Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des koͤnigl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Politische Uebersicht. 
Der Reichstag setzte am Mittwoch die Be— 
rathung der Zolltarifnovelle fort. Abg. Bebel 
erklärte sich gegen die Vorlage und versuchte nach⸗ 
zuweisen, daß eine Besserung der jetzigen Agrar— 
berhältnisse nur durch den Sozialismus herbeige⸗ 
führt werden könne. Abg. Leemann ist für 
die Erhöhung der Getreidezölle, Abg. Dirichlet 
gegen dieselbe. Abg. v. Kardoff spricht dafür 
und beantragt die Getreidezölle im Plenum weiter 
zu berathen, die Holzzölle aber an einen besonderen 
Ausschuß und die übrigen Zölle an einen 21glied— 
rigen Ausschuß zu verweisen. Nachdem noch Abg. 
Brömel gegen, Abg. Grad für die Vorlage 
gesprochen, wird die Sitzung auf morgen 1 Uhr 
bertagt. Fürst v. Bismarck war während des 
zrößten Theiles der Sitzung anwesend. Auf eine 
Anfrage des Abg. Lenz erklärte Abg. Brömel, 
er hoffe den Bericht des Dampferausschusses gegen 
Ende der Woche fertig zu stellen, man könne ihm 
nicht verdenken, wenn er jetzt der Tarifnovelle seine 
Zeit widme. 
Die auf der Versammlung bayerischer Land— 
wirthe in Regensburg gefaßten Resolutionen, die 
Erhöhung der Getreide zölle betreffend, wurden 
mit 47,008 Unterschriften bedeckt, an den Reichs⸗ 
tag abgesandt. Die Landwirthe aus dem gesamm⸗ 
ten Königreiche betheiligten sich an der Petition, 
besonders die Kreise Oberbayern, Pfalz, Unter⸗ 
franken und Schwaben. 
Ueber das Vorgehen der deutschen Kriegsfchiffe 
in Polynesien liegen jetzt auch deutsche Berichte 
vor, welche der „Hamb. Korr.“ veröffentlicht. Wir 
entnehmen denselben Folgendes: Am 21. Oktober 
traf das Kanonenboot „Hyäne“ und am 21. No—⸗ 
dember die Kreuzerfregatte „Elisabeth“, beide direkt 
von Sydney in Matupi (Neu-⸗Britannien) ein. 
Am 83. November wurde in Matupi und bald dar— 
auf in Mioko (Duke of York) und an circa 10 
anderen Plätzen der Küste Neu-Britanniens die 
deutsche Flagge gehißt. Am 10. November gingen 
beide Schiffe nach Nusa (Neu⸗Irland), woselbst und 
ebenfalls in Kapsu, die Flagge gehißt wurde. 
Dann dampften die genannten Kriegsschiffe nach 
Neu⸗ Guinea, trafen dort in der Nähe von Port 
Constantin den Dampfer „Samoa“ in Friedrich 
Wilhelms«Hafen und zogen dort und später in 
huon Golf die deutsche Flagge auf. „Elisabeth“ 
traf am 25. November wieder in Matupi ein. 
Am 1. Dezember langte auch die Kreuzercorvelte 
„Marie“ von Apia kommend an und arrivirten am 
selben Tage noch „Hyäne“ und das englische Ka⸗ 
nonenbvot „Swinger“, so daß zur Zeit drei deut⸗ 
sche und ein englisches Kriegsschiff in Matupi vor 
Anker lagen. „Elisabeth“ irat dann am 4. Dez. 
ihre Weiterfahrt nach HYokohama an, woselbst sie 
am 2. Januar eingetrofsen ist. 
Betreffs Errichtung einer Garnison in dem 
deutschen Schutzgebiete von Kamerunn schreibt das 
„Wilhelmshavener Tageblatt“: „Es verlautet, daß 
einige in Reserve befindliche ältere Schiffe (wahr⸗ 
scheinlich „Vineta“ in Wilhelmehaden und „Niobe“ 
in Kiel) vach Westafrika übergeführt werden sollen, 
um im Kamerunstrom als sagenannt. Hulks bezieh⸗ 
ungsweise Kasernenschiffe zu dienen, für welchen 
Zwet diese mit noch guten Maschinen dersehenen 
Schiffe sich trefflich zianen dürften Es win vper 
Samstag, 14. Februar 18885. 
20. Jahrg. 
muthet, daß dann für diese beständig dort bleiben⸗ 
den Fahrzeuge eine Besatzung aus Negern gewonnen 
und möglichst sorgsam für die Bedienung, eventuell 
Vertheidigung ausgebildet wird, um dem einstigen 
Bouverneur in Kamerun eine bewaffnete Macht 
zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung zur 
Verfügung zu stellen.“ — Gegen eine derartige 
Einrichtung wird sich kaum etwas einwenden lassen, 
da die blutigen Ereignisse in Kamerun zur Genüge 
dargethan haben, daß der dort zu installirende 
Bouverneur eines militärischen Schutzes dauernd 
henöthigt sein wird. 
Paris, 11. Februar. Die Abendblätter 
melden, daß die Polizei Vormittags bei mehreren 
ausländischen Anarchisten Haussuchungen vorgenom⸗ 
men habe. Ein Anarchist aus Oesierreich wurde 
dabei verhaftet. 
Madrid, 11. Februar. Bei der hiesigen 
Arbeitslosigkeit sah sich die Gemeindeverwaltung 
deranlaßt. größere städtische Arbeiten vornehmen zü 
assen. Gegen 2300 feiernde Arbeiter fanden hier⸗ 
hei Beschäftigung. 
Neapel, 11. Februar. Die Einschiffung der 
Truppen der zweiten Expedition von 1000 Mann 
nuf dem „Principe Amadeo“, „Vincenzio“ und 
„Florio“ hat heute begonnen. Die Schiffe gehen 
morgen ab. 
Konstantinopel, 11. Februar. Die ita⸗ 
ijenischen Aufklärungen über die Besetzungen der 
häfen am Roihen Meere haben hier eine freund⸗ 
iche Aufnahme gefunden. Man erwartet eine fried⸗ 
liche Auseinandersetzung zwischen der Pforte und 
Italien. 
SEondon, 11. Februar. Meldung von Reu⸗ 
ser's Bureau aus Kairo: Nubar Pascha benach⸗ 
cichtigte den deutschen und den russischen diploma— 
ischen Vertreter, daß England der Vertretung 
Deutschlands und Rußlands bei der Staatsschulden- 
zafse zustimme und Italien seinen früheren Vor— 
dehalt zurückziehe. Demgemäß sei die egyptische 
Regierung bereit, die Ernennung zu vollziehen, so⸗ 
hald Rußland und Deutschland ihre Vertreter de— 
ignirt haben werden. 
Loudon, 12. Februar. Wolseley übermittelt 
eine Depesche des Generals Brackenbury, welche von 
der Dulkainsel unterm 10. Februar meldet: General 
Farle erstürmte nach fünfstündigem Kampfe die 
tark befestigten Stellungen des Feindes auf der 
Anhöhe; die Kavallerie nahm inzwischen des Feindes 
dager. Earle ist bei Erstürmung der Höhe ebenso 
Qberstlieutenant Eyre an der Spitze des Staffot⸗ 
hire · Regiments gefallen. Brackenbury hat das 
ommando übernommen. Das Treffen durfte die 
Wirkung haben, die Straße nach Berber ohne wei⸗ 
teren Kampf aufzuschließen. Der Verlust des Feindes 
st beträchtlich, die meisten Führer sind gefallen. 
Der englische Verlust beträgt 12 Todte, 25 Ver— 
wundete. 
Das russische Blatt „Nowoje Wremja“ bespricht 
den deutschen Einfluß in Konstantinopel und sagt 
u. A.: „Die Deutschen steigen oder, besser gesagt, 
vir selbst sinken. Wohin man auch blickt, sieht 
nan deutsche Waaren, deutsche Geschäfte, deutsche 
Schulen oder andere derartige Institute.“ 
Wie aus Newsyork berichtet wird, veröffent⸗ 
icht „United Irishman“ eine äußerst heftige Pro— 
lamation, unterzeichnet Shawn und O'Neil in 
Dublin, welche 10,000 Dollars Demjenigen zusichert, 
der den Prinzen von Wales todt oder lebendig ihr 
überliefert. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 11. Februar. Die „Nordd. Allg. 
Ztg.“ hört, gegenüber der Behauptung Rogozinsky's 
n einer polnischen Zeitung, daß das Eindringen 
der Deutschen in Kamerun die Eingeborenen hoch⸗ 
zradig erregt habe und letztere gesonnen seien, sich 
uuf's Aeußerste zu wehren, aus unparteiischer 
Zuelle, daß diese Behauptung unrichtig sei. Die 
Erbitterung der Neger sei nicht gegen die Deutschen 
jerichtet; vielmehr meinten einige Negerstämme, 
nsbesondere die Foßneger, daß sie bei der Verthei— 
ung des Kaufschillings für die von den Deutschen 
rworbenen Ländereien von den schwarzen Brüdern 
zetrogen worden seien, und ergriffen die Waffen, 
nicht um die Deutschen zu bekämpfen, sondern um 
den Negerstämmen, wovon sie vermeintlich üher—⸗ 
portheilt seien, das unrechtmäßige Gut wieder 
abzujagen. 
Berlin, 12. Februar. Die Postsparkassen⸗ 
dommission beendigte in ihrer heutigen Sitzung die 
Berathung der Vorlage. Nach langer Debatte 
vurden zunächst die Paragraphen 830 bis 32, 
velche von der Verwaltung und Vertheilung der 
Fonds handeln, nebst den dazu gestellten Anträgen 
Braschma's, Handjery's, Kalle's, Francke's, Rhein⸗ 
baben's mit theilweilweise erheblicher Majorität ab— 
gelehnt, und ebenso die Paragraphen 33 bis 48 
derworfen. 
Berlin, 12. Febr. Die Kommission für die 
Postsparkassen-Vorlage hat alle Paragraphen von 
z 30 an abgelehnt. Es wird eine zweite Lesung 
n der Kommission stattfinden, doch dürfte die Vor— 
age als gescheitert anzusehen sein. — Der Bundes⸗ 
cath wird sich heute nicht mit dem Antrag v. Wedell 
Malchow, sondern nur mit der auf ihn bezüglichen 
Eingabe der Handelskammer zu Nordhausen befassen. 
Eokale und vfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 13. Februar. In der 
gestrigen Stadtrathssitzung wurden als Distrikts— 
räthe gewählt die Herren: Heinrich, Bürger⸗ 
meister Paul M., Laur H. Kahn Wolfq. und 
Grewenig Louis. 
*St. Ingbert, 13. Februar. (Ein Carne⸗ 
»alsscherz.. Dem Vernehmen nach wurde dor 
inigen Tagen an der von hier nach Schnappbach 
ührenden Straße in recht augenfälliger Lage ein 
Papier gefunden, das die Drohung enthielt, das 
hiesige Stadthaus werde nächstens in die Luft 
sliegen. Die Drohung ist sicher nur als Scherz 
nufzufassen. Von welchem Spaßvogel aber der 
Scherz herrührt, ist leider nicht bekannt. 
— Gom Schulbesuche befreit.) Wie 
chon in der Dienstags-Nr. ds. Bl kurz erwähnt, 
ind zufolge einer Verfügung der k. Kreisregierung 
ille werktagsschulpflichtigen Kinder katholischer Com 
ession, welche am weisen Sonntag, d. i. an dem 
Sonntag nach Ostern, zur ersten“ hl. Communion 
ugelassen werden, fortan auf Ersuchen des betr. 
Pfarramts von dem Schulbesuche während der 
Isterwoche zu befreien. Zuständid zur Bewilligunq 
Ausland. 
Luremburg, 11. Februar. Staatsminister 
Blockhausen erklärte in der Kammer, die Minister⸗ 
risis sei beendigt und die Frage der Thronfolge 
durch die Erklarung des Königs entschieden, daß 
r die Rechte des Herzogs von Nassau anzuerkennen 
Jewillt sei. Die Kammer gob kein Botum ahb