Kriegsmarine und die daran geknüpften Be⸗
trachtungen der Presse sind nicht fruchtlos geblieben.
Heute veröffentlichen die meisten Blätter eine —R
schrift des ehemaligen Chefs der Admiralität, Mr.
W. H. Smith, worin die Nothwendigkeit betont
wird, den gegenwärtigen Zustand der englischen
Marine sobald als möglich zum Gegenstand einer
parlamentarischen Enquete zu machen.
London, 24. Sept. Eine Zuschrift der
„Times“ aus Shanghai hebt hervor, daß ein
französisch⸗russisches Bündniß gegenüber China eine
Theilung Chinas zwischen Rußland und Frankreich
bedeulen würde, wobei letzteres die drei südlichen
Provinzen erhielte und Rußland China als Rekru—
tirungsfeld benutzen würde. Zugleich wäre dadurch
ein Üebergewicht Frankreichs und Rußlands in
Europa herbeigeführt, welches nicht ohne Gefahr
für Deutschland bleiben könnte.
Petersburg, 258. Sept. Das „Journal
de St. Petersburg“ bestätigt, daß die russische
Regierung sich dem von den Mächten formulirten
Proteste bezüglich der Suspendirung der egyptischen
Staatsschuldentilgung angeschlossen hahe, und be⸗
mertt. die Regierung drückte dem Londoner Cabinet
ihr Bedauern aus, daß die Suspendirung ohne
vorherige Befragung der interessirten Mächte ange—⸗
ordnet worden sei.
Sokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 26. Sept. Um ein ge—
meinsames Verhalten der pfäl zischen Aerzte
gegenüber dem mit dem 1. Dezemger d, .
iu' Kraft tretenden Krankenkassen-Gesetze
herbeizuführen und im Hinblick darauf, daß
infolge dieses Gesetzes eine sehr große Anzahl von
Personen, welche bisher ihren Atzt honorirten, in
Zukunft als Kassen-Mitglieder behandelt werden
müssen, hat der „Verein Pfälzischer Aerzte“ in
seiner Generalversammlung vom 10. d. M. folgende
Beschlüsse gefaßt, die fortan für seine sämmtlichen
Mitglieder bindend sein sollen: 1) In erster Linie
erstrebt der Verein die Honorirung nach der ges—tz
lichen Minimaltaxe. 2) Ist eine derartige Verein—
barung nicht zu erzielen, so wird eine Kopftare zu
Grunde gelegt und zwar bei Behandlung am Platze
für jedes einzelne Kassenmitglied 3 Mk. und für
die ganze Familie 9 Mt. pro Jahr. Zur Familie
werden gerechnet, außer dem Manne die Frau und
die nicht selbstständigen Kinder. 8) Im Falle der
Bereinbarung nach Art. 2 wird für die Behandlung
von Mitgliedern, die über zwei Kilometer vom
Wohnorte des Arztes entfernt sind, eine besondere
Entschädigung für Gefährte und für Zeitaufwand
berechnet, deren Höhe der Vereinbarung überlassen
bleibi. 4) Bei Verträgen nach der Kopflaxe wird
ein einfaches Zeugniß uͤbet die Dauer der Arbeits—
— motiviren⸗
den Zeugnisse und gutachtlichen Aeußerungen sollen
nach der Taxe honorirt werden. 5) Kassen, welche
sich für die Honorirung der ärztlichen Behandlung
nicht verbürgen, ist die Ausstellung jedes Zeugnisses
zu verweigern. 6) Vorstehende Bestimmungen sind
maßgebend für alle in Zukunft abzuschließenden
Verlräge; bereits bestehende Verträge sind denselben
möglichst anzupassen. 7) In lokalen Verhältnissen
begründete Abweichungen von den vorstehenden Be⸗
stimmungen unterliegen der Genehmigung des Vereins⸗
Ausschusses auf Grund eines vom Schiedsgerichte
des betreffenden Bezirksvereins zu erhebenden Gut⸗
achtens.
*Vom 1. Januar 1885 ab sollen den Be—⸗
amten und Bediensteten der Pfälzischen Eisen⸗
bahnen die Freikarten für deren Angehörige (Frau
und Kinder) entzogen werden. Die längst geplante
Sistirung des ohnehin stark beschnittenen fracht
freien Transportes für einzelne Haushaltungsartikel,
wie Kohlen u. s. w. dürfte damit im engsten Zu⸗
sammenhange stehen.
e. Ensheim, 25. Sept. Heute früh gegen
8 Uhr kündigten über Eschringen aufsteigende
dicke Rauchwoiken einen daselbst ausgebrochenen
Brand an. Ohne eine Benachrichtigung abzu—
warten machte sich die Feuerwehr Ensheim marsch
bereit und eilte zur vermutheten Brandstätte. Bei
ihrer Ankunft in Eschringen fand sie das Gebäude
des Hüttenarbeiters Roth daselbst vollständig in
Flammen stehend und die Feuerwehr der dortigen
Gemeinde damit beschäftigt, das Feuer von dem
angrenzenden Hause fernzuhalten. Nach kaum einer
Stunde hatten die beiden Feuerwehren, welche nun
dereint ans Löschen und Retten gingen, ihre Ar⸗
deit bewältiat. Die Ursache des Brandes ist his
jetzt noch unbekannt; wahrscheinlich ist dieselbe auf
die schon so oft getadelte Gewohnheit der Eltern
zurückzuführen, kleine Kinder ohne alle Aufficht
allein im Hause zu lassen; denn Roth war auf
Arbcit in Vrebach und dessen Frau mit dem ältesten
dinde auf dem Kartoffelfelde beschäftigt, während
die drei kleinsten Kinder zuhause bleiben mußten.
der Brand wurde leider erst bemerkt, als die
Flammen schon zum Dach herausschlugen. Außer
den Möbeln konnte deshalb nichts mehr gerettet
werden. Die Leute haben nichts versichert.
— Kusel, 24. Sept. Nachdem Herr Benzino
„on Kusel von seiner Kandidatur für den Reichs—
agswahlbezirk Homburg⸗Kusel zurückgetreten ist,
hat sich Hr. Dr. A. Buhl bereit erklärt, für seinen
hisherigen Wahlkreis den er nun schon seit 18
FJahren im Reichstage vertreten hat, wieder ein
Mandat anzunehmen, ein Entschluß, der gewiß nicht
illein in seinem bisherigen Wahlkreise, sondern auch
m ganzen liberalen Parteilager mit großer Genua⸗
huung begrüßt wird.
— Wolfstein, 24. Sept. Heute Abend
jat sich der Tagner Heinrich Schnell dahier in einem
Zimmer des Nebengebäudes seiner Wohnung erhängt.
Derselbe, Vater von acht fast sämmtlich unmündigen
dindern, war ein sehr excessiver und arbeitsscheuer
Mensch, der schon oft wegen Unfug und erst kürzlich
vegen Sachbeschädigung und Mißhandlung seiner
chefrau zu mehrwöchenllicher Haft- und Gefängniß⸗
trafe verurtheilt wurde. Neuerliche Untersuchung
vegen Ruhestörung, heute verübte Mißhandlung
seiner Ehefrau und Zerstörung seiner Hausmobilien,
daher Furcht vor ernsterer Strafe scheinen Anlaß
um Selbstmorde gewesen zu sein.
— Dem Bergwerksbesitzer Johannes Degen in
defersweiler wurde unter dem Grubennamen
Fakobsgrube das Bergwerkseigenthum in dem bei
Defersweiler in den Gemeinden Hefersweiler und
Relsberg (Bezirksamts Kusel) gelegenen Felde von
310,000 Quadratmeter Flächenhalt zur Gewinnung
aller in diesem Grubenfelde vorkommenden Stein⸗
kohlen verliehen.
*— In Albisheim a—.d. Pfr. stürzte eine
Frau, die daselbst bei Verwandten auf Besuch war,
so unglücklich von der Hausstiege herab, daß sie
am nächsten Tage starb.
— Landau, 22. Sept. Wie der „Landauer
Anzeiger“ erfährt, wird Herr Dr. Finkler in
Bodramstein im Vereine mit hiesigen Herren dem—
nächst nach erlangter Konzession am dortigen Bahn⸗
jofe eine chemische Fabrik errichten, worin das auf
einen Besitzungen in Unter⸗Elsaß zu Tage geför⸗
derte, bisher wenig zur Verwendung gekommene
Mineralöl zu verschiedenen technischen und medi—
inischen Zwecken verwendbar gemacht wird. Die
sierüber in jüngster Zeit vielfach angestellten Ver⸗
uche haben bereits glänzende Resultate ergeben.
*— Fräulein Frank aus Landau, seit meh—
eren Jahren daselbst als Lehrerin an dem Insti—
ute der Frl. Becht thätig, wurde von der Regie—
ung zu Moutebideo (Südamerika) gewonnen, im
Iuftrage derselben in Montevideo ein Lehrerinnen⸗
eminar zu gründen und die Oberleitung zu über⸗
iehmen. Die pekuniären Bedingungen, unter denen
Frl. Frank engagirt ist, sind glänzend. Dieselbe
vird schon nächstens in Begleitung von Frl. Mäller
mus Landau, die sie als weitere Lehrkraft für die
ju gründende Anstalt gewonnen hat, ihre überseeische
Reise antreten.
— Bergzabern, 23. Sept. Zu fast un—
laublich billigen Preisen sind in letzter Zeit die
Milch⸗ und Triebschweine heruntergesunken. So
ind in Weißenburg dieselben vorige Woche um
3.20 Mk. das Paar verkauft worden. In Billig⸗
Jeim wurden gestern für das Paar, sehr schöne
Fremplare, 5—6 Mk. geboten. Für die Liebhaber
yon gebratenem Spanferkel herrliche Aussichten!
— Vom Lande, 21. Sept. wird dem „L.
A.“ geschrieben: „Vor dreißig Jahren war es
anders“, hörte ich die Stimme eines bekannten,
erfahrenen Bauers vom Nebentische ertönen. Ich
'pitzte die Ohren; derselbe fuhr fort: Damals
raufte der Bäcker im Dorf seinen Weizen und sein
Zorn, fuhr in die nächstgelegene Mühle, ließ sich
sein Weiß⸗ und Schwarzmehl fabriziren und seine
Waare fand Absatz. Es kam aber anders. Kunst ⸗
müblen fabrizirten Blumen⸗, OO⸗, Kaiser⸗ und weiß
Bott was für Mehl aus ausländischen Früchten.
Wie verführerisch schön war das Gebäck aus diesem
Stoff? Wenigstens für Kirchweihkuchen mußte An⸗
'angs der Bäcker, der meist auch Mehlverkäufer ist,
'olches Wundermehl ins Haus schaffen; es kam
weiter; wenn seine Wece nicht schneeweißez Meht
hatten, ließ man sie liegen; das kräftige Kornbrod
derschmähte man und verlangte Brod aus weißerem
Stoff, wenn es auch am zweiten Tage aus Rau—
zeit den Gaumen verletzte, es mußte her und der Bacer
vurde auf diese Weise den großen Kunstmühlen 6
die Arme getrieben. —Wie steht es nun heute
Der Bäcker kauft Kunstmehl, der Kunstmüller aus.
andische Frucht. Der Landmüller hat nur hald
zu thun und der Bauer —- ißt Kaiserkuchen um
dunstwecke und behält die Frucht im Speicher
Wo fehlts nun?!!
Pfälzisches Schwurgericht.
III. Quartal 1884.
Zweibrücken, 22. Sept, Vorm. 8 Uhr: Verhand—
ung gegen Abraham Schwerdtfeger. 140, J. a. Aderer
»on Gleishorbach. Anklagesache: Vorsätzliche Brand.
tiftung. Vertreter der k. Staatsanwaltjchaft: Hr. III.
——— Wagner; Vertheidiger: Hr. Rechtspruktikoni
iessen.
Der Anklage liegt folgender Thatbestand zu Grunde:
Im Dezember 1883 hatte der Vater des Angeklagten seine
Liegenschaften mit Ausnahme der Wohnhäuser unter seim
J Kinder vertheilt, die alle theils verheirathet, resp. der
vittwet, theils nach Amerika ausgewandert waren, mit Aus—
aahme des heutigen Angeklagten, der im Hause seiner Eltern
ebte. Derselbe fühlte sich stets zurückgesetzt und benach—
heiligt, und war dies auch der Grund der öfteren Streitig-
eiten üm elterlichen Hanse. Er ergab sich dem Trunke
wurde barsch und mißtrauisch gegen seine Eltern, —B
und rachsüchtig gegen seinen Bruder.
Am Sonntag, den 13. Julislfd. Is. zog nun der
Angeklagte den Tag über auf verschiedenen Ortschaften in
der Nähe von Gleishorbach herum und setzte dem Wein
und Bier stark zu. Hiebei sprach er mit einigen Zeugen
über die Verhältnifse zu Hause, beklagte sich über die ihm
zu Theil werdende Behandlung und äußerte dem Zeugen
Bühl gegenüber: „wenn sein Bruder Frucht in die Scheuer
setze, stecke er dieselbe an.“ Gegen 5 Uhr kam der Änge—⸗
laͤgte nach Hause und gerieth mit seinem Bruder, der ihm
den Kellerschlüssel nicht geben wollte, in Streit, wobei er
von seinem Bruder mittelst eines Stockes mißhandelt wor⸗
den sein will. Er verließ die Wohnung, ging nach Gleis⸗
jellen und von da nach Klingenmünster. wo er um 9 Ubr
in angetrunkenem Zustande gesehen wurde.
Nach ein Uhr kam der Angeklagte wieder nach Gleis⸗
zjorbach, ging vom freien Felde aus hinter dem Anwesen
eines Vaters her in dessen Scheuer, nahm ein Streichholz,
das er bei sich hatte, und steckte aus Zorn über seinen
Bruder das auf dem Boden liegende Streuwerk an, worau
sie ganze Scheuer alsbald im Feuer stand und bis auf die
Umfassungsmauern niederbrannte. Dieselbe Scheuer war
mm Jahre 1878 durch seinen Bruder Georg angezündet und
zieser deshalb auch beftraft worden. Der heutige Ange—
lagte wurde nun Tags darauf festgenommen und gestand
uch die That, wie angegeben, zu. Der Angeklagte macht
inen äußerst stupiden Eindruck. Er hört nicht gut, begreif
iie an ihn gerichteten Fragen nicht und scheint überhaupt die
anze Anklage auf ihn gar kleinen Eindruck zu machen. Der
iber dessen Geisteszustand vernommene Sachverständige, Herr
Dr. Keller von Landau, gibt an, er habe, als er den Ange⸗
lagten zum ersten Male gesehen, sofort den Eindruck gehabt,
einen geistesschwachen Menschen vor sich zu haben. Allein
nach laͤngeren Beobachtungen sei er zu dem Schlusse ge⸗
kommen, daß derselbe, wenn auch nicht geistig vollständig
normal, doch keineswegs geistesgestört sei, und mülsse er da⸗
her auf Hruad dieser seiner Beobachtungen den Angeklagten
sur zurechnungsfähig erklären. Tie Geschworenen bejahten
die Schuldfrage und die Frage nach mildernden Umstanden,
worauf der Angeklagte zu einer dreijahrigen Gefängnißstrah⸗
derurtheilt wurde.
Zweibrücken, 23. Sept. Friedrich Wörnlein
19 JP a., Steuer⸗Einnehmer in Weilerbach, wurde wegen
Verbrechens im Amte zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jabre—
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurtheili.
Zweibrücken, 23. Sept., Nachmittagß 3 Uhr. Ver
‚andlung gegen Philipp Peter Groß IIN, 60 J. au
Ackerer von Böhl, wegen Meineids. Vertreter der 2
Sltaalsbehoörde: Herr 2Sigatsanwalt Schneider; Ker—
cheidiger: Herr Rechtsanwalt Gebhart.
Dem Angeklagien liegt zur Last, in der Strafkammer-
itung des kgl. Landgerichts Frankenthal vom 1. Juli d
J., zu welcher er mit seinem Sohne als Entlastungszeuge
don dem wegen Jagdfrevels damals angeklagten Acerer
Freundlich von Boͤhl geladen war, den vor seiner Verneh⸗
mung geleifteten Eid dadurch verleht zu haben, daß er, ob⸗
wvohl er von Freundlich wußte, daß dieser mit dem Sohnt
des Angeklagten zusemmen fraglichen Jagdfrevel begangen
habe, diese wesenliche Thatsache verschwieg, und im Ganzen
ur Sache selbst nur unwesentliche Angaben machte. Am
Tage nach der Verhandlung kamen nun zuerst der Sohn
detz heatigen Angeklagten und kurze Zeit darauf Leyteru
cost auf die Gerichisschreiberei des izl. Landgerichts un
Frankenthal und widerriefen resp. ergänzten Beide ihre an
vorigen Tage in der Strafkammersißung gemachten An⸗
jaben. Der Angeklagte gibdt auch heute zu, in ge nanntet
Sihung, obwohl ingehend belehrt, verschwiegen zu haben.
daß er von Freundlich selbst über den von diesem begangenen
Jagdfrevel Kenniniß erhalten hatte; er will aber so ver⸗
gessen sein, daß er in der Verhandlung selbst daran gat
iht mehr gebacht habe, und feier steis davon ausgegangen.
einen eigenen Sohn, der nach seiner Ansicht Mitthätet war
nicht belasten zu wollen. Die Geschworenen sprachen den
Angeklagten des Meineides fur schuldig, nahmen abe w
Jaß derselbe durch die wahrheitsgemähen Angaben seiue
igenen Sohn hätie belasten müssen, sowie ferner, daß