Sf. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der ‚St. Iugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
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M 180. Dienstag, 16. September 1884. 19. Jahrg.
Politische Uebersicht.
(Stimmen über die Drei⸗Kaiser—
zusammenkunft.) Die „Nowosti“ in Peiers⸗
zurg leitarkikeln darüber: Das Grundziel derselben
ei nicht die Beseitigung der laufenden Komplika—
jonen, sondern die Feststellung eines Friedens⸗
rogramms für künftige Zeiten, damit die Staaten
mgehindert sich wichtigen inneren Fragen zuwenden
bonnten. Daß Giers mit seinem Kanzleidirektor
dambsdorff und dessen Gehilfen Obolensky nach
zkierniewice gereist ist, wird dahin gedeutet, daß
ielleicht Vereinbarungen dokumentarisch deponirt
würden. Diesem Gedanken gibt auch das „Deutsche
Nontagsblatt“ Ausdruck, indem es in seiner poli⸗
ischen Wochenschau sagt: Ob man auch diesmal
jon der Entrevue wird sagen können: „FHeureuse-
nent, il n'y rien d'écritse erscheint wohl fraglich,
za ein Staatsmann von der Launenhaftigkeit und
fitelleit des Fürsten Gortschakoff dieser Kaiser⸗
begegnung nicht anwohnt. Vielleicht also gibt es
ijesmal etwas, was man Schwarz auf Weiß nach
dause tragen kann, ein Dokument, welches nicht
nur die Gegenwart, sondern auch einen Theil der
zukunft in friedenverbürgender Weise vor störenden
zwischenfällen sicherstell. — Die hoöchoffiziöse
Montagsrevue“ in Wien sagt in einer Besprechung
der Kaiserbegegnung, der europäische status quo
ȟrfte nicht blos den Ausgangspunki, sondern auch
ven Zielpunkt der Besprechungen bilden, allerdings
hänen sich in zahlreichen Richtungen zwischen Oester⸗
reich und Rußland, wenn auch nicht eigentliche
Gegensätze, so doch Friktionspunkte vorgefunden
deren Beseitigung im Interesse beider Staaien läge
die Reibungsflächen zu glätten, ein wahrhäft
freundschaftliches, vom Geiste gegenseitigen Wohl⸗
vollens und Vertrauens durchdrungenes Verhältnif
serzustellen, werde allerdings als gegenseitige Auf⸗
jabe erklannt werden müssen, dazu habe Rußland
die Hand geboten und nichts läge weniger im
deiste der friedlichen, auf alle Regugen der Selbst-
sucht und Begehrlichkeit verzichtenden Politik Oester-
teichs, als diese Hand zurückzuweisen. In erster
vinie lage jedoch die Bedeutung der Entrevue in
hren Wirkungen nach außen. Sie besiegele und
belraäftige die Freundjchaft der drei großen Kaiser—
machte und sei im gewissen Sinne die demonstrative
Bethätigung eines politischen Systems, welches durch
das Biindmiß Deutschlands mit Oesterreich geschaffen
vurde. Dieses System habe sich auf Rußland und
Jalien ausgedehnt und eine gleich große Attrak⸗
ionskraft auf die kleinen Balkanstaaten ausgeübt.
Nicht die Frage der Verstärkung und der Geltend⸗
nachung dieses Systems habe die Monarchen zu⸗
ammengeführt, sondern es sei dabei die Empfindung
naßgebend gewesen, daß es sich als nützlich und
den Friedens -Interessen Curopas diensilich erweisen
werde, die Inlensität dieses Verhältnisses aller Welt
en darzulegen. — Das „Neue Wiener Tagebl.“
dricht den Wunsch aus, 'es möge den Auianz—-
nchten gelingen, Europa don den von Rußland
iech mehrfachen Richtungen hin drohenden Gefahren
v befreien. — Die „Neue Freie Presse“ sogt,
r Tag von Skierniewice scheine den Beginn einer
nent konservativen Aera zu bedeuten und gewähre
wenig Grund, Genugthuung hervorzurufen.
An Lorrespondenten gegenüber äußerte eine
irte Persönlichteit, es sei ein Irrihum, bon
er Wiederbelebung der Drei⸗Kaiser⸗Allianz zu
hen man könnte, was die Verhaͤltmisse in
nußland betrifft, eher von einer Intimität sans
consquence* sprechen. — Ein Artikel der Times“
üÜber die Kaiserbegegnung besagt, es sei die An⸗
nahme berechtigt, daß die Entrevue Europa die
Garantien des Friedens bringe. Was England
betreffe, so könne dasselhe die Entrevue nur freudig
begrüßen; es dürfte in Skierniewice nichts geschehen,
was Englands Interessen irgendwie schädigen oder
mit irgend einer Macht in Kollision bringen
önnte.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Sept. Das „Militär⸗Wochen—
zlatt“ veröffentlicht allerhöchster Bestimmung gemäß
eine vom J. Sept. datirte Ordre des Kaisers
hetr. die Verleihung des Ordens pour le mé—
itemitEichenlaubanden Reichskanzler
Fürsten Bismarck. Die Ordre lautet: „Der
seutige Erinnerungstag, welcher Mir aus den bis—
herigen zweiundzwanzig Jahren unseres Zusammen—
virkens eines der hervorragendsten Ereignisse ver—
zjegenwärtigt, führt Meine Gedanken auch darauf
zin, daß Sie Mir an diesem Tage und während
weier Kriege nicht nur als hochbewährter Mann
des Rathes, sondern auch als Soldat zur Seite
tanden, und daß es in Preußen einen Orden „für
Verdienste“ gibt, den Sie noch nicht besitzen. Wenn
auch die Bedeutung dieses Ordens eine spezifisch
nilitärische sein soll, so hätten Sie ihn doch schon
ängst haben müssen, denn Sie haben wahrlich in
mnancher schweren Zeit den höchsten Muth des Sol⸗
daten bewiesen, haben Sich auch in zwei Kriegen
ain Meiner Seite voll und ganz bethätigt, daß Sie
ieben jeder anderen auch auf eine hervorragende
nilitärische Auszeichnung den vollsten Anspruch
haben. Ich hole also Versäumtes nach, indem Ich
Ihnen den beifolgenden Orden pour le mérite
verleihe, und zwar sogleich mit Eichenlaub, um hier⸗
durch darzuthun, daß Sie ihn schon längst hälten haben
'ollen, und daß Sie ihn wiederholt verdient haben
Ich weiß in Ihnen so sehr das Herz und den Sinn
eines Soldaten, daß Ich Ihnen mit diesem Orden
den ja viele Ihrer Vorfahren mit Stolz trugen
eine Freude zu machen hoffe, und Mir selbst ge—
vähre Ich hierdurch die Beruhigung, daß Ich dem
Manne, den Gottes gnädige Fügung Mir zur Seite
zestellt und der so Großes für das Vaterland ge⸗
han hat, auch als Soldat die wohlverdiente An—
erkennung zu Theil werden lasse. Ich freue mich
'n der That herzlich und sehr, Sie künftig den
Orden pour le mérite tragen zu sehen.“
* Eisenach, 15. Sept. (Außerordentliche
Beneral-Versammlung des Deutschen
tolonial-Vereins.) Nach der den Mitgliedern
des Deutschen Kolonial-Vereins mit dem
achtzehnten Hefte der „Deutschen Kolonialzeitung“
zugegangenen Einladung zu der auf Sonntag, den
21. Sepiember in Eisenach anberaumten außeror—
dentlichen Generalversammlung wird dieselbe im Saale
)er Gesellschaft , Erholung“, Vormittags 1194 Uhr.
tattfinden. Ein Lokalkomitee hat sich in Eisenach
jebildet, welches durch ein Mitglied auf dem Bahn⸗
jofe behufs Auskunftsertheilung vertreten sein wird
Wohnungsanmeldungen sind möglichst bis zum 18.
d. M. an Herrn Hofbuchhändler Jacobi dort zu
richten, auch ist vorherige Anmeldung zu dem um
5 Uhr Nachmittags stattfindenden gemeinschaftlichen
Essen erwünscht. Am 20. Abends finden sich die
zereits anwesenden Theilnehmer im „Gasthof zum
Löwen“ beim Bier zusammen. — Wie uns von
zuverlässiger Seite mitgetheilt wird, ist nach der
illseitigen sympathischen Aufnahme des Vorstands⸗
beschlusses, daß auch allen Freunden der deutschen
olonialpolitik der Zutritt zu dieser Generalver⸗
sammlung behufs ihrer Orientirung freistehen solle,
eine überaus zahlreiche Betheiliguug aus allen Kreisen
zu erwarten. Die Zweigvereine, Sektionen und
Orisgruppen des über ganz Deutschland sich erstrecken⸗
den Vereins werden durch Delegirte vertreten sein,
velche an der am 20. Abends 612 Uhr im „Hotel
um Großherzog“ in Eisenach stattfindenden Vor—
tandssitzung iheilnehmen. In der Generalversamm⸗
ung unter dem Vorsitze des Präsidiums (Fürst zu
Dohenlohe · Langenburg und Oberbürgermeister Dr.
Miquel), werden unter anderen die Herren Geh.
Regierungsrath Prof. Dr. Erwin Nasse (Bonn),
Beh. Kommerzienrath Heimendahl (Krefeld), Reichs⸗
agsabgeordneier Dr. Hammacher (Berlin), Missions⸗
direktor Dr. Fabri (Barmen) und Konsul H. H.
Meier (Bremen) über die die gegenwärtige Lage der
»eutschen Kolonisationsbestrebungen, über die allge—
meinen Ziele des Deutschen Kolonialvereins, sowie
über die Dampfersubventionsvorlage sprechen. Von
hervorragenden Persönlichkeiten aus den Hansestädten
haben u. a. bereits die Herren Adolf Wörmann
lin Firma C. Wörmann), F. A. E. Lüderitz und
Joh. Thormählen) ihre Betheiligung zugesagt, und
zdürfte es von besonderem Jnteresse sein, die An⸗
chauungen dieser in überseeischen Unternehmungen
zraktisch erfahrenen Männer über die eigentliche
Bedeutung und die Zukunft ihrer Besitzungen, sowie
iber die für Deutschland zunächst anzustrebenden
Ziele in kolonisatorischer Richtung zu erfahren.
Auch Hofrath Dr. Gerhard Rohlfs wird erwartet.
Ausland.
Neapel, 15. Sept. Der König ist ge⸗
tern um 2 Uhr Nachmittags nach Rom abgereist.
Derselbe wird die Reise unverzüglich nach Florenz
jortsetzen. Depretis wies telegraphisch im Auftrage
des Königs den Präfekten von Rom an,
derselbe solle jede Kundgebung verhindern,
da der König wünsche, daß in dem Angen⸗
olick, in welchem seine Seele von dem schmerz⸗
ichen Schauspiel, dem er beiwohnte, so tief
zewegt sei, keine sKKundgebung stattfinde. — Der
Erzbischof besuchte gestern den König und ver⸗
weilte bei demselben nahezu eine Stunde.
Nom, 185. Sept. Auf der Fahrt von Neapel
wurde der König auf allen größzeren Bahnhöfen
nit Ovationen empfangen und auf der Fahrt bis
zum Bahnhofe in Neapel mit stürmischen Acclamationen.
Pereine mit Fahnen und die Volksmenge riefen:
„Es lebe der Vater des Vaterlandes! Es lebe das
daus Savoyen!“ Der Konig, tief bewegt, dankte
Jach allen Seiten grüßend. Mancini, welcher
ich wohl befindet, begleitete den KAönig zum Bahn⸗
hofe und verblieb in Neapel. Bei Ankunft des
önigs in Rom empfing denselben eine enorme
Menge. Musikbanden spielten die Königshymue;
die Behörden waren erschienen. Der Konig in Civil
gelangie mit Mühe durch die Menge zum Salon
und erschien in Folge der anhaltenden Acclamationen
auf dem Balkon. Die Weiterreise fand sodann
statt. Depretis blieb in Rom.
Skierniewice, 15. Sept. Das kaiserl. Paar,
der Großfürst-Thronfolger und die Großfürsten
Georg, Wladimir, Nikolai und Peter trafen mit
GBefolge Abends 7 Uhr mit einem Extrazug, der
7 Salonwagen und 2 Lokomotiven umfaßte, ein.
Vor dem fuͤr das Schloß Skierniewice reservirten
Bahnhofe war Infanterie mit einer Musikkapelle
aufgestellt, welches, als der Kaiser von seinen beiden
Sößnen und den übrigen Großfürsten gefolgt, die