haltsaufbefserung der Beamten der Reichskanzlei
angenommen.
Leipzig, 15. Dez. Heute wurde in dem
Hochverrathsprozesse gegen Reinsdorf und Ge—
nossen zunächst Bachmann vernommen. Derselbe
zab zu, die Explosion bei Willemsen in Elberfeld
hollfuührt zu haben; er habe nur Schrecken hervor—
rufen, aber Riemanden tödten wollen. Reinsdorf,
der ihn angestiftet, habe auch nur diese Absicht
ausgesprochen. Reinsdorf bestreitet, den Bachmann
angestiftet zu haben, erzählt alsdann ausführlich
seinen Lebenslauf und verbreitet sich eingehend über
die anarchistischen Bestrebungen. Im Weiteren be⸗
merkt er: er überlasse dem Gerichtshof die Konse—
quenzen aus seinen Ausführungen zu ziehen, er
dehe nicht hier, freigesprochen zu werden.
Ausland.
Wien, 14. Dez. Die „Montagsrevue“, den
Erfolg Ferrys im frauzösischen Parlament besprechend,
jagt: Niemals seit der Katastrophe von 1870
war Frankreich weniger isolirt, als eben jetzt; nie⸗
mals hat Frankreich in größerem Umfange das
Vertrauen und die Sympathien Europas genossen.
Der franzoösische Ministerpräsident hat die Ursachen
zieser Thatsachen ganz richtig bezeichnet. Dieselben
liegen in dem loyalen Zusammengehen Frankreichs
mil den drei Kaisermächten in der egyptischen Frage
und in der Verständigung mit Deutschland in den
stongofragen. Damit hat Frankreich selbst seine
Poliiik erfolgreich und nachwirkend auf die allge—
meine europäische Basis gestellt.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 16. Dez. Wie wir hören,
werden auch heuer wieder verschiedene hiesige Ver—
eine für ihre Mitglieder, gleich wie in den Vor⸗
jahren, die Feier einer Christbaumverloosung ver⸗
anstalten.
* St. Ingbert, 16. Dez. Durch Verfüg—
ung der kgl. Kreisregierung wurde der interimistische
Schulverweser Herr Joh. Herrmann zu Schnapp⸗
zach vom 1. Okt. ds. Is. ab zum definitiven Ver⸗
weser an seiner bisherigen Stelle ernannt.
* St. Ingbert, 16. Dez. Am verflossenen
Sonntag halt sich dahier ein evangelischer Männer⸗
und Jünglingsverein gebildet.
x Bei dem diesjährigen Abschlusse der Haupt.
liste der pfälzischen Aussteuer-Anstalt mußten 100
Nummern wegen Nichtzahlung der Beiträge ge—
trichen werden. Reklamationen hiergegen sind
innerhalb 8 Tagen bei dem Rechner der Anstalt,
herrn F. Heid in Speyer anzumelden. Im
SHanzen wurden die Beiträge von 1280 Nummern
bezahlt und daraus 12 Gewinne zu je 300 Mark
gebildet. Die Verloosung dieser Gewinne findet
am 23. ds. Mis. statt.
23 Kaiserslautern, 14. Dez. Bei der
Stadtrathswahl hat die demokratisch ultramontan⸗
deutschfreisinnige Vereinigung gesiegt. Bon den
36 Gewählten standen auf deren Liste 83. Der
eitherige Burgermeister Hr. Neumayer ist nicht ein⸗
mal als Ersaßmann gewählt. Als Stadräthe find
gewählt die folgenden Herren: Pfaff, G. M. sen.,
Fabrik. 1731; Fischer L., Mezgger 1526; Kehr
Josef, Bankier 1429; Frank Leop., Kaufmann
14955 Hohle K., Kausmann 1251; Dr. Schandein
Zarl, AÄrzt 1246; Pitthan L., Brauereibesitzer
1201; Raquet Jean, Kassenfabrikant 1175;
Raquet Wilh., Rentner 1165; Stephany Franz,
Kaufmann 1140; Wagner Ed., Rent. 1131;
Stephany K., Seifens. 1117; Weber Hch., Kauf
mann 1105; Dr. Best Mar, Fabrikant 1098;
Dr. Recknagel Gg., Rektor 1091; Liebrich Aug.,
Bierbrauer 1070; Braun Jean, Kürschner 1060;
stönig Hech., Kaufmann 1038; Baumann Frz.
Wilh Vandgerichtbrath 1038; Rink Jak., Mecha.
niker 10325 Groß Phil., Geschäftsmann 999;
Christmann A., Möbelfabrikant 995; Willenbacher
Jak. Bächer 994; Sicius Wilh. 993; Schlosser
Jean, Lokomotivführer 887; Hode Anton, Maurer⸗
meister 983 und Kuhn Anton, Rentner mit 974
Stimmen. Die Bürgermeisterwahl wird später
stattfinden. Ein Gerücht bezeichnet die Herren
Hohle und Dr. Recknagel als Kandidaten.
— Aus Webenheim, 13. Dez., wird der
Zw. Zig. geschrieben: Bei der heutigen dahier ab—
Jehaltenen Gemeindewahl erhielten von einer
Seite unter 158 Abstimmenden Wirth Schunk 93
St., Bürgermeister Schmidt, Adjunkt Pauly und
Chr. Schwarz 4. je 92 St., Johann Angne jun.,
Fi. Bender, S. von Jakob (neu), Chr. und Ph.
BZölzer, L. Hamm (neu), Jakob Hoock, Jakob Klein
en. Wirth Reitenauer (neu), Fr. Schunk, S. von
zr. und Jakob Schwarz, S. von Jakob, je 90
St., Conrad Ludwig Schwarz und Chr. Ludwig,
5. von Chr., je 89 St. Von anderer Seite, deren
Ztimmen sich ebenfalls auf 16 Kandidaten konzen⸗
rirten, brachte man es auf 60 bis 67 St. Unser«
ämmtlichen bisherigen Gemeinderäthe, mit Aus—
rahme eines einzigen — sind also wiedergewählt
und es hat sich somit die bei Gelegenheit der hie—
igen letzten Presbyterwahl aufgestellte Behauptung
eines hiesigen Herrn, nach welcher unsere Gemeinde—
cathswahl natürlich anders und in seinem Sinne
zusfallen sollte, als eine verfehlte herausgestellt
Unsere Webenheimer haben bei dieser wichtigen
Belegenheit aber auch wieder gezeigt, daß sie, wenn
s nothwendig erscheint und der Zeitpunkt da ist,
bereit sind, einig zu sein und Hand ans Werk zu
legen. Unsere Bürgermeisterwahl findet am Schlusse
der Mimbacher Wahl, also nächsten Dienstag, statt.
— Für das Geschäftsjahr 1885 wurden als
Untersuchungsrichter bestellt die Landgerichtsräthe
bei folgenden Landgerichten: Herm. Phil. Joh.
Welsch in Frankenthal, Phil. Clement in Kaisers
autern, Rud. Tillmann in Landau, Karl Theod
Bottfr. Mohr in Zweibrücken.
— Neustadt, 13. Dez. Die in vor. NMr.
des „Anz.“ erwähnten Schenkungen des Herrn
dauber aus München werden zunächst darin be—
tehen, daß derselbe ein städtisches Grundstück von
twa 30 Tagwerken mit 83000 Obstbäumen be—
pflanzen lassen wird. Die Anlage wird nach einer
Angabe des Herran Hauber nach etwa 10 bis 12
Jahren dazu ausreichen, den Gesammtbedarf des
ziesigen Hospitals zu decken oder die Umlagen der
Stadt wesentlich zu reduziren.
— Neupfotz, 13. Dez. In unserem Orte
nimmt die Korbflechterei einen immer größeren Auf⸗
chwung. Bereits reichen die männlichen Arbeiter
nicht mehr aus und es ließ daher Fabrikant Heid
ine Arbeiterin aus der Gegend von Lichtenfels
ommen, um weibliche Arbeiter in der feineren
dorbflechterei unterrichten zu lassen. Fünfzehn
Mädchen haben bereits damit begonnen.
— Auch in Grünstadt haben einige gewinn—
ustige Geschäftsleute Zehnpfennigstücke vom Jahr
1873 für 12 und 15 Pfa. angekauft.
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Bermischtes.
F Gegen die Reichswaisenhäuser er—
jebt in der „Sozial⸗Korr.“ ein alter erfahrener
krzieher seine Stimme. Der Verfasser des Ar—⸗
ilels schildert das Leben in den Waisenhäusern in
den schwärzesten Farben und spricht die Ansicht
aus, die Erziehung des Kindes gehöre in die Fa—
nilie und die des Waisenkindes erst recht. Man
zringe daher die armen, unglücklichen Waisenkinder
in gute christliche Familien gegen entsprechende
Entschädigung, schicke sie mit andern Kindern in
die Schule und kleide sie wie diese, damit sie nicht
uch hier als die Verstoßenen betrachtet und mit
Fingern auf sie gedeutet wird. Der Einsender
chlägt vor, aus den alten überlebten gänzlich un⸗
rauchbar gewordenen Waisenhäusern moderne
Znabenheime und Mädchenheime zu machen, d. i—
Anstalten für Ernährung, Beschäftigung und Er—
iiehung unbeaufsichtigter großstädtischer Kinder in
hrer schulfreien Zeit, wo die Kinder am Tage vor
chlechtem Umgang bewahrt bleiben, wo sie ernährt,
zeschäftigt, beaufsichtigt und am Abend dem Vater
ind der Mutter in die Familie zurückgegeben wer⸗
»en. Diese Kinder sind den Tag über allerdings
verwaist'. Wenn die Reichsfechtschule für solche
Waisen“ sorgen und also Waisenhäuser im engeren
Sinne oder Knaben⸗ und Mädchenheime gründen
vill, dann kann man mit ihren Bestrebungen ein⸗
erstanden sein. Aber auch in solche Häuser dürfen
rotorisch schlechte verwahrloste Kinder nicht aufge—
iommen werden, die gehören in „Besserungs⸗
Anstalten“ oder auch in alleinstehende streng sittliche
Familien. Wie ein räudiges Schaf eine ganze
herde ansteckt und verdirbt, so kann ein einziges
chlechtes Kind eine ganze Anstalt in Verruf bringen.
Der Abgeordnete Möllinger beantragte in
er hessischen Kammer den Bau einer Nebenbahn
on Worms über Horchheim, Heppenheim, Off⸗
tein an die bayerische Grenze. Die Motive heben
jervor, daß die betreffende Linie längst projektirt
ei, in letzter Zeit von den anliegenden Bewohnern
ringend gewünscht werde und eine wachsende Be⸗
»eutung durch die jetzt in Betrieb befindliche Zucker⸗
abrik Offstein erhielte.
Am 10. d. wurde vor der Strafkammer des
k. Landgerichts Regensburg verhandelt gegen
d Bierbrauer und gegen die Kaufleute Wich und
Fricke und den Geschäftsreisenden Rosemann in
München wegen Vergehens gegen das Nahrungs-
mnittelgesetz im rechtlichen Zusammenflusse mit einer
Uebertreitung des 8 7 des Malzaufschlaggesetzes,
bezw. wegen Theilnahme. Gegen die Bierbrauer
beantragte der Staatsanwalt Gefängniß (von 3 bis
1 Monat) und Geldstrafe (von 1000 bis 400 M.)
gegen Wich unter Einrechnung der ihm bereits in
Memmingen und München zuerkannten Strafen
von 10 Monaten 8 Tagen eine Gefängnißftrafe
von 1 Jahr 2 Monat, sowie 240 Mt., gegen
Fricke unter Einrechnung früherer Strafen 11 Mon.
und 240 Mt. und gegen Rosemann 1 Mon. und
15 Tage, welch letztere jedoch als durch die Unter—
suchungshaft getilgt erscheinen. Die Verkündigung
des Urtheils erfolgt am Mittwoch den 17. Dez.
München, 13. Dez. Ein vielgesuchter
Mann) ist der japanesische Jongleur d'Alvine, der
im vorigen Jahre hier im Kolosseum auftrat. Ein
deutscher, österreichischer und englischer Staatsan—
walt möchten ihn haben, weil er in jedem der be—
treffenden Staaten heirathete und die Frau dann
sitzen ließ.
F Ueber das Annonciren zur Weihnachtszeit
schreiben die „Thür. Nachr.“: „Es ist Sache der
Geschäftsleute, ihre Waare öffentlich anzukündigen
und das Augenmerk der öffentlichen Welt auf sich
zu ziehen; wer zu sparsam ist und sich scheut, die
wenigen Groschen daran zu wenden, die neuen
Waaren⸗Eingänge seines Geschäfts in gebührender
Weise anzukündigen, darf sich auch nicht wundern
und beklagen, wenn er von dem fortschreitenden
Zeitgeist in dem Getriebe des Lebens übersehen
und vergessen wird. Die Annonce ist die Vermitt⸗
lerin zwischen Angebot und Nachfrage und es kann
heutzutage diese Einrichtung kein Geschäftsmann
entbehren. Die Welt ist das Feld! Vernünftiges
Annonciren führt zum Ziel!“
FLeipzig, 15. Dez. Zu dem heute be—
zinnenden Hochverrathsprozeß gegen die Auarchisten
Reinsdorff und Genossen haben 36 Vertreter der
Presse Zutritt erhalten. Darunter befinden sih
auch Berichterstatter für die „Times“ und den
„Moniteur Universal“. Die behufs Aufrecherhal⸗
tung der Ordnung getroffenen militärischen und
polizeilichen Maßregeln sind seit einigen Tagen
derschärft.
Gegen das Hutabnehmen beim Grüßen, das
erst neuerdings wieder von ärztlicher Seite verur—
heilt wurde — besonders zur Winterszeit — hat
kein Geringerer als Altmeister Gosethe sich schon
ausgesprochen. Goethe, dessen stolze Würde und
königliche Haltung von allen Zeitgenossen gerühm
wird, gab folgende poetische Gruß-Regel:
„Grüßet mit Neigen,
Grüßet mit Beugen
Des bedeckten männlichen Haupts,
Wollt Ihr mit Gewalt das Genie Euch erkälten;
Ehret die Sitte, schont den Verstand.“
Köln, 15. Dez. Großes Erstaunen und
zroße Aufregung hertscht über einen in der Regier
ingshauptkasse vorhandenen Fehlbetrag, der nahezu
200,000 Mark betragen soll.
Die Zahl der an der Berliner Univer—
sität in diesem Semester eingeschriebenen Studenten
beträgt 3006; noch nie hatte sich in Deutschland
eine Hochschule solcher Frequenz zu erfreuen. Außer
den 3006 eigentlichen Studenten hören Vorlesungen
noch 190 mcht einschreibungsfähige Preußen und
Nichtpreußen, welche der Rektor zugelassen hat und
234 Studirende der militärärztlichen Bildungsan—
talten. Daneben sind zum Hören der Vorlesungen
derechtigt: 359 Studirende der technischen Hoch
chul⸗, 152 der Bergakademie, 140 der landwirth⸗
chaftlichen Hochschule, 128 der Akademie der Künste
js daß im Ganzen 6404 Personen Vorlesungen
besuchen können.
4 Der Maddi schickt Gesandte auf die Berliner
Konferenz. So lautete eine auch in unser Blatt
Ubernommene sensationelle Meldung des „Frankf.
Journ.“ In einer späteren Nummer bringt das⸗
selbe Blatt einige Details über dieses weltbewegende
Ereigniß. Darnach handelte es sich lediglich darum,
einen Depeschenmarder des Berl. Tgbl. zu dupieren.
Derselbe fiel auf die Nachricht herein, welche sofort
im Berl. Tgbl. als Originaltelegramm prangte.
Nächstens will das „Frankf. Journ., wie es schreibt.
melden, daß das „Berl. Tgbl.“ ein achtbares, an⸗
ständiges, in der Wahl seiner Nachrichten sorgfäl⸗