Full text: St. Ingberter Anzeiger

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VBermischtes. 
Ein Zeichen der Zeit! „Die Menschen wer⸗ 
en immer schlechter“ hört man oft sagen. Die 
zahlen beweisen es. Im Jahre 1869 hatte Preußen 
1336 Zuchthausgefangene. Seit dem Jahre 
göd nahm dort die Zahl der Menschen, die Zahl 
er Schulen zu und die Folge davon ist, daß im 
sahte 1888 in Preußen 21,411 Zuchthausge⸗ 
angene, also um 145 weniger, als im Jahre 1869 
id In Baden gestaltet sich das Verhältniß noch 
ngleich günstiget. Dort hat sich die Zahl der 
zefangenen seit dem Jahre 1881 stetig vermindert 
id ist deren Gesammtzahl von 2823 auf 2245 
erunter gegangen; dementsprechend ist die Zahl 
et Straf- und Untersuchunsgefangenen von 1208 
uf 800 gesunken. Wenn das so fortgeht, so 
iuß die Reaktion energischer arbeiten, da ja sonst 
nige Gefängnißhäuser überflüssig und am Ende 
ar in Schulhäuser umgewandelt werden könnten. 
In Camphausen wurden wieder 8 
reichen zutage gefoͤrdert. Dieselben wurden, da sie 
hon stark verwest, sofort begraben. Es befinden 
ch jeßzt noch 5 oder 6 Leichen in den verschütteten 
ztrecken. 
— F Badissche Anilin⸗ und Sodafabrik. Der 
Berliner⸗Borsen⸗Kurier“ schreibt: Ein sensationeller 
zrozeß, den die Badische Anilin- und Sodafabrik 
egen angeblicher Patent⸗Verletzung für Echtrot 
egen die Anilinfarben ⸗ Fabrik Levinstein u. Co., 
sanchester, Blackley und Crumpsall, angestrengt 
end in erster Instanz gewonnen hatte, ist soeben in 
veiter Instanz durch das zuständige englische Ge⸗ 
icht zu gunsten der Verklagten entschieden worden. 
die Unkosten dieses seit Jahren schwebenden und 
den Kreisen der Interessenten mit großer Span⸗ 
ung verfolgten Prozesses betragen weit über 
90,000 M. Die Kläger sind sowohl in die 
osten der ersten als der zweiten Instanz verurteilt 
vorden. Allerdings steht der Badischen Anilin⸗ 
nd Soda⸗Fabrik noch die Berufung an die höchste 
nstanz, welche in solchen Fällen das englische 
louss of Lords bildet, zu; allein es scheint in 
»hem Grade unwahrscheinlich, daß die badische 
abrik gegen das zweitinstanzliche Urteil die Be⸗ 
ifung einlegen wird, schon weil die Kosten des 
zrozesses dadurch eine ungeheure weitere Vermeh⸗ 
ung erfahren würden. 
München, 27. März. Die von dem ver⸗ 
orbenen Dr. Hermann v. Schlagintweit 
agelegte Sammlung von thibetanischen Manu—⸗ 
ripten und Büchern ist in den Besitz der Bodlei⸗ 
nischen Bibliothek in London übergegangen. 
FMünchen, 26. März. Die Miesbacher 
iben ihre Bismarck ˖ Spende bereits abgesendet. 
Jeute Nachmittag passirte der Wagen, in welchem 
ie fünf Kalbinnen und der Zuchtstier einheimischer 
dace verladen waren, den Centralbahnhof. Der 
dagen war mit Guirlanden und Fahnen geschmückt 
nnd an dessen Außenseite war eine große blaue 
dafel mit der Aufschrift: „Bismarck-Spende von 
diesbach nach Schönhausen.“ Die Thiere werden 
on einem Comite-Mitglied und zwei Burschen, 
eßtere in Oberländer Tracht, begleitet. 
FMainz, 28. März. Sämmilliche hiesige 
hosibeamten, welche den Bahnpostdienst der Hessischen 
udwigsbahn besorgen, haben gegenwärtig bei einem 
raktischen Arzte theoretischen Unterricht in der Be— 
jandlung durch Eisenbahnunfälle verunglüdter 
hersonen. Dieser Unterricht hat den Zweck, die 
Jostbeamten in die Lage zu setzen, bei einem Eisen⸗ 
ahnunfalle den Verunglückten, bis zum Ankommen 
praktischer Aerzie, die ersten Nothverbände anlegen 
u können. Auch wird ieder Postwagen bei der 
dessischen Ludwigsbahn das zu diesem Zwecke noth⸗ 
vendige Verbandzeug, chirurgische Instrumente und 
Dedilamente etc. mit sich führen. 
fBielefeld, 28. März. Gestern und vor⸗ 
zestern fanden hier anläßlich des Arbeiterstrikes in 
der Koch'schen Nähmaschinenfabrik Zusammenrot- 
ungen und Ruhestörungen statt. In zwei Häusern 
vurden Fensterscheiben eingeworfen. Das riquirirte 
Militär sauberte die Strahen und stellie die Ruhe 
bieder her. Einige Personen sind verwundet, gegen 
z0 verhaftet. Heute herrschie Ruhe 
Bielefeld, 29. März. Nachdem auf 
Intrag des Regierungspräsidenten v. Pilgrim wegen 
r vorgekommenen Ruhestörungen provisorisch der 
belageruͤngszustand erklärt ist, hat der Militärbe- 
ehlshaber uͤnd Garnisonälteste Hoeppen die voll⸗ 
iehende Gewalt uͤbernommen. J 
F Berlin, 29. Marz- Deutsche Offiziere 
a Neudeutschland. Von verschiedenen Saen ist 
Nachricht gebracht worden, daß mehrere Offiziere 
um einen längeren Urlaub nachgesucht und ihn er⸗ 
jalten hätten, um sich Expeditionen nach den an 
)er ostafrikanischen Küste gelegenen deutschen Kolo⸗ 
nien anzuschließen. Thatsächlich haben don ver⸗ 
chiedenen Regimentern sechs preußische Artillerie⸗ 
Iffiziere, welche zur Zeit auf die hiesige Artillerie⸗ 
ind Ingenieurschule kommandirt waren, durch 
jmmediatgesuch an den Kaiser ihren Abschied ge— 
ommen, um sich den Expeditionen des Herrn Dr. 
Zeters anzuschließen. Der Entschluß hierzu war 
ei den Hetren ungemein“ schnell gereift,die Ab⸗ 
hiedsgesuche fanden sehr bald die Allerhöchste Ge⸗ 
ehmigung und so sind diese sechs Pioniere 
reußischmilitärischen Geistes bereits am 24. ds. 
bends von hier uach Venedig abgereist. Hiermit 
heint aber die Zahl der auf oben erwähnte Schule 
ommandirten Offiziere, welche sich in den Dienst 
jer deutschen Kolonisation zu stellen gedenken, nicht 
erschöpft zu sein, vielmehr hat das entschlossene 
Vorgehen jener sechs Kameraden noch bei mehr 
dherren den gleichen Entschluß gezeitigt. Es ver— 
autet, daß bereits zwölf weitere Herren, welche 
ebenfalls zur Artillerie und Ingenieurschule kom⸗ 
nandirt sind, Abschiedsgesuche behufs Auswanderung 
ingereicht haben. Ihre Abreise ist für Anfang 
Mai in Ausficht genommen. 
Wien, 28. März. Nach neueren Meld⸗ 
ingen fanden in dem Bettina⸗Schachte bei Dombrau 
inweit Ostrau in Mähren über hundert Arbeiter 
ven Tod. Die Katastrophe erfolgte nach Mitter⸗ 
ijacht der Nacht zum Freitag durch Erplosion schla⸗ 
jender Wetter. Bis heute Nachmittag waren vier 
inddreißig Leichen zu Tage gefördert. 
F Der Hirtenknabe Michael Korporcsics aus 
5lantnik in Ungarn hatte vor Kurzem einen 
efährlichen Kampf mit einem Wolfe zu bestehen. 
der Wolf drang, wie dem „Pazor“ berichtet wird, 
n die Herde und der muthige Junge lief mit den 
hunden hinzu und vertrieb die Bestie. Nach kurzer 
zeit kehrte der Wolf nochmals zur Herde zurück 
ind Michael sah sich plötzlich der Bestie gegenüber. 
Nit schwerer Mühe ließ sich einer der übrigen 
»irtenknaben bewegen, dem Burschen die kleine 
dacke, wie fie die Hirten zu tragen pflegen, zuzu⸗ 
verfen. Mit dieser Waffe erwartete er hinter einem 
zaumstamme den Wolf, und als dieser in die 
cdähe kam, wollte er ihm einen Schlag versetzen, 
raf jeddcch nur das Ohr. Das blutende Thier 
prang nun auf die Hinterbeine und empfing mit 
en Vorderfüßen den Burschen, der zum zweiten 
Schlage ausholte. Während der Wolf dem Burschen 
ie Mütze vom Kopfe riß und ihn bei dieser Ge⸗ 
egenheit mit dem Zahne an der Stirne streifte, 
ekam er einen so wuchtigen Schlag vom Burschen, 
vaß er zu taumeln begann. Der Bursche hieb 
nochmals auf den Wolf ein, und als Meister 
Fsegrimm Fersengeld nahm, verfolgte ihn der 
zursche, dem nun auch Peter Korporesics sich zu⸗ 
jesellte, uxd beide streckten das wilde Thier vollends 
niedet. 
fBukarest, 28. März. Ein Theil des 
deputirtenpalastes ist heute Nacht durch eine in 
Folge von Unvorsichtigkeit entstandene Feuersbrunst 
erstört worden. Die Archive wurden gerettet, der 
Zitzungssaal ist unbeschädigt geblieben. 
fF Ein reiches Vermächtniß.) Der in 
Hent verstorbene Bürger Nicaise hat der Stadt 
hent sein ganzes Vermögen — über eine und 
yalbe Million Francs — mit der Bestimmung ver⸗ 
nacht, daß dasselbe zum Nutzen des Volksschulun⸗ 
errichts Seitens der Stadt verwendet werden soll. 
f Eine Revolntionder Herrenmode, 
o schreibt man aus Paris, bereilet sich vor; die 
angen Pantalons werden aus dem vornehmen 
Zallsaale verbannt und deu Kniehosen das Bürger⸗ 
echt in der fashionablen Welt ertheilt. Sie wer—⸗ 
den aus Tuch oder Atlas hergestellt, endigen knapp 
inter dem Knie, wo sie mit drei Knöpfen geschlossen 
nerden und durch ein schmales Strumpfband mit 
3toßschnalle festgehalten sind. Letztere ersetzt man 
uuch durch ein schwarzes Seidenband, das an der 
ußeren Seite in eine Schleife geknüpft ist. Dazu 
rägt man Strümpfe aus starker schwarzer Seide; 
S—chuhe aus Lack, sehr ausgeschnitten und mit kleinen 
zandmaschen geziert. Das Gilet kann aus schwarzer 
zeide oder Tuch, auch aus weißem Piqué ange— 
ertigt werden. Wählt man Seide, so ist es ent⸗ 
yeder ein kleingeblümter Brocat oder sonst ein ge⸗ 
iusterter Stoff. Glatt ist nicht gestattet. Zum 
ziqus Gilet nimmt man weiße oder Metallknöpfe; 
qzu ein Hemd, ebenfalls aus Piqué, sehr schmai 
zeschnürt, mitunter auch dessinirter Piquo, was je⸗ 
doch als weniger elegant gilt. Der hohe Steh⸗ 
kragen und die knapp anliegenden Mancheiten sind 
stets aus Leinwand. Das Hemd wird an der Brust 
mit einem, zwei oder drei Knöpfen geschlossen. Die 
letztgenannte Manier ist die seriöseste. Der höchste 
„Pschutt“ besteht darin, daß man einen einzigen 
stnopf aus Gold oder Diamanten trägt, und zwar 
in Gestalt eines Hunde⸗, Katzen ˖ oder Eulenkopfes. 
Häufiger jedoch sieht man zwei Knöpfe aus glatiem 
Bold, in Uebereinstimmung mit den drei Knöpfen 
)es Gilets. Die Kravatte aus weißem Batist hat 
eine Veränderung erfahren. — Der Frack ist sehr 
napp anliegend, mit engen Aermeln; die Revers 
je nach Geschmack des Trägers aus Tuch, Moirse, 
Atlas oder Sammt. Es ist den Herreu geftattet, 
hne Handschuhe zu erscheinen und dieselben in den 
SlaqueHut einzuzwängeln. Dies gilt natürlich 
nur für die Nichttanzenden, während die Tänzer 
zus Rücksicht für die Damen sich zum Anziehen. 
der Handschuhe bequemen müssen. Ringe sieht man 
hei Herren wieder sehr viel und zwar gewöhnlich 
wei Goldreife mit kostbaren Sternen am kleinen 
Finger der rechten Hand. Die Uhr wird unsicht⸗ 
ar getragen. Die Kette befestigt man in einem 
dnopfloch im Gürtel der Hose, oberhalb der linken 
Tasche, in welche man die Uhr hinabgleiten läßt. 
Bezüglich der Handschuhe ist zn bemerken, daß 
veißes Leder ganz abgekommen ist ; am meisten 
ieht man den Derby-Handschuh, perigrau mit drei⸗ 
acher schwarzer Naht und zwei Knöpfen. 
FEin Karnevalescherz. Durch die 
ralienischen Zeitungen läuft eine Karnevalsgeschichte, 
velche für die Zuschauer jedenfalls weit angenehmer 
var, als für den Helden derselben. Auf —einem 
Naskenball, welchen der Herzog von Aosta in 
Turin gab, erschien der Marquis Lusignan in der 
Maske Rigoletto's, des Hofnarren. Aber der häß⸗ 
iche Höcker barg eiren sehr originellen Scherz, 
inen elektrischen Apparat, von welchem bis zu den 
händen und Füßen Dräthe ausliefen, die den Mar⸗ 
uis in den Stand setzten, durch, die leichteste 
zerührung elektrische Schläge auszutheilen. Und 
amit kargte er nicht. Bald bot er einer Dame 
irtig die Hand, bald theilte er empfindliche Stöße 
nit der Fußspitze aus. Ein panischer Schreck 
rgriff die Gesellschaft, der in die größte Heiterkeit 
ich verwandelte, als man die Ursache errieth. 
Bedrängt und drängend war Lusignan⸗Rigoletio 
yon einer lustigen Menge umgeben, als er plötzlich 
aus vollen Kräften zu springen anfing und mit 
den Armen wüthend um sich schlug. Dabei ent⸗ 
angen sich seiner Brust unartikulirte Laute, die 
m Verein mit dem rasenden Veitstanz die Heiter⸗ 
eit seiner Umgebung zu tollem Gelächter erhöhten. 
Zlötzlich aber hörte man die in höchster Angst aus— 
jestoßenen Worte: „Hilfe, Hilfe!“ Einige Besonnene 
prangen hinzu und rissen ihm den Höcker ab, halb 
entseell sank der Marquis zu Boden. In Folge 
ines unerklärlichen Vorganges hatten die Dräthe 
ich verwirrt und die ganze Kraft des elellrischen · 
Apparates sich auf den-Träger felbst entladen. 
Der Marquis war so angegriffen,“ daß man ihn 
iach Hause bringen mußte, wo er einige Tage 
uus Bett gefesselt blieb. 
fLondon, 80. März. Price's Oelfahrik 
Belvedere (Kent), das größte derartige Etablisseiuent 
Englands, brannte gestern nieder. Der Schaden 
vird auf 200,000 Pfd. Sterling geschätzt. 
VRewyork, 26. März.“ In Buffalo ist 
zorige Nacht eine Musikhalle und in St. Louis die 
atholische Kirche niedergebrannt. Der Schaden 
»eträgt 250,000 Doll. Bei dem Brande in St. 
deuis hing ein Mann, welcher den Thurm der 
dirche bestiegen hatte und sich nicht mehr vor den 
Flammen retten konnte, mehrere Minuten lang au 
»er Ballustrade, bis er herunterstürzte. Er war 
ofort todt. Die Tausende von Zuschauern konnten 
hm keine Rettung bringen. 
F. Ueber einige interessante Episoden des blu⸗ 
igen Kampfes, welchen die englische Armee am 22. 
»s. bei Hasheen gegen die Araber zu bestehen 
jatte, berichtet der Spezialkorrespondent des „Daily 
Chronicle“ Folgendes; Ein indisches Regimen 
vurde wiederholt durch Hornsignale ermahni, sein 
Schießen einzustellen, aber die Sepohhs kümmerten 
ich nich um das Kommando und fuhren fort, 
uf's Gerathewohl zu feuern. Da die Signale 
pirkungelos blieben, erbot sich der Feldprediger 
sollins freiwillig, dem Kugelregen zum Trotz, den 
Zefehl zum Einstellen des Feuerns zu überbuüngen. 
duhia und gelassen trat der Kablan den gefübr«