Full text: St. Ingberter Anzeiger

so ist ausgerechnet worden, daß ein Mädchen aus 
den höhern Ständen seine Erziehung mit dem 20. 
Jahre als beendet betrachten und die Erziehungs⸗ 
sosten auf etwa 20000 M. anschlagen kann, während 
ein Mädchen aus den Arbeiierklassen so ziemlich 
den gleichen Erziehungswerth wie die Brüder darstellt. 
Das Ergebniß der Prüfung behufs Erlang⸗ 
ung der Funktion eines amtlichen Thierarztes 
un Bayern für das Jahr 1884 war folgendes: 
Von den 15 Kandidaten, welche die Admission zur 
Prüfung erhielten, haben sich 12 der Prüfung 
uͤntersteut und dieselbe 10 bestanden. Die Note 1 
wurde nicht ertheilt, die Hauptnote 2 erhielten 8, 
die Hauptnote 37 Prüfungs-Kandidaten. 
— Die Versorgung Südwestdeutschlands 
mit Seefischen wird von der Direktion der Gott⸗ 
hardbahn in großem Umfange angestrebt. Es sind 
Vorkehrungen getroffen, um durch rationelle Ein⸗ 
richtungen, billige und rasche Beförderung, den 
Import von Seefischen aus dem Mittelländischen 
Meer nach Deutschland zu moöglichster Ausdehnung 
zu bringen, und hofft man damit ein beträchtliches 
Resultat zu erzielen. 
Nachdem sich der Verband in München ein— 
stimmig für die Errichtung des Reichswaisenhauses 
in Sqawabach ausgesprochen, ist, da München 
die Führung der süddeutschen Verbände hat, hier⸗ 
durch diese Frage zu Gunsten Bayerns bezw. 
Schwabachs entschieden. 
Ein für Munchen wichtiges Ereigniß 
steht in den nächsten Tagen bevor. Auf Antrag 
hdes Besitzers der Spatenbräuerei, Herrn Sedlmaycr, 
haben naͤmlich die Großbräuer beschlossen, den Preis 
des Sommerbieres mit 17 M. und den des Winter⸗ 
hieres mit 15 M. für den Hektoliter den Wirthen 
zu berechnen. Es wird demgemäß vom 1. Dez. 
b der Liser Winterbier 22 Pfa. (bisher 24 Pfg.) 
uind der Liter Sommerbier 28 Pfa. (bisher 26 
Pfg.) kosten. 
4 Mainz, 23. Nov. Ein hier lebender 
Steinmetz hat dieser Tage das Glück gehabt, in 
einer Lodterie einen Gewinn von 280,000 Fr. 
zu machen. Die Freude des Mannes, der bisher 
n den bescheidensten Verhältnissen lebte, kann sich 
jeder selbst ausmalen. 
f Mainz, 29. Nov. Wie weit in unserer 
Zeit noch der Aberglaube und die Leichtgläubigkeit 
geht, beweist eine Gerichtsverhandlung, die sich vor 
dem hiesigen Schöffengericht abspielte. Die Frau 
eines hier wohnenden Kutschers, eine gewisse Bar⸗ 
hara Sauer, betreibt schon seit Jahren das Geschäft 
einer Kartenschlägerin und hat damit nicht unbe⸗ 
rächtliche Summen, zum größten Theile von Land⸗ 
leuten und Dienstmädchen, erworben; außerdem 
berkaufte die Frau noch ein sogenanntes Zauber⸗ 
mittel, durch welches es möglich werden sollte, ab⸗ 
trünnige Liebhaber in die Arme der Verlassenen 
zurückzuführen ⁊c. Die gestrige Verhandlung warf 
nun ein grelles Licht auf die Leichtgläubigkeit der 
Menschen und wurde sogar ein Madchen aus Bier⸗ 
stein derart von der Kartenschlägerin eingenommen 
ind um ihr Geld betrogen, daß das Mädchen irr⸗ 
sinnig wurde und sich gegenwaͤrtig in der Irren⸗ 
anstait befindet. Durch eine Menge von Zeugen 
wurde konstatirt, daß die Kartenschlagerin ihren 
Qunden erzählte und auch von diesen geglaubt 
wurde, daß sie in der Lage wäre, jede Person mit 
einer Ruthe zu züchtigen, auch wenn die Person 
nicht gegenwärtig sei; sie brauche nur einige Gebete 
zu murmeln und dann spüre die Person, an welche 
sie denke, die Ruthenstreiche; weiter verkaufte die 
Frau einen Zettel, auf welchem allerhand Hocus⸗ 
pocus stand. Dieser Zettel mußte in der Tasche 
zetragen werden, wodurch der Träger des Zettels 
ur Jedermann unsichtbar wurde; auch hatte der 
Zettel die Macht, „vor jedem Unbill“ zu schüßtzen 
und sollte dem Träger selbst ein Richter nichts an⸗ 
haben koͤnnen. Einem Maädchen gegenüber, welches 
den an ihm verübten Betrug der Behoͤrde anzeigen 
Follie, außerte die Kartenschlägerin: „Ich mach 
drei Kreuje an die Thüre, hänge das Handtuch 
hor das Schlüsselloch, stelle einen stumpfen Besen 
hinter die Thüre und da tann mir selbst der Teufel 
zichts wollen. „Angesichts des großen Unfugs, 
welchen die Frau angerichtet habe, beantragte die 
Staatsbehoͤrde eine Gefangnißstrafe von 6 Monaten 
und 6G Woghen, doch erkannte das Gericht nur auf 
ine Gefangnißstrafe von 3 Monaten und 24 
Tagen und 768 M. Geldbuße. 
pFrankfurt a. M,, 1. Dez. Der Perser 
Nurban⸗Beh, welcher vor einigen Monaten wegen 
Iedeulenden Juwelen⸗Diebstahls hier zu 5 Jahren 
gefängniß verurtheilt worden war, ist nach dem 
„Frkf. Journ.“ am Donnerstag in Bremen wegen 
ites weiteren Brillanten⸗Diebstahls zu ferneren 3 
Jahren Gefängniß verurtheilt worden, so daß er 
jun schon 8 Jahre abzusitzen hat. Außerdem steht 
hm noch in einer anderen Stadt, ebenfalls wegen 
Fuwelen⸗Diebstahls eine Strafe in Aussicht. 
— Für die erledigte Stelle des Verwalters im 
Irrenhause (dem s. g. Affen stein in Frank— 
urt . M haben sich über 300 Bewerber ge— 
neldet, obwohl das Amt doch nicht das ange⸗ 
rehmste sein mag; für 11 ausgeschrieb· ne Konven⸗ 
Ualinnen-Stellen sogar 308 Bewerberinnen. 
FArbeiter-Colonie. Die zur Auf— 
rahme von 150 Personen eingerichtete hannoversche 
rbeiser-Cotonie in Käddorf ist jetzt voll- 
tändig besezt. Der Andrang von Arbeitslosen ist 
zußerordntlich groß; denn vom 1. bis 22. Nov. 
neldeten sich zur Aufnahme 119, von denen nur 
79 aufgenommen werden konnten, während 40 Per⸗ 
onen, welche nicht aus der Provinz Hannover oder 
ius dem Herzogthum Braunschweig gebürtig waren, 
bgewiesen werden mußten. 
Ein hübscher Spasß ist in einem kleinen 
dorfe im Braunschweigischen vorgekommen. Von 
zeit zu Zeit wird bekanntlich bei den Gemeinde⸗ 
orstehern angefragt, wie viele Fuhrwerke sie im 
Falle einer Mobilmachung stellen könnten. Einer 
irser Gemeindeborsteher faßte nun die Sache ganz 
igenthümlich auf. Er ließ am Sonntag Morgen 
zurch den Gemeindediener bekannt machen: „Wegen 
Robilmachung haben heute Nachmittag 4 Uhr 
ei Strafe von 8 Mark alle Ortsbewohner, welche 
Pferde und Wagen besitzen, sich mit denselben vor 
em Orte einzufinde.“ Große Aufregung entstand 
un alebald in dem Orte; der Kruseg war also 
bdieder da, man wußte nur noch nicht, mit wem 
⸗losgehen sollte. Eine Zeit lang verbreitete sich 
as Geruͤcht, der Herzog von Cumberland nahe 
nit einer großen Armee unter dem Kommando 
Windthorst's. Pünktlich zur festgesetzten Stunde 
og indeß ein Bauer nach dem andern mit Pferd 
ind Wagen nach dem Sammelplatz. Dort erfuhr 
nan denn glücklicherweise, daß ein bestimmter Befehl 
um Abmarsch noch nicht eingetroffen sei, und all⸗ 
nälig gelang es denn auch einigen Besonnenen, 
zie Leute wieder zu beruhigen, bis man denn am 
indern Tage erfuhr, daß außer dem kriegslustigen 
Zemeindevorsteher Niemand an Krieg denke. 
p'n bissken Gesetzleuntniß. NMor— 
en, Herr Jerichtshof,“ sagte der Former B. mit 
iner höflichen Verbengung gegen das Schöffen— 
zericht in Berlin, lehnte sich dann bequem an 
zie Brüstung der Anklagebank und lächelte mit 
der größten Seelenruhe vor sich hin, als ob er 
einer Sache ganz gewiß wäre. — Sie sind wegen 
roben Unfug angeklagt, sagte der Vorsißende. — 
Zon wejen jroben Unfug, erwiderte der Angeklagte 
rstaunt, det wird wohl nich janz stimmen. — 
Hors.: Sie sollen sich in der Elsasser Straße ge⸗ 
xrügelt haben. — Angekl.: Na, det is doch so 
chlimm nich, un darum jleich jrober Unfug? — 
Bors.: Sie geben also zu, was Ihnen zur Last 
selegzt wird ? — Angekl.: Ick habe mir nur noth 
ewehrt, Herr Jerichtshof. — Vors.: Erzählen Sie 
zen Vorfall. — Angekl.: Ick jeh' also in de 
ẽlsasser Straße un hab' mir ejentlich jarnischt bei 
jedacht. Da seh' ick uf eenmal 'n Autscher Schulze, 
iim wie ick zu ihm kommen duh', da haben wir 
ins jleich mit Wörtern zerschmissen. — Vors.: 
Wer hat den Streit begonnen ? — Angkl., Natier⸗ 
ich er, indem er mir zuerst anjeblasen hat. — 
Bors.: Ist das wirklich so? — Anglkl.: Uf Ehre 
verr Jerichtshof, ick möcht' et sonsten ja nich sagen, 
zenn ick weeß janz jenau, dat so wat ja nich so 
eicht zu konschdadiren is. — Vors.: Also weiter. 
— Ungekl.: Wie er mir jeschumpfen hat, war ick 
elbstredend ooch nich uf'n Kopp jefallen un dadruf 
at'er mir nu dreiste anjestoßen. — Vors.: Fassen 
Zie sich kürzer. — Angekl.: Ick muß Sie det mit 
Imständlichkeit erzählen, damit Sie wissen, wat n 
Thatbestand is, un dann urtheilen, wie 't Jeseßg 
t vorschreiben duht. Also wo war icd blos? Ick 
veeßn schon. Wie er mir also jestoßen hat, da sagt' 
d: Dei mir man die Hand nicht ausrutscht, sagt' 
d und stellte mir in Positur, aber hab' ihm ja 
aich anjerührt. Steck man keene Bilder aus, sagt' 
r, faules Backfeifenjesichte, sagt' er, un wie der 
Zerl det sagt, da hol ick aus — un da haut er 
nir eene — ick nich fall — da haut er mir 
vieder eene. Det konnt' ick aber uf mich nich sitzen 
assen un da bab' ick ihm ooch die Facçade jlatt⸗ 
sebiegelt. Det war aber man blos Noiyjewehr 
derr Jerichtshof. — Der Angeklagte wurde frei⸗ 
gesprochen. — Det haͤb' ick jleich jesagt, erwiderte 
Zer Angeklagte nach Verkündigung des Urtheils, det 
t so kommen niuß. Nothjewehr is doch nich straf⸗— 
zar, nich wahr? Ick weeß det, indem ick ooch 'n 
zisken 'ü Jesetz kennen duh. Sprach's und verließ 
stotz die Anklagebank. 
Das größte Werthpapier der 
Welt. Bisher wurde allgemein angenommen, 
daß die „einzigen zwei“ 100,000 Pfund- Noten, 
velche die englische Bank ausgegeben hat, die Werth— 
papiere sind, welche die größte Summe repräsen⸗ 
iren. Im Besitze der Familie des Fürsten Star—⸗ 
demberg befindet sich jedoch ein Werthpapier, welches 
inen größeren Werth noch, als eine der englischen 
00,000 Pfund-Noten hat. Es ist dies eine Ob⸗ 
igation im Betrage von Einer Million und fünf—⸗ 
nalhunderttausend Gulden. Von der fürstlichen 
Familie Starhemberg wurde jenerzeit ihr Antheil 
in dem Freihause auf der Wieden in Wien um 
den Preis von 1,800,000 Gulden in Silberrente 
zerkauft und dieser Betrag in eine einzige Obli⸗ 
jation umgeschrieben, welche in den Pekuniar⸗ 
Fideikommiß der Familie Starhemberg einverleibt 
durde. Die Obligation, welche das nette Summchen 
jon jährlich 75,000 Gulden (nom.) an Zinsen 
ibwitft, ist im Wiener Landesgerichte deponirt. 
pIn Nordamerika wütet wieder der 
Fisenbahnkrieg. Die Gesellschaften üder—⸗ 
zieten sich im herabsetzen der Fahrpreise. Von 
Thikags nach St. Louis kann man jezzt 1. Klasse 
für 3ij Dollar fahren, während der Preis sonst 
0!/ Dollar beträgi. Auf den Kilometer berechnet, 
machte das noch nicht 2 Pfg. aus. Wenn es 
so weitergehn wird es sich wiederholen, daß man, 
wie es vor mehreren Jahren der Fall war, Strecken 
von mehreren hundert engl. Meilen für 1 Dollar 
oder gar für 50 Cent fährt. 
'(Aus Californien). In Santa Anna 
County Los Angeles) sind zehn Eisenbahn-Waggon⸗ 
dadungen Honig für englische Rechnung zu 414 
Zents pro Pfund gekauft worden. Der Honig 
zZird von Californien aus nach New Orleans be⸗ 
fördert und von dort per Dampfer nach Liverpooi 
derschifft. 
*Die Pflanzzeit der Obstbäume. 
Ueber dieses Thema hielt in einer kürzlich statt- 
jehabten Versammlung des Obst-⸗ und Gartenbau— 
ereins Zweibrücken Herr Wanderlehrer Fischer 
inen Vortrag, der dem Freunde der Obstbaumzucht 
zeherzigenswerthe, praktische Winke gibt. Da der 
eu gegründete Obstbauverein für unsere Stadt sein 
Augenmerk zunächst wohl darauf richten wird, das 
nöglichst zahlreiche Anpflanzen von Obstbaäumen zu 
ürdern, so dürften die praktischen Rathschläge des 
derrn Fischer für viele unserer Leser von Juteresse 
in. Wir bringen darum in Nachstehendem dit 
Ausführungen desselben nach der „Zw. Ztg.“ zum 
Abdrucke. 
Unter Baumsaß verstehen wir alle diejenigen 
Arbeiten, welche vorgenommen werden, um den 
ungen Baum aus der Oobstbaumschule an die Stelle 
zu verpflanzen, die er sein Leben lang einnehmen, 
vo er wachsen, gedeihen und Früchte bringen soll. 
Je vorsichtiger, umsichtiger und pünktlicher diest 
Arbeiten vorgenommen werden, desto rascher wächst 
er Baum an, desto besser gedeiht derselbe. X 
vählen hierzu eine Zeit, in welcher die Lebenser⸗ 
cheinungen im Baume allmählich nachlassen und 
ex sich sozusagen nur noch im halbwachen Zustande 
zefindet. Dieser Halbschlummer dauert von Anfang 
Zklober bis Ende Märi, somit ein volles halbes 
Jahr. Das Ausgraben, Ginschlagen, Beschneiden 
der Wurzeln und Kronen und das Verseten müssen 
vahrend dieser Zeit ausgeführt werden, daß hit⸗ 
hon der Baum Nichts verspürt und er, vom war— 
men Strahl der Frühlingssonne wachgeküßt 
erst staunend bemerkt, daß er seine heimathlicht 
Scholle vertauscht hat. 
Obgleich nun das Versetzen der Obstbaume sech 
Monate lang vorgenommen werden kann, so unter⸗ 
scheiden wir doch hauptsachlich zwei Hauptpflanz 
eiten, nämlich Herbst und Frühjahr. Jede dieser 
Zeiten hat unter den Baumüchtern wieder ihre 
Änhänget, und während die einen den Fruhjahrs⸗ 
'atz empfehlen, geben die andern dem Herbstsaß den 
Boͤrzug. Ich will Ihnen nun beide unsichten mit 
hren Begründungen anführen, damit Sie sich Iht 
eigenes Urtheil bilden und sich fur die eine odet 
andere Richtung, oder am Ende gar für beide An⸗ 
sichten entscheiden können.