Full text: St. Ingberter Anzeiger

mit den den Worten: „Ich meiß Nichts davon, ich 
hin unschuldig.“ Mit Rückficht auf sein tadelloses 
Vorleben wird er zu 6 Monaten Kerker verurtheilt. 
Als man ihm das Urtheil vorliest, fällt er ohn⸗ 
nächtig zu Boden und muß aus dem Saale ge— 
ragen werden. — Zweiter Akt. Der Sträfling 
hat seine Strafe abgebüßt und kehrt aus dem Ge— 
ängnisse zu seiner Familie zurück. Er suchte nun 
eine Arbeit, findet aber keine; alle Welt meidet den 
Abgestraften. Der arme Mann verliert darüber 
den Verstand und stirbt an Auszehrung. Noch in 
den letzten Momenten des Todeskampfes wiederholt 
r immer die Worte, die er vor dem Richter ge— 
prochen: „Ich weiß nichts davon, ich bin un⸗— 
chuldig.“ — Dritter und letzter Akt. Vorgestern 
erhielt die Familie des verstorbenen Karl B. einen 
Brief, in welchem ein Unbekannter, auf dem Sterbe⸗ 
bette liegend, das Bekenntniß ablegt, jenen Dieb—⸗ 
stahl begangen zu haben, für welchen Karl B., der 
Koch, im Kerker büßte, den Verstand verlor und 
den er mit dem Leben bezahlte. 
fF Konstantinopel, 2. Febr. Der fran⸗ 
‚ösische Messagerie-Dampfer „Donnai“ bohrte vor— 
gestern Nachts den britischen Dampfer „Grecian“ 
Jei Metelin in den Grund. Die Bemannung des 
Grecian“ wurde gerettet. 
F New-York, 1J. Febr. Ein Eisenbahnzug, 
auf der Fahrt von Indianapolis nach New-VYork, 
hefand sich auf einer Brücke über den Weißen Fluß, 
7 Meilen von Indianapolis, als die Brücke zu— 
ammenbrach und der Zug in den Fluß stürzte. 
Vier Eisenbahubeamte ertranken und sechs Passa⸗ 
ziere werden vermißt. Die Ursache des Unglücks 
wird darin gesucht, daß der Fluß aus seinen Ufern 
zetreten und die Stützmauern unterwaschen hatte. 
(GRomantische Geschichte eines 
zungen Mädchens.) Aus Wellsville im Staate 
New⸗York wird geschrieben: Durch die vor einigen 
Tagen in einer Ortschaft der Oelgegend Pennsyl- 
»aniens erfolgte Heirath einer Person, welche vor 
ehn Jahren in Alleghany-County als der „schöne 
Wilhelm“ Freemann bekannt war. wird eine höchst 
igenthümliche Geschichte wieder in's Gedächtniß 
‚urückgerufen. „Der schöne Wilhelm“ („handsome 
3illy“) wurde zuerst im Jahre 1866 bekannt, 
als er sich bei einem Farmer in der Nähe von 
Angelika verdingte. Er war anscheinlich etwa 13 
Jahre alt, hatte indeß eine für sein Alter bedeu— 
ende Größe erreicht. Er zeichnete sich durch Sitt⸗ 
amkeit und moralischen Lebenswandel aus und 
rat im Jahre 1875 zur Methodistenkirche über. 
Im Jahre 1876 pachtete er in hiesiger Gegend 
eine Farm und nahm eine ältere Frauensperson 
ils Wirtschafterin in sein Haus. Ein Neffe der⸗ 
selben, der keinen besonders guten Ruf genoß, war 
nußer den Beiden der einzige Insasse des Hauses. 
Im Jahre 1877 wurde in der Umgegend eine 
Anzahl von Einbrüchen verübt und eine Partie 
Waaren, welche aus einem Laden in Wellsville 
Jestohlen worden, fand man schließlich in einem 
bersteck in Freemann's Scheune. Freeman erklärte, 
iber die Auffindung der gestohlenen Sachen in 
einer Scheune ebenso überrascht zu sein, als die 
Holizeibeamten, doch wurde er verhaftet und be— 
annte sich des Diebstahls schuldig, als die Sache 
ur Verhandlung kam. Er brach in Thränen aus 
uind flehte den Richter um Gnade an. Letzterer 
andte ihn auf 18 Monate in das Zuchthaus von 
Frie- County. Dort sollte der junge Bursche, wie 
ille Anderen, korperlich untersucht werden. Da— 
egen leistete Freeman in der energischsten Weise 
Biderstand, doch da er einsah, daß ihm Alles nichts 
rützen und die ärztliche Uniersuchung doch statt- 
inden würde, gestand er, daß er kein Mann, sondern 
in Madchen, Namens Mary Anna Schäfer, sei. 
jtl. Schäfer wurde alsbald in die Abtheilung für 
veibliche Gefangene überführt und auf ihre Bitten 
vurde der Sachverhalt geheim gehalten. Sie gab 
in, ihre Eltern seien im Jahre 1855 aus Deutsch⸗ 
and ausgewandert und sie sei auf der Ueberfahrt 
ach Amerika geboren. Nach ihrer Landung in 
sew· York seien ihre Eltern nach Alleghany⸗Counth 
zezogen, wo ihr Vater gestorben sei, als sie das 
uünfte Lebensjahr erreichte. Ihre Mutter habe 
bäter sich wieder verheirathet, und als sie selbst 
jehn Jahre alt geworden, habe ihr Stiefvater ihr an— 
gekündigt, sie müsse nunmehr sich ihren Lebens⸗ 
anterhalt selbst verdienen. Da sie gesehen, daß 
jungen in ihrem Alter mehr verdienten als Mäd— 
hen so habe sie sich entschlossen, sich für einen 
zungen auszugeben. Ihre Mutter habe den Plan 
sebilligt, worauf sie Knabenkleider angelegt habe. 
his zum Alter von 21 Jahren habe sie im Diensle 
zerschiedener Farmer gestanden und sich sodann 
elbst eine Farm gepachtet. Sie erklärte, sie habe 
»en Diebstahl niht begangen und sich nur schuldig 
hekannt, da sie sich vor dem Neffen der Haushäl⸗ 
erin, dem wirklichen Dieb, fürchtete, der gedroht 
jatte, sie umbringen zu wollen, falls sie prozessirt 
ind freigesprochen werden sollte. Frl. Schäfer 
vurde im Jahre 1878 begnadigt und kehrte sofort 
uu ihrer Mutter zurück. Kurz darauf fand sie in 
inem Laden in der Ortsgegend Beschäftigung, 
voselbst sie im Jahre 1879 einen vermögenden 
Naterialwaarenhändler heirathete. 1880 wurde 
ie Witwe und heirathete soeben ihres Mannes 
—X 
FGNRutzen der Holzkohle.) Die Holz— 
cohle ist ein ausgezeichnetes Desiafektionsmittel. In 
Folge ihrer bedeutenden Porosität absorbirt und 
'odensirt sie übelriechende Luftarten. Ein Kubikzoll 
rrische Kohle kann nahezu hundert Kubikzoll Am— 
noniak in Gasform absorbiren. Wird sie in meh— 
reren flachen Gefäßen auf dem Boden eines Ge⸗ 
naches aufgestellt, so reinigt sie die verdorbene Luft, 
ndem sie die üblen Gerüche an sich zieht. Rie— 
hendes Fleisch kann wieder rein gemacht werden, 
denn es mit Holzkohle umgeben wird. Sie läßt 
einen üblen Geruch aufkommen, greist kein Metall, 
ein Gewebe, keine Farbe an; sie ist ein einfaches, 
icheres und ganz unschädliches Desinfekionsmittel. 
rFin Theelöffel voll Kohlenpulver in einem Glase 
Vasser genommen, mildert oft nervöses Kopfweh, 
»as vom Magen ausgeht. Die Holzkohle ist eines 
»er besten Mittel gegen Blähungsbeschwerden, wenn 
der Leib von Gasen aufgetrieben ist, und wirkt oft 
jünstig bei Verstopfung, Sodbrennen und Magen— 
rampf. 
Das Geldsenden nach Amerika. 
Jede Stadt, jedes Dorf, ja fast jede Familie 
inserer Pfalz hat Angehörige über dem weiten 
Weltmeer, in der amerikanischen neuen Welt und 
diese Bande der Verwandtschaft haben zur Folge, 
zaß alljährlich, sei es zur Uebermittelung von Eigen— 
hum oder zur Abrechnung von Erbschaften oder 
aber zur Unterstützung Gelder herüber und hinüber 
jesandt werden. 
Da nun bei uns das Geld in Markwährung 
ingezatlt, in Amerika aber dem Empfänger in 
Doslars ausgezahlt wird, so muß hiebei eine Um— 
rechnung stattfinden, über welche besonders auf 
unseren Dörfern gar viele eine ganz falsche Vor— 
tellung haben; der Vater sendet dem Sohn sein 
nütterliches Vermögen, der Bruder ist von Ge— 
chwistern zur Abtheilung bevollmächtigt; das Ver—⸗ 
nögen ist flüssig gemacht und es bleibt nur noch, 
das baare Geld in die Hände des jetzigen recht⸗ 
näßigen Besitzers zu schaffen; der Absender will, 
zaß solches thunlichst gewissenhaft geschieht, der 
Zohn, Bruder oder sonst in der Verwandtschaft 
ind Freundschaft Stehende im fernen Amerika soll 
ein Geld „ohne allen Abzug und richtig“ 
n New-York oder Bufalo, Philadelphia oder Cin⸗ 
innati oder gleichviel in welch anderer Stadt des 
sroßen Continents ausgezahlt erhalten. Aber — 
»a kommt ein Freund und räth „Du kannst beim 
Abschicken des Geldes noch etwas für Dich heraus— 
ekommen: der A. zahlt so viel heraus, der B. hat 
o viel gegeben, dem in Amerila machts nichts aus 
Du hast doch etwas für Deine Mühe und Gänge, 
velche Du ja gar nicht anrechnest und so weiter 
Aehnliches. Es wird schon mancher denkende 
Bauer sich alsdann gefragt haben: ja wie geht 
das zu? ich bekomme ewwas heraus, der drin soll 
deßhalb doch nicht weniger erhalten — wo kommt 
)as her, das ich krieg? Eine Lösung kann er sich 
nicht finden — „das liegt halt in dem Unterschied 
wischen der Mark und den Dollars! Damit be— 
ruhigt er sich und nimmt dann so viel wie möglich 
»on dem Nutzen, der halt doch einmal Niemand 
twas kostet und rein aus nichts kommt. 
Wie mancher Absender würde staunen und tief 
zeschämt sein, wenn er sehen könnte, wie drin im 
ernen Westen Sohn, Bruder, Schwester und 
Schwager oder der Freund aus der Jugendzeit bei 
ꝛer Vergleichung der Beträge von Mark, wie sie 
m Bcrief und der Abrechnung stehen und von 
Dollars, wie er sie ausgezahlt erhält, die Achseln 
uuckt; zuerst betrachtet er sich dann das auszahlende 
zankhaus und ist er zur Ueberzeugung gekommen, 
aß von diesem eine Unregelmäßigkeit nicht ange— 
ommen werden kann, so stößt er einen derben 
Fluch aus oder denkt bedauernd „wie kleinlich und 
zroßthuerisch und doch zum Schluß gierig die 
Menschen daheim in der alten Welt sind. Erst 
machen sie Worte, daß sie alles besorgen wollen 
und gar nichts dafür nehmen, dann suchen sie sich 
hinten herum einen Vortheil zu verschaffen und 
denken, wir fühlens doch nicht. Warum rechnet 
ich der Hannes ader Peter nicht offen zehn oder 
wanzig Mark für sein Versäumniß, bei uns in 
Amerika wird gar nichts umsonst gethan, das ver— 
tehen wir ganz gut! Aber wir würden sagen, 
venn wir auf solchem Hinterweg 10 Mark heraus— 
dekommen sollten: So jetzt schicken Sie die 10 Mark 
auch noch dorthin, wohin sie gehören!“ 
Gelt Hannes oder Peter, oder wie Ihr alle 
Jeißt, daran habt Ihr nicht gedacht? Hernach wun⸗— 
dert Ihr Euch, wenn die Verwandten oder Freunde 
in Amerika drin nichts mehr von sich hören lassen 
uind scheltet, daß dieselben nur schreiben so lange 
ie Geld zu erhalten haben! 
Dann ärgert Ihr Euch, wenn die Vollmacht 
zur Abtheilung nicht an Euch, sondern an einen 
fremden“ Geschäftsmann geschickt wird! Das hat 
illes seine Grunde und oft nur zu gute! Gerade 
'o wie Ihr Euch erzähli, was Ihr „herausbekom⸗ 
nen“ habt, so erzählen sich auch die drüben überm 
Wasser, wie sie so kleinlich verkürzt worden sind; 
ie erzählen es sich nicht wegen des Betrages, den 
würden sie Euch für Eure Mühewaltung gern 
zönnen, sondern sie erzählen es wegen der Art und 
Weise, wie Ihr Euch den „Profit“ verschafft habt. 
Und nun wollen wir etwas näher betrachten, 
vie eigentlich das Geldschicken nach Amerika vor 
sich geht: 
Der Bankier oder die Bank, welche Euch zur 
Vermittelung dienen, müssen drüben in Amerika 
Beld gut baben oder Kredit haben, um für Euch 
an den Empfänger daselbst auszahlen lassen zu können; 
wie das sich macht, kann Euch wohl gleichgültig 
iein. Jeder Dollar, der drüben ausbezaählt wird, 
hat aber einen bestimmten Preis, welcher fällt und 
teigt, wie bei der Frucht und dem Wein und leider 
mm Fallen jetzt nur zu arg auch beim Tabak. Der 
Preis für den Dollar Auszahlung nach Amerika 
regulirt sich Tag für Tag in den großen Handels— 
städten wie Berlin und Frankfurt a. M. u. s. w., 
gerade wie die Fruchtpreise für die Pfalz in Mann⸗ 
jeim sich feststellen. So kostet nun heute der 
Dollar in New-York, Cincinnati, Philadelphia aus- 
zuzahlen 4 Mark 22*2 Pfg., an anderen Orten 
und wenn es vielleicht nur 100 oder 200 Mark 
ind, kostet es 1 oder 2 Pfennig mehr per Dollar, 
Wenn der Bankier sagt, der Dollar kostet M. 4. 22 , 
o sind da schon alle Unkosten drin. Nun hast Du 
Deinem Bruder in Cincinnati M. 1267.50 zu 
chicken; Du hörst, der Dollar kostet M. 4.2214 
ind wenn nun der Dollars wie früher zu zwei 
Zulden dreißig Kreuzer umgerechnet wird, so bist 
Du ihm Zweihundert und fünf und neunzig Dollars 
ichtzig Cents schuldig, so sagt Dir jener gute 
Freund, auch wohl ein gewissenloser Vermittler, der 
an Dir und Deiner Gier nach Profit selber ein 
noch größeres Profitchen machen will. Die Dollars 
werden zu M. 4.22 umgerechnet und machen 
M. 1249.75 
es bleiben Dir von den 1267.50 
somit noch übtig M. 17.75 
was Du ganz befriedigt in die Tasche steckst. 
Wenn Du aber ehrlich und rechtschaffen handeln 
willst, so mußt Du sagen: Hier sinb M. 1267.50, 
die gehören meinem Bruder oder gleichviel wem, 
'orgen Sie, daß der soviel Dollars wie moͤglich 
exhält und Dein Bruder wird dann zu 4.22 1 
Dollars Dreihundert erhalten, also 4 Doll. 32 Cts. 
mehr, was genau der Werth von den Dir andern⸗ 
falls mit Unrecht zugefallenen M. 17.75 ist. Der 
Empfänger wird aber alsdann sagen: „Es sind doch 
ordentliche Leute in der alten Heimath“, wird Eurer 
in Liebe und Anhänglichkeit gedenken. Darum laßt 
Euch nichts herausgeben, wenn Ihr Geld nach 
Amerika zu schicken habt und wenn Euch jemand 
agt, der darin kriegt doch nicht mehr, so glaubt 
hmenicht, er versteht es nicht oder aber er hat 
einen Zweck dabei; denket stets an das alte und 
mmer richtige Wort Aus VNichts wird Nichts.“ 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Speyer Frau Fanny Kraus; 
bendaselbst Jan Wetz, Maschinenführer bei den 
sfälz. Bahnen; in Schweigen Frau Wilhelmine 
Theilmann, geb. Schumacher, 29 J. a.; in 
MNorbach Frau Elisabetha Gauch, geb. Schaäfer; 
ffür die Redaktion verantwortlich: F. X. Deme