Full text: St. Ingberter Anzeiger

Presse anläßlich des Ausfalls der Reichstagswahlen 
in Elsaß⸗Lothringen ist es denn doch geboten 
darauf hinzuweisen, daßz man die Sprache der 
Presse mit der witklichen Stimmung des Landes 
nicht verwechseln darf. Wir leben namentlich hier 
in Paris unter dem Einflusse einer vollständigen 
Preßfreiheit, was zur Folge hat, daß die neu ent⸗ 
standenen Organe die Backen sehr voll nehmen 
müssen, damit man sie aus der Menge der alten 
heraushört. Man wird daher die leidenschaftliche 
Sprache der am heftigsten schreienden Blätter auch 
dom Standpunkte der herrschenden schrankenlosen 
Concurrenzfreitheit hetrachten müssen. Zwischen der 
durch diese Blätter, welchen sich vorübergehend auch 
einige ältere Blätter zugesellen, erzeugten scheinbaren 
zffentlichen Meinung und der wirklichen Stimmung 
der eingesessenen Bürgerschaft ist ein himmelweiter 
Unterschied. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß 
sich in den Beziehuungen der Hauptstadt zu den 
Departements seit 187071 ein bedeutungsvoller 
Umschwung vollzogen. Das Land hat sich von 
dem bestrickenden Einfluß der Hauptstadt befreit 
und es gilt nicht mehr unumstößlich für Frankreich, 
was Patis beschlossen hat. Die große Sphinr ist 
entthroͤnt und das Land fängt an selbständig zu 
denken. Man frage doch einen Provençalen oder 
Bretonen, wit er über die Elsaß-Lothringer denkt 
ind man wird fast immer die Antwort erhalten: 
ßZap! ls sont de race allemande! 
Deutsches Reich. 
Berlin, 5. Nov. Der Kaiser verbrachte den 
Nachmittag und Abend im Arbeitszimmer, wo er 
zAlein arbeitete. Der Monarch, dessen Befinden 
zufriedenstellend ist, speiste mit gutem Appetit. 
Ausland. 
Paris, 5. Novr. Das „Journal des Debats“ 
meldet: Die Regierung traf mit der Compagnie 
naritime ein Abkommen wegen des Transportes 
»on 5000 Mann nach Tongking. 
Haag, 5. Nov. Nach dem jetzt feststehenden 
Resultat der Senatswahlen befinden sich in demselben 
26 Liberale, 13 Antiliberale. 
Kairo, 4. Nov. General Wolseley ant⸗ 
wortete auf das Ersuchen Baring's um Auskunft 
aäber die den Fall Khartums betreffenden Gerüchte, 
er habe durch Wilson eine vom 2. Navember 
datirte Depesche des Majors Kitchener erhalten, 
welche durch einen Boten aus Shendy überbrachte 
Nachrichten euthalte, nach welchen der Mahdi mit 
tarken Streitkräften nach Omburman gekommen 
ei und Gordon zur Entscheidung aufgefordert 
habe. Gordon habe geantwortet, er werde Khartum 
noch 12 Jahre halten. Darauf habe sich der 
Mahdi ohne Gefecht nach Emmek, eine Tagereise 
südlich von Kßartum, 12 Stunden vom Nil, zu⸗ 
rückgezogen. Man glaube, der Mahdi werde Gordon 
dorläufig nicht angreifen. (Trotz aller Ver⸗ 
tuschungsversuche der englischen Staatslenker erhält 
sich das Gerüst von dem Falle Khartums und der 
Hefangnahme Gordons doch aufrecht.) 
New-Yort, 5. Nov. Nach den letzten Be— 
richten ist es zweifellos, daß Blaine und Logan eine 
Majorität pon 3000 Stimmen in New-NYork haben. 
Die Wahl New-Yorks entscheidet über die Präsi- 
dentenwahl. Demnach scheint es sicher, daß Blaine 
‚um Präsidenten und Logan zum Vicepräsidenten 
gewählt werden wird. — Weitere Einzelteerichte 
ergeben für Blaine eine Majorität von 10000 
Sltimmmen im Staate New-Pork. Die republika— 
aischen Journale behaupten, Cleveland werde doch 
—XVVV 
Zokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 7. Nov. Wie bereits 
früher an dieser Stelle mitgetheilt, findet morgen 
(8. Nov.), Vormittags 9 Uhr im Oberhauser'schen 
Saale dahier die diesjährige Herbstkontrollversamm- 
ung statt. Dieselbe gilt für sämmtliche Kontroll- 
»flichtigen aus den Buͤrgermeistereien St. Ingbert, 
Ensheim, Rohrbach und Ommersheim. 
* St. Ingbert, 7. Nov. Die angenehme 
Witterung der letzten Zeit brachte in der Pflanzen⸗ 
welt manche, sonst im November seltene Erscheinung 
zur Entwickelung. So wurden uns heute mehrere, 
im Freien gepflückte, schön ausgebildete Erdbeeren 
zezeigt. — Die laue Luft mag wohl auch ver— 
schuldet haben, daß ein in der Hitze des Wahl⸗ 
gefechtes am 28. Oktober im Waͤhllokale des III. 
Wahlbezirkes hängen gebliebener Ueberzieher bis 
»tzt abzuholen vergessen wurde. Vielleicht bringen 
diese Zeilen denselben dem Eigenthümer wieder in 
Frinnerung. 
* St. Ingbert, 7. Nov. Die Vorberei⸗ 
ungen zu dem nächsten Sonn⸗ und Montag statt⸗ 
indenden Kirchweihfeste nehmen gegenwärtig unsere 
dausfrauen fast ausschließlich in Anspruch. In 
zleichem Grade beschäftigt sind Metzger, Bäcker und 
Wirthe zur Beschaffung der Mittel, um Hunger 
ind Durst zu stillen. Hoffentlich hält auch die 
jelinde Witterung noch über die Kirchweihtage an; 
in zahlreichem Besuche dürfte es unserer Stadt 
zann wohl nicht fehlen. 
*— In einer am Dienstag stattgehabten Sitzung 
hefaßte sich der Stadtrath zu Zweibrücken u. A. 
auch mit der im Unterhaltungsblatte der „Zw. 3.“ 
angeregten FeierdesbOOjährigen Jubiläums 
des Ueberganges der Grafschaft Zweibrücken 
an Kurpfalz. Die Beschlußfassung hierüber erläßt 
der Stadtrath seinem Nachfolger. Die Besprechung 
des Gegenstandes ließ jedoch erkennen, daß für den— 
elben im Kollegium fast keine Sympathieen vor— 
janden sind. Auf Grund von Notizen eines Fach— 
mannes bemerkte Herr Bürgermeister Märker, daß 
man eigentlich im Zweifel sei, wann man eventueil 
feiern solle, da Eberhard, der letzte Graf von Zwei— 
hrücken, nach dem Verkauf (Jan. 1885) woch bis 
1394 die Grafschaft als Lehen innegehabt, der 
hatsächliche Uebergang erst nach Eberhards Tod 
1394 erfolgt sei. Dann wurde betsnt, daß wir 
a erst vor 4 Jahren das 700jährige Wittelsbach— 
Jubiläum in größerem Stil begangen hätten. 
leberhaupt drängten sich die Feste zu sehr. Es 
rhob sich auch das Bedenken, ob der Verkauf eines 
zdandes überhaupt ein würdiger geschichtlicher Anlaß 
u einer Jubiläumsfeier sei, und auf das für 1910 
n Aussicht stehende 500jährige Jubiläum des Her⸗ 
ogthums Zweibrücken hingewiesen. Der Stadtrath 
esprach ferner auch die in der „Zw. Z.“ ange— 
egte Frage der Aufhebung des Schulgeldes. 
luch hiefür gab sich wenig Neigung kund. Das 
schulgeld beziffert für Zweibrücken einen Reinertrag 
nron ca. 4200 Nk.; diese müßten nach Aufhebung 
)es Schulgeldes durch Erhöhung der Umlagen anf— 
jebracht werden. 
F Beim Herannahen der Weihnachtszeit, 
wo jeder Familienvater mit sich zu Rathe geht, wie 
er seinen Angehörigen eine unverhoffte Freude be— 
eiten kann, halten wir es für unsere Pflicht, das 
Publikum auf die Pfälzische Aussteuer— 
Unstalt aufmerksam zu machen. Diese Anstalt, 
velche vor mehreren Jahren durch Herrn Regie— 
rungspräsident v. Braun ins Leben gerufen 
wurde, hat sich zum Zweck gesetzt, die Verheirathung 
und Gründung einer selbstständigen Existenz für 
Mädchen und junge Männer dadurch zu begünstigen, 
daß sie den Theilhabern auf dem Wege einer all— 
ährlich zu veranstaltenden Verloosung für den Fall 
der Verheirathung ein kleines Kapital von 300 Mt. 
zur Verfügung stellt. Dies soll in folgender Weise 
;rreicht werden. Jedes Mitglied zahlt jährlich einen 
Zeitrag von 3 Mk. Aus sämmtlichen Beiträgen 
verden nach Abzug der unbedeutenden Verwaltungs⸗- 
osten Gewinne von je 3 Mk. gebildet, sodaß auf 
e 100 Theilnehmer durchschnittlich ein Gewinn 
»on 300 Mk. trifft. Um jedoch den Zweck, welchen 
ie Anstalt sich gesetzt hat, auch wirklich zu er⸗ 
eichen, zahlt sie die Gewinne nicht sofort aus, 
ondern deponirt sie bei einer öffentlichen Sparkasse 
nit Zins und Zinseszins, bis die Person, welche 
)»en Gewinn gemacht hat, sich verheirathet oder das 
10. Lebensjahr erreicht. Es können also alle Un— 
yerheirathete, welche noch nicht 40 Jahre alt sind, 
in der Anstalt Theil nehmen. Die Verloosung 
der Gewinne findet an Weihnachten statt. 
— Der ständige Ausschuß der pfälzischen 
ßeneralsynode ist zu seiner diesjährigen 
ordentlichen Jahresversammlung auf Montag den 
24. ds. Mis. nach Spehyer einberufen. 
— Am 30. ds., als dem 1. Sonntag des 
Advents, wird in ven pro test. Kirchen der Pfalz 
ine Kollekte für den Bau eines neuen Pfarr— 
‚auses in St. Julian im Dekanate Kusel er— 
soben werden. 
P Schnappach, 6. Nov. Schon seit 
nehreren Jahren gingen die Bewohner auf Schnap⸗ 
zach mit dem Plane um, dahier einen eigenen 
dirchhof zu errichten. Nach vielen und harten 
Mühen ist es endlich soweit gekommen, daß dies 
Frojekt jetzt verwirklicht ist. Dadurch wurde einem 
zroßen Mißstande dahier abgeholfen. Der neue 
dirchhof befindet sich an der Straße, von hier nach 
zt. Inabert rechts oberhalb der Maschinengebäude 
des kgl. bayer. Bergamtes. Zwischen Straße und 
Bogelgesang). Er ist statt einer Mauer mit einem 
Lattenzaune umgeben, um welchen später eine so 
jenannte lebende Höhe gepflanzt werden soll. Ein 
chönes, gußeisernes Kreuz resp. Cruzifix schmüdt 
»en Kirchhof. Es stammt aus Niederbronn 
in Elsaß von der Firma Dietrich u. Cie. Es ist 
drachtvoll ausgeführt und ist genannte Firma für 
olche Leistungen sehr zu empfehlen. Das Kreuz 
elbst ist 5 m hoch. Der Christuskörper ist 1,50 m 
zroß und auf das Kreuz montiert. Der Sockel 
st gemauert, und mit sogenannten Grottensteinen 
umgeben, was sich sehr gut ausnimmt. Der Sockel 
elbst ist 1,70, mähoch, so daß das ganze Cruzisix 
die beträchtliche Höhe von 6,70 m erreicht. Di— 
Wosten für das Cruzifir, die Aufrichtung desselben, 
sowie für die Herstellung eines Thores wurden 
eitens der Bewohner von Schnappach bestritten. 
Das Cruzisix kostet 185 Mk. 52 Pf., wozu dann noch 
Unkosten für Sockel ꝛc. kommen, welche rund 70 M. 
detragen. Herr Direktor Bertram gab sich na— 
nentlich bei der Aufrichtung des Cruzifixes sehr 
»iele Mühe, wofür ihm die hiesigen Vewöhner zu 
Danke verpflichtet sind. — Die Einweihung des 
dirchhofes ist auf Sonntag, den 16. ds. Mts., 
Nachmittags um 2 Uhr festgesetzt. 
— Der Gemeinderath von Kirkel-Neu— 
häusel ist vor Kurzem bei höherer Behörde darum 
eingekommen, von dem Bürgermeistereiberbdande 
Zimbach losgetrennt zu werden, um sich ein 
eigenes Bürgermeisteramt zu gründen. Wie es 
sicheint, will man diese Angelegenheit noch vor der 
demnächst stattfindenden Gemeinderathswahl erledigt 
vissen, damit schon mit Beginn des Jahres 1885 
zjegebenen Falles diese Gemeinde ihre eigene selbst⸗ 
ständige Verwaltung habe. Die übrigen zur Bürger- 
meisterei Limbach gehörenden Gemeinden haben dem 
Vernehmen nach ihre Zustimmung zu jener Los⸗ 
srennung nicht gegeben, sodaß gemäß Art. 6 der 
Gemeindeordnung die Verbescheidung des betr. Ge— 
juches nicht hoher kgl. Regierung, sondern dem kgl. 
Staatsministerium des Innern nach Anhörung des 
ziuschlägigen Distriktsrathsausschusses zusteht. — 
Vor ungefähr 14 Jahren wurde seitens der Ge— 
neinde Kirkel-Neuhäusel ein gleiches Ansuchen ge— 
tellt, welches jedoch trotz der Zustimmung der üb— 
rigen Gemeinderäthe des Bürgermeistereibezirkes ab— 
zewiesen wurde. Man ist nun allgemein gespannt. 
ob diesmal der gestellten Bitte willfahrt wird, oder 
nicht. 
— Zweibrücken, 5. Nov. Der Beginn 
der Schwurgerichtsverhandlungen für 
das 1V. Quartal 1884 ist auf den 1. Dezember 
iestgesetzt worden; Herr Ooerlandesgerichtsrath 
Rössel wird dieselben präsidiren. 
— Zweibrücken, 6. Nov. Nächsten Diens— 
tag den 11. Nov. begeht unser hochgeschätzter Herr 
J. Stadtschreiber sein 50jähriges Dienst-Jubiläum. 
An dem besagten Tage werden es 50 Jahre, daß 
derr Wentzler als Stadtschreiber in die Kanzlei 
zes hiesigen Bürgermeisteramts eingetreten ist. Der 
greise Herr erfreut sich noch voller geistischer Frische 
ind einer beneidenswerthen körperlichen Rüstigkeit. 
— Kaiserslautern, 6. Nov. Das 
Herücht zirkulirt in der Stadt, Herr Sonnemann 
ei hier gewesen und habe über einen Liebesdienß 
interhandelt; es sollte die Volkspartei für Herrn 
Neumayer stimmen, die nat. lib. Partei dagegen 
hre Partei in Frankfurt veranlassen, für Herrn 
S„onnemann zu stimmen. Das Gerücht geht, wie 
jesagt. Wenn der demokratische Haupthahn in 
Frankfurt durchfällt, ist es für die deutsche Volls 
zartei allerding ein größerer Schlag, als wenn Hert 
Zrohe durchfällt. (K. 3) 
— Die Generaldersammlung des Evange 
ischen Kirchengesangvereines der Pfalz 
indet nicht am 9. November, sondern am Montag 
den 29. Dezember, Vormittags 10 Uhr, im Saal⸗ 
‚au zu Neustadt statt, da vielfach gewünscht 
vurde, es möchte dieselhe an einem schulfreien Tage 
ibgehalten werden. 
2Landau, 2. Nov. Auf dem Grabdenk 
nal des im Jahre 1849 in Folge kriegsgericht— 
ichen Spruches in einem Festungsgraben Landaus 
rschossenen bayerischen Artillerie-Offiziers Grafen 
Fugger lag auch äam gestrigen Allerheiligentage 
vie alljährlich, ein schöner, duftender Blumenstrauß, 
Seit 833 Jahren wird das Andenken des Ent 
chlafenen in dieser Weise von unbekannter Hand 
geehrt. 
— Der seit lange projektirte Verkauf der 9 
Bilardone'schen, frühet J. Kranzbühser'schen Buch