Front abschritt, die Nationalhymne intonirte, wah⸗
rend die Mannschaft ununterbrochen Hurrah rief.
Zu dem Empfange, welcher vorwiegend dem Kaiser
als Gutsherrn von Skierniewice galt, waren nur
wenige Personen erschienen, darunter Giers, Loba⸗
noff, Wielopolski, und die Damen der Aristokratie
der Umgegend mit Kindern, welche der Kaiserin
Blumenkörbchen und Bouquets überreichten. Später
erschien die Großfürstin Maria Paulowna zunm
Empfange. Am Eingange in den Park hinter dem
Specialbahnhof war eine große Triumpfpforte er⸗
richltet, woran sich in einem Halbbogen mit Guir⸗
landen verbundene Flaggenstangen anschlossen. Hier
waren rechts und linls 800 Bauern, Bäuerinnen
im Nationalkostüm aufgestellt. Die Bauern trugen
lange Röcke in weiß, blau oder in weiß, und rothen
Leibgurt, die Bäuerinnen in rothen Röcken, rothen
Mänteln, rothe Kopftücher. Die Ortsvorstände
reichten dem Kaiser die Mutter Gottes von Czen⸗
stochau, und dann Salz und Brod, während die
Bauern Hurrahrufe ausbrachten und Schulkinder
zuerst die Nationalhymne und sodann den Chor
aus Glinka's „Leben für den Zaren“ sangen. Nach
dem 5 Minuten dauernden Empfang bestieg das
Kaiserpaar den ersten, der Thronfolger nebst seinem
Bruder den nächsten Wagen und fuhren unter
brausendem Hurrah der Bauern und gefolgt von
den übrigen Großfürsten und der Suite nach dem
Schlosse, wo sodann ein Hofdiner stattfand
Skierniewice und der Bahnhof sind illuminirt.
In dem Gefolge des Kaisers befanden sich Minister
Woronzoff⸗Daschkoff, Tolstoi, Possiet und General⸗
gouverneur Gurko. Gestern rückten hier zwei In⸗
fanterieregimenter ein, deren Inhaber Kaiser Wil—
helm und Franz Joseph sind.
London, 15. Sept. Die Ernennung des
Gesandten in Brüssel, Malet, zum Botschafter in
Berlin, wird bestätigt und von den, der Regierung
nahestehenden Blättern beifällig beurtheilt.
Lokale und pfaälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 16. Sept. In einem
Zirkular an die Bürgermeisterämter und Adjunkten
des Bezirks erläßt das kgl. Bezirksamt Zweibrücken
folgendes: Mit Erlaß vom 12. vor. Mts. hat die
kgl. Regierung den ortsüblichen Tagelohn für die
Gemeinden der Distrikte Zweibrücken, Blieskastel,
St. Ingbert und Hornbach festgesetzt. Auf
Grund dieser Festsetzung sind nunmehr hieramts
für die Gemeinden des Amisbezirks die wöchent⸗
lichen Krankenversicherungs-Beiträge und das Kran⸗
kengeld für jeden Arbeitstag zu berechnen. Die
Berechnung ergibt (nach erfolgter Abrundung)
a) Krankenkassebeiträge für erwachsene
männliche Arbeiter in allen Gemeinden der Distrikte
Blieskastel, St. Ingbert und Zweibrücken wöchent⸗
lich 15 Pfg., in den Gemeinden des Distrikts
Hornbach 12 Pfg., für erwachsene weibliche Ar⸗
dbeiter 9 Pfg., für jugendliche männliche Arbeiter
6 Pfg., für jugendliche weibliche Arbeiter 6 Pfg.
b) Krankengeld für erwachsene männliche Ar⸗
beiter in den Distrikten Blieskastel, St. Ingbert
und Zweibrücken 80 Pfg., in den Gemeinden des
Distriktes Hornbach 70 Pfg., für erwachsene weib⸗
liche Arbeiter 50 Pfg., für jugendliche männliche
Arbeiter 379 Pfg., für jugendliche weibliche Ar⸗
beiter 30 Pfg.
* Am Sonntag Abend wurde der G'jährige
pensionirte Schmelzarbeiter Heinz von Rentrisch
beim Verlassen der Jung'schen Wirthschaft unterhalb
des Eisenwerkes ohne jede Veranlassung seinerseits
von zwei Burschen aus Scheidt durch Messersticht
in Rücken und Kopf schwer verletzt. Die beiden
Attentäter hatten sich vorher zu ihrer Heldenthat
in der genannten Wirthschaft Courage und ein ge—
höriges Maß „mildernder Umstände“ angetrunken.
Sie wurden sofort verhaftet und hinter Schloß und
Riegel gebracht.
— Auf der am verflossenen Sonntag in
Landstuhl stattgehabten nationalliberalen Wahl⸗
versammlung verabschiedete sich der verdienstvolle
Abgeordnete Herr Dr. A. Buhl, der seit 14
Jahren den Wahlkreis Homburg⸗Kusel im Reichs⸗
lage vertrat, von seinen Wahlern. Alle Versuche,
ihn von seinem Vorsatze, für die nächste Session
aus Faomilien⸗ und persönlichen Rücksichten kein
Mandat anzunehmen, abzubringen, blieben erfolglos.
Als Kandidaten für die bevorstehende Wahl schlugen
die Vertrauensmänner den Gutsbesitzer Herrn Bein⸗
zino von Kusel vor. Dieser stellte sich hierauf
der Versammlung vor und legte dann seinen Stand⸗
punkt klar, den er den einzelnen Fragen gegenüber,
die gegenwärtig das offentliche politische Interesse
eanspruchen, einnehme. Die Versammlung war
nit seinen Ausführungen einverstauden und beschloß,
vei ber nächsten Reichsstagswahl für seine Kandidatur
einzutreten.
x* Die von der Würzburger Hufbeschlag⸗
dehranstalt ausgeschriebene Konkurrenz, die am
10. Sept. stattfand, war auch von den Pfälzern
desucht. Dieselben erhielten sämmtlich Auszeich—
rungen, Lorenz Bender von Waulsstadt und Jakob
Messing von Friedelsheim einen Preis von je 25 M.
nebst Ehrendiplom und L. Firrmann von Mörg-
seim ein Ehrendiplom.
— Landau, 15. Sept. Herr Dr. Albert
Bürklin in Wachenheim ist der mit Einstimmig
keit erwählte Kandidat der nationalliberalen Partei
im Wahlkreise Landau⸗Neustadt. Dies das Resul⸗
tat der gesiern in Neustadt abgehaltenen Versamm⸗
sung des liberalen Wahlvereins, zu welcher sich
etwä 600 Personen eingefunden hatten. (E.)
— Edenkoben, 15. Sept. Am ver—
flossenen Samstag gegen 9 Uhr brach in der Möbel—
tabrik der Herren Niederhöfer und Söhne ein Beand
aus. Der Schaden ist nicht unbedeutend, doch ist
alles versichert. — In einigen Gartenwingerten
wurden die Trauben verkauft und für den Most
11 M. per 40 Liter bezahlt.
— Haßloch, 15. Sept. Am Donnerstag
Abend wurde ein von Haßloch nach der Pfalzmühle
zurückfahrender Mühlbursche von einem Unbekannten
überfallen. Letzterer leuchtete ihm zuerst mit einem
—AIV
Bein. Der Mühlbursche mußte wegen der erhaltenen
ernsten Verletzung in die Klinik nach Heidelberg
gebracht werden. Untersuchung ist eingeleitet.
— Speyer, 12. Sept. Die Leiche des am
letzten Samstag im Altrhein bei Otterstadt ertrun⸗
kenen Handwerksburschen, Joseph Haller aus Oester⸗
reich, ist gestern an derselben Stelle. wo er ertrank,
gefunden worden.
Pfälzisches Schwurgericht.
III. Quartal 1884.
Zweibrücken, 13. Sept. Verzeichniß der bei der
II. Schwurgerichtsperiode amek. Landgericht Zweibrücken
zur Verhandlung kommenden Anklagesachen:
1) 15. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Joseph Kopp, 18 J. a., Metzger von Ranschbach, wegen
othzucht. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft: Hr. II.
* Schneider; Vertheidiger: Hr. Rechtspraktikant
Schulz.
2) 16. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Joseph Soetebier, 29 J. a., Redalteur in Barmen,
rüher in Landau, wegen Beleidigung des deutschen Kaisert
zurch die Presse. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft: Hr.
5 —« Petri; Vertheidiger: Hr. Rechtspraktikant
iessen.
3) 16. Sept. Nachm. 3 Uhr: Verhandlung gegen
kdatharina Feix, 22 J. a., Diensimagd von Stambach,
jetzt in Zweibrücken, wegen Versuchs des Kindsmords. Ver—⸗
reter der k. Staatsanwaltschaft: Hr. III. Staatsanwalt
Wagner; Vertheidiger: Hr. Rechtsanwalt Gink.
4) 17. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Bernhard König, 20 J. a. Ackerer in Harthausen, wegen
Deineids. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft: Hr. II.
Staatsanwalt Schneider; Vertbeidiger: Hr. Rechtsanwalt
Zebhart.
5) 17. Sept. RNachm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Mathias Steinmann, 28 J. a., Grubenarbeiter von
Ehlingen, wegen Rothzucht. Vertreter der k. Staatsan⸗
waltschaft: Hr. III. Staatsanwalt Wagner; Vertheidiger
r. Rechtsanwalt Schuler.
6) 18. Sept. Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen Georg
Weber, 49 J. a., Wirth und Acerer in Gersbach, wegen
örperverletzung mit nachgefolgtem Tode. Vertreter der
. Staatsanwaltschaft: Hr. III. Staatsanwalt Wagner;
vertheidiger: Hr. Rechtspraktikant Dr. Mayr.
7) 18. Sept. Nachm. 3 Uhr: Verhandlung gegen Clara
dirlemenn, 39 J. a., Wittwe von Karl Müller, Berg⸗
nann in Niederbexbach, wegen Kindsmords. Vertreter der
—XAAß
Ir. Rechtspraktikant G. Rössel.
8) 19. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen 1.
Anna Maria Heß, 47 J. a. Haushälterin von Aisenborn,
2. Knna Christina Thomas, 48 J. a., Ehefrau von
krnst Thomas, Gastwirth in Kaiserslautern, wegen Beihilfe
zum betrügerijchen Bankerott. Vertreter der k. Staatkan⸗
valtschaft: Hr. II. Staatsanwalt Schneider; Vertheidiger.
ad 1Hr. Rechtsanwalt Schuler, ade 2 Or. Rechisanwalt
Schmidt.
9) 22. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Abraham Schwerdtfeger, 40 J. a., Ackerer von Gleis⸗
horbach, wegen vorsetzlicher Brandstiftung. Vertreter der
. Staatsanwaltschaft: Hr. III. Staaisanwalt Wagner;
Bertheidiger: Hr. Rechtspraktikant Giessen.
10) 23. Sept., Vorm. 8 Uhr: Verhandlung gegen
Friedrich Woernlein, 49 J. a., bisher Steuer⸗Ein⸗
iehmer in Weilerbach, wegen Verbrechens im Amte. Ver⸗
reter der k. Staaisanwaltschaft: Hr. J. Staatsanwalt Petri;
Bertheidiger: Hr. Rechtsanwalt Schmidt.
11) 23. Sept, Nachm. 3 Uhr: Verhandlung gegen
ßhilipp Peter Groß III., 60 J. a., Ackerer von Böhl,
degen Meineids. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft: Hr.
14. Staatsanwalt Schneider; Vertheidiger: Hr. atechtsd
cikant Breith.
12) 240 Sept. Vorm. 8 Uhr: Verhandlung ge
heinrich Stein TJ. 74 J. a., Müller von —
a / N, wegen Versuchs der Körperverletzung. Vertreler r
k.Slaatsanwaltschaft: Hr. J. Staatsanwalt Peiri gut
theidiger: Hr. Rechispraktikant Loewenber g. —
13) 25. Sept., Nachm: 3 Uhr: Verhandlung gege
saspar Schäfer, 20. J. a. Dienstknecht von ditee
wegen Meineids. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft 9
III. Staatsanwalt Wagner; Vertheidiger: Hr. Rechtsbra.
tikant Escales.
14) 25. Sept. Vorm. 8 Uhr, und folgende Tage:
Verhandlung gegen 1. Gottschall Strauß, 69 J. a. *
Jatob Sür'a u de 24 3. 1 peide Kauflene di dir,
zeimbolanden, wegen betrügerischen Bankerotts. Vertreher
der k. Staatsanwaltschaft: Hr. II. Staatsanwalt Schneider
Vertheidiger: HOr. Rechtsanwalt Gebhart.
WVermischtes. J
F In Stuttgart hatte ein Spekulant einen
Vertrag mit der Uhlbacher Eisfabrik auf Lieferung
»on 100,000 Zentnern zu 29 Pfg. per Zentner
abgeschlossen. Da Eisnoth entstand, verkaufte er
den Zentner an Brauer, Metzger und Wirthe zu
3 Mt., an Privatleute zu 5 M. und machte einen
Bewinn von mehr als 200,000 M.
F CGeldenmüthige Vertheidigung. An dem
Wasenmeister Math. Mayerthaler von Feldmoching
ist unbestreitbar ein Stratege verloren gegangen.
Als ihm am 19. Mai der Gerichtsvollzieher Endl
ein rechtskräftiges Urtheil des Landgerichts München
zustellen wollte, verschanzte er sich in seine Ve—
hausung und ließ es auf eine Belagerung ankom—
men. Der Gerichtsvollzieher sah sich nach Ver—
därkung um und rückte mit mehreren Civilpersonen,
hem Wachtmeister von Schleißheim und drei Sol⸗
haten gegen die Festung Feldmoching vor. Dach
her Festungsgouverneur erwartete mit gespanntem
Gewehre ruhig den Feind und ergab sich nicht, so
daß derselbe von weiterer Belagerung abstehen
mußte. Anstatt den heldenmüthigen Vertheidiget
mit dem eisernen Kreuze zu schmücken, verurtheilte
ihn das Landgericht München 1 zu fünf Monaten
Gefängniß.
F Zu den alten Stammgästen der Schweiz,
die alljährlich in ihren Bergen Erholung suchen,
zehört, wie die „Vossische Zeitung“ meldet, Graf
Moltke. Seit leutseliges Auftreten hat ihm in
der Schweiz viele Sympathien erworben und ihn
zu einem gern gesehenen Gaste gemacht. Ueber
seinen diesjährigen Aufenthalt in Ragaz geht von
einem dortigen Kurgaste dem „St. Galler Tageblatt“
eine Schilderung zu, worin es heißt: „Ich bin dem
herühmten Strategen oft und viel begegnet: und
jedesmal imponirte er mir mehr durch seine merh⸗
vürde Ruhe und Einfachheit. Man möchte meinen,
noch nie wäre ein Lächeln über diese Züge geglitten
yder ein Scherzwort von diesen Lippen gekommen,
ind doch ist der Marschall sehr leutselig, d. h. er
verkehrt gern mit Leuten aus dem Mittel und
Arbeitersiande. Seine Passion ist der prachtvolle
Obst⸗ und Gemüsegarten in den Quellenhofanlagen;
dort unterhielt er sich mit Vorliebe mit dem Gärtner.,
dem kundigen Meister des kleinen Paradieses. Auch
über die Rheinkorrektion und die Weldbachberbau
ungen sprach er mit einem meiner schweizerischen
Landsleute voll Interesse, wogegen er der hohen
und höchsten Aristokratie sorgfäitig ausweicht. Wer
ihn im Kurorte so schlicht auf einer Bank sihen
und den Klängen der Musik lauschen sieht, der
möchte ibn eben für einen würdigen Landpfarrer
zalten, der gemüthlich seiner Ruhe lebt. Schwarz
zekleidet, trägt er einen weichen, schwarzen hreit ·
Sandigen Hur à la Calabreser und ein Meerrohr
nit eifenbeinernem Griffe. So trifft man ihn oft
allein, gemüthlich seine Cigarre rauchend in der
Terminaschlucht und namentlich auf der Ruine Freu
XD
Anblick des schönen Panoramas vertieft, das sich
vor ihm ausbreitet. Fuͤr das Kleinste sich intet
ssirend, immer noch merkwürdig geistesfrisch, scheut
r auch die Muhe nicht, über unwegsame Pfade zu
limmen, kaum etwas gebückt von der Last der Jahre.
Rostod. Ein Prozeß, der auch fllr weitere
Zreije von Interesse sein dürfte, beschäftigte die
Ferien ⸗Strafkammer des Landgerichts zu Rostod in
Hedlenburg Es handelte fich im vorliegenden
Falle um eine in ziemlichem Umfange benieben
hiermanscherei. Der Restaurateur Tarl M.
Kostock, dessen Lokal namentlich von den d
Ständen frequentirt wird, hatte seinen sammmichn
denern den Auftrag gegeben, beim Ausschaut
Würzburger Bier, das mittelst eines Druckappata b
zus den in dem Keller liegenden Fässern en
vurde, jedem Seidel ein sog. „Häubchen“ bou
— N D