Full text: St. Ingberter Anzeiger

zerfleischt, wobei unter Anderem auch eine Katze 
einem Hunde ein Auge herausriß. Der abscheuliche 
Vorgang rief die Entrüstung der zahlreichen ge— 
ʒzwungenen Zuseher wach, aber eine Abhilfe war 
nicht möglich. Ist schon die Niedertracht der Arran⸗ 
geure dieses „Vergnügens“ nicht genug zu geißeln, 
so kann auch das Erstaunen über die Frechheit nicht 
bemeistert werden, mit welcher diese Menschen einen 
öffentlichen stark besuchten Garten nach ihrem Gut⸗ 
dünken und zu einer solchen Schändlichkeit benutzen. 
Paris, 29. Januar Vei Concarneau schlug 
während des Sturmes ein Boot um, in welchem 
der Artillerie-Capitän Halley die Küstenbatrerien 
inspiziren wollte; die sechs Insassen des Bootes er⸗ 
tranken sämmmtlich. — Im Hafen zu Brest wurde 
ein von 5 Mann geführtes Boot, das einen Leucht⸗ 
hurmwächter auf seinen Posten bringen sollte, durch 
eine auf dasselbe gefallene Platte getroffen und 
chlug um; nur zwei Personen wurden gerettet. — 
Zu Hallamas bei Lille wurde ein Mann durch 
eine stürzende Mauerwand zerschmettert. Zwischen 
Saint⸗Sulpice und Lariboissiere rissen sich gestern 
Abend halb 11 Uhr an einem Zuge 28 Waggons 
los, wurden durch Wind fortgetrieben und stießen 
auf einen Passagierzug; 14 Wagen wurden zer— 
trümmert, 11 verbrannten, da durch Petroleum⸗ 
lampen Feuer entstand. Drei Reisende wurden 
schwer verwundet. 
Paris, Der berühmte französische Volks⸗ 
dichter Beranger singt schon in einem seiner Lieder 
von dem „Paris, das voll von Gold und voll von 
Elend ist“ und dieser wahrhaft furchtbar zu nen— 
nende Gegensatz hat im Laufe der Zeit in der 
französischen Weltstadt noch größere Dimensionen 
angenommen. Dort wo sich die elegante und 
große Pariser Welt bewegt, auf den Corsos im 
Boulogner Wäldchen, auf den elyseischen Feldern 
den bevorzugten Promenaden, in der großen Oper, 
den eleganten Salons u. s. w., sieht man tagtäg— 
lich von einer vergnügungs⸗ und gefallsüchtigen 
Minderheit Millionen verschleudern, während in den 
Arbeitervierteln und den Massenquartieren verlasse— 
ner Frauen und Mädchen in Paris wohl fort⸗ 
während eine Million Menschen mit dem bittersten 
Elende ringen. Wir übertreiben nicht, denn es 
ist durch haarsträubende Thatsachen erwiesen, daß 
'n keiner Großstadt der Welt das sociale Elend 
in so ungeheueren Dimensionen auftritt wie in 
Paris. In Paris muß sich die öffentliche Mildthätigkeit 
ährlich 70,000 bis 80, 000 sage und schreibe siebenzig 
bis achtzig Tausend verlassener Kinder annehmen, eine 
Zahl, welche z. B. in Berlin, auch wenn man in 
Betracht zieht, daß Paris doppelt so groß ist als 
Berlin, nicht zum zwanzigsten Theil erreicht wird. 
Und da braucht man wohl weiter das soziale Elend 
in Paris nicht zu schildern, diese 70.000 Kinder, 
welche in jedem Jahre der Pariser Stadtgemeinde 
zjur Last fallen und meistentheils aus Noth oder 
Leichtsinn von ihren Eltern, resp. Müttern verlassen 
wurden, reden eine überzeugende Sprache mensch— 
lichen Jammers, der in der französischen Hauptstadt 
herrscht. — Gehen nun aber in Paris die Geschäfte 
gut oder doch leidlich, und hat das seiner Natur 
nach leichtsinnige Pariser Arbeitervolk in der Woche 
Brod und Arbeit und Sonntags Feste und Spiele 
oder geben großartige Feste der eleganten Welt 
oder sonstige Veranstaltungen den Pariser Volks⸗ 
nassen Beschäftigung und Zerstreuung, dann darf 
ich das Elend nicht an das helle Tageslicht wagen, 
sondern muß sich im dumpfen Keller oder die Dach⸗ 
slube verkriegen. Treten aber durch Arbeitsmangel 
und geschäftlichen Rückgang Nothstände in die Pariser 
Bedölkerung ein, dann drängt sich das ihr inne— 
wohnende Elend mit elementerer Gewalt in die 
Deffentlichkeit und die Brodfrage von hunderttausen⸗ 
den von Arbeitern und ihrer Angehörigen wird 
mit der Leidenschaft, die der Kampf um das Dasein 
einfloßt, zur politischen Diskussion gestellt und ent 
scheidet in Paris nicht selten über die politischen 
Geschicke von ganz Frankreich. Seit einigen Wochen 
defindet sich die französische Hauptstadt nun wieder 
einmal in jenem beängstigenden Stadium, wo die 
unteren Massen nach Brod schreien und verschlagene 
Intriguanten politisches Kapinal aus dem Nothstande 
zu schlagen suchen. Bereits beschäftigt sich auch 
die Deputirtenkammer mit der Nothstandsfrage und 
neben dreisten Anschuldigungen, daß die republi— 
anische Regierung an der Noth Schuld sei, erheben 
iich auch Klagen, daß die fremden, zumal die deut⸗ 
schen Arbeiter in Paris und die Concurrenz der 
wuswartigen Waaren das Elend verschuldet hätten, 
ner Klagen, die nicht zutreffen. da in Paris das 
oziale Elend in Folge der leichtfertigen Sitien und 
anderer eingebürgerten Zustände ein Erbübel ist 
und jedesmal, wenn durch Geschäftscalamitäten der 
Verdienst geringer wird, wie eine drohende Flamme 
emporschlägt. Auch mit communistischen oder alle 
brodlosen Arbeiter dauernd unterstützenden Maßregeln 
st nichts zu erreichen, das hat man bereits unter 
rüheren Regierungen in Paris erfahren. Das beste 
deilmittel bleibt immer eine einfache und praktische 
Maßregel, indem man dem schreiendsten Uebelstande 
durch einige Millionen begegnet, für einen Theil 
der Arheiter aber Arbeit schafft und die Demogogen 
einsperrt. Dazu wird sich auch die französische 
Regierung entschließen müssen, wenn die sozialen 
Wogen in Paris wieder beruhigt werden sollen. 
Dem grünen Tisch in Monaco sind in 
der vergangenen Woche, wie die Blätter Genuas 
nelden, nicht weniger als 5 Menschenleben zum 
Opfer gefallen. Im „Hoͤtel de Paris“ daselbst 
jagte sich ein Kaufmann aus Bordeaux eine Kugel 
in den Kopf, dasselbe thaten der polnische Graf 
Ravizkh im „Grand Hôtel de Monaco“ und ein 
Dommis voyageur unter freiem Himmel auf der 
Place des Phocones, während ein italienischer Guts 
nesitzer sich im Garten des „Hötel de Livourne“ 
an einem Baume erhenlte. Schließlich wurde ein 
Fremder, der einige Stunden vorher in der Spiel⸗ 
ank 7000 Francs gewonnen hatte, während seiner 
Abendpromenade im Garten des „Casino des Spe—⸗ 
ugnes“ erschossen und ausgeraubt. Dem Mörder 
gzelang es, zu entfliehen. 
F Genry Villard's Carrière.) Henry 
Billard (Heinrich Hilgard) wurde im Jahre 1835 
in Speyer geboren, kam aber in 1839 nach Zwei⸗ 
brücken, wohin sein Vater als Gerichtspräsident ver⸗ 
setzt worden war. Hier besuchte er das Gymnasium 
»is zum Ausbruch der revolutionären Bewegung in 
1848, als sein Vater ihn in ein französisches Pen— 
ionat in Pfalzburg sandte, wo er ein Jahr blieb 
Im Herbst 1850 trat er in das Gymnasium zu 
Speher ein und machte in 1852 sein Abiturienten⸗ 
Framen, worauf er die Universitäten München und 
Würzburg besuchte. In den Jahren 1831 und 
1832 waren ein Onkel und mehrere Brüder seines 
VBaters nach Amerika ausgewandert und haͤtten sich 
in Belleville (Ill.) niedergelussen. Andere Mitglieder 
der Familie folgten, so daß nach und nach der größte 
Theil seiner Verwandten väterlicher Seite nach Ame— 
cika kam. Durch rege Correspondenz mit diesen 
Berwandien faßte er ein lebhaftes Interesse für 
Amerika und kam schließlich im Oktober 1853 nach 
New⸗PYork. Er hielt sich eine Zeit lang dort auf, 
gzing dann nach Chicago und suchte erst im Novem⸗ 
zer 1854 seine Verwandten in Belleville auf. Während 
eines dortigen Aufenthaltes schrieb er gelegentlich 
Artikel für die dort herausgegebene deutsche Zeitung, 
velche sehr günstig aufgenommen wurden. Im Früh— 
siing des Jahres 1855 trat er in das Bureau eines 
Kechtsanwalts ein, um Jurisprudenz zu studiren. 
Er sah jedoch bald ein, daß er in Belleville, wo in 
»er von ihm frequentirten Gesellschaft nur deutsch 
gesprochen wurde, sich keine genügende Kenntniß der 
englischen Sprache erwerben könne, uund nahm mit 
Freude eine ihm durch den Einfluß eines Verwandten 
zebotene Gelegenheit zur Fortsetzung seiner Studien 
in Peoria (Jil.) an. Er blieb hier nur wenige 
Monate, da es ihn nach Chicago hinzog, wo er für 
seinen rastlosen Geist eine größere Thätigkeit zu 
finden hoffte. Die trockene Methode des Studiums 
der Gesetzeskunde hatte für den jungen Mann durch— 
aus keinen Reiz, und er widmele sich daher wieder 
der Journalistit. Er schrieb zuerst Correspondenzen 
ür deutsche Wochenblätter in New-PYork, welche be— 
eitwilligst angenommen wurden. Er kam jedoch 
zald zu der Ueberzeugung, daß die deutsche Presse 
hm enur ein beschränktes Feld bot, lernte mit Eifer 
nglisch und schrieb in 1858 seine erste Correspon⸗ 
enz für eine engliche Zeitung. Das Resultat war, 
zaß er sofort zur Berishterstattung des Verlaufs der 
Wahlcampagne zwischen Lincoln und Douglas in 
zIllinois engagirt wurde, welche Aufgabe er mit Ge— 
vissenhaftigkeit erfüllte. Nach Beendigung der Wahl 
»egab er sich nach Indianopolis, um über die Ver— 
jandlungen der Legislatur zu berichten, und wurde 
hier von der Reporter-Gallerie ausgeschlossen, weil 
er in seinen Berichten einige mißfällige Aeußerungen 
über das Benehmen eines Mitgliedes gemacht hatte. 
Im Frühjahr 1859 wurde er vom Redakteur des 
Commercial“ in Cincinnati beauftragt, nach der 
euentdeckten Goldregion in Colorado zu gehen und 
Lorrespondenzen zu schreiben. Während des Som 
ners durchforschte er das Territorium von Colorade 
'oweit damals zugänglich, eine Zeit lang in Gesell- 
chaft Horace Greeleys und Albert D. Richardsons, 
velche sich auf einer Reise durch Colorado befanden. 
Spät im Novbember reiste er von Colorado ab, und 
war mit einer größeren Gesellschaft zu Pferde. Sie 
vurden von heftigen Schneestürmen überrascht und 
erreichten nach harten Leiden die Ansiedelungen des 
stlichen Theiles von Kansas. Villard fuhr in seinen 
ournalistischen Arbeiten fort und arbeitete im Herbst 
860, nachdem er Correspondenzen über die Wahl⸗ 
rampagne geschrieben, Statistiken über den Handels— 
derkehr auf den Prairieen nach Colorado und New⸗ 
Mexiko aus, um dadurch die Errichtung der damals 
rojektirten Eisenbahn nach der Pacific⸗Küste zu be— 
influssen. Diese Statistiken wurden im ‚N.Y.⸗Herald“ 
zublizirt, als dessen Correspondent er später nach 
Springfield (Ill.) ging, um über die Bewequngen 
der Politiker zu berichten. Er begleitete den Prä⸗ 
identen Lincoln nach Washington, wo er, in Folge 
einer persönlichen Bekanntschaft mit dem Präsidenten, 
ine hervorragende Stellung unter den Correspon⸗ 
denten einnahm. Während des Krieges fungirte er 
als Kriegs-Corresppondent und machte als solcher 
nehrere der bedeutenderen Schlachten mit. Wät rend 
ines kurzen Urlaubs reiste er nach Boston, wo er 
eine jetzige Gattin, Fräulein Fanny Garrison, 
Tochter des Anti-Sktaverei-⸗Agitators William Lloyd 
Harrison, kennen lernte. Im Jahre 1864 machte 
er eine Reise nach Deutschland, von wo er im April 
1865 zurückkehcte und seine alte Beschäftigung wieder 
aufnahm. Am 3. Jan. 1866 verheirathete er sich 
und reiste im Juli desselben Jahres als Kriegs- 
rorrespondent für die „N.⸗Y.«Tribune“ nach Deutsch⸗ 
land zurück. Indessen war bei seinem Eintreffen 
der Kampf bereits enischieden, und nachdem er eine 
ängere Reise durch Europa gemacht, kehrte er im 
Jahre 1869 nach den Vereinigten Staaten zurück. 
An Finanzgeschäften betheiligte Villard sich zuerst 
während eines nochmaligen Aufenthaltes in Europa 
im Jahre 1873, als nach Ausbruch der Finanz⸗ 
panik mehrere amerikanische Eisenbahnen Bankerott 
machten, und in Deutschland Ausschüsse gebildet 
wurden, um die Interessen der europäischen Aklionäre 
dieser Bahnen wahrzunehmen. 
F Auf nach Hongkong, ihr jungen und 
alten Mädchen, die ihr unter die Haube zu kommen 
trachtet! Auf der ganzen Welt ist es so eingerichtet, 
daß sich die Anzahl der Vertreter des starken und 
des zarten Geschlechts die Waage hält; doch kommen 
sehr bedeutende Abweichungen vor. Die äußersten 
Brenzen für Europa geben Griechenland und Schweden; 
ür 1000 Schweden stehen 4064 Schwedinnen und 
ür 1000 Griechen nur 933 Griechinnen zur Ver⸗ 
ügung. Auf den Canarischen Inseln müßten 1000 
Männer ihre Neigung von Rechtswegen auf 1208 
Weiber ausdehnen, dagegen müssen in Australien, 
Tasmanien und Neuseeland 1000 Männer um die 
Hunst von nur 817 Frauen kämpfen; in Maurice 
gar nur um diejenige von 647. Aber in Hong⸗ 
kong! In Hongkong finden 1000 Männer nut 366 
Weiblein zum Heirathen; von Tausend bleiben dem⸗ 
nach nicht weniger als 634 Männer unbeweibt. 
Also auf nach Hongkong, ihr Mägdlein! 
Gemeinnuͤtziges. 
(Colodium oder Klebäther als wichtiges Haus⸗ 
nittel.) Das Collodium oder der Klebäther, so 
chreibt Dr. L. im „Nordd. Wirthsch.⸗Frd.“, ist, 
venn auch kein neues, jedenfalls aber ein zwed⸗ 
näßiges Heil- und Hausmittel, welches in jeder 
Familie bei seiner außerordentlichen Wohlfeilheit 
angeschafft werden sollte. Dasselbe besteht aus in 
Aether aufgelöster Schießbaumwolle und stellt sich 
als eine helle, klare Flüssigkeit dar. Es bildet, 
mit einem Pinsel mehr mehrfach aufgetragen und 
jehr schnell verdunstend, einen luft⸗ und wasser⸗ 
dichten Ueberzug und ist das vortrefflichste und 
ausgezeichnetste Hausmittel bei allen einfachen 
Wunden, bei Hautverletzungen im Gesicht und an 
zen Händen, bei Scheuerwunden der Wäscherinnen, 
hei wundgegangenen Füßen, bei alten flachen Ge— 
chwüren, die nicht heilen wollen, bei Rothlaufent⸗ 
zündungen, die noch nicht in Eiterung übergegangen 
und bei Zahnschmerzen, die von hohlen Zähnen 
jerrühren. Besonders verdient es bei Brandwun— 
den, wo es fast augenblicklich den Schmerz stillt, 
und bei Frostbeulen, wo es im Anfange brennt, 
aber schnell heilt, angewendet zu werden. Auch 
bei Hausthieren kann es auf vielfache Weise ge— 
»raucht werden, namentlich beim Satteldrucke hat 
ich dasselbe sehr bewährt. Das Colodium muß 
meinem fest verschlossenen Glase aufbewahrt wer— 
en und es ist angemessen, das Gslas nach dem