Full text: St. Ingberter Anzeiger

Straßburg die blaue, Mülhausen die weiße, Metz 
die rothe Farbe stellt. Elsaß⸗lothringische Vereine 
von Paris haben zahlreiche Telegramme an Kable 
und Antoine abgesandt, in denen sie diese zu dem 
Wahlerfolg beglückwünschen. Ein Einwohner von 
Detz hat einen Kranz von Rosen mit der Inschrift: 
„Dem Gewählten von Metz!“ an Antoine gesandt. 
Verschiedene Vereine werden eine Kundgebung vor 
dem Standbild der Stadt Straßburg veranstalten.“ 
In den Sprechzimmern des Pariser Gemeinderaths 
nachte die Wahl Antoines bedeutendes Aufsehen; 
alle royalistischen und republikanischen Gemeinderäthe, 
sowie viele Journalisten haben Antoine ihre Karten 
übersandt. Antoines Wahl macht um so mehr 
Findruck, als man an dessen Wiederwahl nicht 
glaubte. 
— Die Kammer setzte gestern das Maxi⸗ 
num für Pensionen der staatlichen Altersklasse für 
Arbeiter nach Antrag Tirard's auf 1200 Fr. fest. 
— Der Senat hat eine Vorlage in erster 
desung genehmigt, welche besonders für Paris große 
Bedeutung hat, aber auch außerhalb Frankreichs 
Interesse erwecken dürfte, wir meinen den Gesetz- 
entwurf die rückfälligen Verbrecher betreffend. Das 
Wesentliche der Vorlage ist in Art. Jausgesprochen, 
welcher lautet: Die rückfälligen Gewohnheitsver— 
drecher, welche — die näher bezeichneten — Verur⸗ 
heilungen durchgemacht haben, sind nach Ablauf 
ihrer Strafe auf Lebenszeit in die französischen 
olonieen oder Besitzungen zu verbannen, welche die 
Verwaltung später näher bezeichnen wird. 
— Die Frage der Einführung einer 
Brodtaxe wird in Paris immer dringlicher. 
Zürzlich, als die Arbeiter von ihrem Wochenlohn 
hre Bäckerrechnung berichtigten, ist es an verschie— 
zenen Stellen in den Arbeiterbierteln zu Streitig- 
keiten und Schlägereien gekommen. Es ist erwiesen, 
daß der Brodpreis nicht im richtigen Verhältniß 
zum Preise des Mehles steht, sondern daß das 
Kilogramm Brod 10 bis 15 C. zu theuer ver—⸗ 
zauft wird. 
Rom, 29. Okt. Der Erzbischof Celesia von 
Palermo hat der Regierung seine Ernennung zum 
Kardinal mitgetheilt, was im Sinne freundlicherer 
Beziehungen zwischen Kirche und Staat gedeutet 
vird, da solche Anzeigen bisher nicht stattgefunden. 
Petersburg, 27. Okt. Die Behörden 
haben in Folge der Unruhen, welche kürzlich unter 
der Studentenschaft von Kiew und Moskau statt- 
fanden, strenge Maßregeln ergriffen, um das 
Auftreten ähnlicher Unordnungen in Petersburg zu 
bderhindern. Jene Viertel, in welchen sich die Uni— 
dersität und die Kliniken befinden, werden polizeilich 
trenge überwacht und sind die militärischen Posten 
in denselben erheblich verstärkt worden. 
Zweibrücken-Pirmasens. Es fehlt noch Mit— 
heilung aus 9 Wahlbezirken; das Endergebniß 
steht indeß außer Frage: Der Sieg der Liberalen 
ist wiederum ein glänzender. Herr Oskar Krämer 
zat nach bis jetzt vorliegenden Berichten 8870 St., 
herr Stadtpfarrer Loreuz 7205 St. Vor drei 
Jahren hatte Herr Krämer 2005 Stimmen mehr, 
As Dr. Jäger. Die Mehrheit ist diesmal mindestens 
die gleich große. 
Honiburg-Kusel. Dr. Buhl 6640, Krafft 
1683, Dekan Hammer 3078 Stimmen. Es fehlen 
noch 26 Wahlbezirke. 
Frankenthal-Speyer. Groß 8094, Merkle 
.062, Siben 4080, Dreesbach 4802 Stimmen. 
Kaiserslautern-Kirchheimbolanden. Neumayer 
7023, Grohé 4858, Windthorst 2190, Recknagel 
469, Bebel 335 Stimmen. 
Im Wahlkreis Landau-Neustadt erhielt Dr. 
Bürklin 11,000, Sartorius 5687, Kugler 4860 
Stimmen. 
Landau, 29. Okt. Brünings (nationalliberaler 
Zandidat für Bergzabern-Germersheim) erhielt bis 
etzt 7952, Siben 6679 Stimmen; noch rückstän— 
»ig sind 7 Gemeinden. 
Saarbrücken, 29. Okt. Der Geh. Bergrath 
Herr Pfähler ist mit 8676 Stimmen zum Abge⸗ 
ordneten gewählt worden. Herr Rechtsanwalt Dr. 
Muth erhielt 6072 Stimmen. 
Friedrichsthal, 29. Okt. Bei der gestrigen 
Reichstagswahl erhielt hier Herr Geh. Bergrath 
Pfähler 310 und Rechtsanwalt Dr. Muth 111, 
in Bildstock ersterer 127, letzterer 145 Stimmen. 
Alzey, 29. Okt. Bamberger (Fr.) 5732, 
Schauß (nat. 4986, Wasserburg (K. 4453, Leyen— 
Wahlnachrichten. 
decker (Soz.) 600 Stimmen. Es stehen nur noch 
2 freisinnige Orte aus. 
Forbach, 28. Okt. In den beiden hiesigen 
Wahlbezirken traten ca. 509 Wähler, also nicht die 
dälfte der eingeschriebenen, zur Wahlurne. Herr 
Jaunez⸗Saargemünd erhielt davon 468 Stimmen. 
Die übrigen Wähler legten theils unbeschriebene, 
heils mit Bemerkungen, wie: „non possumus“, 
non plus ultra“, „kein Barabino“, „kein Pro— 
estler“ ꝛc. versehene Zettel in die Wahlurne. Ein 
Hegenkandidat war nicht aufgestellt, deshalb die 
geringe Betheiligung an der Wahlhandlung. 
Straßburg. Der Protestler Kabls siegte mit 
»edeutender Majorität über den Kandidaten der 
deutschen Liber. 
Metz. Antoine ist wieder gewählt. 
Schlettstatt. Fabrikbesitzer Lang ist gewählt. 
Mannheim. Definitives Wahlresultat: Eckhard 
nat.) 5901, Kopfer (Demokr. uͤnd Ultr.) 3358, 
Dreesbach (Soz.) 4975, v. Stockhorn 532. 
Karlsruhe. Die Nationalliberalen haben bis 
etzt außer Heidelberg zwei Sitze verloren: Kiefer 
ist in Donaueschingen und Schwarzmann in Offen⸗ 
hurg durchgefallen. 
Augsburg, 28. Okt. Fischer (Nl.) 4720, 
Zieht (3.1 8963, Vollmar (Soz.) 1272. Die 
andbezirke ergeben eine große Majorität für Biehl. 
Nürnberg, 28. Ott. Grillenberger (Sos) 
2586, Kreß (Nl.) 3849, Crämer (3F.) 8660, 
Diverse 108. Stichwahl zwischen Grillenberger 
ind Crämer. 
München J. Sedlmayer, N.L., 5550, Ruppert, 
J., 5172, Vollmar, Soz., 83459. Stichwahl 
wischen Sedlmaher und Ruppert. — München li. 
Dr. Westermayer, U. 6392, Vollmar, Soz., 3327, 
Fischer, NeL., 4909. Durch Ausschlag der Land⸗ 
dezirke, ist Stichwahl zwischen Westermayhyer und 
Fischer wahrscheinlich. 
Duisburg. Stichwahl zwischen Hammacher 
N.) und Schorlemer (C.) 
Essen. Stötzel (C.) ist als gewählt zu be⸗ 
trachten. 
Bochum. Gewählt wurde im Wahlkreis Bochum 
Dr. Haarmann (N.) 
Solingen. Engere Wahl zwischen Fuchs (C.) 
ind Schumacher (S.) 
Köln. In unserem doch gänzlich fabriklosen 
Stadtkreis hat sich die Partei der Sozialdemokraten 
jegen 1881 ums doppelte vermehrt. Es ist eine 
Stichwahl erforderlich zwischen einem Mitgliede des 
Fentrums (Dr. Röckerath) und einem nationallibe— 
alen Wahlkandidaten (Leyendecker) und dürfte dieser 
Vahlkampf wohl ein überaus hartnäckiger werden. 
Im Landkreise Köln dürfte der ultramontane Kan— 
idat durchdringen, trotzdem die Sozialdemokraten 
n den vielen Fabriken mit Erfolg füͤr ihre Sache 
Propaganda gemächt haben. 
Aachen (Stadt). Gewählt wurde Kaufmann 
Hielen (C.) 
Hamburg. Im 1. Wahlkreis ist Bebel (S.), 
m 2. Dietz (S.) gewählt; im 3. Wahlkreis ist 
Ztichwahl zwischen Heintzel (S.) und Wörmann (N.) 
Bei der heutigen Wahl ging es namentlich bei 
der Verkündung des Wahlresultats außerordentlich 
türmisch zu, indem die Sozialdemokraten bei jedem 
Zezirkssiege einen Lärm ausstießen, der Straßen 
veit zu hören war. Die Arbeiter hatten sich vor 
»em Centrallokal im Conventgarten zu Tausenden 
ersammelt und musßle die Polizei wiederholt die 
Straßen räumen lassen. Ein Constabler wurde im 
hedränge eine tiefe Kellertreppe hinuntergestoßen 
ind hatten die Arbeiter nächtlich auf hohen Stangen 
othe Fahnen aufgepflanzt, die eben mit vieler 
Schwierigkeit von der Feuerwehr heruntergeholt 
berden mußten. Es wurden massenhaft Arretirungen 
orgenommen. 
Berlin, 80. Okt. Unter den 201 bekannten 
Wahlen: 54 Stichwahlen. Bis jetzt sind gewählt: 
25 Konservative, 44 Centrum, 29 Nationalliberale, 
14 Deutsch⸗Freisinnige, 12 Reichspartei, 5 Elsässer, 
3 Sozialdemokraten, 6 Polen. 83 Welfen und 1 
Volkspartei. 
Das Berliner Wahlresultat ist sehr interessant 
ind lehrreich. Zunächst ist die große Niederlage 
er Deutsch-Freisinnigen zu constatiren, welche gegen 
die Wahlen des Jahres 1881 18,000 Stimmen 
»erloren haben. Dem gegenüber steht der kolossale 
ẽrfolg der Sozialdemokraten, welche seit 1881 um 
38,000 Stimmen zugenommen haben, ferner der 
nuch bedeutende Erfolg der Conservativen, die um 
O,000 Stimmen zugenommen haben. Aber merk— 
bürdiga! Obgleich die Deutsch- Freisinnigen eine 
Schlappe wie nie erlitten haben, so liegen doch du 
Berhältnisse so eigenartig, daß hei den Stichwahl.n 
wahrscheinlich 2 oder 8 Deutsch- Freisinnige * 
urchkommen werden. Den —A is 
on lange vor den Wahlen durch Liebknecht un 
Bebel die Instruktion gegeben worden, bei du 
Stichwahlen für die Deutsch-Freifinnigen zu stünme 
und wenn auch ein Theil der Sozialdemokraten iih 
der Stimmabgabe bei den Stichwahlen enthalten 
Rürfte, weil sie die wirthschaftlichen Anschauunge 
es Freisinns perhorresciren, so genügt ein Bruch 
heil schon, um den Deutsch Freisinnigen zum Siege 
u verhelfen. Andererseits haben die Conserdatibe 
und Nationalliberalen in Berlin so unglücklich al— 
nöglich operirt; es haben keind Vereinbarungen 
tatigefunden, welche Vortheil von der wirklichen 
Sache zogen, die Conservativen haben ihre am 
venigsten gemäßigten Mitglieder als Kandidaten 
rufgestellt, so daß es sogar einem Theile der Natio 
alliberalen unmöglich war, für dieselben zu stimmen 
x8 mußten vielmehr gentäßigte Kandidaten, wo— 
nöglich Freiconservative aufgestellt werden, dami 
tinmal alle Mittelparteiler für dieselben eintreten 
konnten; ferner waren solche Kandidaten nothwendig, 
um bei den kommenden Stichwahlen einen Thaͤ— 
der Sozialdemokraten von den Stimmen für die 
dandidaten des Freisinns abzulenken Alles das 
ist nicht geschehen und das entgiltige Resultat wird 
sein, daß die Deutsch-Freisinnigen krotz ihrer furcht⸗ 
aren Niederlage doch 4 Berliner Abgeordnete haben 
verden. 
Sokale und pfälzische Rachrichten. 
*St. Ingbert, 31. Okt. Wie wir hören 
aßte der Stadtrath in seiner gestrigen Sitzung den 
zeschluß, für unsere Stadt die in Gemäßheit des 
deichskrankenkassengesetzes zu errichtende Krankenkasse 
esondert als Ortskrankenkasse zu führen, also de 
Aistriktstrankenkasse micht beizutreten. 
*— Hr. Direktor J. Lavale der pfälz. Eisen— 
»ahnen in Ludwigshafen erhielt den preuß 
dronenorden II. Kl. 
*— Wählen und Wühlen war die Sij 
natur der letzten Wochen. Was eine solche Wah 
vohl kostet? Diese Frage haben wir von nach 
denkenden Leuten oft aufwerfen hören. Leide 
iber gibt es darüber keine Statistik. Und einet 
olche herzustellen, müßten sämmtliche Wahl⸗Komites 
hre Ausgaben, die Buchdrucker, Schreiber, Brief⸗ 
doten, die Reichspost, die Wirthe und Saalder— 
niether und wer sonst noch im deutschen Reich 
nit den Wahlen zu thun gehabt, ihre Einnahmen 
»araus feststellen. Und das geht nicht. Aus ein 
zelnen Vorgängen kann man nur auf die immenst 
Summe der Wahlkosten schließen. Für einen ein 
zigen Abgeordneten der Berliner freisinnigen Partei 
vurden noch in letzter Stunde 60, 000 Zirkular 
n 60,000 Couverts mit 52560,000 Pig. Porto 
»eklebt, ausgegeben, zu welcher Expedition ca. ö 
Arbeiter nöthig waren. Das war nur eine kleine, 
iachträgliche Manipulation für ca. 3500 Mk. zu 
em Zwecke, dem Publikum zu sagen: wählt nicht 
Diesen, wählt mich! Könnte man die Zahl der 
zirkulare, Plakate, Flugschriften und nun gar erß 
»er Zeitungsartikel auf einem Haufen erblicken, s' 
vürde dieser wohl eine Kirchthurmhöhe erreichen, 
nicht minder würden die bei Wahlzwecken genossenen 
getränke einen ansehnlichen Teich füllen. Alles in 
illem kann man die Kosten der Wahlen zum Reichs— 
age gewiß auf viele Millionen Mk. schätzen, auf— 
Jewendet lediglich zu dem Zwecke, den Gegen⸗-Kan— 
didaten in den Augen der Menge herabzusetzen und 
seine Wahl unmöglich zu machen. Das schöne Geld! 
wvird Mancher ausrufen. Doch der Kostenpunkt ist 
im Grunde nicht so schlime, denn das Geld geht 
nur aus einem Topf in den andern und bleibt doch 
wenigstens auf deutschem Boden, und zu den Wahl⸗ 
unkosten steuern nur solche bei, die es machen können. 
— In der Wahlurne des Wahlbezirks Im— 
nebheim-Bubenheim und Ottersheim, 
Vahlkreis Kaiserslautern-Kirchheimbolanden, fand 
ich ein Zettel nachstehenden originellen Inhaltes vot 
Joseph Neumayer 
Ist nicht mein Erfreuer; 
Georg Friedrich Grohe 
Macht mich nicht frohe; 
Dr. Georg Recknagel 
Bringt mir zu viel politisch Gehagel; 
Exzellenz Dr. Windthorst 
Treibt mirs mit zu viel Forst. 
zätte man einen Wilden aufgezählt 
dann hätte auch ich gewählt.