Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöͤchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
—XVX illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1AM 60 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.x 78 4, einschließlich 
o ⸗ Zuftelungsgebuhr. Die Einrũckungsgebühr far die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 18 0, NReclamen 30 8. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
— 
Politische Uebersicht. 
Der „Reichsanzeiger“ widmet dem verstorbenen 
wdeneralkonsul Dr. Nachtigal einen ehrenden 
Rachruf, welcher mit den Worten schließt: „Der 
PLame Nachtigal's wird mit dem Beginn der Ko⸗ 
onialpolitik des Deutschen Reichs unzertrennlich 
derkünpft bleiben und, wie in den Annalen der 
Frforschung des schwarzen Erdtheils, dem die besten 
dräfte seines Lebens gewidmet waren, so auch in 
den der vaterländischen Geschichte ehrenvoll fort⸗ 
eben.“ 
*Das Bubenstück des stellenlosen 
Arbeiters Grigohaitis aus Ragnit (Ost⸗ 
dreußen), welcher am Mitwoch das historische Eck⸗ 
enster im kaiserlichen Palais zu Berlin durch einen 
Steinwurf zertrümmert hatte, erfährt noch dadurch 
eiine Erweiterung, daß Grigolaitis nach seinem 
igenen Geständniß bereits am vorhergehenden Abend 
wischen 11 und 12 Uhr einen Stein nach dem 
Fenster geshleudert hatte. Ueber die eigentlichen 
Motive des Frevlers, namentlich bezüglich der zwei⸗ 
sen That, für die er einleuchtende Gründe überhaupi 
nicht anzugeben vermocht hat, wird voraussichtlich 
erst die gerichtliche Untersuchung Klarheit verbreiten. 
*Nachdem die Räumung Tonkinz 
purch die Chinesen nahezu vollendet ist, steht 
der Wiederaufnahme der offiziellen Verhandlungen 
wischen Frankreich und China über den definitiven 
Friedensschluß nichts mehr im Wege. Nach einem 
Telegramm der „Agence Havas“ wurde denn auch 
noch für Sonnabend das Eintreffen der Instruk⸗ 
ionen der franzoͤsischen Regierung für diese Ver⸗ 
jandlungen in Tientsin, wo bekanntlich auch der 
rühere französisch⸗chinesische Vertrag abgeschlossen 
vorden ist, erwartet. Für dieselben ist der Boden 
durch den direlt zwischen den Kabineien von Paris 
mnd Peling gepflogenen Meinungsaustausch geebnet 
vorden und steht demnach eine endgültige Beilegung 
7 — ⸗ chinesischen Konfliktes in naher 
usficht. 
Nach einer der „Polit. Corresp.“ aus Lon⸗ 
on unterm 8. ds. zugehenden Mittheilung sind 
ür die in mehreren Blaͤtiern aufgetauchie Annahme. 
daß es von dem Schiedsspruche, betreffend 
die Interpretation des Uebereinkommens vom 17. 
März sein Abkommen finden dürfte, bisher keine 
nsteren Anhaltspunkte vorhanden. Aus derselben 
Zuelle wird versichert, daß die Verhandlungen 
wischen beiden Kabineten dauernd einen günstigen 
Herlauf nehmen. 
Die englische Regierung hat deschlossen, 
gotzdem gegründete Hoffnung auf Bewahrung des 
Iriedens borhanden if, in den Kriegsrufiungen 
vorlaufig keine Unterbrechung eintreten zu lassen. 
In Porismouth sind Befehle“ der Admiralat einge— 
angen, welche verfügen, daß die Ausrüstung der 
Floite fortgesetzt werden soll, damu die Schiffe, 
»tten Indiensifiellung angordnet worden, spätestens 
m 7. Juni zum Auslaufen bereit sein koönnen. 
die Anordnung für den Wiedereintritt von pensio⸗ 
urten Offizieren in die Marine ift ebenfalls noch 
nicht rückgangig gemacht worden. In Flottenkreisen 
laubt man die Admrauta gehe mit dem Plane 
m die Schiffe deralteter Bauact, wie beispielsweise 
un „Minotaur“, durch moderne Panzerschiffe zu 
rjehen und, sollte der Frieben gefichert werden, im 
Montag, 11. Mai 1885. 
20. Jahrg. 
Sommer eine große Flottenrevue auf der Rhede 
von Spithead zu veranstalten. 
fung eine anderweite Abgrenzung der Direktions⸗ 
bezirke und eine einschneidende Aenderung der ge⸗ 
ammten Organisation geplant sei, durchweg auf 
Erfindung beruhe. 
Baden⸗Baden, 10. WMai. Die Kaiserin 
empfing heute den Besuch der Kaiserin von Oester⸗ 
reich, welche incognito als Gräfin von Hohenembs 
bon Heidelberg in Baden-Baden eintraf und von 
da die Rückreise nach Wien fortsetzte. 
Ausland. 
Wien, 9. Mai. Die „Pol. Corr.“ meldet 
aus Brüssel, daß die Ernennung Stanley's zum 
Bouverneur des neuen Congostaates als sicher an⸗ 
zusehen sei. Die Conoregierung wird sich folgen⸗ 
dermaßen zusammensetzen: Oberst Strauch, Prä⸗— 
idium, Inneres und Krieg; Vaneetelde, Handel 
und Vanncus Finanzen. Der Sitz des Ministeriums 
ist Brüssel. 
London, 9. Mai. Nachmittags fand ein 
mehrstündiger Ministerrath statt. Die Admiralität 
erhielt heute Nachmittag Befehl, die Anordnungen 
für den Transport von 2000 englischer Truppen 
nach Indien, deren Abgang am 14. d. M. er⸗ 
folgen sollte, wieder aufzuheben. 
Wie man unterm 8. ds. aus Petersburg 
neldet, mird in dortigen Kreisen versichert, daß die 
doffnungen auf Erziehung eines Dauer verheißen⸗ 
ʒen engüsch⸗rusfischen Arrangements in der Grenz⸗ 
rage sich in den letzten Tagen neuerdings befestigt 
jaben. Es scheint sich nicht zu bestätigen, daß 
useinandersetzungen in Betreff Herats die Nego— 
ciationen zwischen den beiden Kabineten zu gefähr⸗ 
den drohen. Da eine Einigung beider Kabinete 
in der Grenzfrage nahezu schon erzielt war, bevor 
die Wiederaufnahme der Diskussion über das Ge⸗ 
fecht am Kuschk die Situation erschwerte, gilt ein 
haldiger Abschluß der in London geführten Unter⸗ 
jandlungen als nahezu gewiß, so daß die beider⸗ 
seitigen Deliminations⸗Kommisfionen rascher, als 
ielfach geglaubt wird, in die Lage kommen dürften, 
zie Grenzabsteckung an Ort und Stelle vorzunehmen. 
Die große Arbeitseinstellung in den 
dohlenbergwerkden bei Chicago hat, zu 
einem heftigen Zusammenstoß mit der Miliz ge⸗ 
führt. Die Strikenden, 1000 an der Zahl, zogen 
ich nach Lemont bei Chicago zusammen und ver⸗ 
ibten dort das Eigenihum bedrohenden Unfug. 
Man holte aus dem benachbarten Joliet 400 Mann 
Miliztruppen. Die Striker griffen die Miliz mit 
nütteln und Steinwürfen an, worauf die Sol⸗ 
aten mit aufgepflanztem Gewehr vorgingen. Eine 
dompagnie feuerte. Von den Strikenden blieben 
3 Mann todt, 9 wurden schwer verwundet. Zu 
erneuertem Kampfe ist es nicht wieder gekommen, 
voch dauert der Strile noch fort. Die Truppen 
r nun auch eine Anzahl Kanonen auffahren 
assen. 
LZokale und pfaälzißsche Nachrichten. 
S St. Ingbert, 11. Mai. Das waren 
wieder genußreiche Stunden, welche gestern Abend 
der Verein „Gemüthlichleit“ durch eine mufikalisch⸗ 
theatralische Unterhaltung seinen Mitgliedern be⸗ 
reitete! Ein zahlreiches Publikum, den geräumigen 
Horst'schen Saal fast überfüllend, lauschte den ein⸗ 
leitenden Musikvorträgen. Stürmischer Beifall 
wurde dem Violinsolo (mit Klavierbegleitung) 
„Elegie und Barcarole“, ausgeführt durch des 
Herrn Lehrer Schlaudecker 9jährigen Sohn Lud⸗ 
vig. Die Durchführung des Zaktigen Lustspiels: 
„Wenn man im Dunkeln küßt“, muß in all' ihren 
Teilen als eine sehr gelungene bezeichnet werden. 
die günftige Aufnahme desselben seitens des Zu⸗ 
chauerkreises beweist die allseitige jubelnde Anerkenn⸗ 
aing, welche jedem einzelnen Akte gezollt wurde. 
Wieder fesselte ein Tonstück das Ohr der Zuhoͤrer, 
and zwar diesmal die lieblichen Harmonien eines 
Streichquartetis mit Klavierbegleitung: „Traum der 
Sennerin“. Auch daran war unser kleiner Ludwig 
heteiligt; er spielte seine Stimme mit einer Exaktheit, 
die angefichts seiner Jugend Staunen erregen mußte. 
Der nimmer enden wollende Beifall, welcher diesem 
Vortrage lohnte, wiederholte sich mit Recht, als ein 
Violinsolo mit Klavierbegleitung aus der Regi⸗ 
mentstochter vorgetragen worden war. Auch zweier 
Volalquartette und des Baritonsolos: Wenn 
du noch eine Mutter hast“, dürfen wir nicht ver⸗ 
Jessen, rühmend zu erwaäͤhnen. — Hoffen wir, die 
„Gemüthlichkeit“ moͤge den detretenen Weg weiter 
zerfolgen und ihre Mitglieder in Bälde wieder mit 
ꝛiner Unterhaltung erfteuen. 
*Ein Ministerialerlaß fordert alle 
hayerischen Verwaltungsbehörden auf, alle Bestreb⸗ 
ungen, welche irgend geeignet zur Beseitigung der 
VBagabondage erscheinen, z. B. die Arbeiterkolonien, 
die Antibettelbereine, Verpflegungsstationen, Her⸗ 
dergen „ur Heimath“, kräftig zu unterstützen. 
— Aus der Pfalz. Die gegen den 
Schulverweser R.von Oberwürzbacqh gerichtete 
Anzeige hat sich, wie man der „Pf. Post“ mit⸗ 
theilt, als eine grundlose Verleumdung herausgestellt. 
— Aus der Pfalz.) Seitens kgl. Regie⸗ 
rung ist die Frage zur Begutachtung vorgelegt, ob 
zum Schutz von Fabrik⸗ und Geschafts⸗Geheimnissen 
Deutsches Reich. 
Berlin, 9. Mai. Der preußische Landtag 
vurde Abends 72 Uhr in gemeinsamer Sitzung 
deider Häuser durch den Minister⸗Vicepräsidenten 
Puttkammer im Auftrage des Konigs geschlossen. 
Serlin, 9. Mai. Die „Vordd. Allg. Ztg.“ 
schreibdt: Aus Korea uns zugehende Nadrichten 
nachen darauf aufmerksam, daß sich für Deutsche 
Jjegenwärtig eine außerordentlich günstige Gelegen⸗ 
Jjeit biete, fich dort eine angesehene Stellung zu 
hegründen. Korea, wo bisher nur eine fremde 
Firma, eine deutsche, etablirt sei, brauche eine regel⸗ 
naßige Dampferlinie nach Europa, um dem Ueber⸗ 
jewicht der Japaner etwas zu steuern. Die Bemuh—⸗ 
ingen der leßteren, fremde Kaufleute möglichst von 
Korea zu verdrängen, fänden keine Unterstützung 
hei der Landesregierung, welche sich dem Projelte 
iner deutschen Dampferlinie durchaus zuneige. Eine 
olche waͤre ein integrirendes Glied des neuen über⸗ 
eeijchen Dampferverkehrs. welches dem deutschen 
Zandel mit Ostasien eine entsprechende Erweiterung 
ichere. Wie verlautet, bestehe seit Kurzem eine 
regelmäßige Dampferfahrt zwischen Shanghai, 
Nagasali, Tusan und dem loreanischen Hafenplaztze 
TFhamulpo, welche gemeinsam unterhalten wird von 
der koreanischen Regierung und der deutschen Firma. 
die das Ansehen der in Korea ansässigen Deutschen 
zusehends vermehrte. 
Berlin, 10. Mai. Die „Norddeutsche 
Allgem. Zeitung“ erfährt, daß die Nachricht eines 
hiesigen Blattes, daß für das Etatsjahr 1886/87 
im Gebiete der preußischen Staatseisenbahnverwal⸗