Full text: St. Ingberter Anzeiger

— Annweiler, 15. Mai. Dem „Ann⸗ 
weiler Wochenblait“ wird geschrieben: Vor Kurzem 
hrachten öffentliche Blätter die Mittheilung, daß in 
der Gegend bei Frankfurt a. M. zur Zeit viele 
Rehe mit abgerissenen Köpfen im Walde gefunden 
vürden. Auch in hiesiger Gegend, am Zwiesel 
Bürgerwalde), wurden seit acht Tagen schon 
mehrere Rehe mit abgerissenen Köpfen gefunden; 
das thun die Wildkatzen, alte echte Wildlatzen. 
nicht derwilderte. Diese echten Wildkatzen werden 
ohme Ruthe bis 3 Fuß lang, erlangen ein Gewicht 
bis zu 25 Pfd. und werden an Rehen, alten wie 
ungen, sogar an Hirschkälbern, Räuber erster 
dlosse. Sie springen ihren Opfern auf den Rücken, 
reißen denselben mit ihren stets scharfen Klauen 
die Schlagadern auf, beißen ihnen das Genick 
durch, und haben sie auf solche Weise sehr rasch 
getödtet. Die Mordlust der Wildkatzen ist eine so 
große, daß sie allnächtlich Opfer verlangen; sie 
ehren nicht wie Füchse an den Raub der Nacht 
vocher zurück. Ihre Stärke und Gewandtheit ist 
derart, daß sie dem Jäger bei mißglücktem Schusse 
»on all unserem einheimischen Raubwilde am ge⸗ 
rährlichsten sind. Sie find im Stande, in ganzen 
Rebieren den Wildstand total zu vernichten. 
— Kirchheimbolanden, 16. Mai. Auf 
dem heutigen Wochenmarkte wurden zwei Butter⸗ 
rrauen protokollirt, weil dieselben eine großere 
Snantitat Butter an Händler abgaben, ehe noch 
rer Bedarf der Marktbesucherinnen gedect war. 
— Speyer, 16. Mai. Herr Bürgermeister 
Süß empfing von der edelsinnigen Gattin des Herrn 
D. Hilgard wieder ein Geschenk von 10,000 Mk. 
für die evang. Diakonissen⸗ Anstalt und wird das⸗ 
selbe sofort der Verwaltung dieser Anstalt über⸗ 
mitteln. 
Vermischtes. 
PSr. Johann, 18. Mai. Der Riesen⸗ 
damenplatz in der hiesigen Bahnhofstraße wird nach 
ind nach verschwinden. Dieser Tage wurde der 
'St. Joh Zig.“ zufolge ein 20 Quadratmeilen 
großes Stück desselben neben Hrn. Kürschner Korn 
jum Preise von 20 000 Mark zu Bauzweckeen ver⸗ 
auft. ⸗ 
F Stuttgart, 138. Mai. Wie man der 
Neckarztg.“ von hier berichtet, betrugen die Tan⸗ 
jemen, die Dr. Jäatg er von den Fabriken bezieht, 
denen er die Ausbeutung seiner Erfindung ge— 
stattet, im vorigen Jahre gegen 200,000 Mart. 
Allein die Firma Venger & Söhne trug hierzu 
180,000 Mk. bei, und erreicht die Anzahl der 
Webstühle derselben nunmehr die Höhe von 200 
der Rormal⸗Kravattenfabrikant hatte 5000 Mark 
zu zahlen. Unter diesen Umständen ist es kein 
Wunder, daß die irdische Habe des Hertn Pro⸗ 
cessors in erfreulichem Wachsen begriffen ist. Die 
neuesten Präparate seines erfindungsreichen Kopfes 
nd männliche und weibliche Seifen. Es ist das 
jo zu verstehen, daß diese mit weiblichen und männ⸗ 
iichen Haarduft präparirt und von beiden Ge⸗ 
chlechtern je nach dem Grad des gegenseitigen 
Ahnungs· Vermögens“ benutzt werden sollen. Auf 
ʒem Herbst soll Professor Jaͤger einen Besuch in 
der „Union“ beabsichtigen, um dort Propaganda 
zür fein Woll Régime zu machen. 
Aus Rosenheim, 17. Mai, wird dem 
Münchener Fremdenblatt“ geschrieben: (Unglück 
uͤber Unglück) Ueber dem hier befindlichen Cirkus 
scheint ein eigener Unstern zu walten. Am Mitt⸗ 
voch Abends stürzten während der Prodruktion zwei 
qünstler vom Seile und verletzte sich der ällere der⸗ 
elben so stark am Rückgrat, daß er sofort mit den 
hl. Sterbsakramenten versehen wurde und an seinem 
uffommen gezweifelt wird, während der jüngere 
don einem heftigen Blutsturze befallen wurde. Kaum 
hatten sich die Bewohner Rosenheims und die Cir⸗ 
susgesellschaft von dem Schrecken dieses Unglücks⸗ 
'alles erholt, als am Samstag das Töchterchen des 
Diteltors vom Pferde stürzte und sich den Hals— 
ring brach. 
4Der erste Kolonist in dem neuerworbenen 
deuischen Kolonialgebict ander we st a frikanischen 
Küste ist ein Münchener. Wie aus Kamerun ge 
neldet wird, landete dort am 27. März mit dem 
englischen Dampfer „Akasta“ ein junger Mann aus 
München im Alter von 20 Jahren, Landwirth und 
Müllerssohn. Auf die Froge des Factorei⸗Vor⸗ 
standes eines Hamburger Hauses, was er mit seiner 
Hierherkunft bezwecke, antwortete der unternehmungs 
süstige Mann, er wolle Plantagen anlegen, Kaffee, 
Fargh c. hauen. hätte aber schon bemerkt. daf 
—— — —— — —— 
»as Terrain am Kamerunfluß sich hierzu nicht 
eignet. Er wolle sich jedoch einmal in Viktoria 
imsehen, ob dort nichts zu machen sei. Nach 
venigen Tagen wurde er dorthin befördert und 
jat sich dann- mit zwei auf dem Kamerunberge 
ebenden Schweden fü's Erste in Verbindung gesetzt, 
um sich den Boden zu betrachten. Der kühne 
dolonist gab an, sehr bemittelt zu sein, und falls 
r sähe. daß etwas zu machen sei, so würde er 
eine Brüder nachkommen lassen. Er ist in der 
khat der Erste, der ernstlich einen Versuch mit 
Zlantagenbau machen will. Er hat fich durch sein 
icheres, bestimmtes, aber doch bescheidenes Auf⸗ 
reten dort allenthalben Sympathieen erworben. 
F Frankfurt, 16. Mai. Der König der 
Niederlande ist mit Gefolge hier angekommen und 
im Frankfurter Hof abgestiegen, desgleichen Graf 
o. Bismarck⸗ Schönhausen von Berlin. 
fMainz, 16. Mai. Die Strafkammer des 
ziesigen Landgerichts verurtheilte gestern die Inhaber 
er Firma Gebrüder Landauer hier, die Herren 
Nathan und Raphael Landauer, wegen Pfefferver⸗ 
älschung zu einer Geldstrafe von je 600 Mk. und 
Zublikation in der Frankf. Ztg. Die erste Instanz, 
as Schöffengericht, hatte neben dieser Geldftrafe 
roch eine Gefängnißstrafe von 14 Tagen gegen 
eden der beiden Geschäftsinhaber erkannt gehabt. 
In Mainz wurden dieser Tage durch 
Fortifikationsoffiziere Versuche mit elektrischer Be⸗ 
euchtung vorgenommen. Dieselben ergaben die 
Möglichkeit einer Weitschau bis zu zwei und drei 
dilometern. 
Elberfeld, 18. Mai. Der aus dem 
Anarchistenprozeß gegen Reinsdorf und Genossen 
iuch in weiten Kreisen bekannt gewordene hiesige 
Holizei-Kommissar Gottschalk ist gestern aus dem 
sdiesigen städtischen Polizeidienst ausgeschieden, um 
in den Reichsdienst einzutreten und nach dem Elsaß 
u übersiedeln. Gottschalk empfing seit einem halben 
dahre häufig Drohbriefe und fühlte sich hier nicht 
nehr sicher. Seine Wohnung wurde in letzter Zeit 
Tag und Nacht von Geheimpolizisten in Zivil be— 
vacht. Er hatte namentlich auch unter den Sozial⸗ 
emokraten zahlreiche Feinde, die er sich durch seine 
astlosen Verfolgungen derselben, durch zahlreiche 
»aussuchungen und Anklagen zugezogen hatte. 
Crefeld, 15. Mai. Ein interessanter 
zall von unschuldiger Verurtheilung liegt hier augen— 
litlich vor. Der Crefelder Bürger Anton Hab— 
heidt wurde am 21. Dezember 1877 vom Schwur⸗ 
ericht in Düsseldorf wegen Meineids zu 2 Jahren 
zuchthaus verurtheilt. Dieser Meineid sollte in 
inem Prozesse wegen Pfandverschleppung bei einem 
janz geringfügigen Anlasse (es handelte sich um 
inen Rock) geleistet worden sein. Diese Verur— 
heilung wegen Meineids stützte sich auf den Eid 
ines gewissen D. Es wurde sodenn noch ein 
ewisser W. wegen Meineides zu 2 Jahren Zucht⸗ 
aus verurtheilt. W. und H. haben die Strafe 
ängst verbüßt. W. ist gestorben. Am Samstag 
iber wurde das Dunkel erhellt, indem der im 
siesigen Alexianerkloster schwer krank darnieder— 
iegende D. vor mehreren Zeugen bekannt hat, er 
abe einen Meineid geleistet und sei schuld an der 
hweren Verurtheilung. Die Sache ist gleich der 
verichtsbehörde angezeigt worden. Wo bleibt nun 
sier die Entschädigung unschuldig Verurtheilter. 
* Düsseldorf, 14. Mai. Der von seiner 
fFrau des Mordes an der Wittwe Mühlenhof be— 
ichtigte Arbeiter Sültenfuß aus Rahm, der sich 
gach seiner Einlieferung im hiesigen Gefängniß er—⸗ 
sängte, ist aller Wahrscheinlichkeit nach unschuldig 
ind das Opfer falscher Denunziation. Durch 
Zzeugen ist nachgewiesen, daß Sültenfuß in der 
Nordnacht von Abends 8 bis Morgens 8 Uhr 
iicht von seinem Posten gegangen war. Wie die 
Rhein⸗ und Ruhrztg.“ schreibt, hat Sültenfuß bei 
einer Abführung den Umstehenden mit Thränen in 
den Augen seine Unschuld betheuert und seinen Be— 
annten auf Nimmerwiedersehen Lebewohl gesagt, 
enn das Leben habe doch keinen Werth mehr für 
in, weil sein Familienglück zerstört sei. Er hatte 
iinen Kostgänger als Nebenbuhler. Hiernach würde 
zie Denunziation wohl erklärlich sein. 
Düsseldorf, 16. Mai. Durch zwei 
Gendarmen wurde der in Holland verhaftete Mor⸗ 
her, welcher bei Gladbbach zwei Mädchen ködtete 
und in einen Teich warf, hier eingeliefert. 
In der 100. Sitzung des Reichs— 
ags am Mittwoch prangte auf dem Tisch des 
däsidiums ein großes Kamelienbouguet mit der 
Zahl 100. Die zahlreichen Zeitungslaufburschen 
welche zum Reichstag gesendet werden, brachten 
demselben gestern Vormittag aus Anlaß der 102 
und letzten Sitzung nach ihrer Art eine Ovation 
dar, welche ein heiteres Zeugniß für den Humot 
chter Berliner Jungen ablegt. An der Thuͤr des 
Botenzimmers hing ein riesiger Kranz aus gelben 
Butterblumen, in dessen Mitte ein Zettel mit der 
Inschrift befestigt war: „Reichstag ade! Hundert. 
undzwer!“ 
f CGin derber Kuß.) Letzte Woche erschien, 
vie die „B. 3.“ mittheilt, in der Berliner Klinif 
in hübsches junges Mädchen und erklärte auf die 
Frage, was ihr fehle, dem Arzt, daß sie an ein. 
hriger Taubheit leide. Vor den Spezialisten filr 
IOhrenkrankheiten geführt, ließ sie sich nach längerem 
zaudern dahin aus: ihr Bräutigam, von der Reise 
urückgekehrt, habe sie umarmt und ihr, indem er 
einen Mund fest an ihr Ohr preßte. auf dasselde 
inen so herzhaften Kuß gegeben. daß sie im selben 
Nomente einen heftigen Schmerz darin empfand 
ind seitdem fast nichts mehr höre. Ju der That 
vurde eine Zerreißung des Trommelfells mit hef⸗ 
iger Entzündung der umliegenden Weichtheile kon⸗ 
tatirt. Was hat die Liebe nicht alles auf dem 
Bewissen. 
F Wien. Ein schon vor der Hochzeit Be— 
rogener war Wilhelm D., der Sohn eines bekannten 
ziesigen Großindustriellen und Leiter der Grazer 
Zeschäfts⸗Niederlassung des väterlichen Hauses, der 
ich dortselbst, wo er seit Jahren weilt, in die schöne 
Tochter eines höhergestellten pensionirten Militärs 
erliebte und dieselbe gegen Ende November vorigen 
zahres heirathete. Am Hochzeitsabend machte Hert 
D. die Entdeckung, daß seine junge Gattin falsche 
haare, falsche Zaäͤhne und ein durch einen hohen 
Zchuhabsatz verstecktes kurzes Bein hatte. Er ver⸗ 
iieß sie sofort und trug auf Scheidung an, welche 
nuch vom Landgerichte in Civilsachen vollständig zu 
einen Gunsten entschieden wurde, ohne daß er 
rämlich verpflichtet worden wäre, seiner Gattin von 
venigen Stunden außer ihrem zugebrachten Gute 
»on 4000 Gulden eine Alimentation, wie sie dies 
zerlangt hatte, zu bezahlen, und zwar, wie es in 
er Urtheilsbegründung heißt, „weil Frau D. als 
Zraut Herrn D., ihrem Bräutigam an ihr haftende. 
vesentliche Körpermängel und Schäden verschwiegen 
ind ihn dadurch in großen Irrthum versetzt habe.“ 
f Gorgeschichte eines Duells) 
In einer Loge des Orpheums zu Budapest saßen 
wei Damen, welche in der Budapester Gesellschaft 
us Beautees bekannt sind, und deren Angehörige. 
In derselben Loge befand sich auch ein junger 
Maler Namens Temple, der zu den begadbtesten 
ingarischen Künstlern zählt. In der Nachbarloge 
aßen zwei junge Magnaten, von welchen einer — 
er jüngere — fortwährend den Rauch seiner Ci⸗ 
jarre in die Nachbarloge blies. Als sich der 
unge Maler, der beiden Aristokraten den Rüchken 
ugewendet hatte, einmal umwandte, geschah es, 
zaß ihm der junge Magnat den Rauch gerade ins 
Besicht blies. Der Künstler nebenbei bemerkt, ein 
xxillanter Turner, bat den Nachbar, „sich anstän⸗ 
iger zu benehmen,“ worauf er keine andere Ant⸗ 
vort erhielt, als eine Beschimpfung mit einem 
teineswegs duftenden Epitheton. Der Maler wies 
»en jungen Mann in derber Weise zurecht. Wenn 
Zie kein Feigling sind, so folgen Sie mir in—⸗ 
Foher, denn hier im Saale will ich Sie nicht 
üchtigen.“ Der erregte Künstler schrie sehr laut 
and die Aufmerksamkeit des Publikums konzentrirte 
ich sofort auf die Streitenden. Der junge Magnet 
zog nun eine Vifitenkarte herbor und reichte sie 
dem Maler, welch' Letzterer aber auf die Karte 
— huftete. Nun gebrauchte der Aristokrat heleidi⸗ 
Jende Worte, aber er folgte dem Maler in das 
Foyer wo sich eine beispiellose Szene abspielte. 
der Maler ergriff den jungen Maun, zauste und 
ohrfeigte ihn so iange, dis sich die Zuschauer der 
Sache annahmen und weitere Thätuchkeiten ber— 
zinderten. Zwei Freunde des insultirten Magnaten 
Aschienen nun und machten den Maler darauf 
nufmerksam, daß der insultirte Magnat aus einet 
der hervorragendsten gräflichen Familien Sieben 
zürgens stamme, worauf der Maler entgegnete, daß 
er sich seine Satisfaktion genommen habe und 
nit zuftieden sei. Wolle sich aber der Graf m 
hm duelliren, so möge er ihm seine Sekundanten 
chicken. — Das ist auch geschehen; Temple a 
MRaler hat eine leichte Wunde an der rechten Haro, 
i sunge Graf Erdody hal einen Finger weniget