Full text: St. Ingberter Anzeiger

brach sie ohnmächtig neben der Lagerftätte des 
A—— 
langer vorenthalten. Mylord, das Mädchen, welchen 
Alle verachtet und mit Füßen getreten haben, da 
Madchen, das wie eine Verbrecherin bei Nacht un 
Nebel dieses Haus hat verlassen müssen, das Ma 
hen, welches Sie als ein⸗ Abenteurerin zur Rechen 
schaft ziehen wollen, fie ist keine Andere, als 
Der junge Arzt hielt inne. 
„Keine Andere, als — was?“ fragte der Gra 
kühl, cynisch. 
„Sie ist keine Andere, als Ihre rechtmaßig 
Tochter!“ 
Waren die beiden Manner nicht so fieberhafl 
erregt gewesen, sie würden gesehen haben, wie di⸗ 
Portiere, welche in den Wohnsalon fuührte, heftig 
schwankte und würden den heiseren Wehlaut, der 
sich von den Lippen der stillen Horcherin rang, di 
hinter der Gardine verborgen stand, vernommen 
baben. 
So aber waren Beide nur fuür einander da 
Zaͤhneknirschend hörte der Graf die letzten Wort⸗ 
des Sprechers. Mit geballten Händen, jornfun— 
lelnden Auges, so trat er jetzt vor den jungen 
Mann hin. 
Sir, diese Beleidigung fordert Vergeltung! 
Sie werden mir Genugthuung geben!“ 
„Ja, Mylord, ich werde Ihnen Genugthuung 
geben, aber nicht in dem Sinne, wie Sie dieselb⸗ 
verlangen, sondern durch rechtsgültige Beweise 
meiner Behauptungen. Horlen Sie je in Ihrem 
Leben den Namen Johanna Delange?“ 
Der Graf erbebte bei Nennung dieses Nament 
und Doktor Wilson fuhr fort!“ 
„Ah, Sie erbleichen! Sie kennen den Namen! 
In den Armen Johanna Delange's starb ihre Ge— 
mahlin, nachdem sie einem Kinde das Leben ge— 
geben. Das Kind blieb bei Johanna Delange 
und als Sie später kamen, Ihr Kind abzufordern, 
gab sie Ihnen das ihre und behielt Ihr Kind, dat 
sKind der Frau, welche sie haßte, weil dieselbe sie 
von dem Manne ihrer Liebe getrennt hatte!“ 
„Es ist Lüge, Luge! Es kann, es lann nicht 
sein! Cäcilie ist meine rechtmäßige Tochter!“ rief 
der Graf wuthbebend. 
„Das Mädchen, welches bis jetzt als Lady 
Lacilie in der Welt dominirte, ist die Tokoner 
Johanna Delange oder Hermann, wie fie V 
nannte, während Manuela, die Mißhandelse, mit 
Fußen getretene, Ihres Blutes, Ihrer Tochter ist!“ 
„Sir, machen Sie der Scene ein Ende!“ 
„Sie glauben mir nicht, Mylord?“ 
„Nein, mein Herr! Ihre Geschichte klingt denn 
doch gar zu abenteuerlich, um Anspruch auf Glaub⸗ 
würdigkeit machen zu können!“ 
(Schluß folgt.) 
„Sie wünschen, mein Herr?“ 
Mit diesen Worten trat im Empfangssalon auf 
Schloß Rosegg Lord Ainsleigh dem Besucher ent 
zegen, welchen ihm der Diener soeben gemeldet 
hatte und der kein Anderer als Doktor Wilson war. 
„Mein Kommen,“ antwortete der junge Arzt 
und seine Stimme bebte vor nur mühsam verhal⸗ 
lener Erregung, „mein Kommen betrifft ein Wesen, 
velches Ihnen sehr nahe steht — es betrifft Lady 
Manuela —“ 
„Manuela, die Abenteurerin, die es verstanden 
hat, sich unter der Maske einer Erzieherin in dieses 
Hhaus einzuschleichen ?“ 
„Mylord, Sie gebrauchen harte Worte,“ ver— 
setzte Henry Wilson zornbebenden Tones. „Und 
doch sollten Sie der Letzte sein, welcher über das 
bellagenswerthe Mädchen den Stab bricht!“ 
„Der Letzte?“ gab der Graf spöttisch zurück. 
„Und warum? Kommen Sie vielleicht als ihr 
Abgesandter, um mich um Gnade für sie anzugehen 
Ich bitte Sie im Voraus, sparen Sie Ihre Müͤhe! 
Es ist nuzzlos! Die Thatsachen sprechen wider sie. 
Das Mädchen ist eine Abenteurerin; sie wird als 
eine solche zu büßen haben! 
„Eine Abenteurerin! Sie sagen das mit einer 
Bestimmtheit, als wenn Sie die Beweise davon in 
Ihren Händen hielten!“ 
„Das thue ich auch! Oder gebrauchte sie etwa 
nicht einen falschen Namen, um sich in dieses Haus 
einzuschmuggeln? Ist nicht Alles erborgt und 
falsch, was dieses Mädchen über fich selbst aus⸗ 
sagte?“ 
„Erborgt und falsch! Ja, Mylord, es ist 
Alles falsch, was Sie von diesem Mädchen wissen, 
deun was Sie auch vermuthen, die Wahrheit wissen 
Sie nicht!“ 
Der Graf blickte zu dem Sprecher auf, über⸗ 
rascht, erschrecktt. 
„Doktor Wilson, ich verstehe Sie nicht! Was 
wveiß ich nicht von dem Mädchen ?“ 
.Das Wichtigste, Mylord, was Ihnen am 
allerletzten ein Geheimniß sein sollte — ihre wirk⸗ 
liche Herkunft!“ 
„Sie scheinen schlecht genug unterrichtet zu 
sein,“ gab der Graf scharf zurück. „Manuela war 
die Pflegetochter des verstorbenen Lord Rosegg, ein 
—RX 
eine geben Lann.“ 
„Herr Graf, ich loͤnnte Ihnen Ihren Vorwurf 
zurückgeben. Nicht ich, Sie sind der Getäuschte. 
Es ware gegen die heiligften Satzungen des Men⸗ 
schenrechts gehandelt, wollte ich Ihnen die Wahrheit 
Druck und Verlag von 
.Demeßs in St. Ingbert.