423
qihm aufgerüttelt. So achtete er nicht auf des
Nadchens verstörtes Wesen. Voller Hast verließ er
as schwarze Haus, ahnungslos, daß Manuela von
im Abschied genommen hatte für immer.
F
Kaum zwei Stunden später schied Roderich
O'Donell, von seiner Schwester Luch begleitet, von
osegg.
ꝛ n letzten, wehmuthsvollen Blick sandten
Beide nach dem Schlosse zurück, ehe dasselbe ihren
Blicken entschwand.
Von einem der oberen Fenster herab winkte ein
zleiches, thranenüberströmtes Antlitz ihnen den
letzten Gruß zu. dann zogen die Pferde an und
er Wagen rollte durch den Park davon.
Während der Fahrt nach dem schwarzen Hause
heilte Roderich seiner Schwester mit, was er über
lexander de Saint⸗Claire in Erfahrung gebracht
zatte.
So erreichten sie das schwarze Haus, doch kaum
waren sie vor demselben angelangt, als Doktor
Wilson ihnen schon entgegenstuͤrmte mit der hastigen
Frage, ob er die Ehre habe, mit Kapitän O'Donell
u reden?
Der bin ich!“ versetzte der junge Mann be⸗
remdet. „Ich komme, um Mademoiselle Latour —“
„Mademoiselle Latour ist nicht mehr hier, —
ie ist entflohen! Doch ein größeres Räthsel als
das“, fuhr er erregt fort, „ist dieser Brief. Welchen
Finfluß besitzen Sie auf das Fräulein, Kapitän,
daß fie dem höchsten Triumphe ihres Lebens ent ⸗
agt um Ihretwillen, wie diese nach Ihrem Be—
uche von heute Morgen geschriebenen Zeilen es
aussprechen ?
„Ich begreife kein Wort von Allem, was Sie
agen; erklären Sie sich deutlicher!“ erwiederte
Roderich.
„Wer anders als Sie kann ihr zugeredet haben,
hrem Erbrecht zu entsagen, und sie zur Flucht
zu veranlassen ?“
„Mein Herr, Sie sprechen in Räthseln! Wenn
Mademoiselle Latour entflohen ist, so beklage ich
das von ganzem Herzen, aber ich habe gewiß am
etzten Antheil daran. Ja, ich war heute Morgen
zei dem Fräulein, um sie zu warnen, weil ich
sur die Aermste empfand. Von ihrer
Flucht weiß ich Nichts! Erklaren Sie sich deut⸗
acher, wenn ich Sie verstehen soll!“
Lesen Sie dieses Schreiben!“ versetzte der
ange Arzt, zitternd vor Aufregung, indem er dem
Kapitän Manuela's Brief hinreichte.
Roderich las:
„Doktor Wilson!
Sie werden überrascht und bestürzt sein,
wenn Ihnen diese Zeilen eröffnen, daß ich ge⸗
gangen bin, um nie zurückzukehren. Ich ent⸗
jage meiner Rache. Das Bekenniniß Johanna
hermann's ist verbrannt. Weder mein Vater,
joch sie, die meine Stelle einnimmt, sollen je
zarum erfahren. Kapitän O'Donell hat sich
mir als Freund erwiesen, seinetwegen entsage ich
allen Racheplänen. Lassen Sie die Elende, welche
alles Unglück über mich und meinen gütigen,
todten Adoptivvater gebracht hat und die wir
durch List hierherlockten, unbeanstandet ihres
Weges ziehen. Sorgen Sie fuͤr Alexander de
Saint⸗ Elaire, wie Sie es bisher thaten. Ich
war Ihnen Jahre hindurch eine Last und Kum—
mer; meine jetzige Flucht wird Ihnen schmerzlich
sein, aber ich handle zum Besten für uns Alle!
Leben Sie wohl, mein Freund! Bis zu meiner
letzten Stunde werde ich für Sie beten und Sie
segnen!“
Manuela.“
Roderich O'Donell las das Schreiben zweimal,
aber nur die Hälfte davon verstand er.
„Sie will ihrer Rache entsagen“, sprach Henry
Wilson, als Roderich ihm das Blatt zurückgab,
doch, bei Gott, jetzt ist es genug! Sechs Jahre
ang habe ich geschwiegen. Das Maß ist endlich
ibetvoll. Ob mit oder gegen ihren Willen, die
Wahrheit soll und muß gesagt werden. Sie sollen
rfahren, daß das Mädchen, welches sie mit Füßen
getreten haben, Blut von ihrem Blute ist! Er soll
es wissen, daß sie seine Tochter ist!“
„Wer? Wessen Tochter?“ forschte Roderich
DDonell.
Aber der Arzt, seine Worte nicht beachtend.
wandte sich zum Gehen.
„Wenn Sie den armen Blödsinnigen sehen
pollen, so mag die alte Tony Sie zu ihm führen.
Ich gehe, um den Vater Manuela's aufzusuchen !“
Mil diesen Worten entfernte er sich so hastig,
daß Roderich keine Frage mehr möglich war.
Die alte Tony, die hinzutrat und sich bereii
erklärte, den jungen Kapitän und seine Schwester
n dem Kranken zu führen, entriß ihn seinen Ge⸗
danken.
Auf den Arm des Bruders gestützt, folgte Lucy,
ioch heftig ergriffen von dem eben Gehörten, zit⸗
ernd der voraufgehenden Alten. Zögernd über⸗
chritt sie die Schwelle des Gemachs, in welches
zie Greisin sie führte und sank hier vor dem Lager
des Mannes, der einst ihrem Herzen so theuer ge⸗
vesen war, lautlos auf die Knie nieder.
„Alexander, Alexander!“ flüsterie sie.
Er zuckte merklich zusammen, riß die Augen
veit auf und starrte sie groß an, doch ohne, daß
auch nur ein Funken des Erlennens in seinem
Blick wach geworden wäre.
Wildes Grausen erweckte der starre Ausdruck
desselben in ihrer Seele und mit einem leisen Schrei