Full text: St. Ingberter Anzeiger

aachtztuig widerrufen habe, worauf der Gerichtshof den⸗ 
selden au einer Gefängnißstrafe in die Dauer von 153 Mo— 
ien verurtheile. 
Zzweibrücken, 24. Sept. Vormittags 8 Uhr. Ver— 
andlung gegen Heinrich Stein 1, 74 J. a., Müller von 
Hberhausen a / N. wegen Versuchs der Körperver— 
hung. — Staatsanwalt: Petri; Vertheidiger: Rechts⸗ 
rraktikant Loewenberg. 
Der Angeklagte wurde wegen eines Verbrechens des 
gersuchs zum in 8 229 St⸗G.⸗B. vorgesehenen Verbrechen 
Ddadurch verübt, daß er am 15. Juli l. Is. zu Ober⸗ 
hausen a / N. den Bergmann Unvericht durch Beibringung 
on Gift — Phosphor — an der Gesundheit zu beschädigen 
heabsicht gte — in heutiger Schwurgerichtssißung für schuldig 
befunden, und zu einer 8monatl. Zuchthausstrafe, umge⸗ 
vandelt in eine 1jährige Gefängnißstrafe verurtheilt. 
Zweibrücken, 24. Sept. Nachm. 8 Uhr: Verhand⸗ 
lung gegen Kaspar Schäfer, 20 I. a., Dienstknecht von 
Finftenbach, wegen Meineids. — Staatsanwal:: Wagner; 
dertheidiger: Rechtspraktikant Escales. Urtheil: 1 Jahr 
Zzuchthaus und 83 Jahre Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. 
Vermischtes. 
Zum warnenden Beisriel für Aus wande; 
cungshustige bringen wir einige Auszüge aus 
dem Briefe eines jungen Manues in Newyork, der 
vie wir der „N.⸗Bl.Ztg.“ entnehmen — vor seiner 
Auswanderung Schreiber war: „Ich muß hier 
als armer Arbeiter täglich in einer Schmiede, die 
weiß Gott wie viel Grad Hitze hat, mein Leben 
ftisten und arbeiten, daß mir der Schweiß alle 
meine Kleider durchnäßt. Hätte ich die Verhält— 
nisse, wie sie hier in Amerika herrschen, früher ge— 
wußt, ich wäre nicht für alles hierher gefahren. 
Doch jetzt wieder zurückkehren, will ich nicht und 
wenn es mir noch so schlecht geht. Alle Arbeiten, 
mögen sie Namen haben, wie sie wollen, sind in 
den lezten 3—4 Jahren im Preise so herunterge⸗ 
tommen, daß ein Arbeiter, der Frau und etliche 
dinder hat, mit noch so großer Sparsamkeit kaum 
seinen Hunger stillen kaun, und dabei soll er noch 
die schwersten Arbeiten verrichten. Hier heißt es nicht, 
wenn du nicht mehr kannst, so mußt du dich ausruhen! 
sondern: „Hund, arbeite oder scher dich zum Teufeh!“ 
Sieh, das sind die hiesigen Verhältnisse, nach wel⸗ 
chen bloß ein Mensch behandelt wird, schlimmer 
wie ein Thier. Doch nicht allein Arbeiter müssen 
sich mit saurer Mühe durchschlagen, sondern auch 
die Arbeitgeber, was aus dem Umstande hervorgeht, 
daß jede Woche durchschnittlich 600 bis 700 Banke⸗ 
rotte in den Vereinigten Staaten vorkommen.“ 
F Dudweiler, 25. Sept. Heute roth, 
morgen todt. Ein Reservist, Namens R. aus dem 
Kreise Ottweiler gebürtig, kam gestern Nachmittag 
hier durch, um Anverwandte zu besuchen. Abends 
gegen 7 Uhr begab sich derselbe in die in der Nähe 
des Marktes belegene Leven'sche Wirthschaft. Als 
R. nach einiger Zeit sich auf den Hofraum begeben 
wollte, kam er auf dem Hausflur einer offenen zum 
deller füßgrenden Fallthür zu nahe, er stürzte hinab 
und brach das Genick. Der Tod des Bedauerns⸗ 
werthen trat augenblicklich ein. 
fDillingen, 20. Sept. Gestern Abend 
wischen 5 und 6 Uhr herrschte hier ein großartiger 
Tumult auf den Straßen, der viel von sich reden 
macht. Ein Gerichtsvollzieher sollte das Getreide 
ines durchfahrenden Müllers pfänden, der jedoch 
die anwesenden Leute, meistens Fabrikarbeiter, auf⸗ 
sorderte, ihm beizustehen und nicht zuzugeben, daß 
ihm seine Ladung mit Beschlag belegt werde. Die 
deute folgten der Aufforderung des Müllers und 
dürmten auf den Beamten und dessen Bedienstete 
ein, so daß schließlich auch die Polizei einschreiten 
außte. Aber alles half nichts, denn die lärmende 
—XX inzwischen an 400 — 500 Personen an⸗ 
ewachsen. Die Haupistraße war vollständig un 
nassirhar. Die ganze Szene glich einem bedenk · 
chen Aufstand, Mesfer wurden sichtbar und Steine 
logen in solcher Menge, daß an den in der Nähe 
vsindlichen Wohnungen die Läden geschlossen werden 
utten, damit den Bewohnern nicht die Fenster 
rtrümmert würden. Der Polizeidiener wurde zu 
Wden geworfen; mehrere Leute wurden verwundet. 
Dere der Skandal bei schon eingetretener Dunkel⸗ 
rit entstanden, so hätte er noch ganz andere Folgen 
rhabt. Die Untersuchung ist eingeleitet, auch fan⸗ 
yn bereits einige Verhaftungen siatt. 
Saarlouis, 24. Sept. Wie ein Lauf⸗ 
* verbreitete sich gestern Abend in hiesiger Stadt 
e Nachricht von einem bei der Rodener Schanze 
igedabten mörderischen Ueberfalle. Drei Männer 
n hier: der Wirth Salm, der Schuhmachergeselle 
ranné und der Kommis Bickelmann, letzteret von 
der Bahn über die Provinzialstraße kommend, 
trafen an der Schanze zusammen und gingen ge— 
neinsam weiter. Plötzlich wurden sie von zwei 
Personen, einem Soldaten und einem Civilisten, 
nit Messer und Säbel angefallen. Cannsé, klein 
und schwächlich, konnte sich nicht viel zur Wehre 
setzen und wurde scheußlich zugerichtet; die beiden 
andern hingegen schlugen mit Schirm und Stock 
nach Möglichkeit zu, waren jedoch bei der dichten 
Finsterniß sehr unsicher. Herr Salm hat zwei, 
edoch unschädliche Stiche in den Rücken und einen 
erheblichen ins Gesicht erhalten. Bickelmann war 
so zerstochen, daß Herr Dr. Leimkühler 2 Stunden 
an seinem Kopfe zunähte. Cannsé liegt lebensge⸗ 
ährlich darnieder; Herr Dr. Tillessen arbeitete eben⸗ 
falls mehrere Stunden an ihm. Die Mordgesellen 
ind, (wie die Saar⸗Zeitung meldet) erkannt; es 
war ein gewisser Federspiel aus Roden, der eben 
erst als untauglich vom Militär entlassen worden 
st, und ein Soldat der 11. Kompagnie, angeblich 
Berhard heißend. Letzterer wurde heute Morgen 
dem Militärlazareth überwiesen. 
F Frankfurt a. M. Die kürzlich verstorbene 
Frau L. hat bekanntlich ihrem Stiefenkel 400,000 
Vdk,, ihrem Gärtner 6000 und ihrer Köchin 12,000 
Mark vermacht. Naun erfährt man noch, daß sie 
auch ihren Hausarzt mit 18,000 Mk. erfreut, ihren 
in Dürftigkeit lebenden Geschwistern aber nichts 
dermacht habe. 
F (Eine Familienszene.) Aus Alten⸗ 
»urg wird berichtet: In voriger Woche erwartete 
unuf hiesigem Bahnhofe ein Ehepaar aus einem 
Dorfe in der Nähe unserer Stadt den seit sieben 
zJahren von der Heimath abwesenden Sohn, der 
nmdieser Zeit in Amerika gelebt hatte. Er kam 
und die Freude des Wiedersehens war groß. Munter 
wurde des Sohnes Koffer auf das mitgebrachte 
Wäglein geladen, das Vater und Mutter fröhlich 
durch die Stadt zogen. Der Sohn, der, nach dem 
Aeußeren zu urtheilen, ein feiner Herr war, ging 
gemessenen Schrittes an der Seite. Im ersten 
Dorfe, das man durchzog, wurde gerastet, denn 
nan hatte immer noch geraume Zeit zu wandern, 
he man die Spitze des heimathlichen Kirchthurmes 
ehen konnte. Das glückliche Trifolium that sich 
'm Wirthshans bei Speise und Trank gütlich und 
»er Sohn sorgte für gute Unterhaltung. Plötzlich 
entstand zwischen dem alten Vater und Sohn eine 
Meinungsverschiedenheit; die Worte flogen hin und 
sjer und wurden immer giftiger, bis der Sohn, der 
ich wahrscheinlich als Amerikaner fühlte, vom bösen 
Wort zur bösen That griff und einen Schlag nach 
einem Vater führte, der eine Prügelei zur Folge 
satte. Die weinend zwischen die Kämpfenden 
retende Mutter wurde selber mit hinein verwickelt. 
der Vater machte endlich der Rauferei dadurch ein 
ende, daß er den Koffer seines Sohnes vom Wäg⸗ 
ein herab auf die Straße warf und mit Wäglein 
ind Mütterlein, aber ohne Koffer und Sohn, der 
)eimath zueilte. Der Sohn nahm seinen Koffer, 
ehrte wieder um, löste sich in Altenburg ein Fahr⸗ 
zillet und fuhr wieder von dannen, ohne die Hei— 
nath gesehen zu haben. 
F (Ein merkwürdiger Ringwechsel.) 
leber einen merkwürdigen Ringwechsel berichtet das 
„Sonneberger Tageblatt“. Ein junger Mann, der 
sich kürzlich verlobt hatte, nahm seiner Braut den 
Verlobungsring ab und sieckte ihn an den Gold⸗ 
inger der Mutter der Braut, seiner seitherigen 
Schwiegermutter. 
F GBestrafung eines Kurpfuschers.) 
Tine verdiente Strafe wegen fahrlässiger Tödtung 
durch Kurpfuscherei wurde dieser Tage Über einen 
sog. „Ziehmann“ aus Rothenburg a. O. verhängt. 
Derselbe hatte im März v. J. eine Frauensperson 
uus Schwarmiß bei Grünberg in Schlesien, welche 
jeftige Schmerzen in der Hüfte fühlte, in „Be—⸗ 
sandlung“ genommen, die Person wiederholt be— 
ucht und mit ihr verschiedentlich, die Art der 
drankheit vollkommen verkennend, böchst schmerz⸗ 
jafte „Zieh“ Manipulationen vorgenommen. Das 
eine Mal hatte er dabei so heftig an dem leidenden 
Beine gerissen, daß die Kranke zu ihrer Mutter 
agte: „Das ist mein Tod!“ In der That starb 
die Patientin im September v. Is. Nachträglich 
st gegen den Herrn ,Ziehdoktor“ die oben hezeich⸗ 
nete Anklage erhoben worden, und bei der Ver— 
sandlung über den Fall vor der Strafkammer des 
dandgerichts zu Glogau wurde der Angeklagte, der 
ereits einmal wegen ähnlichen Vergehens mit Geld⸗ 
strafe belegt worden war, zu 9 Monaten Gefängniß 
zerurtheilt. Daß er die betreffende Krankheit ganz 
alsch behandelt hatte, war durch ein ärztliches 
Sachverständigen-Gutachten ausdrücklich festgestellt 
vorden. 8* 
F Ein eigenthümliches Mißgeschick traf in voriger 
Woche bei der Rückkehr der Truppen das in Bres⸗ 
(au garnisonirende 1. Bataillon des Inf. Reg. Nr. 
51; demselben war nämlich der Fahnenträger mit 
der Fahne abhanden gekommen. Während drei 
Tompagnien sofort nach dem Ausladen in ihre 
Casernen abrückten, stand die Fahnenkompagnie auf 
dem Berliner Platz und harrte auf ihren Fahnen⸗ 
träger mit der Fahne, aber vergeblich; denn alle 
nach demselben abgesendeten Ordonnanzen kamen 
nit der Meldung zurück, daß weder dieser noch die 
Fahne zu finden sei. Es blieb schließlich nichts 
Anderes übrig, als nach etwa halbstündigem Warien 
ohne Fahne abzurücken. Die sofort angestellten 
Recherchen und telegraphischen Rückfragen ergaben 
nun, daß der Fahnenträger schon in Schweidnitz 
in den für das Jäger-Bataillon Nr. 6 bestimmten 
Zugtheil eingestiegen und mit diesem sofort nach 
Ankunft in Breslau nach Schmiedefeld und Moch— 
bern weiterbefördert war. Erst in Mochbern gelang 
es dem unglücklichen Fahnenbehüter, den Zug ver— 
assen und mit seiner Obhut anvertrauten Fahne 
schteunigst nach Breslau und zu seinem Bataillon 
zurückzukehren. Der Fahnenträger hat sich, wie die 
„N. Pr. Ztg.“ mittheilt, später das Leben genommen. 
F Die Briefmarkenkunde (Philatelie) hat in 
»en letzten 10 Jahren selbst in den gelehrtesten 
dreisen eine auffallende Ausdehnung genommen. 
Ta. 30 Vereine in Deutschland allein, unterstützt 
von etwa einem Dutzend Fachblätter in deutscher 
Sprache machen mit Erfolg Propaganda für die 
junge Wissenschaft. Unter den Vereinen ist weitaus 
der größte der „Internationale Philatelisten-Verein 
in Dresden“, welcher nahe an 600 Mitglieder 
ählt. Gleichfalls sehr bedeutend ist der „Bayerische 
Philatelistenderein in München“, welcher zwar erst 
eit Jahresfrist besteht, aber die stattliche Zahl von 
über 100 Mitgliedern schon aufweist. Welchen 
Sammelwerth gewisse Stücke haben, geht daraus 
servor, daß in den letzten Jahren einzeine Rari— 
äten bis zum Betrage von 1500 Mk. an Sammler 
derkauft wurden, so z. B. das Mauritius-Kouvert, 
Shilling, das blaue hannoversche Stadtpostkouvert 
ind noch einige andere Stücke. Große Samm— 
ungen, wie die von Herrman in Berlin, die über 
25,000 Erxemplaren zaäͤhlt, haben natürlich einen 
W.rth, der den hunderttausend entgegengeht, ja 
ieselben übersteigt. Daß unter solchen Umständen 
ind bei der großen Sammlerzahl, die nach Tausen⸗ 
)en zählt, Postwerthzeichen . Ausstellungen geradezu 
jeboten sind, ist selbstredend, um so mehr, als auch 
»as der Sache fernstehende Publikum Gelegenheit 
ekommt, sich zu überzeugen, daß das Briefmarken— 
ammeln nicht mehr ein Vergnügen ist für unreife 
Schullinder, sondern eine rechte wissenschaftliche 
Beschäftigung. die sich z. B. der Namismatik würdig 
anreiht und selbst von hoch zelehrten Männern mil 
jroßem Eifer kultivirt wird. 
Marktberichte. 
e. Ensheim, 25. Sept. (Viktualienm arkt. 
Butter 1,20 -0,00 M. per Us Kilo, Eier 903 
der Dutzend, Kartoffeln 2,830 -8,00 M. per 50 
—X— 
Zweibrücken, 25. Sept. (Fruchtmittelpreis und Vit— 
tualienmarkt.) Weizen 8 M. 50 pf. Korn 7 M. 50 Pf., 
Spelz O M. — Pf., Spelzkern — M. — Vf., Dinkel 
7 . — Pf. Mischfrucht O M. — Pf. Hafer 6 M. 
35 Pf., Erbsen O M. — Pf. Wicken — M. — Pf., 
heu 3 M. — Pf., Stroh J. Qual. 2 M. 20 Pf. II. Qual. 
1M. 70 Pf. Kartoffeln 1M. 80 Pf., Weißbrod 1/3 Kiilo 
50 Pf., Kornbrod 3 Kilo 60 Pf, Gemischtbrod 3 Kil⸗s 
15 Pf., paar Weck 90 Gr. 6 Pf., Rindfleisch J. Qual. 
30 Pf., I. Qual. 56 Pf., Kalbfleisch 50 Pf., Hammel⸗ 
leisch 60 Pf., Schweinefleisch 50 Pf., Wein Juiter 80 Pf. 
hier J Liter 24 Pf., Butter !/ Kilogr. 1 M.220 Pf. 
Homburg, 24. Sept. (Fruchtmittelpreis d Viktua⸗ 
ienmarlt., Weizen 8 M. 46 Pf., Korn 7 M. Pf., 
„pelztern —¶M. — Pf.. Speio M. — pf., Gerste 
reihige O M. — pPf. Geeste Areihige 0 M. — Pf. 
dafer 6 M. 41 Pf., Mischfrucht O M. . Pf., Erbsen 
— M. —, Pf, Widen — M. — pf. Bohnen 0 M. 
* Pf . Kleesamen — M. — Pf. Kornbrot6 Pfund 
O Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf., Ochsenfleis pf. 
tindfleisch 60 Pf. Kalbfleisch 50 Pf. Hammelneish 60 Pf. 
Schweinesleisch 46 Pf., Butter i Pfund 1 M. os pjf. 
dartoffeln per Zentner 1M. 80 pf. 
Landstuhl, 22. Sept. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmarkt)) Weizen 0O M. — Pfl, Korn o M. Pf., 
Spelzo M. — Pf. Hafer 6 Maa4s Pf., Gerste O M. 
7 Pf, Wicken — M. — pf., Erben M Vf., 
dinsen — M. — Pf. Kleesamen M Pf., Kartoffeln 
»er Ztr 1M. 53 Pf., Kornbrod 6 Pfo. 63 Pf. Weiß⸗ 
brod2 Pfd. 45 Pf. Gem. Brod 2 Pfo. 35 Pf., Butter 
ver Pfd. 1 M. — Bf. Eier ver Dutzend 72 Pf. 
‚α: er Dusend 22 p3J. 
Fur die Redaktion verarwortlich: F. X. Demesß