Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltur ge 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt tostet vierteljahrlich J A 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.M 75 4, einschließliq 
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auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 —., Reclamen 30 —. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
Montag, 23. Februar 1885. 
2 Jahrg. 
E 
Politische Uebersicht. J 
Die.interimistische Leitung des preußischen Haus- 
ninisteriums ist, wie versichert wird, dem Grafen 
Otto zu Stolberg-Wernigerode über⸗ 
tragen worden. 
Die deutsche Marineverwaltung fordert Unter⸗ 
offiziere aller Waffengatkungen, welche bereits zum 
Landsturm übergetreten sind,“ auf, sich im Mobil— 
machungsfalle als Kriegsfreiwillige in das kaiser⸗ 
liche Seebataillon einreihen zu lassen. Die qu. 
Bewerber haben sich bei dem nächsten Bezirksfeld⸗ 
webel zu melden. 
Deutqjsches Reich. 
Muünchen, 21. Februar. Die Bestimmungen 
aber die Rekrutirung der Armee für das Jahr 
1885 86 werden in den nächsten Tager von Seite 
des kgl. Kriegsministeriums ausgegeben Dieselben 
ürften sich denen der Vorjahre im Allgemeinen 
msschließen, nur werden heuer zum ersten Male die 
m Vorjahre durch Allerhöchste Verordnung ange⸗ 
zrdneten Aenderungen in den Ergänzungsbezirken 
»er Truppentheile im vollen Umfange in Kraft 
reten. Hienach erhält das Infanterie⸗Leibregiment 
eine Rekruten aus dem ganzen Königreich, die in 
Metz dislozirten Infanterieregimenter Nt. 4 und 8 
werden aus den Bezirken beider Armeekorps ergänzt. 
— Im Namen des Königs wurde vom Staats- 
ninisterium des Innern das Ehrenzeichen für 25- 
ährigen Feuerwehrdienst an 254 Personen verliehen 
ind zwar in der Pfalz an 18. 
Berlin, 21. Februar. Der Reichstag setzte 
zei fortgesetzter Berathung der Tarifnovelle den Zoll 
für Schaumweine auf 80 Mark fest und überwies 
die Position Kraftmehl ꝛc. an die Zollkommission. 
Berlin, 21. Februar. Die Holzzoll⸗Kom⸗ 
nission genehmigte mit 11 gegen 7 Stimmen die 
dolzzölle in erster Lesung nach den Anträgen der 
Wirthschaftlichen Vereinigung. 
Berlin, 21. Februar. Gleichzeitig mit dem 
Sperrgesetz bringt das Reichsgesetzblatt eine Be⸗ 
anntmachung des Reichskanzlers betr. die vorläufige 
krhebung der neuen Eingangszölle für Weizen, 
soggen, Buchweizen und Gerste. 
Berlin, 21. Februar. Die Kommission der 
donferenz beendete heute ihre Berathung. Sie ge⸗ 
jehmigte den von Lambermont über alle von der 
donferenz erledigten Arbeiten verfaßten Bericht, der 
dereits morgen zur Vertheilung gelangt. Am 
Hontag oder Dienstag ist Sitzung der Konferenz. 
Mitte der Woche ist Schluß der Konferenz. 
Ausland. 
Paris, 22. Februar. Gestern Abend fand 
m Saale von Levis Batignolles eine sozialistische 
hersammlung statt, in welcher heftige Reden ge— 
zalten wurden. Dem „Cri du peuble“ zufolge 
jollen bei dieser Gelegenheit etwa 15 Personen von 
der Polizei verhaftet worden sein. 
Eondon, 21. Februar. Die „Times“ bringt 
)ie, noch der Bestätigung bedürftigte Nachricht, die 
kussen seien gegen Penjden vorgegangen, welches 
och von den Afghanen besetzt ist. Die englische 
Hrenzkommission zog sich in die Nahe Herats zurüd. 
Rom, 21. Februar. Der Kriegsminister 
erteth heute mit den Heerführern den Feldzugsplan 
m Sudan und die naͤheren Bestimmungen für die 
nerte Expedition von 3000 Mann. 
Sokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 23. Februar. Wie wir 
hören, wird mit Beginn des Schuljahres 1885186 
vegen Ueberfüllung mehrerer Klassen die Errichtung 
iniger neuen Schulen dahier nothwendig. 
*St. Ingbert, 28. Februar. Nach einem 
neuerdings hier eingetroffenen Briefe scheint es mit 
zer Anlage der mehrgenannten Wollspinnerei— 
Fabrik“ in unserer Stadt seitens einer Züricher 
Hesellschaft nun doch Ernst werden zu wollen. 
doffen wir im Interesse unserer Bevölkerung, daß 
ie Hindernisse, welche dem Unternehmen noch im 
Wege stehen, glücklich beseitigt werden. 
—b. Blieskastel, 21. Februar. Bei der 
seute statigehabten Jagdverpachtung der Gemeinden 
Alschbach, Ballweiler, Blickweiler, Blieskastel, Bier⸗ 
ach und Wolfersheim wurden folgende Preise erzielt: 
. Alschbach 515 M. gegen 482 M. in der Vorperiode, 
Ballweiler 480 M. 402 M., 
Blickweilet 201 M. , 326 M. 
Blieskastel 81 M. 100M., 
Bierbach 166 M. 104 Mm.. 
3. Wolfersheim 4050 M., 390 M. 
Pächter von Nr. 1 ist Herr Joh. Bapt. Martin 
jus St. Ingbert, von Nr. 1 Herr Carl Wies von 
sier, von Nr. 3, 4 und 6 Herr Rentner Emil 
dnaps von hier, von Nr. 5 Herr Alfred Lilier in 
Zweibrücken. 
— Als Vertreter der Gemeinden in den Di— 
triltsralh Blieskastel wurden in der Bürger⸗ 
neisterei Aßweiler gewählt: für Aßweiler Bürger— 
neister Herr Steis, für Ormesheim Fries Joh., 
ickerer, für Erfweiler⸗Ehlingen Gehring Ludwig 
Adjunkt, für Biesingen Vogelgesang Joh., Ackerer. 
— (Ein junger Kunstler aus der Pfalz.) Ein 
unger Munchener Künstler, Joh. Karl Becker, im 
gliesthale in der Rheinpfalz geboren, der sich zur 
Zeit auf dem Landgute Osternberg bei Braunau 
ufhält, hatte das Glück, für sein Bild „Tod der 
Austräglerin“ die kleine silberne Medaille von der 
Akademie der bildenden Künsse in München zu er⸗ 
jalten., 
— In einem Dorfe bei Homburg hat nach 
der „Pfaͤlz. Post“ ein neugewählter Adjunkt ein 
nettes Fastnachtsstückchen geliefert. Als ihm am 
Samstag Abend bei einem Disput im Wirthshaus 
ie Gründe ausgingen, schlug er auf den Tisch 
ind gebot seinen Gegnern Feierabend. Die Ge— 
ellschaft lachte ihn aus, da es kaum 9 Uhr war. 
Aber der Dorfmagnat dachte, ich wills euch weisen! 
Fr rannte ins Schulhaus und zog die Glocke, um 
der ganzen Gemeinde zu verkünden. daß die Orts 
‚olizei durch ihren verordneten Vertreter hiermit 
ür Jedermann Feierabend gebiete. Als man zu 
o ungewohnter Zeit den Ton der Glode vernahm, 
türzten die Leute aus allen Häusern in der Mei⸗ 
iung, es brenne irgendwo. Erst nach einiger Zeit 
lärfe es sich auf, daß ein „Brand“ das Läuten 
llerdings verursacht hatte, aber ein solcher, der 
nicht mit Wasser gelöscht zu werden pflegt. 
— Der Dürkheimer Vorschußverein ver⸗ 
heilt für das abgelaufene Jahr 8 pCt. Dividende. 
— Der Landgerichtsarzt Dr. Bettinger in 
Frankenthal wurde auf Ansuchen penfionirt. 
— Se. Maj. der König hat bei dem kürzlich 
jeborenen 7. Sohne des Malzers Sand in Speyer 
Jathenstelle übernommen und ein Pathengeschenk 
jon 40 Mk. überschickt. — Ebenso hat Se. Maj 
der König aus Anlaß der goldenen Hochzeitsfeie 
»es Ehepaares Michael Schweickert von Altrip dem⸗ 
selben eine Unterstüzung bon 40 Mt. zu über— 
weisen geruht. 
Vermise.. 
Metz, 22. Februat. In Folge von Regen⸗ 
güssen der letzten Tagen ist der Stand der Mosel 
ein außerordentlich hoher. Bei Metz, Diedenhofen 
und Königsmachern ist dieselbe stellenweise ausge⸗ 
treten. 
F Bühl in Baden, 20. Februar. Einen 
schlechten Fastnachtsscherz machte ein bis jetzt noch 
Unbekannter im Gasthaus zum Schützen dahier. 
Nach Tisch ist das Lokal immer von Kaffeegästen angefüllt 
und Viele derselben bringen ihre Hunde mit dahin. 
Da plötzlich machte man die Entdeckung, daß vier 
von diesen Hunden mittelst Strychnin vergiftet 
wurden und nach kurzer Zeit in Folge davon ver⸗ 
endeten. Bis jetzt hat man noch keine Spur von 
dem Thäter. 
f Würzburg, 20. Februar. Die Erbauung 
einer Lokalbahn von Neustadt a. S. nach Bischofs⸗ 
heim a. d. Rhön ist genehmigt und wird alsbald 
»amit begonnen. Die Baukosten belaufen sich auf 
900,000 Mark bei 19,15 Kilom. Länge. 
F (Giftige Kränze.) Vor dem Reichs⸗- 
zerichte wurde am Donnerstag gegen drei Kaufleute 
aus Sebnitz in Sachsen verhandelt, welche von 
einemn bayerischen Landgericht wegen Vergehens 
gegen das Reichsgesetz vom 14. Mai 1879, be⸗ 
treffend den Verkehr mit Nahrungs-⸗, Genuß- und 
Bebrauchsmitteln, zu einer mehrwöchentlichen Ge⸗ 
ängnißstrafe verurtheilt worden waren. Ihr Ver⸗ 
gehen hatte darin bestanden, daß sie Kopfkränze 
ind Sträuße von gemachten Blumen, deren An⸗ 
ertigung ein Erwerbszweig für ärmere Leute in 
»er Umgegend von Sebnitz ist, aufgekauft, und 
rotzdem sie wußten, daß die grüne Blattfarbe der 
tränze ac. giftig war, solche den Putzmacherinnen 
ind sonstigen Händlerinnen verkauft hatten. Der 
Absatz derartiger Blumenkränze hatte sich haupt⸗ 
ächlich nach Bayern gewendet, da unter der katho⸗ 
lischen Bevölkerung der Oberpfalz der Gebrauch 
hesteht, daß die weibliche Jugend bei allen festlichen 
Belegenheiten, namentlich den kirchlichen, derartige 
sKopfkränze von gemachten Blumen trägt. Die 
demische Untersuchung einer großen Anzahl dieser 
Kränze hat ergeben, daß zur Färbung der Blätter 
das stark arsenikhaltige sogenannte Schweinfurter 
Brün verwendet ist, und daß der in einem einzigen 
Kopfkranze enthaltene Giftstoff hinreicht, um min⸗ 
destens 20 Menschen zu tödten. Zwar sind diese 
Blätter mit einem Lack überzogen, so daß. wenn 
die Kränze nur einmal im neuen und frischen 
Zustande getragen würden, die Gefahr keine so 
große sein würde, aber gerade diese Kranze werden 
diele Jahre lang in derselben Familie benutzt, sie 
pererben von der älteren Schwester auf die jungeren 
und zuletzt, wenn sie gar zu unscheinbar geworden, 
dienen sie noch den Kindern als Spielzeug. Es 
liegt auf der Hand, daß bei mehrfachem Gebrauch 
der Kränze, bei der Einwirkung der Luft und der 
Wärme, der dünne Lack abblättert und dann bei 
der Benutzung der Kränze dieselbe Gefahr für die 
Besundheit entsteht, wie bei einer mit demselben 
Biftstoff versehenen Wandtapete. Die drei Ange⸗ 
lagten hatten wegen ihrer Verurtheilung die Ent— 
cheidung des Reichsgerichts angerufen, dasselbe hat 
edoch das Urtheil beslätigt. 
F Berlin, 20. Februar. Auf dem letzten 
yofballe zeichnete Kaiser Wilhelm den Leibarzt Dr 
Schwenninger des Fürsten Bismarck durch huldvolle 
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