Full text: St. Ingberter Anzeiger

hbeim Durchfahren erwies sich unglücklicherweise der 
reie Raum als zu schmal. Hr. M. stieß mit 
inem der Leute zusammen, siel vorn über das hohe 
Belociped direlt auf die Hinterbeine des einen 
Pferdes und blieb am Strange mit dem einen 
Fuße hängen. Die jungen feurigen Pferde scheuten 
njatürlich und rasten in wildem Galopp das Thal 
entlang ca. 40 bis 50 Meter weit. Erst dann 
gelang es Hrn. M., sich aus seiner traurigen Lage 
zju befreien. Er lag blut⸗ und staubbedeckt mit in 
Stücken zerrissenen Kleidern am Boden. Eine 
sofort aus der Stadt herbeigerufene Chaise brachte 
hn nach Hause und in ärztliche Behandlung; außer 
einer Kopfwunde durch einen Pferdehuf beigebracht, 
soll derselbe glücklicherweise keine schlimmen Ver⸗ 
etzungen haben, was ein wahres Wunder ist. 
— Herrheimweyer, 20. März. (Durch⸗ 
gebrannt.) Der Ackerer Franz Moser von hier hat, 
dem „L. A.“ zufolge, dieser Tage das Weite ge⸗ 
sucht mit Hinterlassung einer großen Anzahl Gläu⸗ 
biger. Moser, der einer der vermögendsten Bürger 
hiesiger Gemeinde war, kam nach und nach so 
zurück, daß der Konkurs über sein Vermögen eine 
unausbleibliche Folge sein wird. J 
— Kandel, 189. März. Der gefänglich ein⸗ 
gezogene Landstreicher aus Jockgrim, der, wie das 
.L. T.“ seiner Zeit berichtete, in Rheinzabern das 
Baunerstückchen als „Einarmiger“ ausführte, wurde 
jeute von dem hiesigen Gerichte wegen Beitelns 
alscher Namensangabe und Führung falscher Le⸗ 
gitimationspapiere zu 8 Wochen Haft, und wegen 
Betrugs zu 5 Wochen Gefängniß verurtheilt. Ferner 
wurde seine Ueberweisung an die Landespolizeibe⸗ 
hörde angeordnet, weil das Gericht annahm, daß 
eine Besserung desselben nicht ausgeschlossen sei. 
— Speier, 19. März. (Prüfungs- 
Ausganug.) Von den neun jungen Leuten, 
welche sich der heute beendigten Prüfung für den 
einjährig-freiwilligen Militärdienst unterzogen, haben 
fünf dieselbe bestanden. 
— Ludwigshafen, 21. März. Nach 
einem weiteren Sammelvberzeichniß sind der pfälzi⸗ 
ichen Zentralstelle für die Bismarckspende bis jetzt 
insgesammt 31,157 Mark 48 Pfennig eingeliefert 
wvorden. 
— 
Vermischtes. 
FHeusweiler, 28. März. Bei allem 
Elend, das in Folge des großen Grubenunglücks 
in unserer Gegend herrscht, darf eine Freude, die 
einer Familie in Holz widerfuhr, nicht unerwähnt 
bleiben. Auch der Schuster Kallenborn in Holz 
zeklagte mit seiner Familie einen 18jährigen Sohn, 
der jedoch nach aller Meinung noch als Leiche in 
der Grube sein sollte. Grab und Sarg, beides 
fertiggestellt, harrten ihres stillen Bewohners — 
za erhielt die betrübte Familie am Freitag Morgen 
die srohe Nachricht — ihr Sohn lebe und befinde 
ich bereits auf dem Wege nach Holz. Der junge 
Bergmann war in bewußtlosem Zustande in das 
Lazareih nach Sulzbach überführt und dort nach 
mehr als zwanzigstündiger ärztlicher Bemühung 
vieder in's Leben zurückgerufen worden. Er be— 
indet fich jetzt wohlgeborgen und mit Freuden⸗ 
hränen im Elternhause. Die Freude über den 
Todtgeglaubten und Wiedergefundenen ist eine 
allgemeine. 
F München, 20. März. Der Unteroffizier 
Beorg Büttner des 2. bayer. Chevaurlegers⸗ 
Regiments beanstandete am 25. Januar 1885 das 
Sattelzeug des Gemeinen Alois Rieger und ver—⸗ 
etzte diesem mit dem Vorderzeug sechs bis acht 
Schläge auf den Rücken, so daß blutunterlaufene 
Striemen entstanden und der mißhandelte Soldat 
zrei Tage dienstunfähig war. Der Unteroffizier 
erhielt wegen Mißbrauchs »der Dienstgewalt nur 
10 Tage Mittelarrest. 
F München, 21. März. Der Landes⸗ 
ttiftungsrath der Wittelsbacher Landesstiftung be⸗ 
villigte in seiner heutigen Sitzung dem Kaisers⸗ 
auterer Gewerbemuseum 500 Mark, dem Gewerbe⸗ 
erein Speyer 150 Mark und der Webschule in 
dambrecht 500 Mark. 
FDeggendorf. Ein unangenehmes Aben⸗ 
euer ist in unserer Nachbarschaft einem Laudpfarrer 
auf einem Spaziergange begegnet. Wie der 
„Passauer Zeitung“ gemeldet wird, wurde nämlich 
er Pfarrer von einer ihm uanbekannten Frauens⸗ 
verson sehr freundlich gegrüßt und um die Zeit 
gefragt. Als der Geistliche bereitwilligst seine 
joldene Uhr zog, packte sie die fremde Person mit 
icherem Griffe und eilte mit ihrer Beute dem 
rahen Walde zu. Der Beraubte war momentan 
so verblüfft, daß er an die Verfolgung der Räu— 
berin nicht denken konnte. Noch ehe er sich von 
seiner Bestürzung einigermaßen erholt hatte, kam ein 
Mann wie zufällig des Weges, dem der Bestohlene 
seine Noth klagte. Sofort erklärte sich der Fremde 
bereit, der Diebin nacheilen zu wollen, nur müsse 
der Pfarrer einstweilen auf den großen Handkorb. 
den der Mann trug und der ihn am schnellen Fort⸗ 
lommen hindern würde, Acht geben. Er stellte 
also den Korb nieder und trat in hastiger Eile die 
Verfolgung an. Allein Viertelstunde auf Viertel⸗ 
tunde verrann, aber Niemand kehrte zurück. Da 
voslte der Pfarrer doch wissen, was der ihm an⸗ 
zertraute Korb enthalte. Er öffnete ihn — und 
in in Windeln liegendes Knählein streckte ihm wie 
sülfesuchend die Aermchan entgegen. 
F Frankfurt a. M. 19. März. Der 
Rh. C.“ bringt folgende sensationelle Mittheil⸗ 
ingen: Die Furcht vor am Geburtstage des Kaisers 
eabsichtigten Attentaten hat, wie wir heute 
rfahren, einen positiven Hintergrund. Den deut⸗ 
chen Polizeibehörden ist nämlich von ihren Agenten 
zie Mittheilung gemacht worden, daß die Anhänger 
Most's seines von hier gebürtigen Freundes Schwab 
im Kaisersgeburtstage die Verübung neuer Schurken⸗ 
treiche beabsichtigten. Die Folgen dieser nicht nur 
ür hier, sondern auch für Berlin, Hamburg und 
xönigsberg berechneter Warnungen sind für das 
ziefige Publikum in einer ganz besonderen Verstär⸗ 
ung der Militärwachen äußerlich erkenntlich. Wer 
ich etwas genauer umsieht, erfährt außerdem noch 
zaß schon seit einigen Tagen hier täglich eine Kom⸗ 
„agnie Infanterie konsignirt ist und daß gestern 
die unsere Kaserne umgebende Mauer von 4 Offi-⸗ 
ieren auf das Genaueste abgesucht wurde, weil man 
Anschläge an die Kaserne befürchten zu sollen glaubt 
Im auf alle Fälle gerüstet zu sein, feiern die Ba— 
aillone den Geburtstag des Kaisers nicht gleichzeitig 
ondern eines nach dem andern, und bei der am 
Sonntag vorgesehenen großen Parade bleibt eine 
nit scharfen Patronen versehene Kompagnie in der 
taserne zurück. Die Polizei entfaltet eine geheime, 
aber äußerst intensive Wirksamkeit, um den Kom— 
plizen des im Gefängniß sitzenden Julius Lieske 
auf die Spur zu kommen. Schließlich sei erwähnt, 
daß in Königsberg einige sehr wichtige Funde ge⸗ 
nacht worden sein sollen. 
FFrankfurt a. M., 21. März. Nach 
Alexandrien werden auf Grund einer Bestellung 
300 Pfund Frankfurter Bratwürste in verlöteten 
Blechbüchsen gesandt. 
F Fürst Bismarkk als kirchlicher Würden⸗ 
räger. Aus Mainz wird geschrieben: Vor einigen 
Tagen fand die Prüfung der Mädchenklasse einer 
enachbarten Volksschule statt. Die Kinder wurden 
iber verschiedene kirchliche Einrichtungen ꝛc. befragt; 
lößlich richtet dee Lehrer an ein etwa Ssjähriges 
Madchen die Frage: „Kannst Du mir sagen, wer 
n Mainz der höchste kirchliche Würdenträger ist?“ 
Ddas Mädchen sah den Lehrer stumm an und 
upfte verlegen an seiner Schürze, doch die richtige 
Untwort wollte ihm nicht einfallen. „Nun, Kind“, 
‚agte der Lehrer, „weißt Du es nicht, es ist der 
Bi — der Bi nun?“ „Der Bismarck,“ antwortete 
die Kleine erleichtet. An den Bischof hatte sie 
nicht gedacht. Daß diese Antwort selbst den ge⸗ 
trengen Herren der Schulkommission zum Lachen 
Veranlassung gab, brauchen wir wohl nicht zu er⸗ 
wähnen. 
F Reichsgerichtliche Entscheidung. 
Erzwingt der Gläubiger eines Offiziers von dem 
Bater desselben das Eintreten in die Schuld des 
Sohnes anzurufen, um zu seinem Gelde zu ge⸗ 
angen, so ist diese vom Vater erzwungene Willens⸗ 
erklärung nach einem Urtheil des Reichsgerichts im 
Beltungsbereich des Preußischen Allgemeinen Land⸗ 
cechts ungiltig. 
f Dem Staatssekreiär im Reichspostamt Dr. 
Stephan ist von dem Kaiser am Samstag 
vas Adelsprädikat verliehen worden. 
F(Gwerge.) Vor einiger Zeit haben fich 
in Berlin zwei Zwerge, man darf hier beinahe 
nioch das Beiwort „klein“ hinzusetzen, sehen lassen, 
zie dann, irren wir nicht, in London sich verehe⸗ 
ichten. Der Mann nennt sich General Mite, ist 
55 Em. hoch und 4153 Kg. schwer; seine Frau 
Millie ist 33 Cm. hoch und 32/0 Kg. schwer. Nun 
ind sie wieder in Berlin und produziren sich im 
donkordiatheater. General Mite bezieht von der 
Ddirektion des genannten Theaters eine monatliche 
Hage von 1600 Mark. Das kleine Ehepaar, das 
mit großem Gefolge reist, muß auch sein Möbl⸗— 
ment mit sich führen. 
F Auf einem Berliner Polizeibüreau erschien 
hdieser Tage ein aus einem posenschen Städtcher 
eingewanderter Handwerlsbursche, um seine An— 
meldepapiere vorzulegen. In dem von der Orts 
behörde ausgestellten Paß fand sich nun beim Sig 
nalement als besonderes Kennzeichen der sonderbatt 
Vermerk: „Sieht sehr versoffen aus.“ „Welchen 
Effekt die Vorlesung dieses Vermerks auf dem Bü— 
reau erzeugt hat, bedarf keiner besonderen Schil— 
derung. 
Ueber eine schreckliche Blutthat wird au— 
Lodz in der Provinz Posen berichtet: „Am verr 
gangenen Freitag befand sich der Besitzer der um 
gefähr eine Stunde von Podebice entfernten Malle— 
Wassermühle, namens Thorn, in geschäftlichen An— 
gelegenheiten in Lodz. Als er spat in der Nach 
nach Hause kam und die Thür seiner Wohnftub 
öffnete, bot sich ihm ein gräßlicher Anblick. Wohir 
er blickte, sah er nichts weiter als Blut und Leichen 
Seine Frau, vier Kinder, Dienstmädchen, Knech 
und Müllergesellen, im Ganzen 10 Personen waren 
ermordet worden. Nur ein einziges lebendes Weser 
entdeckte Thorn in seiner Mühle und zwar einen 
fremden Hund und dieser führte die Entdeckunt 
der Mörder herbei. Der Müller sandte nämlich 
sfofort in das benachbarte Städtchen um Polizei 
velche auch in kurzer Zeit und zwar zu Pferde er— 
chien. Nun wurde der Hund, den die Räuber 
»ergessen hatten, losgelassen und die Verfolger zu 
Pferde schlugen sofort denselben Weg ein. In dem 
janz nahe gelegenen Dorfe Sworowa machte er 
hei dem Hause eines ziemlich angesehen Mannes 
Zalt, und ols nun die Polizeibeamten den zu 
hause Anwesenden frugen, ob der Hund sein Eigen⸗ 
hum sei, gestand er, wahrscheinlich in der Mein 
ing, es sei schon alles entdeckt, sofort seine Mit- 
chuld an dem Verbrechen ein und gab auch gleich 
die Namen seiner Mitschuldigen an. Die Räuber 
zerühten die That, um sich in den Besitz einet 
Summe dvon 7000 Rubel zu setzen, welche Thorn 
im 1. Juli auf seine Hypothek abzahlen sollte und 
welche sie im Hause vermutheten. Sämmtlich— 
Mordgesellen sind verhaftet. 
F Erplosion im Postbureau.) Au 
dem Temesvarer Postamte erplodirten sechs klein 
Säcke, welche angeblich Waldsamen enthielten und 
don J. Baumann in Mannheim aufgegeben und 
für die Baron Gudenus'sche Baumschule in Haad 
bestimmt waren. Die Explosion richtete beträcht⸗ 
liche Verheerungen im Postlokale an. Ein Be— 
amter wurde schwer, ein Diener leicht verletzt. Es 
scheint, daß der Samen mit Sprengflüssigkeit ge 
tränkt war. 
F. Wie man, der „Gegenwart“ aus Mont 
pellier schreibt; ist man dort, wo die Reblauß 
90 pCt. der Weinberge vernichtet, damit beschäftigt 
das Land mit Reben wieder zu bepflanzen, das in 
Laufe der Jahre die Phylloxera entleert hat. Di 
frisch gepflanzten Reben sind auf „Amerikaner 
veredelt und also „peylloxerafest“. 
F Der letzte Wunscheines Sterben 
den. Bei der Begräbnißfeier in Chiselhurft befand 
sich unter den Leidtragenden ein französischer Ve— 
teran, General Schramm, welcher noch der Schlach 
bei Leipzig beigewohnt. Wie es heißt, fand Na— 
poleon J. den ehemaligen Lieutenant — jetzt il 
Schramm 97 Jahre alt — nach der Schlacht be 
Friedland (1807) schwer verwundet und anschei 
nend sterbend auf dem Schlachtfelde liegen. Schramp 
weinte und der Kaiser fragte ihn, weshalb 
weine. Die Antwort lautete: „Weil ich sterber 
muß, ohne Kapitän geworden zu sein.“ Um der 
jungen Manne die letzten Augenblücke zu versüßer 
machte ihn Napoleon auf der Stelle zum Kapitän 
Die „letzten Augenblicke“ des Sterbenden haber 
bis jetzt 77 Jahre gewährt. 
F Ein Londoner Gaunerstreich 
Dieser Tage hielt ein Cab vor dem Laden eine 
hder ersten Uhrmacher der City, ein elegant geller 
deter junger Mann sprang heraus, trat ein un 
ließ sich die feinsten und kostbarsten Uhren vor 
legen. Der Ladeninhaber, welchem das verschmitzt 
Aussehen des Kunden nicht recht gefiel, befürchtel 
eine fingerfertige Eskomotage und paßte scharf auf 
aber der Herr wählle schneil, eine Uhr im Wertht 
von 50 Pfund (iausend Reichsmark) gefiel ihn 
und er kaufte sie sofort. „Ich bin Associé de 
Firma So⸗ und so“, erklärte er, den Namen eine— 
sehr angesehenen Eisenwaarengeschäfts nennend 
zund wollte gerade eine Fünfzig-Pfund-Note 
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