Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
Blatt und Somntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1I A G60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1)4 75 B, einschließliæx
0 ⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Erxpedition Auskunft ertheilt, 15 A, Neclamen 30 A. Bei 4maliger Einrüuckung wird nur dreimalige berechnet.
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Das pfälzische Komite für die Bismarck⸗
Spende veröffentlicht nachstehenden Aufruf,
Fer von etwa 300 der angesehensten Männer unseres
Kreises unterzeichnet ist:
Aufruf!
Jedes Volk betrachtet es als eine hohe Pflicht,
Maͤnnern, welche sich unsterbliche Verdienste um
hre Nation erworben haben, den Zoll dankbarer
Verehrung darzubringen.
Wenn heute nicht mehr die Frage bang durch
—V
land?“, sondern das mächtige Band der Einheit
alle Stämme Deutschlands umfaßt, so haben wir
dies nicht zum wenigsten dem Staatsmanne zu
verdanken, der fast ein Menschenalter hindurch seine
tiefe Einsicht und seine gewaltige Kraft der Wieder⸗
berstellung des Deutschen Reiches widmete.
Unablässig, ungebeugt von der Last der Jahre,
arbeitet Fürst Bismarck an dem Ausbau des
Reiches weiter.
Die Früchte der Bismarck'schen Staatskunst
empfinden wir in der Pfalz am lebhaftesten: für
immer sind wir der bedrohlichen Stellung eines
Grenzlandes entrückt worden. In diese Errungen⸗
schaft theilen sich alle Pfälzer, weß politischen
Bekenntnisses sie auch sein mögen und wie weit
die Parteiklüftungen reichen. In Einem fühlen
sich alle Pfälzer eins, in der Liebe zu unserem
großen theueren Vaterlande. in der Verehrung seiner
großen Männer!
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Fürst Bismarck
begeht demnächst zugleich mit seinem siebzigsten
Geburtstage die Feier seines fünfzigjähr—
igen Dienstjubiläums. Ueberall im Deut—
schen Reiche rüstet man sich, dem großen Volksmanne
anläßlich dieses Doppelfestes eine
—Ehrengabe —
darzubringen.
Wir Pfälzer wollen und werden nicht zurüd⸗
bleiben! Wir richten deßhalb an alle unsere Mit⸗
bürger in Stadt und Land die Aufforderung, sich
an diesem Dankeswerke zu betheiligen, mit welchem
das deutsche Volk nicht nur seinen Kanzler, sondern
auch sich selbst ehrt.
Die Sammlungen sollen für jeden einzelnen
Zanton bewerkstelligt werden. Es werden zu dem
Zwecke die aus der Mitte der Unterzeichneten ge⸗
bildeten Kantons⸗Komites sofort ihre Thätigkeit be—
zinnen, um nach Beendigung derselben die einge—
zangenen Gelder an die Volksbank in Ludwigshafen
zur Weiterbeförderung abzuliefern.
Jede, auch die kleinste Gabe ist willkommen!
Aus den Kantonen St. Ingbert, Blies—
zastel und Zweibrücken sind unterzeichnet die
Herren:
Bühler, kgl. Oberamtsrichter, St. Ingbert.
Dax, kal. Rentbeamter, Blieskastel.
Diedenhofer, Apotheker, Blieskastel.
Hauck, Adjunkt, Blieskastel.
Hellfritzsch, igl. Subrektor, Blieskastel.
senaps, Fabrikant, Blieskastel.
G. v. Kraemer, Reichsrath der Krone Bayern, St. Ingbert.
Kraemer, Miitglied des deutschen Reichstages, St. Inabert.
Lang, Gastwirth, Blieskastel.
Leibig, kgl. Hauptlehrer Blieskastel.
Nath. Levy, Kaufmann Blieslastel.
Dtaerker, Burgermeister und Landtagsabgeordneter, Zwei⸗
brücken.
Maurer, kal. Oberamftsrichter, Blieskastel.
Nahyer, kgl. Sekretär, Blieskastel.
Seel, kgl. Notär, Blieskastel
Stichter, kgl. Gymnafialprofessor, Zweibrücken.
Syffert, Fabrikant, Blieskastel.
Toussaint, Gerber Blieskastel.
Dr. Wittenmayer, kgl. Bezirksarzt, Blieskastel.
y. B. Wolff, Fabrikant, Zweibrücken.
Volitische Uebersicht.
Der Reichstag setzte am Samstag die Be—
athung des Zolltarifs fort. Der Zoll für Schaum⸗
veine wurde, wie in vor. Nr. schon kurz erwähnt,
uuf 80 Mk. festgesetzt und die Position Kraftmehl
1. s. w. wurde der Zollkommission überwiesen. Zu
Mühlenfabrikaten aus Getreide wird statt der von
der Regierung geforderten 6 Mk. der von der freien
virthschaftlichen Vereinigung beantragte Zoll von
Mk. 7150 angenommen. — Darauf wird der Zoll
inschlußvertrag Bremens in zweiter Lesung ohne
Debatte angenommen. — Bei Festsetzung der
Tagesordnung der nächsten Sitzung beantragt
Windthorsst die Vertagung des Reichstags bis
um 2. März. Der Reichskanzler widerspricht dem,
za der Reichstag bereits mehrere Monate ungestörten
Arbeitens gehabt habe. Unsere Institutionen ge—
tatten nicht, daß jemand Doppelmandate annehme,
agte der Kanzler, dem Reichstag liege noch viel
Arbeitsmaterial vor. Im weiteren Laufe der De—
atte sprachen Lekz und v. Benda gegen, v.
Franckenstein, Richter und Rickert für
die Vertagung. Der Reichskanzler erklärte, ohne
Vertagung werde der Reichstag seine Geschäfte viel⸗
leicht bis Ostern erledigen können, mit Vertagung
werde aber wieder eine Ausdehnung der Session
bis in die Sommermonate herbeigeführt. Der
Antrag Windthorst wurde schließlich mit 187 gegen
118 Stimmen angenommen. Die nächste Sitzung
findet also erst am 2. März statt. Tagesordnung:
Nachtraasetat für Kamerun
Aus unserm pfälzischen Westrich hat ein
Landmann dem Organ des Reichskanzlers, der
Nordd. Allg. Ztg.“, einen sogenannten Bauern⸗
»rief zugehen lassen, welcher sich natürlich ganz
entschieden für die möglichste Getreide-Zollerhöhung
usspricht. Es heißt in dem Briefe u. a.: „Im
aahen Lothringen, bei Metz, gibt es fast nur so—
jenannte Fruchthöfe, Weizen und Hafer, der Boden
st sehr schwer zu bebauen (6 Pferde an einem
Jewöhnlichen Pflug), dort stehen infolge der Miß
ernten und besonders unerhört billiger Weizenpreise
manche Höfe ganz leer, die Pächter sind bei Nacht
und Nebel verschwunden und die Eigenthümer (es
ind dies meist Pachtgüter) genöthigt, ihre Güter
elbst zu bebauen. Wäre schon vor Jahren ein
»ernünftiger Zoll auf ausländisches Getreide ein⸗
zeführt worden, so wäre das Deutsche Reich um
100 pCt. besser daran. Am meisten muß man
ich darüber ärgern, wenn die Gegner der Frucht⸗
zölle von Vertheuerung des Getreides sprechen,
vährend seit 20 Jahren die Frucht nicht billiger
var als eben jetzt! Nach meiner Ansicht wird
ine Zollerhöhung von 2 Mtk. per Doppelzentner
jöchstens ein weiteres Sinken der Fruchtpreise ver—
sindern. Eine Zollerhöhung von 4 Mk. dürfte
ingefähr das Richtige sein.“ Die ‚Norddeutsche“
ügt dem Schreiben das Bedauern bei, „daß im
Reichstage selbst nicht mehr solcher Praktiker das
Wort zu eragreifen vermögen.“
Zu dem Streite wegen der Besitzansprüche am
dubrecka⸗Flusse wird der „Köln. Ztg.“ aus
Berlin geschtieben: „Seit einigen Tagen drucken
deutsche Blätter das Gerede französischer Zeitungen
nach, daß die deutschen Erwerbungen an den
Zangari-Bai ungiltig seien, weil Frankreich hereits
rüher Verträge mit den betreffenden Negerkönigen
ibgeschlossen hätte. Wie wir von zuverlässiger
Secite erfahren, beruht diese Darstellung auf Un—
enntniß der Verhältnisse. Die Franzosen haben
ediglich einen ältern Vertrag mit dem Dubrecka—
ande und einen zweifelhaften neuern Vertrag mit
»em König von Bramaga. Der Kommandant der
Ariadne hat denn auch diese Gebiete bei seinem
horgehen außer Betracht gelassen, und nur die
HBebiete Koba und Kabitai, auf welche die Fran⸗
osen durchaus keinen Anspruch irgend welcher Art
rheben können, unter den Schutz unserer Flagge
jestellt. Wir besitzen das Land zwischen dem linken
Ufer des Rio Pongo und dem rechten Ufer des
Dubrecka⸗Flusses, während das Dubreckaland aus—
chließlich auf dem linken Ufer des Flusses gleichen
stamens liegt. Die in dieser Frage angerichtete
gerwirrung rührt vielleicht davon her, daß die
rften englischen Depeschen meldeten, wir hätten die
zänder Dubrecka und Bramaga erworben, was
hatsächlich nicht der Fall ist. Gerade die weit—
zehendste und peinlichste Berücksichtigung der fran—
ösischen Rechte ist der kennzeichende Zug an dem
Vorgehen Deutschlands in der Frage der Colin⸗
chen Besitzungen.“
Der Herzog von Cumberland soll sich, wie
das „B. T.“ erzählt, „in einer längeren intimen
Unterredung mit einem Getreuen“ dahin ausge—
prochen haben, daß er im Einverständniß mit
einer Gemahlin und der Königin Marie, wenn
ich kein anderer Weg zur braunschweigischen Re—
zentschaft biete, bereit sei, wenn auch mit schwerem
Herzen, auf den Thron seiner Väter für immer
Verzicht zu leisten und sein Fürstenrecht an das
Königreich Hannover aufzugeben. Zu dieser schmerz⸗
sichen Entsagung habe er sich nicht in Rüchsicht
auf die eigene Person, sondern namentlich deshalb
entschlossen, um seinem Sohn die Nachfolge in
Braunschweig zu sichern.
Es wird nicht mehr lange dauern und der
zroße Kampf zwischen Kußland und England
um die Herrschaft in Asien ist entbrannt. Man
ucht freilich jetzt noch, soweit es geht, die unlieb⸗
ame Entscheidung, bei der es den Engländern
chlecht gehen dürfte, hinauszuschieben. Als ein
olcher Vertuschungsversuch dürfte auch noch folgende
geheimnißvoll klingende Notiz anzusehen sein:
„Ueber das Vorgehen der Russen auf Herat soll
die englische Regierung weniger in Unruhe sein,
als die Sprache der Londoner Presse annehmen
assen könnte. Die Meldung der „Pall Mall Ga⸗
ette“, nach welcher Rußland etwa 80 englische
Meilen bis Herat vorrücken möchte, soll im wesent⸗
ichen richtig sein. Was darüber in den russischen
Forderungen scheinbar hinausgeht, stellt wohl wie
jewöhnlich dieselben möglichst höch und weit, um
Das zu erlangen, worauf es Rußland für jetzt
inkommt. Herr v. Giers, von dem Kaiser Alexander
)er russischen Militärpartei gegenüber unterstützt,
'oll einen Bruch mit England vermeiden wollen.
Rußland hat überhaupt kein Interesse daran, daß
twa die Tories in England zur Regierung ge—
angen.“