Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amktliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Jugberter Auzeiger“ erscheint wichentlich füunfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, amstag und 2284g3; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltungẽ 
Clatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 14 60 f einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 H, einschließlich 
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M I188. Sonntag, 28. September 1884. 19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 24. Sept. Der Kaiser hat auf der 
harade des 8. Armeekorps dem Prinzen Leopold 
jon Bayern das 7. Dragoner ⸗Regiment (Garnison 
Saarbrücken) verliehen. 
Berlin, 24. Sept. Die Einberufung des 
zeuen Reichstags soll um Mitte November erfolgen; 
doch dürfte diese Session nur eine kurze sein und 
sich vorzugsweise mit dem Etat beschäftigen. 
Ausland. 
London, 26. Sept. In der gestrigen Ver⸗ 
ummlung der Delegirten der Zuckerindustrie be⸗ 
richteten die aus Deutschland zurückgekehrten Dele⸗ 
zirten betreffs der Aussichten hinsichtlich der Ab— 
haffung des Prämiensystems, die deutsche Regierung 
jzönne in dieser Beziehung keinen bestimmten Rath 
ertheilen, aber die Liberalen würden bei den Wahlen 
ihte Differenzen vergessen, um das das Land rui— 
nirende Prämiensystem zu beseitigen. Im Falle 
daß Prämiensystem beibehalten würde, müßte Eng⸗ 
and Retorsionszölle einführen, welche für die deutsche 
Zzuderindustrie schäͤdigend wären. 
Eolrcle und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 28. Sept. Die Gemeinde⸗ 
Wahlen für die Wahlperiode 1884 80 haben im 
Rovember und Dezember stattzufinden und müssen 
zis 15. Dezember beendigt sein. Die Bürgermeister⸗ 
Uemter wurden von der kgl. Regierung beauftragt, 
m Laufe des Oktober die Listen der Wahlstimm⸗ 
derechtigten herzustellen. Diese Listen sind nach vor⸗ 
zangiger Bekanntmachung während 10 Tagen im 
demeindehause oder in einem anderen hiezu geeig⸗ 
zeten Lokale zur Einsicht der Gemeindebürger auf⸗ 
sulegen. Bis spätestens 31. Oltober müssen in 
aillen Gemeinden die Wählerlisten festgestellt und 
nerichtigt sein. 
*Die nationalliberale Partei wird 
nesmal keinen Wahlaufruf erlassen. Es ist dies 
ezt auch nicht erforderlich, denn den National⸗ 
iberalen wird, wie die,, Nationalliberale Korrespon⸗ 
)enz“ mit Recht bemerkt, Niemand vorwerfen loͤnnen, 
zaß sie über ihr politischet Programm, über ihre 
Stellungnahme zu den ze itbewegenden Fragen einen 
Schleier gezogen hätten; vielmehr hat keine andere 
Partei es klarer und bestimmter ausgesprochen, wie 
ie sich zu den Aufgaben der nächsten Zukunft zu 
jellen gedenkt. 
St. Ingbert, 27. Sept. Wir hatten 
estern Abend Gelegenheit, uns von der Leistungs⸗ 
thigkeit der sich zur Zeit hier aufhaltenden Künstler 
„Deutscher Oper“ zu überzeugen. Mit Fug und 
Kecht können wir sagen: unsere Erwartungen sind 
nicht nur auf das Glänzendste erfüllt, sondern sogar 
Wbertroffen worden. Wir haben in Fräulein Don⸗ 
ner, welche, wie wir hören, zuletzt bei der Deut⸗ 
chen Oper in Amsterdam — und auch vordem nur 
m größeren und guten Opernbühnen — engagirt 
Jewesen ist, eine Sangerin kennen gelernt, welche 
ber eine umfangreiche, krafwolle, zum Herzen 
prechende Stimme zu gebieten hat. In den zar⸗ 
esten Tonen süßer Liebe, in den klagenden Lauten 
ines geängstigten Herzens, dann wieder wild und auf⸗ 
rausend, voll Feuer und Leidenschaft, kamen die Töne 
leich glänzend schonen Perlen über ihre Lippen. — 
luch Herr Pägelow von der deutschen Oper in 
msterdam gebietet über klangvolle, umfangreiche 
Nittel und hat eine gute Schule hinter sich; seine 
Ztiinme ist sehr sympathisch und können wir be' 
uin guur wiederholen, was wir schon über Fräul. 
Donner ausgesprochen. — Leider haben wir, des 
jo mäßigen Besuches halber, nur 83 Nummern des 
hdiel versprechenden reichhaltigen Programms ver⸗ 
nommen. Die Künstler aber haben uns bewiesen, 
daß bei ihnen das Sprichwort: „Viel Geschrei und 
wenig Wolle“ — nicht zutrifft; daß sie im Gegen⸗ 
cheile mehr zu leisten vermögen, als sie versprechen. 
Wir können darum unseren geehrten Mitbürgern 
das morgen (Sonntag) stattfindende Konzert nur 
uuf's Beste empfehlen, und sind überzeugt, daß 
Niemand den Konzertsaal unbefriedigt verläßt. Den 
zünstlern aber wünschen wir, daß sie ein recht 
volles Haus erzielen mögen. 
Z2Zz. Der Zeichenunterricht in den 
pfälzischen Volksschulen. Durch hohe 
Regierungs-Entschliefung vom 31. Mai 1884 ist 
der Zeichenunterricht insofern zu einer neuen Ent⸗ 
wickelungsstufe erhoben, als derselbe nach den Be⸗ 
stimmungen ein obligatorischer Unterrichtszweig auch 
für die pfälzischen Volksschulen geworden ist. Daß 
der Zeichenunterricht wegen seiner allgemeinerzieh— 
lichen Bedeutung sowie wegen seiner Nothwendig⸗ 
keit für die meisten gewerblichen Arbeiten eine 
poͤllige berechtigte Stellung unter den Lehrgegen⸗ 
jänden der Volksschule einnimmt, wird heutzutage 
allgemein auerkannt. Wer jedoch eine größere An⸗ 
zahl von Volksschulen in ihren Leistungen genau 
lennen gelernt hat, muß zugestehen, daß in keinem 
andern Unterrichtsgegenstande die Erfolge so weit 
hinter den berechtigten Anforderungen zurückblieben, 
als im Zeichnen. Die Ursache zu dieser beklagens⸗ 
werthen Erscheinung liegt unverkennbar darin, daß 
viele selbst der intelligentesten und tüchtigsten Lehrer 
über die Aufgabe und über die Methode eines 
wirklich fruchtbringenden Zeichenunterrichtes gar sehr 
im Unklaren sind, und daß der Zeichenunterricht in 
der Volksschule mit einer außerordentlichen Menge 
von Hindernissen und Schwierigkeiten zu kämpfen 
hat. Unter solchen Umständen muß mit dankbarer 
Freude das Erscheinen eines Werkes begrüßt werden, 
das nach dem Lehrplane der neuen 
Schul-und Lehrordnung für den Zeichen⸗ 
unterricht bearbeitet worden ist und um den Preis 
von Mark 3 durch die Expedition der Zeitschrift 
für Zeichenlehrer in Kaiserslautern, Ziegelgasse 45 
bezogen werden kann. 
— Wie die „Zw. Zig.“ aus sicherer Quelle 
erführt, wird Se. Königl. Hoheit der Herzog 
Max Emanuel in Bayern dem Rennfeste in Zwei—⸗ 
brücken seine Gegenwart schenken. 
— Zweibrücken, 21. Sept. (Zw. Zig.) 
Bestern Vormittag 9 Uhr fand im Gestütshofe da⸗ 
hier die Vorführung und Musterung sämmitlicher 
Ktemontedepot⸗ und eigenen Stuten statt. Um 11*1 
Uhr wurden die 1a- und 275 jährigen Füllen obiger 
Stuten gemustert, und kamen zur Vorführung 15 
2V jahrige und 17 19 jährige. 
— Zweibrückhen, 26. Sept. Der neue 
Figenthüumer der „Bierbrauerei zum Park“, Herr 
douis Schmidt, hat die zu derselben gehörigen 
Bierkeller am Himmelsberg, welche er zum Betriebe 
eines Geschäftes nicht nothig hat, an Hrn. Bier— 
drauer Nohl um 25,000 Mtk. verkauft. Wie wir 
erner hören, ist das Braugebäude des Hrn. L. 
Schmidt am Wall in die Hände des Hrn. Bier⸗ 
hbrauers Ph. Jacob y übergegangen. Der Brauerei— 
detrieb im Park wird in allernächster Zeit wieder 
aufgenommen. (Zw. 3.) 
— Neustadt, 25. Sept. Die protestan⸗ 
ischen Lehrer, welche im Jahre 1889 das Se— 
ninar zu Kaiserslautern absolvirt hatlen, feierten 
gestern auf der Haardt ihr 285jähriges Jubildum 
Von jenen 43 Lehrern find 3 gestorben, 4 nach 
Amerika ausgewandert, 2 in der preußischen Rhein⸗ 
provinz und die übrigen 34 in der Pfalz angestellt. 
An dem Feste selbst nahmen 31 Lehrer Theil. 
— Auf dem Dürkheimer Wurstmarkt 
vird der „Neue“ dieses Jahr „Wunder wirken“, 
enn der Most wiegt nach Berichten von dort durch⸗ 
Hnittlich 8832892 Grad nach Oecchsle. Auch Most⸗ 
gewichte von 100 Grad sind keine Seltenheit. 
— Morgen, Sonntag, wird im Theatersaale 
zu Landau eine Wählerversammlung abgehalten, 
in welcher Herr Dr. A. Bürklin sprechen wird. 
— Das „Annw. Wochenbl.“ schreibt aus 
Wernersberg, 24. Sept.: Gestern Abend um 
d Uhr kam hier gelegentlich des Rundganges von 
Brautleuten zu Verwandten und Bekannten ein Akt 
jroßer Rohheit und sittlicher Verwiiderung vor. Als 
nämlich ein braves Mädchen aus achtbarer Familie 
nach Hause ging, wurde es plötzlich auf der Straße 
von einem Burschen angehalten und von zwei 
tarken Fausthieben auf den Kopf und in das Ge⸗ 
nick getroffen, so daß es ohnmächtig und blutend 
zu Boden sank, auch zerriß ihr der Unmensch noch 
das Kleid. Der Vater machte heute der Gendarmerie 
die Anzeize. Hoffentlich wird gegen die Rohheiten 
und gefährlichen Auslassungen, welche hier schon 
'ange in Brauch sind, einmal mit Bestrafungen 
xemplarisch eingeschritten werden. 
Vermischtes. 
EGeine Kleinigkeith) In der Nach— 
harschaft von Sondershausen erhielt vor einigen 
Tagen ein Arbeitsmann von einer Dame den Auf— 
rag, 200 Verlobungsanzeigen zur Post zu besorgen. 
Die Kouverts waren offen und mit Dreipfennig⸗ 
narken beklebt. Die Rückkehr des Boten dauerte 
lange. Darüber zur Rede gestellt, erwiderte der 
Mann: „Ja, Fräulein, ich habe eine schredliche 
Arbeit gehabt. Sie hatten ja nicht einen Brief 
zugeklebt, und das war keine Kleinigkeit — Tableau! 
— Die Post machte ein gutes Geschäft dabei, denn 
jedes zugeklebte Koubert brachte ihr natürlich 17 
Pfennig Strafporto. 
(Eine sonderbare Annonce.) In 
der letzten Nummer des „Worbiser Kreisblattes“ 
(Thüringen) ist folgende sonderbare Annonce zu 
lesen: „Mein verleumderischer Mund ist mir gestopft. 
Waschfrau Katharina Romde in Leinefelde, Kasseler 
Thaussee.“ 
F Das Briefporto nach Angra Pequena 
und den deutschen Besitzungen in Westafrika, wohin 
die Woermann'schen Dampfer benutzt werden sollen, 
ist seitens der Reichspostverwaltung auf 20 Pfg. 
festgesetzt und dadurch die Niederlassungen in das 
Bebiet des Weltpostvereins gezogen. 
F Si. Johns Meufundland), 24. Sept. 
Nachrichten aus Labrador besagen, daß in dem Di⸗ 
strikt White Bay 8000 Personen dem Verhungern 
nahe sind. Einige vorüberfahrende Schiffe hatten 
hereits Beistand geleistet. 
Vor unechten Sardinen, welche aus Nord⸗ 
amerika imporlirt werden, warnt das „Dresdener 
Jouraal“. Allein in der Nihe von Washington 
definden sich, nach Angabe englischer Blätter, 22 
Fabriken, die unter dem Namen Sardinen nichts 
als gewöhnliche Häringe liefern, von welchen man 
die kleinsten ausliest, und die dann, nachdem Kopf 
und Schwanz abgeschnitten worden, in Büchsen ver— 
packt werden. Das die Umhüllung bildende angeb— 
liche Olivenöl ist Sesamöl. Die größeren Häringe 
»ersendet man unter dem Namen Seeforellen.