Full text: St. Ingberter Anzeiger

dieses gräßliche Verbrechen zu größerem Eifer an⸗ 
efeuert, verdoppelte die Polizei ihre Anstrengungen und 
ndeckte am nämlichen Abend eine geheime Druckerei, 
in welcher eine Masse von Briefen vorgefunden 
wurde, die zwischen den Terroristenchefs gewechselt 
vorden. Die Dokumente offenbarten die Thatsache, 
daß ein Plan für einen allgemeinen Bauernaufstand 
in Klein⸗Rußland gebildet worden. —A 
enthüllten auch ein CTomplott, einen Angestellten der 
kaiserlichen Bäckerei zu bewegen, das für die kaiser⸗ 
liche Familie bestimmte Brod mit Strychnin zu 
vergiften. Zahlreiche Verhaftungen sind vorgenommen 
vorden. Die Namen der Möorder Sobioleff's sind 
der Polizei bekannt, und ihre Verhaftung dürfte 
nicht lange auf sich warten lassen. 
Flucht Ketschwayo's. Nach einer Mel⸗ 
dung aus Pietermaritzburg verließ der Zulukönig 
sdetschwayo am verflossenen Sonntag mit einem 
leinen Gefolge Ekowe in heimlicher Weise. Aber 
chon Tags darauf wurde er eingeholt und unter 
Misstärbedeckung zurückaebracht. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Ensheim. Der jüngst geschossene Bursch 
zat Hoffnung, mit dem Leben dadonzukommen. Der 
Thäter scheint glücklich nach Amerika entkommen zu 
sein. Obwohl die Revolverkugel den Magen durch- 
hohrt hat, ist es den Bemüͤhungen des Hrn. Dr. 
Bockhardt dennoch gelungen. den Schwerverletzten bis 
dato am Leben zu erhalten. (Pf. Zig.) 
— Am Sonntag fand zu Ommersheim 
eine von sämmtlichen Kalklieferanten der hiesigen 
Gegend besuchte Versammlung zur Berathung über 
Wahrung ihrer Interessen gegenüber dem Submis⸗ 
sionsunwesen Statt. Es wurde eine allseitig be— 
friedigende Einigung erzielt. 
—Die Ziehung der Kaiserslauterer 
Kirchen daulotterie ist nunmehr definitiv auf 
den 17. April d. J. festgesetzt. 
—Die Inspizirung des Straßen⸗, Brücken⸗ 
und Wasserbauwesens in der Pfalz im Jahre 1884 
ist dem igl. Oberbaurathe Heuser übertragen 
worden. 
Vermiischtes. 
Nürnberg, 29. Januar. Die hiesige 
Polizei ist einer Falschmünzerei auf die Spur 
jekommen. Der Hauptschuldige, Ingenieur Keerl 
iebst Frau, ist in Neuhaus, an der Nürnberg⸗Bay⸗ 
euther Bahn, verhaftet worden. 
FHof s28. Januar. Im benachbarten Christus. 
grün ist eine im September 1888 nach Brasilien 
ausgewanderte Familie wieder heimgekehrt, nachdem 
sie anstatt des gehofften Eldorado nur Jammer und 
Flend vorgefunden. Hunderte von Landsleuten 
—X Zurückgekehrten mit 
Schmerzen der Gelegenheit harren, die auch sie 
wieder in die alte Heimath bringt. 
F Die Söldnerstochter Barbara Spatz von 
Schwabmünchen hat an den Stadtmagistrat in 
Augsburg geschrieben, daß sie sich nicht unter den 
don Hugo Schenk ermordeten Frauenzimmern be—⸗ 
inde; sie sei mit dem Buchhandlungsreisenden Benno 
Ronchay von Königsberg verlobt gewesen, den sie 
aber nicht geheirathet habe. Dermalen befinde fie 
sich ganz wohl in einem Dienste zu München. Die 
Schreiberin ersuchte, dies bekannt zu geben, damit 
e wieder unter den Lebenden erscheine. 
4 Am Dienstag Nachmittag wurde der noch 
jugendliche Bergarbeiter Friedrich Müller von Wie⸗ 
zerskrrchen bei semer Arbeit im Kohlwald⸗ 
Schachte von herabfallenden Felsmassen getöodtet. 
FGellampencontraselektrisches 
Licht) Aus Stuttgart wird dem „Berl. 
Tagebl.“ geschrieben: Wer hätte wohl gedacht, daß 
Fie alten, trüben, blakenden Oellampen dem im 
trahlenden Glanze schimmernden elektrischen Lichte 
gegenüber noch einmal wieder zu Ehren kommen 
Fürden? Und doch ist dem so. Die Mitglieder 
der Kapelle unseres Hoftheaters, das seit dem Herbst 
lektrisch beleuchtet ist, wollen von der Neuerung 
nichts wissen. Sie haben an den Vorstand der 
Hofbühne eine Eingabe gemacht, in welcher über 
Fas elelirische Licht Klage geführt wird, weil es 
inmal dadurch, daß es nicht für jedes Notenpult 
e nach der Sehkraft der Spielenden besonders re⸗ 
Julirt werden kann, dann, weil es vermöge seiner 
Zrellheit die Kopfnerven der Musiker angreift und 
sie blendet, besonders beim Ausschauen nach dem 
Zapellmeister, eine Reihe von Mißstünden gegenüber 
der früheren Beleuchtung mit Oellampen bietet. 
Mar erwartet die Berufung einer Kommission von 
Sachverständigen (Augenärzte und unbetheiligte 
Musiker), um jene Klage auf ihre Begründung zu 
intersuchen. 
F Darmstadt. Als ein Zeichen der Zeit ver⸗ 
zient registrirt zu werden, daß, wie man hört, ein 
sjier etablirt gewesenes, nun fallit gewordenes 
Waarenabzahlungsgeschäft mit einer Baareinlage 
»on 22 Pfg., sage zweiundzwanzig Pfennigen, be— 
sjonnen wurde und der Geschäftsinhaber es verstan⸗ 
»en hat, Dank der übertriebenen Creditgewährung 
nnerhalb drei Monaten Schulden im Betrage von 
18,000 Mark zu contrahiren. (D. T. Anz.) 
FeFrankfurt, 31. Januar. Das Telephon 
m Gerichtssaal. In einer Wechselklage bestimmte 
jgestern der Gerichtshof, um die vom Beklagten be— 
ibsichtigte Verschleppung des Prozesses zu vereiteln, 
»aß der Prozeß innerhalb einer halben Stunde zu 
Ende geführt werden müsse und normirte einen 
jom Kläger innerhalb der angesetzten Frist zu lei— 
tenden Eid. Der Anwalt des Klägers lief nun 
n sein ganz in der Nähe befindliches Bureau, tele⸗ 
»honirte an seinen Clienten, kam nach 5 Minuten 
jzurück und meldete die Annahme des Eides und 
»as alsbaldige Erscheinen des Klägers. Derselbe 
»etrat nach 10 Minuten den Sißungssaal, schwur 
ilsbald den Eid und der Prozeß war zu Ende. 
F Rüdesheim, 29. Jan. In den nächsten 
Tagen wird mit den Vorarbeiten zum Bau der 
zZahnradbahn begonnen werden. Regierungsbau⸗— 
neister Peters aus Berlin, welcher den Bau leiten 
vird, sowie die dabei betheiligten Ingenieure C. Francke 
ind H. Schröder haben bereits hier Wohnung ge— 
rommen. Der Ankauf der Grundstücke ist durch 
Lermittelung des Herrn Bürgermeisters a. D. Sahr⸗ 
jolz in beiderseits befriedigender Weise rasch erfolgt. 
F Vom Niederwalddenkmal schreibt die 
Zerliner „Post“: Seit einiger Zeit ist bei den 
mm Januar stürmenden Westwinden dem Wächter 
des Niederwalddenkmals ein merkwürdiges Summen 
ind Tönen zu Ohren geklungen, welches ihm, so⸗ 
vie einigen Wintertouristen lange eine unerklärliche 
Erscheinung blieb. Man vermuthete, es sei das 
Zrausen des Windes im wallenden Haar der Ger— 
nania, oder das Pfeifen in den Zinken, der hoch 
erhobenen Kaiserkrone; auch fing man an zu fürchten. 
zaß unter dem gewaltigen Drucke des Sturmes die 
ragende Erzfigur ins Schwantken gerathe. Allein 
nichts von alledem. Die Kolossalstatue ist so muster⸗ 
jaft balancirt und ihr rechter Arm trotz seiner fürs 
Luge so leicht scheinenden Haltung in solchem Maße 
isenfest gearbeitet, daß nicht die leiseste Schwing⸗ 
ing wahrgenommen werden konnte. Dagegen hat 
ich herausgestellt, daß nur ein einziges, vomn Monu⸗ 
nent frei in die Luft hängendes Gebild dieses 
vunderbare Getöse hervorzubringen geeignet sei: es 
st das 16 Zentner schwere Flammenschwert der 
Figur des Krieges, weiches zur linken Seite des 
ziedestals der Germania postirt ist. — Wäre unsere 
zeit noch abergläubisch, sie würde geneigt sein, in 
em Summen des klingenden Erzes die sicheren 
Vahrzeichen eines nahen Krieges zu erkennen. 
In Bonn wurde am 24. d. am Amtsge⸗ 
icht in dem Konkursverfahren gegen einen Gruben⸗ 
esitzer, dessen Passiva sich auf 100,000 Mt. be⸗ 
aufen sollen, ein Zwangsvergleich zu — ein 
Prozent abgeschlossen. 
x In Elberfeld ist festgestellt worden, daß 
)er in Hamburg verhaftete Schriftsetzer F. Aug. 
steinsdorf, welcher unter dem Verdacht steht, am 
29. Oktober v. J. das Dynamit⸗Attentat in Frank⸗ 
urt a. M. verübt zu haben, nach den neuerdings 
ermittelten Thatsachen jenes Verbrechen wohl nicht 
»egangen haben kann. Reinsdorf arbeitete nämlich 
m Sommer v. J. in einer Elberfelder Buchdruckerei 
inter dem falschen Namen „John Penzenback aus 
galtimore“, erkrankte daselbst, erhielt am Vormittag 
des 29. Oktober in einer dortigen Druckerei aus 
der Centralkasse für Buchdrucker 14 Mk. ausbezahlt 
und begab sich alsdann am Mittag nach Barmen 
zu dem dortigen Vorsteher dieser Kasse, um sich 
seine Papiere zur Abreise zu holen. Wenn Reins⸗ 
vorf wirklich am Mittag noch in Elberfeld war, 
so konnte er sich um 6 Uhr Abends, als das Ver⸗ 
hrechen begangen wurde, nicht in Frankfurt a.M. 
hefinden. 
Gleiwitz, 24. Januar. (184 Jahre 
unschuldig im Zuchthause gesessen.,) 
Die erste diesjährige Schwurgerichtsperiode unter 
dem Vorsitz des Landgerichtsraths Wagner von 
jier beschäftigte sich gestern mit folgender Anklage: 
im 22. April 1882 wurde der Einlieger Andreas 
aiok aus Ostroppa vom hiesigen Schwurgericht 
vegen wissentlichen Meineids zu zwei Jahren Zucht 
Jaus verurtheilt. Die Beweisaufnahme gestaltete 
ich damals so ungünstig für den Angeklagten, daß 
ein Offizial⸗Vertheidiger, der inzwischen verstorbene 
Fustizrath Hennitg, auf die Vernehmung einiger 
ẽntlastungszeugen verzichtete. Der Stiefbruder dee 
Angeklagten nämlich, Georg Baron, hatte eidlich 
nusgesagt, daß Hajok als Zeuge in einem Prozeß 
vissentlich einen Meineid geleistet, indem er bekun— 
hdet hatte, beim Verkauf seiner Besitzung an ihn, 
»en Stiefbruder, sei ausbedungen worden, er, Baron, 
nüsse seiner Stiefmutter Ulta Baron einen Auszug 
jewähren und der Auszügler den Acker unentgeltlich 
»ebauen und die Feldfrüchte einernten. Da Hajok 
n Folge dieser Aussage verurtheilt wurde, strengte 
zaron nunmehr einen zweiten Prozeß gegen seine 
5tiefmutter um Freigabe des Auszuges an. Das 
Iberlandesgericht in Breslau hatte sich am 24. 
Lugust v. J. mit dieser Klage zu beschäftigen und 
ntschied nach Anhörung von Entlastungszeugen des 
»ajok, Baron sei mit seiner Klage abzuweisen, da 
ꝛer Einlieger keinen Meineid geschworen habe. Die 
Viederaufnahme des Verfahrens erfolgte, und gestern 
ourde der Mann, der so lange Zeit unschuldig im 
zuchthause zugebracht hatte, freigesprochen. Baron 
iel in Ohnmacht bei seiner Vernehmung und ver— 
bickelte sich in Widersprüche bezüglich seiner früheren 
ind jetzigen Zeugenabgabe. 
(Seltener Schwurgerichsfall.) Unter 
er Anklage eines schweren Sittlichkeitsverbrechens 
atte sich am Montag ein Herr vor dem Schwur— 
jericht des Landgerichts J. zu Berlin zu verant— 
vorten. Die Beweisaufnahme fiel derartig zu 
hunsten des Angeklagten aus, daß jedermann mit 
zuversicht die Freisprechung desselben erwartete 
leberraschender Weise fällten jedoch die Geschworenen 
hr Verdict auf Schuldig unter Annahme mildernder 
Imstände. Dies Verdict ist vom Gerichts- 
ofe nicht acceptirt worden, derselbe machte 
zielmehr von vem 8 317 der Strafprozeßordnung 
vebrauch, welcher lautet: „Ist das Gericht einstim⸗ 
nig der Ansicht, daß die Geschworenen sich zum 
dachtheile des Angeklagten geirrt haben, so ver— 
deist es durch Beschluß ohne Begründung seiner 
Unsicht die Sache zur neuen Verhandlung vor das 
-„chwurgericht der nächsten Sitzungsperiode.“ Auf 
yrund dieser Bestimmung hat der Schwurgerichts⸗ 
jof das Verdict aufgehoben, die Sache dem nächsten 
S„chwurgericht zur anderweiten Entscheidung zuge⸗ 
viesen und den Angeklagten sofort auf freien Fuß 
zesetzt. 
F Gohe Jagdpacht.) Wie begehrt die 
Jagden in der Nähe von Berlin sind, kann man 
daraus ersehen, daß für die Ausübung der Jagd 
auf dem kaum 1000 ba umfassenden Gebiete der 
Hemeinde Hohenneuendorf, das im nächsten Monat 
zur Verpachtung kommt und bisher für jährlich 
500 Mk. verpachtet war, bereits 2000 Mk. ge⸗ 
‚oten sind. 
(Ausweisung.) Aus Posen wird berichtet: 
„Der Socialdemokrat Stud. med. Mendelsohn iß 
jach Verbüßung der ihm zuerkannten Gefängniß 
trafe in Ploötzensee bei Berlin in voriger Woche 
don dort hierher geschafft unb alsdann am 28. d. 
M. als lästiger Ausländer über die preußisch 
russische Grenze ausgewiesen worden. 
Geichsgerichts-Entscheidung,) 
teim Wechselprozeß kann der Beklagte nach 
einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Civilserat, 
dom 14. November 1883 Einreden aus der 
ßerson des Indossanten auch gegen den als Wech 
elgläubiger klagenden Indossatar geltend machen, 
venn thatsächlich der Indo ssatar als eine vor⸗ 
geschobene Person im Jnteresse und für RKech 
iung des Indossanten klagt und, obgleich er im 
daufe des Prozesses die von dem Beklagten geger 
den Indossatar in Anspruch genommenen Einreden 
erfährt, die Klage aufrecht erhält. 
Der Wiener Mannergesangvberein 
Jat die Einladung zu einer Sommerfahrt nach 
Frankfurt a. M. angenommen. 
pEin empörendes Schauspiel bot sich am Frer 
ag Nachmittag dem im Baumgarten bei Pra 
ich ergehenden Publikum dar. Eine große Anzah 
unger „vornehmer Herren“ war hinausgefahren 
ind hatte sich auf das Feld hinter dem Viaduc 
zegeben, wo die Diener der „Herren“ aus einen 
Zack Katzen losließen, auf welche dann die Herren 
hunde der vornehmen Herren gehetzt wurden. Eine 
datze nach der anderen wurde, wie die Pragel 
Nontags⸗Revue berichtet, unter dem Halloh dei 
affnunasvollen goldenen Jugend von den Hunden