Full text: St. Ingberter Anzeiger

vifion eingelegt, die nunmehr vom Kammergericht 
zurückgewiesen worden ist. 
— Dem am 12. d. M. in Speyer tagenden 
weiteren Ausschusse des pfälzischen Feuer 
wehr-Verbandes lagen nicht weniger als 72 
Unterstützungsgesuche zur Bescheidung vor. Von 
letzteren betrafen indessen nur zwei körperliche Be— 
schädigungen bei Dienstverrichtungen; der von dem 
Ausschuß gewährte Unterstützungsbetrag beläuft sich 
zusammen für 49 Tage Arbeitsunfähigkeit auf 
M. 95. Einen auffallenden Gegensatz zu den bei 
den Feuerwehren des rechtsrheinischen Kreises des 
Königreiches vorkommenden Unfällen bilden die 
verhältnißmäßig seltenen und meist leichten dienst 
lichen Beschädigungen pfälzischer Feuerwehrleute. 
Während im jenseitigen Bayern die Kranken— 
Unterstützungen in der letzten Zeit für jeden Kreis 
jährtich durchschnittlich den Betrag von M. 6000 
erforderten, belaufen sich dieselben in der Pfalz in 
einem Juhre auf wenig mehr als M. 200, ohne Zweifel 
eine Folge der günstigen baulichen Zustände unserer 
Provinz, nicht minder aber auch die Wirkung des 
bei uns zur Durchführung gekommenen Prinzips 
des pflichtigen Feuerlöschdienstes im Gegensatz zu 
den jenseits in erster Linie zur Thätigkeit berufenen 
freiwilligen Feuerwehren, — und alles dies troß 
der in der Pfalz sich wieder mehrenden Brandfälle 
und trotz eines Feuerwehrheeres von 7000 Mann. 
In der Ausschußsitzung wurden weiter an 57 
Feuerwehren Beihilfen zur Mannschafts-Ausrüstung 
bewilligt im Gesammtbetrage von M. 6065. 
— Zweibrücken, 16. Okt. In der Lum— 
penfabrik des Herrn Wohlgemuth, welche an der 
die Bubenhauser mit der Ludwigs-Straße verbin— 
denden Straße auf Bahnland steht, brach heute 
früh nach 6 Uhr Feuer aus. Da von dem Fabrik— 
personal und der Feuerwehr rasch eingeschritten 
wurde, war dasselbe bald gelöscht, sodaß kein großer 
Schaden entstand. Der Eigenthümer hat versichert 
Das erste Wasser brachte eine Ochsenfuhre der Bier— 
brauerei Buchheit an die Brandstätte. (3. 3.) 
— Se. M. der König haben zur Feier der 
vor 50 Jahren vollzogenen Grundsteinlegung der 
Festung Germersheim unterm 9. d. M. ge⸗ 
nehmigt, daß am 18. Oktober, als dem Festtage 
die Militärgebäude, Festungsfronten, Vorwerke der 
Festung und die Schiffbrücke in den Landesfarben 
beflaggt, die Standbilder König Ludwig J. und 
des Festungsbaudirektors Schmauß am Ludwigs— 
thore daselbst mit Loubgewinde geschmückt werden; 
ferner daß eine Garnisonsparade mit feierlicher An— 
rede des Festungskommandanten, hierauf Festessen 
in den Offiziersspeiseanstalten und Aufbesserung 
der Menage fur Unteroffiziere und Soldaten statt⸗ 
finde. (M. Fr.) 
— Speyer, 14. Okt. Anstellungsprüfung 
der Schuldienstexpektanten. Geographie. 1) Welche 
Gebirge scheiden das Stromsystem der Rhone von 
dem des Po, des Rheines, der Seine, der Loire 
und der Garonne? 2) Wie viele Seegruppen können 
wir in Europa unterscheiden und welches sind die 
wichtigsten Seen in jeder Gruppe? 8) Welches sind 
die Eigenthümlichkeiten der senkrechten Gliederung 
und der Flüsse Amerikas? (Kurze Angaben). 4) Der 
Golfstrom: Entstehung, Breite, Geschwindigkeit, 
Temperatur und Farbe, seine Richtung und sein 
Ende, Bedeutung für Europa. Geschichte. 1) Der 
zweite punische Krieg. (Veranlassung, kurzer Ver— 
lauf und Friedensbedingungen.) 2.) Kurze An— 
gabe der Ursachen der französischen Revolution. 
3) Kurfürst Maximilian J. von Baiern. 4) Welche 
geschichtliche Ereignisse knüpfen sich an folgende 
Jahreszahlen? nach Chr.: 486,711, 1066, 1829 
1572, 1679, 1697, 1745, 1779, 1795, 1797, 
I1801,. 1827, 1830, 1859. 1864. (EEFr. 3 
ist jetzt 5 Jahre alt. Die „Köln. Ztg.“ wirft aus 
diesem Anlasse einen Rückblick auf dessen Thätig— 
keit, kann ihm aber kein. schönes Geburtstagslied 
singen, denn es habe die erwartete neue Aera deut— 
scher Jurisprudenz nicht eröffnet. Der Gründe 
führt die „Köln. Ztg.“ mannigfache auf. Beson— 
ders falle ins Gewicht, daß das Reichsgericht be⸗ 
reits bei seiner Schöpfung eine Ueberlastung an 
Rückständen habe, zu denen schließlich auch noch die 
neue Aufgabe der Ausgestaltung der deutschen 
Justizgesetze herangetreten sei. Diese Umstände 
hätten naturgemäß auch die äußere Bildung des 
Gerichtes erschwert. Die Mitglieder seien nicht 
„ausgewählt“, sondern nach den Bedürfnissen der 
Justizverwaltungen der Einzelstaaten „abgegeben“ 
Das deutsche Reichsgericht 
worden. Es entziehe sich der Untersuchung, ob 
cichtig sei, was Fama behaupte, es seien „nicht 
die schwächsten Kräfte“ der aufgelösten obersten 
Gerichtsböfe gewesen, welche in den Justizstellen 
der Einzelstaaten zurückgeblieben oder zurückbehalten 
worden seien. Fast in alle Senate seien außerdem 
Mitglieder gelangt, welche, sich in der neuen Ge— 
schäftsaufgabe als Neulinge fühlend, nur wenig 
befähigt gewesen seien, als Richter höchster Instanz 
zu wirken. Ja, man habe sich eine zeitlang als 
Anekdote erzählt, daß manche Mitglieder der Straf—⸗ 
enate erst dann ein Bedürfuiß gefühlt hätten, ein 
Fremplar des Strafgesetzbuchs zu erwerben, als sie 
bestimmt wurden, in Strafsachen in oberster Jistanz 
Recht zu sprechen!! Es habe sich wie im Allge— 
neinen, so im Reichsgericht eben auch der Uebel— 
tand gezeigt, daß Deutschland mehr cidvilistisch 
Furisten erzeuge, denn Kriminalisten; daher eine 
allgemeine Abneigung, in Strafsenaten zu arbeiten 
und die Kommandirung der Neulinge in dieselben 
und in den Strafurtheilen eine unrichtige Vorliebe 
und Breite der Behandlung civilistischer Fragen, 
welche letztere dadurch einen bedenklichen Antheil 
an der Entscheidung bekämen. Dort habe auch die 
Kritik der Fachpresse den Hebel angesetzt und der 
unbefangene, nur der Sache, nicht den Personen 
nahesteheude Beobachter werde ferne davon sein, zu 
hehaupten, alle reichsgerichtlichen Urtheile seier 
ztücklich gewesen. Im Civilrecht habe das Reichs 
gericht mit alten und veralteten Gesetzbüchern ꝛc 
zu thun gehabt, denn das neue deutsche gemeine 
Tivilrecht sei ja ein frommer Wunsch, der wie ein 
Irrlicht dem deutschen Juristen vorschwebe. Das 
Reichsgericht habe übrigens in vielen Materien ein 
‚raktisches Verständniß für die Bedürfnisse der 
Rechtssicherheit gezeigt und es stehe fest, daß kein 
nenschlicher Gerichtshof vor Mißgriffen bewahrt 
leibe. Mildernde Umstände könne man nach alie 
»em plaidiren, aber die Hoffnung, daß das zweite 
ZQuinquennium eine Besserung bringe, bestehe 
nmischt, denn die Hauptrichtung der Prarxis habe 
ich festgestellt. Alles in Allem könne man sagen: 
„die Uebelstände sind nicht so groß, als sie im 
Lichte der Kritik zuweilen erscheinen; die bestehenden 
lebelstände hat zum geringern Theile das Reichs— 
gzericht verschuldet. Abhilfe mag, soweit dies er— 
'orderlich ist, eine Revision der Prozeßordnungen, 
besonders der Strafprozeßordnung, gewähren; die 
Praxis wird Abhilfe nicht oder nicht mehr herbei— 
ühren können.“ 
4 Am 15. Oktober wurde kurz nach 5 Uhr 
Morgens auf dem Bahnhofe Brebach in einem 
soeben von der Maschine eines Arbeitszuges befah⸗ 
renen Geleise eine Frau mit abgequetschtem linken 
Fuße und mehreren Verletzungen am Kopfe und 
der Brust aufgefunden. Angestellte Ermittelungen 
haben ergeben, daß die Frau in augenblicklicher 
Heistesstörung ihre in der Nähe befindliche Woh— 
iung verlassen hat und quer über die Bahnhofs— 
Geleise gegangen ist, wo sie von der Maschine er— 
faßt und verletzt wurde. S. 3.) 
F Neunkirchen, 14. Okt. In einem hiesigen 
Kohlenbergwerke sind am Freitag 7 Bergleute durch 
Verschüttungen verunglückt. Einer blieb sofort todt; 
die anderen sechs erlitten Bein- und Armbrüche. 
Am Samstag Abend sind einige Bergleute durch 
Zufall der Verschüttung entgangen; wäre dieselbe 
eine Sekunde früher erfolgt, so könnte man jetzt 
»ielleicht noch mehr Todte beweinen. Es kommen 
jetzt shier jeden Tag einige Rutschungen in den 
Bergwerken vor. (Gg.) 
FIn Kleinblittersdorf sind am Sams— 
tag zwei Wohnhäuser und eine gefüllte Scheune 
einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen. (S. 3.) 
F Schloß Philippsruhe, 15. Okt. Das 
landgräfliche Hofmarschallamt macht folgende Mit— 
theilung: „Dem Allmächtigen hat es gefallen, 
Seine Königliche Hoheit den Landgrafen Friedrich 
Wilhelm Georg Adolph von Hessen gestern Abend 
82 Uhr zu Frantfurt a. M. aus dieser Zeitlich— 
keit abzurufen.“ 
F München. Die deutsche Molkerei-Aus— 
stellung, welche am 12. d. ihren Schluß erreichte, 
war im Ganzen von 15,770 Personen besucht. — 
Der Stadtmagistrat hat für Wiederherstellung des 
großen Saales im alten Rathhause zu den schon 
früher genehmigten 40, 000 Mark weitere 30,000 
Mark bewilligt. 
F München, 15. Okt. In Uniform und 
trammen Schrittes betritt der Taglöhner Ferd. 
Vermischtes. 
Simanseder von Haidhausen, Ecsatzreservist, der 
Herichtssaal, um sich wegen Diebstahls zu veran 
worten. Auf die Frage des Herrn Vorützenden 
„Haben Sie am 17. Juli aus dem Keller des 
Matzgers Ludw. Reischl einen Goldbrabanter Hahn 
gestohlen?“ antwortet der Angeschuldigte mit traf. 
tiger Stimme: „Ja wohl.“ Auf die weitere Frag 
„Was haben Sie sich dabei gedacht?“ lautet sein 
Antwort: „Ich habe mir gedacht, das ist was zum 
kssen.“ — Der Gerichtshof schenkte den Angahe 
Simanseder's vollen Glauben und verurtheilte den 
elben wegen Uebertretung der Entwendung eine 
Henußmittels zu 14 Tagen Haft. 
4 Am 17., 18. und 19. Oktober wird in 
Sissenach und auf der Wartburg eine allgemein 
deutsche Studenten-Versammlung tagen, um übhel 
ine zeitgemäße Reform des studentischen Lebens zu 
jerathen. Namentlich gilt es, über eine Einschränkun— 
resp. gänzliche Aufpebung des Zweikampfes auf de 
Lniversitäten schlüssig zu werden. Angehörige allet 
dniversitäten, zahlreiche Vertreter und Milglieden 
der einderufenden Reform- und neuen Burschen 
chaften, sowie anderer befreundeter Verbrüderungen 
Jaben ihr Erscheinen zugesagt, nachdem schon seit lamg 
hurch Anschlag in den Universitäten Anhänger um 
Begner eingeladen waren. 
F Berlin, 15. Okt. Bei dem gestern Abend 
ausgebrochenen Feuer in dem Depot der großen 
Berliner Pferdebahn in Schöneberg wurde, wie jeht 
eestgestellt ist, ein Theil des Depois in Asche geleg 
Von den circa 400 Pferdeständen blieben 296 jn— 
takt. Sämmtliche Pferde wurden gerettet, sowei' 
bis jetzt zu übersehen ist. Zehn Wagen verbrann 
ten. Die verbraunten Vorräthe sind nicht sehr be— 
deutend, da in dem abgebrannten Theile nur Tages— 
rationen lagerten. Die Gesellschaft erleidet keiner 
Schaden, da Alles versichert war. Gegenwärlig 
befindet sich eine Kommission auf der Brandstelle 
um die Höhe des Schadens festzustellen. Der Be 
trieb ist in keiner Weise gestört. Die verbranntel 
Bebäude waren nicht Eigenthum der Pferdebahn 
Jesellschaft, sondern gemiethet. 
F Der Evangelische Oberkirchenrath in Berlin 
hat durch die Provinzial-Konsistorien den Geist— 
lichen seines Aufsichtskreises untersagen lassen 
bei Beerdigungen von Selbstmördern im Tala 
anwesend zu sein. Eine Ausnahme von diesem 
Bebote ist nur dann zulässig, wenn durch ärzktlich 
Zeugnisse festgestellt ist, daß der Selbstmörder vor 
jer an Geistesstörung gelitten hat und der Selbst 
mord als eine Folge von Geistesstörung vermuthet 
verden kann. 
F Eine eigenthümliche Verletzung hat sid 
dieser Tage in Essen ein junger Mann zugefügt 
Derselbe hatte die Gewohnheit, sich das Feuer zur 
nicht mehr brennenden Cigarre durch einen Strich 
an die Hose anzuzünden. Während eines Gespräche 
hatte er in der einen Hand das Streichholz, in 
der andern ein Federmesser, mit welchem er in der 
Zerstreutheir sich einen so tiefen Schnitt in die 
Lende beibrachte, daß nach der „Rh.«W. Z.“, ein 
Arzt zur Hilfe gerusen werden mußte, um die lane 
zeschlitzte Wunde zuzunähen. 
'Stolp, 9. Ott. Wie noch der Aberglaub— 
auf dem Lande herrscht, zeigt folgende Affaire: Im 
Jahre 1882 statrb in dem Dorfe Woblanste die 
Schwiegermutter des Taglöhners Mielke und im 
Jahre darauf vier seiner Kinder. Dieser Umstand 
brachte den abergläubigen Menschen zu der Annahme 
daß seine verstorbene Schwiegermutter ein „Neun⸗ 
öder“ sein müsse, vor dem man erst Ruhe habe. 
wenn man der Leiche den Kopf abgestochen. Er 
derständigte sich deshalb mit den Taglöhnerr 
Damaschke und Fischer, und begaben sich diese dit 
Männer nun in der Nacht vom 12. zum 13. Mai. 
mit Spaten versehen, nach dem Friedhof, öffneten 
das Grab und den Sarg, sahen aber von dem Ab⸗ 
stechen des Kopfes ab, da, wie sie angaben, de 
Nountödter sich nicht mehr rührte.“ Gegen all 
hrei wurde infolge dessen die Anklage erhoben, Miell 
entging jedoch seiner Strafe, denn er folgte nach 
inem hälben Jahre seinen Kindern in den Tod 
während Damäschke gestern von der hiesigen Straf 
tammer mit 10 Tagen Gefängniß bestraft wurde 
gegen Fischer, der nicht erschienen war, wurd 
wangsweise Ladung beschlossen. 
x Eine spaßhafte Wahlanekdote erzählt du 
„Sonneberger Wahlzeitung“. In verschiedener 
Orten des Herzogthums, schreibt sie, kommt es vor 
aß die Landbewohner sich im Wirthshaus rasiren 
assen. — So saß kürzlich ein Bauer schon halt 
afirt in der Gaststube, während ringsherum flot