Full text: St. Ingberter Anzeiger

bie Seschwoorenen sprachen nach längerer Berathung den 
aigellagten des Vergehens des fahrlassigen Falscheides für 
haͤdig, unter Verneinung der Frage auf Widerruf der 
hen Aussage i, zu 
Der Gerichtshof, verurtheilte hierauf den Angeklagten 
aner Gefängnißstrafe von 9 Monaten und hob den 
cgen ihn erlassenen Haftbefehl auf, sodaß der Angeklagte 
est in Freiheit geseßt wurde bis zu seinem Strasantrüt. 
ande der Verhandlung /21 Uhr. 
zweibrucken, 18. Sept. Gestern Nachmittag wurde 
8 J. a. Grubenarbeiter Mathias Steinmann von 
hlingen des Verbrechens der Nothzucht unter Annahme 
dernder Umstände für schuldig erkannt und zu 2 Jahren 
füngniß verurtheilt. Die k. Staatsbehörde war vertreten 
ich Hrn. III2 Staatsanwalt Wagner, die Vertheidigung 
hrie Hr. Rechtsanwalt Schuler. Die Verhandlung war 
arlich geheim. 
Vermischtes. 
-Malstatt-Burbach, 18. Sept. Die 
direltion der Burbacher Hütte hat auch in diesem 
zahre in hachherziger Weise mehrere treue Arbeiter, 
pelche mit dem gestrigen Tage 25 Jahre auf dem 
Herke beschäftigt waren, reichlich bedacht. Der 
zubilanten waren es diesmal 15, welche aus Mei⸗ 
ern und Arbeitern bestanden. Jeder derselben 
rhielt in prachtvollem Etuis eine goldene Remon⸗ 
biruhr als Anerkennung und zur Erinnerung an 
jesen Tag, zum Geschenk. 
Pfarrkirchen, 14. Sept. Im benach⸗ 
arten Asenham sollte an Stelle des abgetragenen 
aufälligen Kirchthurmes ein neuer Thurm errichtet 
erden. Der Bau machte rasche Fortschritte und 
je Maurer hatten vorgestern nur noch eine halbe 
5tunde zur gänzlichen Vollendung, als die Auf— 
jerksamkeit auf breite Risse gelenkt wurde, die in 
zerbindung zwischen Kirche und Thurm sich zeigten. 
z3 wurde die Absicht laut, die Berbindung mit 
chleudern herzustellen. Dit auf den Gerüsten in 
r Höhe befindlichen Maurer — der Thurm maß 
z Meter — beeilten sich ihre Geräthe zusammen⸗ 
hen, und in Sicherheit zu bringen — leider 
te es nicht mehr gelingen! Die Mauern bauchten 
plötzlich nach außen und der Thurm stüczte in 
zusammen, die Arbeiter theils wegschleudernd, 
eils unter den Trümmern begrabend. Wunder—⸗ 
arer Weise konnten alle lebend herausgebracht 
erden obwohl ihre Verletzungen sehr schwere sind. 
)ie Unglücksstätte bittet einen unheimlichen Anblick. 
tatt des Thurmes lagert ein mehr als haushoher 
saufen von Bruchsteinen, Mörtel und Ziegelbrocken 
n der Kirche, aus dem die Balken und Bretter 
ez Gerüstes in wüstem Durcheinander hervorragen. 
lugenzeugen, die die Unglücksstätte besucht haben, 
ieben dem schlechten Material, welches zum Bau 
erwendet worden sein soll, die Schuld. 
Das französische Infanterie-Pegiment Nr. 69 
us Nancy, welches gegenwärtig seine Herbst⸗ 
canoͤder dicht an der Grenze abhält, lag Montag, 
d. Mts., in Bouxieres, dem von dem deutsch ; 
thringischen Mardigny etwa 20 Minuten entfernten 
csten französischen Dorfe in Quartier. Nach be— 
idetem Dienste an diesem Tage überschritten 800 
is 400 französische Soldaten und Unteroffiziere 
on diesem Regiment in voller Uniform, aber ohne 
baffen, die deutsche Grenze und kamen nach Mar- 
zny, kauften daselbst allen vorhandenen Tabak 
id Schnaps auf, amüsirten sich, mehr und mehr 
animirte Stimmung gerathend, noch eine ganze 
it lang mit den Schönen des Dorfes und kehrten 
ct dann über die Grenze zurück. An Redensarten 
3. B. „C'est notre pays“ ⁊c. ließen es die 
tieger dabei nicht fehlen. Wie man meldet, hat 
etr Grenzort Cheminot dieser Tage in ganz ähn⸗ 
der Weise französische Einquartirung erhalten. 
Wilhelmsdorf, 15. Sept. Aus dem 
nlangft veröffentlichten Jahresbericht über die Wirk⸗ 
mkeit der Muster⸗Arbeiterkolonie dahier ist zu er⸗ 
hen, daß Leuie aus allen Ständen in derselben 
ufnahme gefunden haben und Existenzen der ver⸗ 
Aedensten Art, heruntergekomm⸗ene hohe Beamte, 
ffigiere, Richter, Geistliche, Professoren, Lehrer, 
aufleute, Handwerker, Tagelöhner, Vagabunden 
itdlich nebeneinander arbeiten. Wenn ein Einblick 
diese entsetzlichen Verhältnisse den Menschenfreund 
it tiefstem Milleid erfüllt, so erhebt es die Brust, 
z die Menschenliebe ohne Aufhoͤren auf Mittel 
id Wege sinnt, um das Elend zu bekämpfen und 
immer engere Grenzen einzudaͤmmen. Die Ar⸗ 
iterlolonie in Wilhelmsdorf darf sich des schönsten 
ifolges ruhmen, da sie hunderie für die Gefjell⸗ 
ast Verlorene wieder in geordnete Bahnen gelenkt, 
uen Arbeit, Verdienst und gesichertes Unterkommen 
—XV 
f6cFolgende graufsige und etwas 
ibenteuerlich kingende Geschichte be— 
richtet der „Kösl. Generalanz.“: Sievert, der frü— 
jere Besitzer des Kruges zu Turzig bei Rummelsburg 
ist seit Johr und Tag nach Amerika ausgewandert. 
Er war ein schlanker, ansehnlicher Mann mit 
»londem Vollbart, im Alter von ungefähr 40 Jahren 
uind seines Handwerks ein Schuster. Der gegen— 
värtige Besitzer des Kruges fand in diesen Tagen 
mm Keller unter dem Sande sechs menschliche Ge— 
ippe. Obenauf lag der seit 1881 vermißte 
dandelsmann und vielfach gesuchte B. Fürstenberg 
un. aus Zanow. Kleidungsstücke — besonders 
ein schwarzes Halstuch, —- ein fehlender Knochen⸗ 
plitter aus einer alten Armwunde und dessen 
dandelskasten lassen es gewiß erscheinen, daß der 
eit vier Jahren spurlos verschwundene Fürstenberg 
un. endlich gefunden ist. Der Vater desselben 
icherte s. Z. demjenigen eine Belohnung von 100 
Mark zu, der im Stande wäre, über den Ver⸗ 
hwundenen oder dessen Waaren etwas mitzutheilen. 
die Vermuthung, Fürstenberg sei erschlagen und 
»eraubt worden, galt damals schon als höchst wahr⸗ 
cheinlich. Zwei Persönlichkeiten, von denen man 
ich der That versehen konnte, wurden von der 
Oberstaatsanwaltschaft steckbrieflich verfolgt und nach 
msiger Suche von unserem Gendarmen, Herrn 
S„ebastian, dingfest gemacht. Es war dies der 
zimmergeselle Hermann Scheffelke aus Stolp, 38 
'ahre alt, welcher zuletzt mit Fürstenberg in der 
Begend von Turzia gesehen worden war, und der 
Tischler Johann Domke aus Alt-Warschau. Der—⸗ 
elbe hat 11 Monate in Untersuchungshaft sitzen 
nüssen, weil der Verdacht vorlag, daß er Waaren 
'erkaufte, die von Fürstenberg herrührten. Er 
vollte dieselben von einer unbekannten Frau er—⸗ 
jalten haben. Die übrigen fünf Gerippe im Keller 
es Kruges zu Turzig waren jedenfalls arglose 
Beschäftsleute gewesen, welche von dem damaligen 
Wirth Sievert getödtet, beraubt und verscharrt 
vorden sind. Diese schauerliche Entdeckung wurdse so⸗ 
ort der königl. Staatsanwaltschaft mitgetheilt und 
ieselbe hat nicht verfehlt, ihren weitgreifenden 
kFinfluß zur Erlangung des Verbrechers im fernen 
Amerika anzuwenden. 
(Dümmer als erlaubt.) Im August 
J. J. erschien vor dem Sekretär eines kleinen Amts- 
erichts in Ostfriesland ein Wittwer zur Feststellung 
einer und seiner verstorbenen Frau Personalien, da 
r beabsichtigt, sich wieder zu verheirathen. „Wie 
ieß ihre verstorbene Frau?“ — „Grietje.“ — 
Familienname?“ — Hier war der kritische Punkt. 
der Mann wußte weder, wie seine Frau, mit der 
»on 1870 - 1878 verheirathet gewesen, vorher 
geheißen, noch konnte er deren Geburtsort angeben. 
das Einzige, dessen er sich entsinnen konnte, war 
er Vorname und der Ort, wo die Frau starb. 
“„omit bleibt dem unglücklichen Heirathskandidaten 
richts übrig, als die Hochzeit auszusetzen, bis die 
Zersonalien seiner ersten Frau festgestellt sind. — 
zin interressantes Seitenstück hierzu theilt der 
„‚„A. f. H.“ mit: Ein Landbriefträger in Esens 
jatte einen Brief an einen Landmann in Barkholt 
u bestellen. Da derselbe diese Tour erst kürzlich 
ibernommen hatte und in der Gegend noch nicht 
ehr bekannt war, so fragte er vorsichtshalber in 
»em betr. Hause an, ob der Adressat hier auch 
vohne. Die allein anwesende Frau war indeß 
nicht im Stande, den Stammnamen ihres Mannes 
mit dem sie bereits mehrere Jahre verheirathet ist) 
inzugeben, und erst der gleich darauf eintretende 
hausherr konnte dem etwas verblüfft dreinschauenden 
zriefboten die gewünschte Auskunft ertheilen. 
fAls Mittel gegen die Gelbsucht 
zilt bekanntlich im Volksmunde das „Anspucken“ 
»es betr. Kranken. Dieses Mittelchen sollte sich 
nun auch an einer Dame erproben und erzählt die 
‚N. Preuß. Zig.“ hierüber Folgendes: Vor einigen 
Tagen begegnete in der Friedrichsstraße zu Berlin, 
wischen der Weidendammer Brücke und der Ziegel⸗ 
traße, eine alte Frau zwei anständig gekleideten 
damen, von denen die ältere ersichtlich an der 
Helbsucht litt. Letzterer wurde von der alten Frau 
ns Gesicht gespuckt und heftig beschimpft. Die so 
nsultirte Dame, welche vor Schreck ganz blaß ge⸗ 
vorden war, erfuhr von einem Vorübergehenden, 
velcher Zeuge des Vorfalls gewesen und die alte 
Frau dieserhalb zur Rede gestellt hatte, der Grund 
ür diese Brutalität bestände darin, daß nach einer 
ilten Regel man einem gelbsüchtigen Menschen 
inverhofft unter heftigem Schimpfen dreimal in 
as Gesicht spucken solle. Der Schreck, den der 
ranke hierdurch erfahre, mache ihn in vierzehn 
Tagen gesund. Die Dame schien durch diese Mit⸗ 
theilung befriedigt und setzte mit ihrer Begleiterin 
den Weg fort. 
F Der schiefe Thurm von Terlan, der sich 
inmitten einer herrlichen Weingegend erhebt, hat 
einen Kapuzinerpater zu nachstehenden hübschen 
Versen begeistert: 
Warum steht zu Terlan der Kirchthurm gebückt? 
Was hat wohl dem Alten den Standpunkt verrückt? 
Der Alte — er hörte von Weinpantscherei. 
Da wollt er halt lugen, was Wahres dran sei. 
Und wie er sich beugt' über Keller und Faß, 
krschrak er so stark, daß er's Aufstehen vergaß, 
—A— 
Sonst fallen noch rings alle Kirchthürm' ein! 
x Dem abgeschmacktesten Aberglauben zum Opfer 
zefallen ist dieser Tage die Gattin eines angesehe— 
nen Bürgers zu Insterburg. Die junge, kern— 
zgesunde Frau hatte, wie die „Ostd. Volkszeitung“ 
berichtet, sich mit einem Messer an der linken Hand 
eine Verletzung zugezogen, die trotz ihrer Gering⸗ 
ügigkeit eine schmerzhafte Anschwellung zur Folge 
hatte. Mehrere „gescheite“ Nachbarn bewogen die 
unglückliche Frau dazu, ein einer Leiche abgenom⸗ 
menes Tuch um die geschwollene Hand zu wickeln; 
ein Mittel, das die Geschwulst „ausziehen“ sollte. 
Am Dienstag Abend verstarb die Frau nach qual⸗ 
vollen Leiden an Blutvergiftung. 
F Madrid, 17. Sept. In den Provinzen 
Alicante und Tarragona kamen 25 Choleratodes- 
älle vor. 
Rom, 17. Sept. Gestern kamen in Italien 
581 Erkrankungen und 325 Todesfälle vor. Rom 
ist cholerafrei. 
F Neapel, 17. Sept. Nach dem von der 
Munizipalität ausgegebenen Bericht sind von vor⸗ 
gestern Mitternacht bis gestern Mitternacht 463 
Erkrankungen und 258 Todesfälle an der Cholera 
vorgekommen. Während die Cholera in Neapel 
ttetig abnimmt, ist dieselbe in Resina im Zunehmen 
begriffen. 
F Neabel, 18. Sept. Laut Munizipalbericht 
sind von gestern Mitternacht bis heute Htitternacht 
510 Personen an der Cholera erkrankt und 2839 
Personen gestorben. 
Warktberichte. 
e. Eusheim, 18. Sept. (Viktualienmarkt.) 
Butter 1,20 -0,00 M. per a Kilo, Eier 90 à 
per Dutzend, Kartoffeln 2,60 —8,00 M. per 50 
stilo, Kraut per Kopf 08 8. 
Zweibrücken, 18. Sept. (Fruchtmittelpreis und Vit 
ualienmarti.) Weizen 8 M. 41 Pf., Korn 7 M. 50 Pf. 
HZerste zweireihige 7 M. 30 Pf., vierreihige O M. — pf. 
Sspelz O M. — Pf., Spelzlern — M. — Pf., Dinkel 
— Ui. — Pf., Mischfruht 0O M. — Pf., Hafer 6 M. 
38 Pf. Erbsen d M. — Pf, Widen — M. — pf. 
heu 83 M. — Pf., Stroh J. Qual. 2 M. 20 Pf., II. Qual. 
M. 70 Pf., Kartoffeln 1M. 80 Pf., Weißbrod 1/5 Kils 
50 Pf., Kornbrod 3 Kilo 60 Pf., Gemischtbrod 8 Kile 
15 Pf., paar Weck 890 Gr. 6 Ppff., Rindfleisch J. Qual. 
30 Pf., II. Qual. 56 Pf., Kalbfleisch 530 Pf. Hammel⸗ 
leisch 60 Pf., Schweinefleisch 50 Pf., Wein 1VLiter 80 Pf. 
Bier 1 Liter 24 Pf., Butter */3 Kilogr. 1M. 10 pf. 
Homburg, 17. Sept. (Fruchtmittelpreis und Viktua⸗ 
lienmarkt, Weizen 8 M. 49 Pf., Korn 7 M. 15 Pf., 
Spelzlern — M. — Pf., Spelz 0O M. — pf., Gerste 
dreihige O M. — Pf., Gecste 4reihige 0 M. — Pf., 
dafer 6 M. 43 Pf., Mischfrucht 8 M. — Pf., Eroͤsen 
— M. — Pf., Wicken — M. — Pf., Bohnen 0 M. 
— Pf., Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod 6 Pfund 
ʒ0 Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf., Ochsenfleißh — pf. 
Rindfleisch 60 Pf. Kalbfleisch 50 Pf. Hammelsleisch 60 Pf. 
Schweinefleisch 46 Pf. Butter 1 Pfund 1M. 08 pÿf. 
dartoffeln per Zentner 3 M. — Pjf. 
Landstuhl, 15. Sept. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmarkt.) Weizen O M. — Pf. Korn7 M. 55 Pf., 
spelz o M. — Ppf. Hafer 6 M. 35 Pf., Gerste O M. 
7 Pf. Wicken M. — Pf., Erbien — M. — pf., 
dinsen — M. — Pf. Kleesamen — M. — Pf., Kartoffeln 
per Ztr 1M. 50 Pf., soornbrod 6 Pfd. 68 Pf. Weiß— 
brod 2 Pfd. 45 Pf. Gem. Brod 2 Pfo. 85 Pf., Butter 
ver Pfd. 1 M. — Pf., Eier ver Dußend 66 Pf. 
Ktaiserslautern, 16. Sept. (Fruchtmittelpreis und 
VDiktualienmarkt. Weizen 8 Mk. 838 Pf., Korn 7 M. 
32 Pf Spelztern — M. — Pf., Spelz 6 M. 19 pf., 
Zerste 7 M. 65 Pf., Hafer 6 M. 67 Pf., Erbsen 8 M. 
— Pf., Wicken O M. — Pf., Linsen 12 M. — Pf. Klee⸗ 
jamen — M. — vf., Schwarzbrod 6 Pfund 68 pf. 
3 Pfd. 34 Pf., Gemischtbrod 3 Vfund 39 Pf. Butter pro 
fd. 1 M. 08 Pf. Eier per Ded. 78 Pf. Kartoffeln per 
Zentner 2 M. 40 Pf., Stroh J. Qual. 2 M 20 Pf., 
II. Qual. 2 M. — pf., Deu pro Ctr. O M. — Ptef. 
seleeheu dO M. — Pf. 
Fur die Redaktion verantwortlich: F. X. Demeß.