Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
der „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltung
zlat und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich JIA G60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließli
A Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 B, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 A, Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
—X 197. Samstag 11. Oktober 1884. 19. Jahrg.
Volitische Uebersicht.
Zum 9. Oktober 1884 brachte die vom
nternationalen Bureau des Weltpostvereins heraus⸗
—
nnerung:
An diesem Tage ist der Kreislauf eines Jahr⸗
ehnts vollendet seit dem für alle Zeiten denk⸗
würdigen 9. Oktober 1874, an welchem in dem
estlich geschmückten Saale des alten Ständerath⸗
jauses in Bern die Vertreter der Postverwaltungen
kuropas, der Vereinigten Staaten ven Ameriko
ind Egyptens den ersten Postvereinsvertrag unter⸗
eichneten. Erst am 15. September desselben
Jahres war auf Deutschlands Anregung, der Ein—
adung der schweizerischen Eidgenossenschaft folgend,
jer erste internationale Postkongreß in Bern zu—
ammengetreten, und noch vor Ablauf eines Monats
ah die Welt ein Werk vollendet, an dessen Ver—
wirklichung selbst die Mehrzahl der einsichtigsten
Fachgenossen bis dahin gezweifelt hatte. Daß in
dieser kurzen Zeit ein so günstiges Ergebniß erlangt
worden ist, das danken die Nationen dem ein—
nüthigen Zusammenwirken der bei dem Kongresse
yertretenen Regierungen und ihrer Bevollmächtigten.
tinzig steht ein solches Werk der Völkervereinigung
—V
;ie Grundlagen seines Baues befestigt, daß unter
einem weiten Dache sich wohl Raum für alle
aulturstaaten der Erde findet, der Gedanke aber
voͤllig ausgeschlossen erscheint, als könnten selbst
die größten politischen Umwälzungen jemals seinen
Lestand gefährden. Es ist ein ewiges, ruhmreiches
denkmal seines Bauherrn Stephan und Aller,
velche in edler Begeisterung zu seiner Vollendung
eigetragen haben. Gar Manchen deckt bereits der
stüne Rasen, aber ihre Namen leben fort in un⸗
eim Gedächtniß und werden der Nachwelt nicht
detloren gehen, wenn die Zeit gekommen ist, die
heschichte des Weltpostvereins und mit ihr die des
riten internationalen Postkongresses zu schreiben.
Es finden sich in der Presse mehrfach Mitthei⸗
ungen darüber, daß für die preußische In—
anterise beteits eine meuec Bekleidung in
Aussicht genommen oder gar schon beschlossen sei,
die in einer Bluse bestaͤnde wie sie gegenwärtig von
mehreren InfanterieRegimentern im Dienste getragen
witd. Diese Mittheilungen sind insofern unrichtig,
as es sich lediglich um das Auftragen ällerer,
iür den Landjturm bestimmter Bekleidungsstücke
sandelt, wobei gleichzeitig in größerm Umfange Er—
hrungen über die Zweckmäßigkeit dieser Blusen,
welche den sogenannten „mecleuburgischen Blusen“
ihnlich find, gesammelt werden sollen. Von einem
srsatze des Waffenrockes der Infanterie durch die
Aiusen ist jedoch bis auf Weiteres gar keine Rede,
üͤchstens wurde hei deren Einführung der Drillich⸗
mzug beseitigt werden, wie denn auch die Regi⸗
lenter, denen Blusen überwiesen sind (Truppentheile
xs L., 2., 3., 5. 6. und 9. Armeekorps) etats⸗
nßig teine Drillichsochen mehr beschaffen. Uebrigens
biht jedoch fest, daß das preußische Kriegsministerium
mne ganz besondere Aufmerksamkeit auf sachgemäße
enderungen in dem Ausrüstungs⸗ und Bekleibungs⸗
sen der Armee gerichtet hat. Neben den bekannten
fentlichen Ausschreiben der genannten Behörde
negen Beschaffung neuer Helm⸗, Tornister⸗, Feld⸗
uschen— und Stiefel-Modelle sind auch schon seit
angerer Zeit versuchsweise bei der Kavallerie Ab⸗
underungen am der Ausrüstung und Bekleidung
(beispielsweise Ersatz der Epaulettes der Ulanen durch
Schulterketten) eingeführt worden. Jedenfalls ist
in allen diesen Fragen noch keine endgültige Ent—
scheidung getroffen und wir glauben auch nicht, daß
nsbesondere der Waffenrock der Infanterie sobald
einem andern Bekleidungsstücke Platz machen wird.
Im Augustheft der vom kaiserl. stat. Amt
herausgegebenen statistischen Monatshefte werden in
drei Uebersichten Beiträge zur Forststatistik des
Deutschen Reiches, bezw. der einzelnen deut—
schen Staaten und größeren Verwaltungsbezirke,
»eröffentlicht. Die erste dieser Uebersichten weist die
hröße und die Bestandesarten der Forsten im Jahre
1883 nach, die zweite zeigt die Vertheilung der
Forsten nach dem Besitzstande, die dritte stellt die
nit landwirthschaftlichen Betrieben verbundenen
dolzflächen nach Größenklassen dar. Nach Ueber—
icht 1 betrug die gesammte Forstfläche des Deut—
chen Reiches 13,900,611 ha oder 25,78 Prozent
»er Gesammtfläche. Von der Forstfläche waren
, 100,557 ha oder 65,5 Prozent mit Nadelholz
1,800,054 ha oder 34,5 Prozent mit Laubholz
»estanden. Das mit Nadelholz berflanzte Forst—
arreal enthielt 5,921,518 ha Kiefern, 46,054 ha
Lärchen, 3,132,985 ha Fichten und Tannen; das
Laubholzareal 432,999 ha Eichenschälwald, 44,35)
na Weidenheger, 434,655 ha sonstigen Stockaus-
chlag ohne Oberbäume, 895,004 ha Stockaus-
chlag mit Oberbäumen, 486,913 ha Eichen,
163,000 ha Birken, Erlen, Aspen (Espen und
2,043, 132 ha Buchen und sonstiges Laubholz. Von
der gesammten Forstfläche sind, nach Uebersicht 2,
dron⸗ und Staatsforsten 4,505,768 ha (32,4
Prozent), Staatsantheilsforsten 40,986 ha (0,8
Prozent), Gemeindeforsten 2,109,939 ha (15,2
Prozent), Siftungsforsten 183,987 ha (1,3 Pro⸗
sent), Genossenforsten 344,7867 ha (2,5 Prozent)
Pripaiforsten 6.713. 171 ha (48.3 Prozent)
Der „Temps“ bringt einen aus Brüssel datirten
Brief, worin behauptet wird, eine Konferenz
ei nach Berlin berufen, um die schwebenden
Fragen inbezug auf Afrika zu ordnen; zu dem
zwecke würden wahrscheinlich Ende November die
Zevollmächtigten Frankreichs, Englands, Portugals
Spaniens, der Vereinigten Staaten, Hollands und
Belgiens in Berlin zusammentreten und infolge
)es zwischen Frankreich und Deuitschland erfolgten
kiuvernehmens folgende Punkte in Ecwägung ziehen:
1. Handelsfreiheit und freier Eingang aller Flaggen
nuf dem Congo; 2. dieselbe Freiheit auf dem
Riger; 3. die Nothwendigkeit, das Recht der Be⸗
etzung der noch nicht in einem zivilisirten Zustande
interworfenen Gebiete klar zu stellen. Die Kon⸗
erenz soll ferner beschließen, daß fortan jede Be—
etzung eine Thatsache sein müsse. Schließlich soll
ine internationale Kommission ähnlich der Donau—
dommission gebildet werden.
Deutsches Reich.
Berlin, 6. Okt. In den Wahlreden von
seichsstagskandidaten, welche Regierungsbeamte sind,
vurde mitgetheilt, die Reichsregierung beabsichtige
eine baldige Uebertragung sämmtlicher Staatsbahnen
auf das Reich. Diese Mittheilung macht großes
Aufsehen; wahrscheinlich sind nur die preußischen
Ztaatsbahnen gemeint, hinsichtlich deren thatsächlich
bige Absicht besteht.
Berlin, 8. Okt. Die kronprinzliche Familie,
velche zur Leit in Bozen in Tyrol weilt. wird vor
der Rückkehr nach Berlin erst noch einen kurzen
Aufenthalt in Wiesbaden nehmen. Prinz Heinrich
dagegen wird bereits am 11. Oktober in Kiel ein⸗
treffen, um die Vorlesungen in der Marine-Akademie
zu besuchen, welche am nächsten Tage dort ihren
Anfang nehmen. — Graf Herbert Bismarck
ist gestern Abend von Paris abgereist, nachdem er
im Laufe des Tages Besuche mit Herrn Jules Ferry
ausgetauscht und die Karte beim Vräsidenten Grevy
abgegeben hatte.
Berlin, 9. Okt. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“
»ementirt entschieden, daß eine Vorlage wegen Ueber⸗
tragung der Eisenbahnen auf das Reich zu er—⸗
warien sei.
Ausland.
Bern, 6. Okt. Beim neulichen Truppen—
usammenzug im Kanton Graubünden sind
eErscheinungen zu Tage getreten, welche den eidge—
lössischen Sinn unserer fratelli ticinesi und die
Disziplin bei unsern Truppen in sehr zweideutigem
Lichte erscheinen lassen. Zogen die Tessiner schon
ingern über die Berge, so zeigte sich bald, daß ihr
Widerwille gegen die tedeschi in letzter Zeit noch
ugenommen haben muß, denn alsbald gab es
Reibereien und mitten im Gefecht Fälle von so
lagranter Insubordination, daß wir uns scheuen,
die Sache genau zu erzählen; und aus Furcht vor
der gänzlichen Entfremdung der lieben Tessiner, um
derenwillen wir so manche italienische Plackerei
usgestanden und den Streit wegen der Annexions⸗
schrift des italienischen Konsuls Grecchi in Lugano
ausgefochten haben, wagt man nicht, die Leute so
zur Rechenschaft zu ziehen, wie sie es verdienten.
Leider müssen wir eben bei dieser Gelegenheit
wiederum konstatiren, daß unsere Miteidgenossen von
jenseits des Gotthard herzlich wenig Gemeinsames
mit uns haben, ganz besonders wenig mit der
deutschen Schweiz, und daß die Hoffnung auf eine
in dieser Hinsicht günstige Einwirkung der Gott⸗
hardbahn sich nicht erfüllt hat, im Gegentheil, die
Bande, welche den Kanton an Italien knüpfen,
icheinen durch die Verbesserung der Verkehrsmittel
nach Süden noch enger geknüpft worden zu sein.
Ueber diesen nicht gerade erfreulichen Zustand hilft
kein Zeitungsartikel und keine Schützenrede hinweg.
Paris, 8. Okt. Vor dem Kriegerdenkmal
uuf dem Kirchhofe von Montreuil fand am
Sonntag eine Kundgebung statt und wird darüber
olgendes berichtet: Etwa fünfzig Schützen⸗ und
Turnvereine, die Patriotenliga, acht Schülerbataillone,
mehrere Freidenker⸗Gesellschaften, alle mit ihren
»on Trauerflor umhüllten Fahnen, waren erschienen,
nuch ein Verein italienischer Republikaner. Die
ahlreich gehaltenen Reden liefen sämmtlich darauf
zinaus, die Jugend müsse zu Rächern Frankreichs
erzogen werden; sie müßte einstens Elsaß-Lothringen
vieder erobern. Lefevre, Generalrath des Seine—
Departements, schloß mit den Worten: „Bismarck,
»er größte Barbar unter den Teutonen, der Frank⸗
reich mit Brand und Plünderung heimgesucht hat,
soll wissen, daß das republikanische Frankreich zur
Rache gerüstet ist; er soll erfahren, was das heißt!“
Auch der einem Schülerbataillon angehörige neun—
‚ährige Sohn des Beigeordneten von Montreuil
estieg mit seinem Chassepot die Rednerbühne, um
racheschnaubende Verse vorzutragen. Ein Mitglied
des italienischen Vereins ließ die „Weltrepublik“
hoch leben. Natürlich wurden alle Reden mit
großer Begeisterung aufgenommen. Nach Schluß
der Kundgebung zog die Versammlung nach der
Bürgermeisterei. wo der Ehrenwein kredenzt wurd⸗