Full text: St. Ingberter Anzeiger

pWiesba den, 7. Mai. Wie zuverlässig 
oerlautet, findet die Vermahlung des Erbgroßher⸗ 
ogs von Baden mit der Prinzessin Hilda von 
Moan auf Schloß Hohenburg in Oberbahern statt. 
6GBas ist das Velociped?) Dasselbe 
st nach dem Plaidoyer des Staatsanwalts bei der 
obucger Strafkammer, welche dieser Tage einen 
Zelocipedisten, der einen alten Mann überfahren 
und schwer verletzt hatte, zu 250 M. Geldstrafe, 
bent. 2 Monaten Gefängniß verurtheilte, wegen 
feines unheimlichen, geräuschlosen Ganges zu ver⸗ 
gleichen mit „einer großen Spinne, welche gespen⸗ 
jerhaft an den Passanten vorbeisaust. 
Zu Pfingsten werden in Dresden die 
Froßmeister sämmtlicher Landeslogen Deutschlands 
dehufs Erledigung wichtiger innerer Fragen des 
Freimaurer⸗ Bundes zusammenkommen. 
f— Schon öfter ist die Frage besorgt aufgeworfen 
worden, ob bei dem in's Ungeheure gesteigerten 
SteinkohlenVerbrauch der Vorrath der 
uropäischen Steinkohlenlager überhaupt auf genüg· 
nd lange Zeit ausreichen werde. Die Zeiitschrift 
Nature“ hat sich klürzlich erst wieder mit dieser 
Frage beschäftigt und kommt zu dem Schlusse, daß 
ie englischen Bergwerke, sofern man sie bis auf 
ine Tiefe von gegen 1000 Meter auszubeuten 
xermag, noch höchstens 300 Jahre lang der In· 
ustrie die nöthigen Kohlen liefern können. Sie 
zespricht dann auch die Nachtheile, welche das Auf⸗ 
jören der Kohlen⸗Produktion in England für die 
ndustriellen, politischen und sozialen Verhältnisse 
ieses Staates zur Folge haben werde. Nun find 
300 Jahre eine lange Frist und es scheint ver⸗ 
rüht, auf eine solche Zukunft hinaus derartige 
Zchätzungen und auf dieselben gestützte Folgerungen 
‚u ziehen. Viel gefahrdrohender dagegen gestalten 
ich die Aussichten für einzelne Steinkohlen Reviere 
es europäischen Festlandes. So haben in neuester 
Jeit die sächsischen Bergtechniker festgestellt, daß die 
dohlenbergwerke von Chemnitz, PotschappelDresden 
ind Zwickau, die gegenwärtig 80 Millionen Zentner 
dohlen für das Jahr liefern, höchstens noch 50 
Jahre lang in dieser Weise weiter produziren kön⸗ 
jen, dann aber ziemlich erschöpft sein werden, daß 
ogar einzelne Gruben schon nach 10 Jahren den 
hetrieh werden einstellen müssen. Die Folgen des 
lufhörens der sächsischen Kohlen-Produktion sind 
eicht zu übersehen. Einmal wird der inländischen 
Industrie, soweit sie der Kohlen bedarf, die Existenz 
ijchwert, wenn sie die Kohlen einmal aus dem 
lusland beziehen muß. Es wird das in den säch— 
ischen Kohlenwerken angelegte Kapital zinslos und 
um großen Theil ganz werthlos und sollte daher 
nnerhalb der angegebenen Frist (50 Jahre) amor⸗ 
sirt werden kdnnen. Da jedoch die in⸗ und aus— 
andische Wettbewerbung die Rente, welche die 
dohlenwerke abwerfen, auf ein Minimum herab⸗ 
nückt, so ist eine ausgiebige Amortisation kaum 
nöglich. Endlich wird die direkt und indirekt vom 
hetrieb und von der Ausbeutung der sächsischen 
lohlenwerke lebende Bevölkerung nach dieser Zeit 
beits· und verdienstlos, sofern es nicht gelingt, 
ieselbe anderweitig zu beschäftigen. Es steht dem⸗ 
ah zum Theil schon der jehigen, namentlich aber 
et nächsten Generation der Bevölkerung, die in 
gend welcher Beziehung zu der Ausbeutung der 
ihsischen Kohlen-Reviere sieht, ein schweres Unglüch 
hebor. Ganz ähnlich steht es auch mit anderen, 
nienllich mit den kleineren Kohlen-Revieren in 
Aropa, indem ihnen in absehbarer Zeit die gänz 
Ehspfung und damit die Belriebs· Einste- 
inq droht. 
——— n, 4. Mai. Das Schöffengericht ver⸗ 
zinen Zeugen, der einen ihm vorgeschrie 
Eid nicht leisten wollte, weil'er an leinen 
At glaube“, zu 50 Mi Geldbuße, ebent. Funnd 
joden Haft. 
In der Erbschaft · eines Hamb urger 
nien fand sich ein altes Brillenfutteral. Lachend 
— es einer Nichte des Verstorbenen als 
an en zu; als⸗ sie aber ihre Brille hineinstecken 
fand sie Widerstand, untersuchte das Futteral 
n? stak ganz zerknittert und verkrüphelt da⸗ 
i in 1000. Martschein und drei 5⸗Markscheine. 
uett große Augen, aber schnell fand einer 
dohren don Lösung. Der Rentier hatte vor einigen 
uen 015 M. Miethzins eingenommen, war 
*. —— hinausgegangen und dann waren 
sin Reine nicht mehr zu finden, ein Dienfimäd— 
war wegen Verd s — 
lte —* g erdachts entlassen worden; der 
ute nde Hert hatte das Geld in einem 
* 
f. Berlin, 3. Mai. Ein Kaufmann erhielt 
aus Charlottenburg folgenden Brief: „Wenn Du 
diesen Brief empfängst, bitte ich Dich, meine Fabril 
zu schließen, da ich alsdann mit meiner Frau nicht 
mehr unter den Lebenden weile. Lebe woͤhl! Dein 
Freund St.“ Die nach Empfang des Briefes so⸗ 
fort in Charlottenburg angestellten Nachforschungen 
ergaben, daß der Absender seinen unheimlichen Vor—⸗ 
satz ausgeführt hatte. Beide Gatten hatten ihrem 
Leben durch Gift ein Ende gemacht. Schwere ge⸗ 
schaftliche Bedrängnisse hatten den früher vermögen⸗ 
den Mann, Besißer einer Lack⸗ und Firniß⸗Fadrik, 
nebst seiner Frau zum Selbstmord getrieben. 
F Berlin, 6. Mai. Heute Nachmittag geger 
3 Uhr hat ein junger Mensch mit einem Stein, 
den er vorher in der Tasche verborgen hielt, das 
bekannte Eckfenster im kaiserlichen Palais zertrümmert 
Er wurde sofort verhaftet. Der Attentäter ist ein 
polnischer Arbeiter Namens Michael Grigolaitis — 
—R— 
griechisch — 28 Jahre alt und scheinbar ein halber 
Idiot. Er spricht nur mangelhaft deutsch, hielt 
ich seit 6 Tagen obdachlos hier auf und wollte 
ich durch die That Unterkommen verschaffen. Der 
Kaiser war, als die That geschah, im Valais nicht 
anwesend. 
fUeber Generalkonful Nachtigal, 
dessen Tod wir in voriger Nummer meldeten, finden 
vir folgende Notizen: Mit Nachtigal's Tod hat 
owohl die Wissenschaft, als die deutsche Kolonial⸗ 
»ewegung einen schweren Verlust erlitten. Dr. 
Nochtigal war am 28. Februar 1834 zu Eichstätt 
bei Stendal geboren, studirte Medizin, wurde Mili— 
tärarzt, mußte aber diesen Beruf wegen Brustleidens 
aufgeben. Er ging nach Nordafrika und wurde 
Leibarzt des Bey von Tunis. In dieser Stellung 
eignete er sich jene tiefe Keuntniß des moslemischen 
Wesens und Volkscharakters an, die ihm auf seinen 
späteren Forschungsreisen so wesentliche Dienste 
leistete. Seine größte Reise ins Innere von Afriko 
unternahm er am 17. Februar 1869 von Tripolis 
rus; unter unerhörten Strapazen und unter tan⸗ 
endfältiger Todesgefahr gelangte er zum Tsadsee, 
dessen damals noch ganz unbekannte Ümgebung er 
durchforschte. Erst Ende 1874 kehrte er wieder 
u zivilisirte Länder zurück. Diese Reisen rückten 
stachtigal in die vorderste Reihe der Afrikaforscher, 
ein Name wurde berühmt in allen Ländern; die 
Pariser Geographische Gesellschaft verlieh ihm die 
zroße goldene Medaille und bon der Reichsregier 
ung erhielt er eine Jahrespension von 6000 Mark 
TFinen weiteren Aufschwung nahm die Laufbahn 
Sustav Nachtigal's, als die Kolonialbewegung in 
Deutschland die Oberhand erhielt Die Reichs⸗ 
egierung zog die deutschen Afrikaforscher in ihre 
Dienste und Nachtigal wurde als Generalkonsul der 
deutschen Gebiete in Westafrika aufgestellt, in wel⸗ 
her Eigenschaft er namentlich im Kamerungebiete 
eine Reihe von Schutzverträgen abgeschlossen hat 
Nun hat der Tod auf offener See, die er, wahr⸗ 
scheinlich um Heilung vom Wechselfieber zu finden, 
aufgesucht hatte, seinem ruhmerfüllten Leben ein 
Ende gemacht. 
F Ein eisernes Haus für Kamerun, ein 
Bebäude von sehr bedeutender räumlicher Ausdeh- 
iung, wird gegenwärtig, der „Voss. Ztg.“ zufolge, 
nuf der großen Wiese hinter dem Bahnhofe der 
A 
»eter Fertigstellung wieder; auseinandergenommen 
and nach seinem Bestimmungsorte im fernen Afrika 
perschickt zu werden. Das ganze Gedäude bestehl 
aus eisernen Rahmen, in welche die Wände einge 
fügt werden. Diese letzteren bestehen aus großer 
Sypstafeln, welche als schlechte Wärmeleiter zuͤgleich 
dazu dienen sollen, die Temperatur im Innern des 
Gehäudes möglichst niedrig zu erhalten. 
t Der Bankier Mayer in Wien bot einft 
der berühmten Schauspielerin Wolter, der Zierde 
des Wiener Burgtheaters, 10,000 Gulden für einen 
tuß auf den Saum ihres Kleides. Frau Wolter 
ließ ihn das Geld zahlen, führte ihn in ihr An— 
kleidezimmer, zeigte ihm ein Dutzend Kleider an 
den Ständern und sagte: „Waͤhlen Sie, Herr 
Mayer, und küssen Sie den Saum des Kleides 
das Ihnen am besten gefällt.“ 
Verbot der Jager'schen Präpa— 
rate. Aus Prag wird mitgetheilt: Der Lau 
des⸗Sanilätsrath hat sich conform eines Gutachtens 
des Magistrates, welcher aus Sanitäksrüchsichten 
Prof. Jäger's sogen. Anthropin-alias Haarduft⸗ 
pillen als sanitätswidrig confisciren ließ, nachdem 
zegen diese Maßnabhm⸗ der RPekurs an die Sietp. 
halterei eingebracht worden, deranlaẽt gesehen, das 
Verbot des Verkaufes dieser Präparate nicht blos 
in Prag und Bohmen zu erwirken, sondern auch 
das Ministerium des Innern anzugehen, daß die 
Einfuhr dieser Präparate für ganz Oesterreich ver 
boten werde. 
F Ein schändlicher Kirchenraub) 
wurde in Valcourt, unweit Charleroi in Belgien, 
derübt. Es wurde nicht nur eine massiv silberne 
Madonna vom Altar gestohlen, sondern auch die 
Abendmahlskelche und gegen 5000 meist silberne 
oder goldene Herzen. Einer andern Madonna, die 
am Altar festgeschtraubt war, wurde das Jesuskind 
weggenommen. Die geraubten Gegenstände werden 
auf 60,000 Fr. geschaͤtzt. Von den Thätern hat 
man keinerlei Spur. Schon vor einigen Jahren 
wurde das Madonnenbild gestohlen, spater aber in 
einem Graben wiedergefunden. Die Kirche ist be⸗ 
rühmt durch die vielen tausend Wallfahrer, die jähr ⸗ 
lich zur wunderthätigen Gottesmutter pilgern. 
F Paris, 5. Mai. In Folge des Strikes 
der Schneidergesellen haben 111 der größten Häuser 
ihre Werkstätten und Magazine geschlossen, wodurch 
7000 Arbeiter an die Luft gesehl sind. Die Meister 
sollen sich geeinigt haben, diese Maßregel vorerst 
für ein Vierteljahr aufrecht zu erhalten. Uebrigentß 
soll es eine Anzahl Arbeiter geben, welche allen 
Aufforderungen ihrer Berufsgenossen widerstehen 
und bei der Ausübung ihres friedlichen Gewerbes 
Revolver und Stockdegen neben sich haben, um 
schlechte Rathgeber mit Nachdrud abzufertigen. 
Außer ihnen sind bis jetzt die Frauen, welche in 
Westen und Reitkostümen arbeiten, der Nadei und 
Scheere treu geblieben und es werden eben Au— 
trengungen gemacht, um sie zu überzeugen, daß 
ihr Ausharren bei bescheidenem Lohn —2 Fr. 50 
bis 4 Fr. täglich der Menschenwürde zuwider ist. 
Die Presse macht übereinstimmend die französischen 
Arbeiter auf die Wahrscheinlichkeit aufmerksam, daß 
remde und namentlich deutsche Schneider bereit 
sein werden, ihre Arbeit zu überrehmen und die 
Löhne, deren Erhöhung sie verlangen; im Gegen— 
theil herabzudrücken. 
fF. Moderevolution) Aus Paris wird 
geschrieben: Eine bedeutende Aenderung ist in der 
Frauentracht eingetreten. Mit einem Male ist es 
zus mit dem unendlichen, vielfältigen Geschnörkel, 
Bauschen, Fältelungen, Schleppen und Zipfeln, 
durch welche der Schooß des Kleides zu einem 
kunstvollen, verschlungenen Bau geworden war, zu 
dessen Werthschätzung den Laien die Fähigkeit ab⸗ 
zehen mußte. Kraft des neuesten Schnittmusters 
ällt der Schooß vom Gürtel in breiten, flachen 
Falten herab, welche ohne alle Zierrath und Schnör⸗ 
celei bleiben. Unten ist eine vreite Stellspitze mit 
Fransen angesetzt. Auch der Stoff, selbst für den 
Sommer, ist meist Wolle, jedoch von leichtem, 
losem Gewebe. Dies ist jedenfalls ein großer 
Forischritt, indem ein solches Kleid fast nur halb 
so viel Sioff erfordert als früher, was bei den 
andläufigen schlechten Zeiten schon ins Gewicht 
'allt. Die neue Tracht nähert sich also schon um 
einen guten Schritt der republikanischen Einfachheit, 
von der, trotz allen Rühmens, während der 
letzten Jahre der Republik so blutwenig zu spüren 
var. Ihrem Ursprunge nach ist die neue Mode 
auf die weiten, am Guͤrtel anschließenden und bis 
zum Boden reichenden Mäniel zurückzuführen, 
velche seit zwei Jahren schon bis zum letzten 
Dienstmädchen vorgedrungen sind— Auch war das 
Herüsche und Gefältel des Schooßes so verbiel⸗ 
ältigt und ausgebeutet worden, daß damit ent⸗ 
chieden nichts mehr anzufangen war. Ein gänz⸗ 
icher Umschwung war unvermeidlich geworden und 
er ist nun auch eingetreten. Nur in einem Punlte 
halten die Damen an den alten Mißbräuchen fest. 
Sie bestehen auf der Beibehaltung des — nun 
wie soll man es nennen — Sattelkissens, um 
glauben zu machen, daß sich ihr Körper nach hinten 
in unnatürlicher Weise ausdehnt. Doch auch hier 
wird einmal ein ebenso jäher Sturz eintreten. als 
jetzt mit dem bauschigen Schooß. 
F Ju Dover wurde der Eingang zu dem 
unterseeischen Tunnel, der im vorigen Jahre begon⸗ 
nen und ewa 1 Kilometer weit gebohrt worden 
sst, zugemauert. Es wurde zuvor festgestellt, daß 
nirgends Wasser durchgesickett war. 
* GBeheuchtung des Atlantischen 
Ozeans) Eines der kühnsten amerikanischen 
Projekte der Neuzeit ist die nach einer Mittheilung 
des „American Engineer“ in Aussicht genommene 
Beleuchtung'ldes Atlantischen Oceans miltelsselee—