Full text: St. Ingberter Anzeiger

zesprochen und zunächst beschlossen, eine Petition 
in die Kammer zu richten, den Steuernachlaß auf 
fünf weitere Jahre zu belassen, wonach der Klein⸗ 
renner nur mi der vollen Steuer belastet werden 
oll, welche in Zahlung von 87 Pf. statt 109 Pf. 
ür den Hektoliter Maischraum besteht. Was die 
Denkschrifi, die Abschaffung der Gewerbesteuer, be⸗ 
rifft, wurde folgende Resolution beschlossen: „In 
Anbetracht der Krisis des Brennereigewerbes und 
aberhaupt der schlimmen Lage der Landwirthschaft 
sieht sich der Verein der Brennereibesitzer der Pfalz 
deranlaßt, das Kreiskomite zu ersuchen, bei hoher 
igl. Regierung dahin wirken zu wollen, daß auch 
ferner dem kleinen Brenner die Vergünstigung zu 
Theil werde, welche im Art. 3 des Gesetzes vor⸗ 
Jesehen ist. Im Ferneren wuͤrde beschlossen die 
petition um Aufhebung der Gewerbesteuer zu 
viederholen. Schließlich wurde noch der von dem 
steichstagsabgeordneten Herrn Dr. Buhl im 
Reichstage gestellte Antrag besprochen. Derselbe 
Nufet: ,Der Reichstag wolle beschließen, die ver⸗ 
hündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage 
mit moglichster Beschleunigung einen Gesetzentwurf 
über Erhöhung der Brannweinsteuer vorzulezen, 
in welchem die Interessen besonders der kleinen 
landwirihschaftlichen Brennereien eine entsprechende 
Berücksichtiaung finden.“ Herr Geitner vom 
Truppacherhof ist gegen eine Erhöhung der Steuer 
ohne gleichzeitige Erleichterung des Absatzes. Die 
nächste Versammlung soll in Land stuhl abge⸗ 
halten werden. 
— Die „Pf. Pr.“ bringt unter „Einsendungen“ 
folgende Klage: „Buchbinder und Schreibmaterial⸗ 
händer! Ein neues Monopol wurde uns alz Neu⸗ 
jahrsgeschenk gemacht. Jedenfalls werdet Ihr wissen, 
dah das Gendarmerie-Kommando der Pfalz den 
Hendarmen nunmehr ihren Bedarf in Kanzlei⸗ 
und Konzeptpapier liefert resp. daß die Gendarmen 
zasselbhe von da beziehen müssen. — Also Steuern 
für Schreibmaterialen sollen bezahlt werden und 
an wen sollen die Landbuchbinder ihr Papier ver⸗ 
taufen? Jedenfalls hat sich beim Kommando eine 
Papierfabrik empfohlen, damit die Gendarmen ein 
recht billiges und schlechtes Papier erhalten. Es 
ist ja nicht nothwendig, daß auf uns Rüchsicht ge⸗ 
iommen wird. Daß die Sendungen von Speier 
Jus an die Stationen als Dienstsachen geschehen, 
hrauch nicht erwähnt zu werden — es geht ja 
portofrei. Nicht allein der Buchbinder wird daher 
zeschädigt, sondern auch der Staat, dem ersteren 
entfällt sein Verbienst, letzterem entgeht das Porto. 
Fzwäre gewiß noch an der Zeit, bei höherer 
Slelle die Sache votzubringen, damit doch nicht 
Mes Monopol und der Sache noch die Spitze ab⸗ 
zebrochen wird. 
vBetkanntlich wurde in der Schöffensitzung 
u Landau vom 7. Januar Herr Ed. Morin 
on der Anschuldigung der unberechtigten Jagdaus. 
ibung im Banne von Landau freigesprochen, der 
igl. Amtsanwalt legte dagegen Berufung zum kgl. 
dandgericht ein. (Morin's Hund hatte einen auf 
der Queichheimer Jagd angeschossenen Hasen auf 
dandauer Jagdgebiet verfolgt, dortselbst eingefangen 
ind seinem Heren überbracht.) Dieser Tage wurde, 
vpie der „Pf. K.“ bemerkt, dem Angeschuldigten 
qun amtlich mitgetheilt, daß der königl. Amtsan⸗- 
valt die Berufung zurückgenommen hat und die 
Freisprechung Morin's nun zu Recht besteht. 
dDie landwirthschaftlichen Kon— 
sumvereine der Pfalz, die am 18. d. M. 
zu Neustadt ihren dritten Verbandstag hielten, 
ählten im Ganzen 2736 Mitglieder; ihr Gesammt⸗ 
amsatz im Jahre 1884 betrug 118,000 Centner 
n Gesammtwerthe von 400,300 Mk., gewiß eine 
sübsche Summe; an Kohlen wurden bdezogen 
18,000 Centner im Werthe von 32,000 M., und 
war von der Saar 46,000, von der Ruhr der 
Kest mit 2000 Centner; an Hülfsdünger 25,000 
Fentner im Werthe von 1758,000 Mk.; an Kraft⸗ 
futter 69,000 Centner im Werthe von 135,000 
Mt.; an Saatgut (Getreide) 560 Centner im 
Werihe von 3000 Mt'; an sonstigen Sämereien 
342 Zentner im Werthe von 5362 Mk., endlich 
noch verschiedene Gegenstände im Werthe von 
8928 Mi., darunter Stalldünger, Mehl u. dgl. 
Vermischtes. 
Mühlhausen, 4. Februar. Am Sams⸗ 
ag Abend erschreckte ein trauriges Ereigniß die 
Bewohner eines Hauses in der Fröschenweide. 
Hort fand man, durch einen brandigen Geruch auf⸗ 
nerksam gemacht, einen Bewohner, den Schuster 
Bogt, todt, mit dem Arm in dem von oben ge 
jeisten Ofen hängen. Man vermuthet, der Alte, 
zer schon seit längerer Zeit nicht wohl war, sei in 
zem Augenblick gestorben, als er den Ofen auf⸗ 
Jemacht hatte, um wieder Kohlen aufzulegen. Im 
Fallen wird er mit dem Arm in den Ofen ge⸗ 
ommen sein, sodaß jener schon nahezu verkohlt 
par, als man in das Zimmer trat. Der alte 
Raun wohnte ganz allein, seine Frau soll gerade 
ine Strafe in Hagenau abbüßen. 
R Ciefferungen nach Afrika) Die 
nstigen Folgen der deutschen Colonialpolitik haben 
ich auch schon in dem württembergischen Fabrik⸗ 
tädtchen Reuffen bemerkbar gemacht. In einer 
—V Bestellungen auf 
nöglichst bunte Bettdecken, die nach dem Zululande 
jehen sollen, eingelaufen. Viele dortige Jacquard⸗ 
deber und Arbeiter bei der Corsettfabrik, die in 
er letzten Zeit ohne Arbeit waren, haben hierdurch 
vieder lohnende Beschäftigung gefunden. Die 
Forsettarbeiter außern dabei den naiven Wunsch, 
aß sich die Zuludamen doch recht bald des Cor⸗ 
is bedienen möchten, dumit auch nach ihrem 
Artikel wieder mehr Nachfrage gehalten werde. 
München. Ein Opfer des Romanlesenß 
st der 17jährige Kaufmannslehrling Klob geworden. 
nfolge unpassender Lektüre bekam er Neigung zu 
inem abenteuerlichen Leben, unterschlug seinem 
dienstherrn 1170 M. und flüchtete nach Hamburg, 
vo er sich als Schifftjunge anwerben ließ. Er 
zing nach Norwegen in See und verjubelte auf 
zem Schiffe das Geld mit den Matrosen, was er 
nach seiner eigenen Angabe innerhalb 5 Monaten 
— nach Ham⸗ 
zurg zurück, wurde dort verhaftet, gab dabei einen 
alschen Namen an und wurde daselbst zu 3 Wochen 
haft und 2 Monaten Gefängniß verurtheilt und 
iach Verbüßung dieser Strafe hierher transportirt. 
Er legte ein unumwundenes Geständniß ab und 
vurde zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt. 
Aus Preußzen wird von einer wichtigen 
ẽntscheidung berichtet, welche das Abiturienten⸗ 
Brüfungs Reglement betreffend, den höheren Schulen 
ugegangen sein soll. Es handelt sich darin um 
ie sog. Kompensation der Leistungen. Es soll ge⸗ 
tattet sein,, mangelhafte Leistungen in einem oder 
ogar zwei. obligatorischen Fächern auszugleichen. 
Wenn z. B. ein Examinand im Lateinischen und 
Französischen gute, in der Mathematik und Physik 
iber noch nicht genügende Leistungen aufzuweisen 
jat, so kann man dieses mit jenem blanciren, so 
aß genügend herauskommt. Natürlich kommt es 
iuf den Grad der Mangelhaftigkeit an. So ist 
nusdrücklich bestimmt, daß Leistungen, die unter 
em Standpunkt der Prima stehen, überhaupt nicht 
sompensirt werden dürfen. Was also total unge— 
rügend ist, kann absolut nicht durchgehen. Ferner 
sat der Examinand keinen Anfpruch auf eine solche 
lusgleichung, sondern ob dieselbe eintreten soll oder 
nicht, bleibt dem Ermessen der Prüfungskommission, 
n letzter Linie dem königlichen Kommissiarius über⸗ 
assen. Diese Verfügung soll dazu dienen, die 
Schüler vor Ueberanspannung durch die Examen⸗ 
orbereitung zu bewahren, und zugleich zur Ver⸗ 
ütung der Ueberbürdung beitragen. 
'In Frankfurt a. M. ist ein Schwieger⸗ 
ohn mit seiner Wittwe⸗Schwiegermutter, für welche 
r mehr Neigung als für deren Tochter, seine Frau, 
mpfand, durchgegangen. 
p Eine gliuͤckliche Gemeinde, im Gegensatz zu 
inderen, oft von Kommunallasten erdrückten, dürfte 
nit Eppenrod bei Diez genannt werden. Ge⸗ 
neindesienern kennt man dort nicht; denn das Ver⸗ 
mögen der Gemeinde, besonders an Waldungen, 
st ein ganz erhebliches. Die Erkrägnisse aus der 
holznußung haben beispieloweise den Voranschlag 
im ca. 2000 Mk. überstiegen. Die Bürgerauf⸗ 
iahmegelder sind aber auch sehr hoch und betragen 
iber 1000 Mk. 
— Die verwittwete Prinzessin Hein rich der 
Miederlande, Tochter des Priazen Friedrich 
darl von Preußen, hat sich mit dem Prinzen 
Albert von Sachsen⸗Altenburg verlobt. 
Köln, 4. Februar. Mitte Januar wurde 
zeim Infanterie-Regiment Nr. 16 ein Mann 
ahnenflüchtig, der var einigen Tagen im Militär⸗ 
azareih Aufnahme finden mußte, weil ihm beide 
Fuͤße erfroren sind. Derselbe hat sich während 
iner Abwesenheit in der Nähe von Brühl umher— 
etrieben und am 24. Abends in einem Strohhaufen 
zchutz gesucht. Als sich der Deserteur in dem 
Stroh ein Loch machen wollte, war er dabei bis 
Jur Grde gerutscht und nicht mehr im Stande, sich 
Ferauszuhelfen. Grst am 29. Abends gelang es 
ihm, aus dem Strohhaufen heraubzulömmen und 
sich noch bis zum nächsten GSut zu schleppen. Zur 
Slillung seines. Hungers hat er von dem Strob 
egessen. 
FDie Vereinigungs Gesellschaft für Bergbau 
im Uachener Landkreise hat, wie die „Soz. Korr.“ 
mittheilt, folgende emnpfehlenswerthe Sinrichtung 
zetroffen: Seit Februar vor. Is. erhalten alle 
vortigen Bergleute, deren Zahl sich auf mehrere 
ausend beläuft, welche sich freiwillig verpflichten, 
einen Schnapt zu trinken Gier 
st gestattet), eine manatliche Prämie von je 2 M. 
Wer diese erst Ende des Jahres erheben will, er⸗ 
Jält noch außerdem 83 Mk. Die Auszahlung er⸗ 
'olgt. wenu ein Steiger und ein Vertrauensmann 
die Enthaltsamkeit bezeugen. Wer wiederholt be· 
trunken war, erhält den Abschied. Bis jezt genießt 
nit wenigen Ausnahmen die ganze Velegschaft 
ziese Vortheile: — ein Zeichen, wie werthvoll in 
dieser Angelegenheit der Zusammenhalt größerer 
Arbeitergruppen ist. Im Winter wird sämmilichen 
Bergleuten nach der Schicht eine Tasse Kaffee nebß 
HBrödchen verabreicht. 
Die Krinoline ist wieder da, 
Dem „Westf. Merk.“ wird von hier geschrieben: 
Uea est jacta. Der erste Berliner Hofball am 
29. Januar hat über das Schicksal des unteren 
Theiles der schöneren Hälfte des —XEXL 
nischieden. Jeder Gatte und jeder Vater weib⸗ 
licher Wesen vernehme es mit Fassung und Erge⸗ 
zung: die Krinoline ist da! Was wir schon lange. 
den Blick auf die unheilschwangere „Tournüre“ 
Jerichtet, in banger Ahnnng gefürchtet haben, jetzt 
st's Ereigniß. Das Uabeschreibliche — auf dem 
Hofballe ist's gethan: das ewig Weibliche — zieht 
ie wieder an. Die Prinzessin Friedrich von Hohen · 
ollern, welche die verlorene Post· Suprematie ihres 
Thurn- und Taxis'schen Stammhauses durch die 
Zuprematie auf dem Gebiete der Schönheit und 
zleganz mit Erfolg zu ersetzen sucht, ist laut dem 
Zeugnisse, welches die zünftigen Toiletten⸗Historiker 
iuf ihren Diensteid nehmen, „in ganz weiten 
Zleidern“ erschienen und mit ihr desgleichen dit 
Brinzessin Viktoria, die Gräfin von Hohenau, Frau 
on Ballussek und viele andere schöne Mitglieder 
des Mode⸗Staatsrathes. Da hilft keine Petition, 
eine Appellation, ja nicht einmal eine Demonstra⸗ 
jon. Mit Ausnahme der neudeutschen Provinzen 
n Afrika, die in Toilettensachen viel mehr Reser⸗ 
„atrechte haben, als Bayern im Postwesen, muß 
ich ganz Deutschland und Umgegend dem unerbitt⸗ 
ichen Gesetze fügen, daß ein edles Frauenherz nur 
i einer mitirten Glocke schlagen darf. Zui 
Frütjahrsparade werden wir bereits alle Hofliefe⸗ 
antinnen in Gestalt von wandernden —A 
rblicken, und wenn der Roggen blüht, dann werden 
alle weiblichen Honorationen von Memel bis Triet 
das rapide Wachsthum unserer Kolonien durch dit 
noch rapidere Vergrößerung ihrer persönlichen Terri⸗ 
orialansprüche in Schatten stellen. Ehe Weih⸗ 
iachten abermals ins Land kommt, hat auch der 
»ünnste Schneider eine dicke Frau, und bis Fast⸗ 
nacht 1886 wird auch die ärmste Viehmagd einen 
ilten Reifen für ihren sonn⸗ und festtäglichen 
Unterrock aufgetrieben haben. — Aber, aber — 
daz werden die Astrologen sagen ? Es handelt sich 
im die vierte Herrscherin aus dem aufgeblasenen 
geschlechte Krinoline · Reifrock · Panier. Die Geschichtt 
jefert auf blutigen Seiten den traurigen Beweis 
zaß jede der drei vorhergehenden Reifrock⸗Epochen 
ins dielmehr Unheil gebracht hat, als der lang— 
Ja rigste Komet. Auf die erste Krioline folgte der 
roße spanische Erbfolgekrieg, auf die zweite die 
ranzösische Revolution, auf die dritte Krinolint 
der Kaiserin Eugenie folgte das Sedan der Napas. 
eoniden. Oh wohl die Kleiderkünsflerinnen, welcht 
im 29. v. M. unsere Prinjzessinnen mit Danaiden 
ässern umkleidet haben, sich voll und ganz del 
gefahr bewußt gewesen sind, daß sie vielleicht da⸗ 
Zignal zu einer weltgeschichtlichen Katastrophe aus⸗ 
ledten? Sollten am Ende gar die bösen Anau— 
histen hinter dem weltumstürzenden Reifrock stecken! 
fBerlin, 5. Februar. Nichts ist unan 
jenehmer, als wenn man nach einem arbeitsvollen 
zormittag mit hungerndem Magen in der Hoffnung 
iuf ein rechtschaffenes Mittagissen nach Haust 
ommt, aber statt des erwarteten Kalbsbratens zu⸗ 
neint nur Knochen auf der Schüssel findet. Ir 
Fieser mißlichen Lage befand sich vor einigen Wochen