Uebrigen macht sich in politischen Kreisen immer
mehr die Anschauung geltend, daß Deutschland und
Frankreich ihre Haltung in der egyptischen Frage
nach dem Auftreten Englands auf deer afrikanischen
Konferenz regeln werden. Heute wird schon die
Ansicht laut, daß die Afrika-Konferenz in Berlin mit
ihren Arbeiten wohl in das neue Jahr hinüber⸗
gehen wird.
Deutsches Reich.
Das von Viereck in München herausgegebene
Organ der sozialdemokratischen Partei „Das Recht
auf Arbeit“ verlangt die Verstaatlichung des Ge—
treidehandels und befürwortet lebhaft das Verbot
der Einfuhr von Getreide für Privatrechuung. Der
Reichskanzler soll ermächtigt werden, so viel Getreide,
als nach dem Erntedefizit nöthig ist, vom Auslande
einzuführen. Beim Verkaufe an die Müller würde
dann zum Schutze der Reichseinnahmen und der
agrarischen Interessen ein Preiszuschlag eintreten.
Der Nutzen des Zwischenhandels soll zur Hälfte den
Grundbesitzern und zur Hälfte der Staatskasse zu
Gute kommen.
Berlin, 7. Dez. Auf dem nächsten inter⸗
nationalen Postcongresse wird Deutschland mit 2
wichtigen Vorschlägen hevortreten. Der eine der⸗
selben betrifft die Einführung eines Welt-Zeitungs
bertriebes, der andere die weitere Ausbildung des
internationalen Packetaustausches. Die Grundlagt
für den internationalen Packetaustausch ist durch
die Pariser Convention vom 8. November 1880
geschaffen worden, die von 20 Mächten unterzeichnet
wurde, und die Erfahrungen, die mit derselben
gemacht worden, sind so außerordentlich günstige
gewesen, daß man in postalischen Kreisen mit
Sicherheit hofft, die dem internationalen Packetaus—
tausche durch die Pariser Uebereinkunft gezogenen
Grenzen mit Leichtigkeit erweitern zu können. Von
den europäischen Staaten haben sich nur Rußland
und Griechenland bisher an der Uebereinkunft nicht
betheiligt. Spanien und die Türkei hatten dieselbe
mitunterzeichnet, ohne derselben indeß bis jetzt Folge
gegeben zu haben.
Ausland.
VPetersburg, 8. Dez. Im nächsten Jahre
wird der Bau des größten russischen Panzerschiffes
nach dem Muster des „Dulius“ begonnen. Dasselbe
soll haben 11,000 Tonnengehalt, einen zwölfzölligen
Panzer, 8000 indizirte Pferdekräfte, 17 Knoten
Schnelligkeit. Die Armirung besteht in sechszölligen
Geschützen. Die Baukosten werden auf fünf Mill.
Rubel berechnet.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
—* An verschiedenen Orten der Pfalz wur—
den in der jüngsten Zeit falsche Zweimark—
st ücke verausgabt, was wir im Interesse des Pu—
obͤliklums zur Warnung veröffentlichen.
—; Bei der Gemeinderathswahl in Hecken—
dalheim haben von 66 Wahlberechtigten 61 von
ihrem Rechte Gebrauch gemacht, und wurden bei
derselben gewählt die HH. Wilh. Stolz, Wilhelm
Deutsch, Mich. Fuchs, Peter Walle, Joh. Walle,
Peter Ansel (neu), Ludwig Buchheit (neu), Jatkob
Schnöder (neu) und Georg Harz. Zum Adiunkten
wurde wieder mit allen Stimmen der bisherige
Adj. Hr. Stolz, und zwar bereits zum dritten
Male gewählt.
In der allgem. Fortbildungskon—
ferenz des Lehrerpersonals an den Volksfchulen
der Pfalz pro 1884/88 kommen folgende Themata
zur Besprechung. J. Der grammatische Unterrich:
in der Volksschule. Geschichtlicher Ueberblick,
Standpunkt der Schul- und Lehrordnung in Be—
zug auf Ziel, Stoffauswahl, Stoffvertheilung und
Unterrichtsbetrieb in der Werktagsschule; die Gram⸗
matik in der Sonntags⸗ und Fortbildungsfchule.
II. Fallbiegung des Dingworts am Satze. Schrift:-
liche Lehrproben nach den formalen Stufen.
Der Verein deutscher Ingenieure, Pfalz⸗
Saarbrücker Bezirksverein, hält eine Versammlung
am Sonntag, den 14. Dezember 1884. Vormit⸗
tags 102 Uhr, im Rheinischen Hof zu St. Johann
an der Saar ab. Die Tagesordnung umfaßt:
1) Jahresbericht und geschäftliche Mittheilungen
des Vorsitzenden; 2) Rechnungsablage; 3) Bericht
über Dampfkesselexplosion von Herrn E. Chateau;
4) Gefügeveränderungen in Eisen und Stahl; Be—
sprechung eingeleitet durch Herrn Braune; 5) Wahl
eines Ausschusses und Bewilligung von Geldmitteln
für denselben behufs Anstellung von Untersuchungen
über jene Gefügeveränderungen und ihre Wirkungen,
Antrag des Herrn Braune; 6) Referat der Kom—
mission für Abänderungsvorschläge zum Patentgesetze
und event. Wahl eines Delegierten; 7) Vereins—
hbeiträge und Bewilligung eines Beitrages für das
Pfälzische Gewerbemuseum pro 1885; 8) Neuwahl
des Vorstandes. Um 2 Uhr findet im Versamm—
lungshause ein gemeinschaftliches Mittagessen statt,
zu welchem Anmeldungen direkt an Herrn Reinhold
'm Rheinischen Hof zu St. Johann a. S. erbeten
werden.
Hessische Blätter bringen die Nachricht, daß
alle 10,Pfennig-Stücke, die im Jahre 1873 ge—
prägt sind, bei jedem Bankier gegen 20 Pfg. um—
Jjetauscht werden. Es soll nähmlich zwischen zwei
Bankiers eine Wette eingegangen worden sein,
innerhalb 1 Monat 4000 Stück einzubringen.
— Kusel, 8. Dez. Schon wieder wird die
Nachricht von einem Unglücksfall hierher be—
richtet. Darnach wäre das Fuhrwerk des hier wohn⸗
haften Häfners Kasprowitz bei Offenbach im Glan
gefunden worden, das Pferd todt, von dem Manne
selbst jedoch keine Spur. Die Meinung geht nun
»ahin, Kasprowitz sei aus Versehen von der Straße
aibgekommen, mit dem Fuhrwerk in den zur Zeit
hsochgehenden Fluß gerathen, und von der Strömung
fortgerissen worden, während das mit Waaren be—
ladene Fuhrwerk stehen blieb. (Kus. Zig.)
— Katzweiler, 4. Dez. Hiesige Bürger
beanstauden die Gemeinderathswahl: 1) Weil die
Bekanntmachung auf dem Hof ganz unterlassen,
nuf dem Sonnenhofe und Schafmühle durch einen
Schulbuben unmittelbar vor der Wahl geschehen
st. 2) Hätten zwei Steuerfreie und sechs bis acht
Zaussöhne, die bei ihren Eltern sind und noch
eine eigene Existenz haben gewählt. (Pf. Vztg.)
— Demnächst werden in Kaiserslautern
die beiden Knabenhorte eröffnet werden. Dieselben
stellen sich die Aufgabe, helfend da einzugreifen,
wo Eltern durch Broderwerb oder sonstige äußere,
»sft unverschuldete Verhältnisse nicht in der Lage
ind, ihre heranwachsenden Kinder nach der Schul—
zeit zu erziehen, oder auch nur, sie vor den Gefahren
der Gasse durch geeignete Beaufsichtigung zu schützen.
Zu dem Zwecke sind die beiden Anstalten jeden
Pdittag mit Ausnahme der Sonns und Feiertage
don 42 6/, Uhr geöffnet. Zwei Erzieher leiten
dieselben. Die Knaben erhalten dort ein Stück
Brod und fertigen ihre Schulaufgaben, die übrige
Zeit wird durch Erzählungen, Gesänge, Spiele ⁊c.
ausgefüllt. Berechnet ist jede Anstalt auf 30 —40
Zöglinge und aufnahmefähig sind jedoch zunächst
aur schulpflichtige Kinder protestantische Confession.
Aufnahme und Aufenhalt im Knabehort unentgeltlich.
— Das Diakonissenhaus-Fest in Speyer
wird wegen geschäftlicher Behinderung des Herrn
hilgard, der an dem Feste Theil nehmen will, nich!
aim 17. d. M., sondern an einem späteren Tage
stattfinden.
Pfälzisches Schwurgericht.
iV. Quartal 1884.
Zweibrücken, 6. Dezember, Vormittags
312 Uhr, Verhandlung gegen Joh. Franz Gott—
wald, 35 J. a., led. Schmid von Schmotts—
eifen (Schlesien). Anklagesache: Nothzucht.
Bertreter der k. Staatsbehörde: Herr I. Staats⸗
inwalt Wagner. Vertheidiger: Herr Rechtsprakti⸗
kant Gustav Nössel.
Der Angeklagte ist beschuldigt eines Verbrechens
der Nothzucht gemnäß 8 177 des R.⸗Str.G., be—
gangen am 3. Oktober lf. Is. Nachts gegen 4 Uhr
auf dem Wege zwischen Lambsborn und Mar—
tinshöhe.
In Gemäßheit des 8 137 des R.G.V.G.
wurde durch Gerichtsbeschluß die Oeffentlichkeit bis
zum Urtheilsspruch ausgeschlossen. Die Einzelheiten
zehören überdies selbstverständlich nicht in einen
offentlichen Bericht.
Der Angeklagte wurde des Verbrechens der
stothzucht unter Ausschluß mildernder Umstande für
schuldig erkannt, worauf der Gerichtshof denselben
in eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren verurtheilte
und ihn der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer
oon 10 Jahren für verlustig erklärte.
— — —
Nachmittags 3 Uhr, Verhandlung gegen Katha—
cina Haarlos, 21 J. a., Dienstmagd von
Biedershausen. Anklagesache: Kindsmord.
Vertreter der k. Staatsbehörde: Herr II. Staats-
anwalt Wagner. Vertheidiger: Herr Rechtsprakti—
ant Weber.
Die Geschworenen bejahten von den an sie ge—
richteten Fragen lediglich die auf fahrlässige Toͤd.
tung, worauf der Schwurgerichtshof die Augeklagte
in eine einiährige Gefängißstrafe verurtheilte.
Vermischtes.
4 Der „Straßb. Post“ schreibt man aus Forbach
vom 4. Dez.: Heute wurde hier erzählt, daß auf
den gestern um 4 Uhr von hier nach Saarbrücken
abgegangenen Metzer Zug ein Attentat ver—
übt worden sei. Als der Zug an der ersten Brücke
hinter Stieringen vorbeigefahren sei, sollen 2 Schüsse
ans dem nahen Walde gefullen und eine Kugel
dicht am Kopfe des Lokomotivführers vorbeigepfiffen
sein. Gleich angestellte Nachforschungen hatten
kein Ergebnis, sodaß man nicht sagen kann, ob
hier ein Zufall oder eine böse Absicht zu grunde
gelegen.
FSiegen, 4. Dez. (Zur Warnung!) In
Weidenau legten sich zwei Bäckergesellen für kurze
Zeit zur Ruhe, nachdem sie den Docht der Petro—
leumlampe herabgeschraubt, um die Flamme niedrig
brennen zu lassen. Zur bestimmten Zeit geweckt,
kommen sie nicht zum Vorschein, die Hausfrau tritt
in das Zimmer und findet den einen todt, den
andern dem Ersticken nahe; der letztere wurde durch
rechtzeitige Hilfe noch dem Leben erhalten. Der
Fall uöge eine neue Mahnung sein, die Petroleum—
flamme entweder vor dem Schlafengehen zu löschen,
oder sie voll brennen zu lassen, zumal durch eine
kleine Flamme doch Nichts gespart wird.
F Ueber eine diskrete Rückgabe veruntreuter
Belder berichten die „Wupperth. Volksbl.“ aus
Barmen: Ein hiesiger Bürger wurde vor einigen
Tagen angenehm überrascht. Es erschien bei ihm
ein katholischer Geistlicher, welcher erklärte er ser
»eauftragt, ihm die Summe von 950 Mark zu
ibergeben, welcher Betrag ihn für eine vor
nehreren Jahren vorgekommene Veruntreuung ent⸗
chädigen solle. Der glückliche Empfänger Protestant)
jat von der so unverhofft erhaltenen Summe 100
Mark für den Bau einer kathlischen Kirche in
Oberbarmen geschenkt.
F Ein entsetzliches Ereigniß ha
iich in dem Orte N. bei Stadtoldendorf (Herzog⸗
hum Braunschweig) zugetragen. Vor einigen
Tagen ließ eine Frau ihr jüngstes Kind in der
Wiege unter Aufsicht ihres ältesten Kindes, eines
bue Jahre alten Mädchens, zurück. Das Mädchen
pielte mit Streichhölzern und setzte die Wiege in
Brand. Die Frau kam noch rechtzeitig zurück, um das
Feuer zu löschen und der Säugling trug nur unbe⸗
deutende Verletzungen davon. Die Frau machte
iun dem ältesten Kinde so heftige Vorwürfe, daß
dasselbe in große Aufregung gerieth und in der
'olgenden Nacht am Herzschlage starb. Als das
ind beerdigt werden sollte, vermißte man die Frau
ind das kleinste Kind. Nach längerem Suchen
tjand man Beide als Leichen im Dorfteiche.
F Aus Berlin kommt die Mittheilung, Dr.
—„chwenninger, Bismarck's Leibarzt, sei zum
Oberstabsarzt ernannt worden.
F 50jähriges Amtsjubiläum des Fürsten Bis—
marck. In wenigen Monaten findet des Reichs⸗
tanzlers fünfzigjähriges Amtsjubi—
läum statt, das, wie der „Bär“ zu melden
weiß, in hervorragender Weise gefeiert werden soll.
Zu Ostern 18885 wurde der junge Herr v. Bismarc
nach abgelegtem Examen als Auskultator vereidigt
und trat beun Berliner Stadtgericht vor nun 580
Jahren seine amtliche Laufbahn an. Er wohnte
damals mit seinem älteren Bruder Bernhard, der
Offizier im Gardedragoner⸗Regiment war, Behren⸗
traße. Bekannt ist aus dieser Stadtgerichtsperiode
zes Fürsten-Reichskanzlers eine Anekdote, die, ge⸗
legentlich vorstehender Meldung, hier nochmals Plaß
finden mag. Der junge Richtergehilfe fungirt als
Protokollführer und vernimmt einen Menschen, der
durch sein unverschämtes Betragen die Fassung des
ungen Auskultators so erschütlert, daß dieser auf⸗
springt und ausruft: „Herr, menagiren Sie sich,
dder ich werfe Sie hinaus.“ Freundschaftlich
klopft der anwesende Stadigerichtsrath dem erhizßten
Protokollführer auf die Schulter und sagte beruhit
gend! „Herr Auskultator, das Hinauswerfen is
meine Sache.“ Die Vernehmung wird fortgesetzt
es dauert gar nicht lange, so springt Bismard
wieder auf und donnert: „Herr, menagiren Sit
iich, oder ich lasse Sie durch den Herrn Stadi⸗
gerichtsrath hinauswerfen!
Wir haben uns janz jemüthlich amüsirt un—
immer anständig bewegt, von einer sojenannic