 
»der sonstigen Ursachen unterlassen. Albrecht von 
ßräfe, einer der vor etwa zwei Jahrzehnten 
herühmteften deutschen Aerzte hat sich wie folgt 
iber das Turnen ausgesprochen: „... Das 
Turnen stärkt das Muskelsystem, verbessert die Hal⸗ 
sung des Körpers, hebt die Brust zu freiem Ath⸗ 
men, gibt den Bewegungen Festigkeit und Anmuth 
und fördert die normale und kräftige Entwickelung 
der Glieder und des gesammten Organismus. 
Mit der wachsenden Kraft der Bewegungsnerven 
vird dem Empfindungssystem ein festes Gegen⸗ 
jewicht gegeben.“ — Der St. Ingberter Turn⸗ 
erein aber möge blühen und gedeihen und in 
einem gesteckten Ziele immer „Frisch, Froh, Fromm, 
Frei!“ weiter wandeln. 
— Der Geueralstabsarzt der Armee und Chef 
»es Medizinalwesens, Herr Dr. Ritter v. Lotzbeck, 
zereist gegenwärtig die pfälzischen Garnisonen, um 
ich von dem Zustande der Kaserne u. s. w. in 
anitärer Beziehung selbst überzeugen zu können. 
— Die Nachricht, daß Herr Lorenz Fehlinger, 
»er bekannte vorderpf. Schnepfenschütze, das seltene 
Blück gehabt hat, auf einen Schuß, sage mit 
Worten, ne un Feldhühner zu erlegen, ist demL. 
Anz.“ zufolge, kein Jägerlatein. 
Ensheim, 6. Sept. Gestern beabsich⸗ 
igte hier ein Arbeiter vom Burbacher Werke, seit 
inigen Jahren Wittwer, sich mit seinen 3 Kindern 
vegen großer Armuth zu erhängen, woran er jedoch 
lücklicherweise verhindert wurde. 
— Lambrecht, 7. Sept. In unserer Nach⸗ 
argemeinde Neidenfels hat sich gestern Nachmittacç 
in trauriger Unglücksfall ereignet. Es war nämlich 
as 10jährige Töchterchen des Tagners Jakob 
rangenbacher von da mit dem Feuerschüren be⸗ 
chäftigt und es hat dieselbe, weil ihr Brenn— 
naterial naß war, wie verlautet, zur Förderung 
»es Feuers Erdöl hinzugegossen. Plötzlich schlug 
zie Flamme zur Ofenthür heraus, erfaßte die 
dleider des Mädchens und im Augenblick stand 
»as arme und allein im Hause befindliche Kind 
ichterloh in Flammen. Da unglücklicher Weise auf 
)as Geschrei desselben hin nicht sogleich Jemand 
zu Hilfe kam und sie selbst kein Erstickungsmittel 
)»es Feuers wußte, wurde sie von der Flamme um 
hren Körper derart zugerichtet, daß keine Spur 
yon Haut mehr, sondern nur das nackte Fleisch 
und schwere Brandwunden an ihr zu sehen waren. 
das arme Kind ist seinen sehr schweren und 
zußerst schmerzvollen Wunden heute früh um 5 
Uhr erlegen. Dies wieder eine ernste Warnung, 
Feuer nicht mit Erdöl zu schüren und Kinder nicht 
ahne Aufsicht zu Hause zu lassen. 
Vermischtes. 
fF Erxplodirende Medikamente. Es ist 
chon wiederholt auf die Unvereinbarkeit gewisser 
Arzneistoffe hingewiesen worden, welche durch 
xẽrplosion die bedauerlichsten Unglücksfälle hervor⸗ 
jetufen haben. Das „Journal de Pharm. d'Als.⸗ 
Lorr.“ warnt neuerdings vor einigen derartigen ge⸗ 
ährlichen Mischungen. So war ein Gurgelwasfer 
zu bereiten aus chlorsaurem Kali, Eisenchlorid und 
Blycerin. Fünf Minuten nach erfolgter Bereitung 
»Iplodirte die Flasche in der Tasche des Käufers, 
velcher durch die Glasscherben arg verwundet wurde. 
Fine Mischung von Calcium⸗Hypophosphit, chlor⸗ 
saurem Kali und Eisenlactat brachte den Eppedienten 
durch Erplosion in Lebensgefahr; schon die einfache 
steibung des Calcium⸗Hypophosphits ist gefährlich; 
o wurde nach der „Pharm. Post“ ein jnnger 
Bharmaceut durch die heftige Erplosion gelödiet, 
velche er durch Schütteln einer Losung von 1 Kilo 
Oypophosphit hervorrief. Die Aerzte verordnen 
nanchmal eine Losung von Chromsäure in Glycerin; 
venn aber die Säure rasch und auf einmal in 
»as Glycerin geschüttelt wird, kann leicht Explosion 
utstehen wie bei Nitroglycerin. Die Mischung 
von Jod und Ammoniak muß ebenfalls vorsichtig 
worgenommen werden, da hiebei Jodstickstoff, ein 
sehr heftig explodirender Körper, entstehen kann 
Chlorsaures Kali mit Tannin, Morphin⸗Hyt rochlor g 
oder anderen organischen Materien explodiren eben. 
falls. 
f Ueber die Art des Zeitungsdrucz 
»er Zukunft ist im Kopfe eines ingeniosen 
Amerikarers eine Idee aufgetaucht und in der Ver— 
virklichung begriffen, die man für eine Verrücktheit 
rrklären würde, wenn der Betreffende nicht der ge 
niale Oberst Hoe wäre, der Chef der —XC 
Buchdruchschnellpressen Fabrik der Vereinigten Staa— 
ten, Hoe u. Comp. in Newyork. Herr Hoe hat 
ich mit der Frage schon längere Zeit eingehend 
»eschäftigt und glaubt ein Verfahren ausfindig 
nachen zu können, welches mit Hilfe der Momen. 
»hotographie den Zeitungsdruck weit rascher und 
zesser besorge, als durch Drucken von der 
Schrift geschieht. Er wirft die Frage auf: Wenn 
nan ein Negativ von einer Seite einer Zeitung 
Jjerstellt, sollte es nicht möglich sein, mittelst maschn 
neller Vorrichtungen in jeder hunderistel Sekunde 
einen Strahl elektrischen Lichtes durch dasselbe zu 
werfen, welcher, indem er auf Papier fällt, das 
sich von einer Rolle abwickelt und unter dem Negatib 
rasch vorübergleitet, auf diesem eine Reproduktion 
des Negativs hervorbringt und so jede Sekunde 
hundert Abdrücke erzeugt? Und wenn dies möglich, 
vas stellt sich dem entgegen, dasselbe Verfahren 
Zzleichzeitig auf beide Seiten des Papiers wirken zu 
sassen? Auf diese Weise würden in der Stunde 
360,000 Exemplare hergestellt werden, und da ein 
Ilas⸗Negativ in kürzester Zeit hergestellt werden 
kann, so könnten ein Dutzend Maschinen Zeitungen 
in derselben Schnelligkeit photographiren, und die ganze 
Arbeit würde noch nicht einmal so viel Maschinerie 
erfordern, als eine gewöhnliche Cylinder-Maschine 
die 3000 Exemplare pro Stunde druckt. (Es sei 
hierbei bemerkt, daß Rotationsmaschinen circa 12,000 
ertige Exemplare pro Stunde drucken.) Die Pho— 
ographie erzeugt jetzt bereits Wunder mit dem 
ieuen sensitiven Papier, indem sie Bilder im Bruch— 
heile von einer Sekunde liefert, und jedes Jahr 
ieht neue Fortschritte. Es ist daher auch nicht aus⸗ 
juschließen, daß dieses Papier in Zukunft so billig 
jergestellt werden kann, daß es zur Zeitungspro⸗ 
zuktion zu verwenden ist, womit das einzige Hinder—⸗ 
niß beseitigt wäre, was dieser Ausbeutung der Pho⸗ 
iographie entgegen steht. Die Ansichten klingen 
was phantastisch. Indeß hat Hoe durch seine 
Thätigkeit im Buchdruckmaschinenbau bewiesen, daß 
er wohlberechnender schöpferischer Praktiker ist, und 
vergegenwärtigt man sich noch die ans Wunderbare 
grenzenden Fortschritte, welche z. B. die Elektrotechnil 
nur in den letzten fünf Jahren gemacht, so erscheint 
eine theilweise Ablösung des Buchdrucks durch die 
Photographie nicht so unmöglich. 
F Von der obern Mosel, 5. Sept. Die 
'ür den Winzer so unangenehme Stille im Wein⸗ 
handel scheint endlich zu weichen. In letzter Zeit, 
ichreibt die „Tr. Ztg.“ sind mehrere größere Par—⸗ 
tieen 8er aufgekauft worden, allerdings zu ziemlich 
zeringen Preisen. Während in Remich das Fuder 
su 1000 Liter exkl. Faß schon für 180 Mark ge⸗ 
jauft wurde, wurden in Wormeldingen und weiter 
Mosel abwärts doch auch 240 und mehr Mark 
Irzahlt. 
Coblenz, 6. Sept. Die Leiche des in 
Bonn verstorbenen Feldmarschalls Herwarth von 
Bittenfeld wurde heute Mittag gegen 12 Uhr 
nit allen dem hohen Range des Verewigten gebührenden 
nilitärischen Ehren auf dem hiesigen Friedhofe, wo 
eine Gattin seit dem September 1806 ruhlt, zu 
HFrabe getragen. Nach Beendigung der Leichen⸗ 
rede, von Ober⸗Konsisiorialrath Korten gehalten, 
und der üblichen Gebete wurde von den Pionieren 
und einer auf dem nach dem Bahnhofe führenden 
Wege aufgestellten Batterie der Grabsalut abgegeben, 
pomit die Feierlichkeit ihren Abschluß fand; wäh 
rend derselben hatien die Festungswerke halb Mast 
zeflaggt. — Mit dem alten Feldmarschall Herwarth 
Buͤlenfeld it der älteste und wohl auch der lette 
tampfgenosse des Kaisers aus seiner Jugendzeit 
ahingegangen. Fast zwei Menschenalter, eine 
türmische Jugend, ein arbeitsvolles Mannesam 
ind ein ruhmgekröntes Alter hat dieser letzte * 
Zer Schule Friedrich Wilhelm III. durchgelebt. Mi 
Zem Bewußtfein, die Pfliht in vollem Viaße gethan 
zu haben, mit der Gewißheit, überall in —— 
Weise dem preußischen Offiziernamen Ehre gemach 
ind die alten Traditionen aufrecht erhalten 
aben, ist er dahingeschieden, geehrt in höchste 
Maße.