Full text: St. Ingberter Anzeiger

den andern mit dem Namen Dr. Siben (C.). Da 
hab' ich mir gedacht, den mit dem Namen Dr. 
Siben mußt du gut aufheben, um dich am 
jingsten Tag als Freund unserer Kirche ausweisen 
u tönnen uud da hab' ich halt den andern, wo 
er Brünings daraufstand, dem Wahlvorsteher 
gegeben und der hat ihn in die Urne geworfen. 
(Eilb.) 
— Germersheim, 30. Okt. Wie die 
Jeitungen melden, wurde in Brüssel ein Amerikaner 
amens Holländer, geboren in Edesheim, welcher 
ch den Namen Falciot beigelegt hatte, und in 
Pürzburg dessen Frau verhaftet. Holländer hat 
zurch in Amerika verübte Wechselfälschungen über 
200,000 Mark erschwindelt. Schon seit Monaten 
hurden seine Spuren in Deutschland verfoigt. 
die Ergreifung des Schwindlers gelang schließlich 
adurch, daß man bei einer zu diesem Zwecke vor⸗ 
jenommenen Haussuchung in der Wohnung seines 
S„chwagers, des Geschäftsmannes Peter Bolz in 
ßetmersheim, seine Adresse auffaud. Bolz selbst 
dar mehrere Tage in Haft, befindet sich aber ietzt 
vieder auf freiem Fuße. 
— Germersheim. Dem scheideiden Hrn. 
gzezirkbamt mann v. Moe rs haben die Bürgermeister 
cines Amtsbezirks eine Ehrengabe gewidmet in 
Hestalt eines schönen Tafelaufsatzes im Werthe von 
wa 1000 Mark; derselbe wurde gelegentlich eines 
Festmals, welches nach der Einführung des neuen 
hezirksamtmannes, Hru. Gastav Ott, am 31. 
Riober stattfand, überreicht. Hr. v. Moers ist 
nach Speyer versetzt an des qu. Hrn. Römmich 
Stelle. 
Von den 3 nach Ludwigshafen be— 
oxdert gewesenen Kompagnieen ist die eine (des 17. 
Regts.) am 29. Sept. wieder nach Germersheim 
— 
ind 18. Regt) über die Stichwahl in Ludwias— 
zafen verbleiben. 
Land und Leute in Kamerun. 
Die deutschen Colonial-Angelegenheiten waren 
urch die Wahlen etwas in den Hintergrund ge— 
xängt, durch das gemeldete Auslaufen des west⸗ 
ifrikanischen Geschwaders aber scheint die Action 
vieder eröffnet zu werden. Dies rückt uns auch 
Land und Leute der jungen deutschen Colonien 
vieder etwas näher. Einer der bekannten Pioniere 
ür deuischen Colonialbesitiz, Johannes Thor— 
nählen, hielt am 2. Oktober in der Geogra— 
zhischen Gesellschaft zu Hamburg einen sehr lehr—⸗ 
eichen Vortrag über Kamerun, den soeben die 
Deutsche Colonialzeitung“ veröffentlicht und aus 
yem wir einige interressante Einzelheiten hier wieder⸗ 
Feben wollen. Thormählen lebte von 1868 bis 
1874 als Vertreter der Firma C. Woermann in 
damerun, seit dieser Zeit hat er selbst Besitzungen 
dott. Seinem Vortrage entnehmen wir in Folgen⸗ 
jem das Wichtigste und Interessanteste: 
Kamerun war in früherer Zeit für die portu— 
giesischen Sklavenhändler eine der Hauptbezugs⸗ 
juellen. Der Sklavenhandel bildete den einzigen 
handel der dortigen Küste, der durch die Kamerun⸗ 
oder Dualla-⸗Neger mit den Hintervölkern ver— 
nittelt wurde. Von diesen waren es allein die 
Freien, in deren Händen der Handel lag, da sie 
ich nur die zur Bedienung nöthigen Sklaven hielten. 
Ils aber der Sklavenhandel völlig abgeschafft war, 
reitete sich der an seine Stelle tretende Oel- und 
ẽifenbeinhandel immer mehr aus, der anfangs 
dleichfalls nur von den Freien betrieben wurde. 
zndeß wurde die zedeihliche Entwickelung dieses 
egitimen Handels sehr beeinträchtigt durch die in 
damerun herrschende Nebenbuhlerschaft zwischen 
dönig Bell und König Aqua, welche in unzähligen 
Malen zu Kriegen zwischen den Völkern dieser 
veiden und zu einer vollständigen Stockung des 
Handels Anlaß gegeben hat. Zwar hat der eng⸗ 
ische Consul durch die zeitweilige Errichtung des 
ogenannten Court of Equity diesem Uebelstande 
wWzuhelfen versucht, aber mit sehr zweifelhaftem 
erfolg. Zeitweilig sogar hatte dieser Court sich 
ur Aufgabe gestellt, je nach dem herrschenden 
Lonsul, lediglich englische Interessen in der Weise 
zu vertreten, daß die Spitze direct gegen uns 
Deutsche gekehrt wurde, einzig, weil wir Deutsche 
und nicht Engländer waren. Eine rühmliche Aus— 
gahme davon machte allerdings der verstorbene 
Consul Chs. Livingstone, der durch seine große 
denntniß der Sittenn, Gebräuche und Charakter 
er Eingeborenen und durch seine strenge Unpariei— 
lichkeit ohne Ansehen der Person oder Nationalität 
in gerechter Weise sein Amt verwaltete. 
King Bell besitzt die Hegemonie am Kamerun, 
ein Beweis, daß kein Stamm sich von derselben 
soslösen und das einmal eingebürgerte Verhältniß 
indern darf, ist der im Jahre 1880 zwischen den 
Bells, Aquas und Preesos einerseits und Didos 
indererseits ausgebrochene Krieg, als der Häuptling 
Tharley Dido, durch das Emporblühen seiner Stadt 
ermuthigt, versuchte, sich eine gleiche Stellung wie 
Bell und Aqua zu erringen. Das Resultat war, 
daß er von den vereinigten Bells, Aquas, Preesos 
und Joss völlig geschlagen, seine Stadt vernichtet 
ind er selbst gefangen und unter aller Zustimmung 
zingerichtet wurde. Angesichts dieser Thatsachen 
vird Jedermann einräumen müssen, daß die unum— 
chränkte Herrschaft König Bell und König Aqua 
nach Gesetz und Recht gehört. Ich hebe dies ge— 
ade deßhalb besonders hervor, als wiederholt in 
englischen Zeitungen Gewicht darauf gelegt worden 
st, daß der Häuptling Preeso, am rechten Ufer des 
xamerun ansaͤssig, den Verrtrag mit uns nicht 
unterschrieben und dadurch seine völlige Freiheit 
und Unabhängigkeit behalten habe. Die Thatsache, 
daß er nichts unterschrieben hat, da er derzeit von 
Kamerun abwesend war, ist an sich zwar richtig, 
hat aber weiter durchaus keine praktische Bedeu— 
tung, da Preeso von jeher unter der Botmäßigkeit 
don König Bell gestanden hat, was gewiß Jeder, 
der nur einigermaßen mit den Kamerun-Verhält: 
nissen vertraut ist, ohne Zögern wird zugeben 
müssen. 
Wenn heutigen Tags auch King Bell als der 
bei weitem mächtigste und am meisten gefürchtete 
König gilt, so war dies doch in noch größerem 
Maße der Fall mit dem Großvater des jetzigen 
Zing Aqua. Derselbe soll ein herkulisch gebauter 
Neger gewesen sein, einen großen Stklavenhandel 
detrieben und aus bloßem Blutdurst seine Kriegs- 
andes ausgeschickt haben, um nur Leute für eine 
Hinrichtung, ein Lieblingsschauspiel für seine Weiber 
und seine Unterthanen, zu bekommen. Wenn diese 
zrausamen Schauspiele auch bis jetzt noch nicht 
janz aufgehört haben, so gebührt namentlich der 
Thätigkeit der Baptist Missionary Society, vor 
illem dem verstorbenen Rev. Saker, das Verdienst, 
die Leute zu humaneren Ansichten bekehrt zu haben. 
Durch den Einfluß der Mission und dadurch, 
daß die Sklaven sich direkt am Handel mit den 
Furopäern betheiligten, konnte es nicht ausbleiben 
»aß die ursprüngliche Heiligkeit des Egbo und 
Mungo stark erschüttert wurde und die Sklaven 
»urch den Verkehr mit den Europäern immer mehr 
nach Unabhängigkeit und Freiheit strebten. Auf der 
inderen Seite trachteten die Bewohner des Hinter— 
andes darnach, direct mit den Europäern in 
»andelsverbindung zu treten, und so geriethen die 
dualla zwischen zwei Feuer. Die Autorität der 
däuptlinge begann zu wanken und dies führte zu 
ser von den Kamerun- Häuptlingen im eigenen 
Interesse nachgesuchten und auch stattgefundenen 
Abtretung ihrer Hoheitsrechte an das Deutsche 
Keich. 
Für die Ausbeutung des noch unerschlossenen 
roßen und volkreichen Hinterlandes ist es von der 
illergrößten Wichtigkeit, in unmittelbaren Verkehr 
nit den Bewohnern desselben zu treten, um den 
ür beide Theile hindernden und kostspieligen Zwi— 
chenhandel zu beseitigen, wobei durchaus nicht aus— 
geschlossen ist, daß die Kamerun-Leute in irgend 
iner Weise Verwendung finden können; sie werden 
»ielmehr bei den nach dem Innern vorgeschobenen 
Faktoreien nützliche und nothwendige Dienste leisten 
oönnen. 
Bisher war die Errichtung von Faktoreien in 
zomanoh, Mungo, Abo Wourie und Budiman 
eitens der Kamerun⸗-Leute nicht gestattet, und wenn in 
sommerzieller Beziehung überhaupt jetzt vorgegangen 
werden soll, so bleibt nach meinem Dafürhalten den 
am Handel betheiligten Firmen nichts anderes übrig, 
als ihre Zweigniederlassungen baldmöglichst dorthin 
vorzuschieben, um mit diesen so volkreichen Gegenden 
in unmittelbaren Verkehr zu kommen. Ohne Zweifel 
muß derselbe eine ganz ungeahnte Ausdehnung ge— 
vinnen, da die Bewohner des Hinterlandes nicht minder 
varnach streben, den Zwischenhandel zu beseitigen. 
Daß dies zugleich ein neues und sehr großes Ab— 
atzgebiet für die Erzeugnisse deutscher Gewerb⸗ 
hätigkeit schaffen und die schon vorhandenen be— 
zeutend vergrößern wird, liegt auf der Hand. Daß 
ie Europäer an der Küste verharren und auf ihre 
dosten den Bewohnern derselben den einträglichen 
und bequemen Zwischenhandel mit den Hinter⸗ 
völkern auch ferner überlassen sollen, wäre einfach 
ein Stillstand und damit ein Rückschritt. Mit diesem 
Brundsatz kommen wir in Kamerun ganz gewiß 
nicht viel weiter, sondern hier muß es heißen: 
Vorwärts uach dem Innern“ 
Vermischtes. 
F (Ein werthvoller Stimmzettel.) 
Aus Bretten wird geschrieben: In Flehingen 
dat ein Handelsmann statt dem Wahlzettel eine 
HDandschrift über 50 Mk. in die Urne gelegt, welche 
den Wahlakten angeheftet wurde. Der Handels— 
mann wollte, nachdem er seinen Irrthum gewahr 
purde, die Handschrift gegen einen Wahlzettel um— 
tauschen, welchem Verlangen vom Wahlvorstand 
nicht willfahrt wurde, dagegen gab er ihm eine 
beglaubigte Abschrift. 
F (Mormonen in Nürnberg.) Die 
Nürnberger Ehefrauen und töchterbesitzenden Väter 
haben einen großen Sieg davongetragen. Ein speku— 
ativer Kopf hatte, aus welchem Grunde ist unbe— 
kannt, die Stadt des Pfefferkuchens und Gänse— 
männcheus als günstigen Boden für die Lehre der 
Heiligen vom Salzsee angesehen und sich durch 
versuchte „Ansiedlungen“ hübscher Nürnbergerinnen 
ins Zeug gelegt. Neuerdings nun hat sich das 
Staatsministerium des Innern veranlaßt gesehen, 
den Mormonen-Emissär Francis Marion Lyman 
don Proda (Utah), der sich in Närnberg aufhielt, 
aus Rücksicht auf die öffentliche Wohlfahrt auf 
hrund des Art. 50 Abs. 2 des Gesetzes über Hei— 
nath, Verehelichung und Aufenthalt aus dem König- 
ceiche auszuweisen. 
F Einen eigenthümlichen Fall von Erblin-— 
Rung hat der fürstliche Augenarzt Herzog Karl 
Theodor im Distriktskrankenhause zu Tegernsee 
onstatirt. Der Betreffende, noch in den besten 
FJahren, war sehr vollblütig und bekam häufig 
sKasenbluten. Nun blieb dies in den letzten Monaten 
rus, was zur Folge hatte, daß eine kleine Arterie 
prang und das Blut auf die Sehnerven drückte, 
o daß innerhalb drei Mal 24 Stunden eine leider 
inheilbare Erblindung eintrat. 
F Auf eine orginelle Idee ist ein im Often 
Berlhins wohnender Restaurateur gekommen. Der⸗ 
elbe hat seit einiger Zeit in seinem Lokale ein 
Plakat angebracht, auf dem er seinen Gästen an— 
zeigt, daß sie bei Entnahme von Speisen und Ge— 
ränken gratis rasirt werden. Die Folge ist, daß 
enes Lokak shon in den Morgenstunden besonders 
Sonnabends und Sonntags stark frequentirt wird 
und die Kellner, sämmtlich gelernte Barbiere, voll⸗ 
auf zu thun haben. Da es nicht möglich ist, so⸗ 
'ort den Wünschen aller Gäste gerecht zu werden, 
'o iieht sich die Mehrzahl veranlaßt, beim Glase 
Bier zu warten, bis die Reihe an sie kammt. 
F Ueber den schnellsten Eisenbahnzug 
der Welt wird mitgetheilt, daß, entgegengesetzt 
der Ansicht, nicht die englischen Zuge am schnellsten 
'ahren, sondern der Expreßzug Pest — Paris die 
zrößte Fahrgeschwindigkeit hat. Derselbe legt in 
der Stunde 105 Kilometer, also etwas über 14 
Meilen zurück. Es sind für diesen Zug eigene 
Maschinen mit drei Cylindern gebaut. Der Haupt⸗ 
ylindern liegt unter der Rauchkammer. Die Waggons 
dieses Zuges haben bedeutend länger gestreckte Federn, 
um das Stoßen abzuschwächen. Es folgt alsdann 
ils zweitschnellster Zag der Jagdzug Berlin — 
Lehrte — Paris mit 95 Kilometern in der Stunde, 
ind der Schnellzug Berlin⸗Dresden, weicher Morgens 
7 Uhr 45 Minuten den Anhalter Bahnhof verläßt 
und 10 Uhr 41 Minuten in Dresden eintrifft. 
Derselbe durchfährt 75 Kilometer in der Siunde. 
Die amerikanischen Schnellzüge legen durchschnittlich 
nur 62 Kilometer in der Stunde zurück. Es liegt 
dies nicht an der Construction der Maschinen, sondern 
an dem mangelhaften Unterbau der amerikanischen 
Bahnen, der ein schnelleres Fahren nicht gestattet. 
F Eine Weltausstellung, welche aus Anlaß des 
100jährigen Gedenktages der französischen Revolution 
m Jahre 1809 in Paris abgehalten werden 
osl, ist grundsätzlich bereits beschlossen und wird in 
dürze durch den Präsidenten der Republick ange— 
ordnet werden. Die Wahl des Platzes ist noch 
nicht endgiltig erfolgt. doch scheint das Marsfeld 
dazu ausersehen zu sein. 
F Das französische Evolutionsgeschwader 
des Mittelmeeres ist wieder nach Toulon zurückge— 
kehrt; die Choleragefahr gilt also als beseitigt. 
F Unter den Einjährig-Freiwilligen, 
die jetzt bei den Berliner Garde-Infanterie-Regimentern 
ingestellt sind, befindet sich, wie ein Berichterstatter 
—FZ