Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
ber St. Jugberter azeiger“ erscheint wvbchentlich fünfmalz Am Weontag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungß⸗ 
zialt und Sonutags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 14 60 4 einschließlich Traägerlohn; durch die Post bezogen LM 75 , einschließlich 
jo ⸗ Zußelungsgebuhr. Die Einrückuugsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —5, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , Neclamen 30 A. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 106. I 
Montag, 1. Juni 1888. 20. Jahrg. 
Die Lage der deutschen Kolonien. 
die Tüchtigkeit der deutschen Kriegsflotte. — Wenne 
der Sultan von Zanzibar nicht bald den Vorstell⸗ 
ungen der deutschen Regierung nachgibt und das 
deutsche Gebiet räumt, wird man die deutsche 
Flagge in Südafrika bald mehr achten lernen. 
kin Geschwader von fünf deutschen Schiffen, die 
14 Geschütze und 1240 Mann an Bord haben, 
sind bereits nach Zanzibar unterwegs. ä 
Politische Uebersicht. 
* Fürst B smarck trifft, wie wenigstens die 
„Augsb., Abendztg.“ aus „zuverlässigster Quelle“ 
u melden weiß, dieser Tage zum Kurgebrauche in 
zissingen ein, wo er, wie gewöhnlich, in der oberen 
Saline Wohnung nimmt. Seine Abreise nach Kis⸗ 
ingen würde der inneren politischen Situation für 
zie nächste Zeit ihre Signatur aufdrücken, nämlich 
die der sommerlichen Ruhe und somit ist waͤhrend der⸗ 
elben eine Entscheidung in den gegenwärtig noch 
chwebenden Fragen der inneren Politik nicht zu 
rwarien. Unter ihnen nimmt die braunschweigische 
Thronfolgefrage nach wie vor das allgemeine Inte⸗ 
resse in hervorragender Weise in Anspruch; am 
Montag ist der Bundbesrath nach der Pfingstpause 
pieder zusammengetreten und wird der Justizaus- 
chuß wohl noch Ende dieser Woche in der Lage 
ein, über den ihm zugewiesenen preußischen Antrag 
hdezüglich der braunschweigischen Thronfolge Bericht 
u erstatten. Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Aus⸗ 
chuß die Annahme des Antrages empfehlen und 
zaß derselbe auch im Plenum keinen nachdrücklichen 
Widerspruch finden wird, wenn vielleicht auch ein 
aar Stimmen kleinerer Bundesstaaten gegen den 
Antrag abgegeben- werden sollten. Was die Be⸗ 
jauptung von einem Proteste des Hexzogs von Cum ⸗ 
»erland anbelangt, welchen er in Form eines 
Rundschreibens“ an die europäischen Höfe versandt 
jaben soll, so ist von einem solchen in Berliner 
iplomatischen Kreisen nichts bekannt. — Auf 
hrund der Ermächtigung seitens des Bundesrathes 
sjat der Reichskanzler die Zolltarasätze für 
draftmehl, Puder, Stärke, Stärkegummi, Kleber. 
Arrowroot, Sago, Sagosurrogate und Tapioka auf 
ierzehn Prozent in Kisten und neun Prozent in 
Fässern, für Nudeln und Maccaroni auf achtzehn 
Brozent in Kisten festgesetzt. — Wie aus Madrid 
emeldet wird, hat die Deputirienkammer den am 
0O. Mai abgeschlossenen Vertrag, betr. einige Ab⸗ 
inderungen des Tarifs und des deutsch spanischen 
handelsbertrages (Roggenzoll), ohne Diskussion ge⸗ 
jehmigt. 
Außerdem sei in Aussicht genommen, angestellten 
rehrern Beihülfen zwecks Erziehung ihrer Kinder 
zu gewähren. Die meisten Bundesregierungen 
satten auf Anufrage über die Lage der dortigen 
Berhältnisse bejahend geantwortet, nur von einer 
Seite sei der Wunsch geäußert worden, neben den 
dandidaten des Lehrfachs auch solche Studirende 
der Philologie zu unterstützen. welche durch ihr 
Reifezeugniß ausgezeichnete Befähigung für das 
Lehrfach nachweisen koͤnnten. In mehreren Ant⸗ 
vortschreiben werde die Gewährung von Reise⸗ 
tibendien empfohlen. 
Ausland. 
Paris, 30. Mai. Während aus den De⸗ 
»artements und aus dem Auslande zahllose Depu⸗ 
ationen zu dem Begräbnisse Viktor Hugo's nach 
Paris kommen, verlassen zahlreiche Pariser die Stadt, 
entweder aus politischen oder aus religiösen Motiven, 
der auch, weil hoffentlich stark Uberniebene Gerüchte 
iber Absichten der Kommunarden verbreitet werden, 
velche angeblich einen Konflikt mit der Polizei pro⸗ 
jociren wollen. 
Paris, 30. Mai. Der Ministerrath ordnete 
zeute Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ord⸗ 
zung bei dem Leichenbegängnisse Viktor Hugo's an. 
Die Entfaltung von an den Bürgerkrieg erinnern⸗ 
den Fahnen und Embleme wurde verbosien. 
Eondon, 30. Mai. „Renuter's Bureau“ 
nmeldet: ‚In Folge der Verständigung zwischen 
knngland und Rußland verläßt Lessar demnächst 
London, um gemeinschaftlich mit der englischen Kom⸗ 
mission in Bidgeway die Details der afghanischen 
Brenzlinie festzustellen. 
Es kann nicht geleugnet werden, daß die kolo— 
malen Unternehmungen Deutschlands sich nach zwei 
Richtungen hin gegenwärtig in einer kritischen Lage 
definden. Glücklicherweise liegen diese Schmierig- 
keiten aber nicht in den Kolonien selbst, sondern in 
der kolonialpolitischen Anfängerschaft des dentschen 
Reiches. Die Territorien in Südwest- und Süd—⸗ 
stafrika, welche man deutsche Kolonien nennt, find 
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ollen sfich erst zu einem lebensvollen und selbst⸗ 
qtandigen Organismus entwickeln. Bei dem Ent—⸗ 
tehungswerke der deutschen Kolonialunternehmungen 
ind dieselben nun alsbald wirthschaftlichen und 
zolitischen Anfechtungen ausgesetzt worden, die nur 
sum Theil überstanden sind, in der Hauptsache 
aber überwunden werden müssen. 
Wirthschaftlich fehlt es den deutschen Colonien 
noch an Anlagekapital und Unternehmern, wirth⸗ 
schaftlich befindet man sich auch vielfach noch in 
den Kolonien in nicht genügender Kennmiß der 
ꝛinschlägigen Verhältnisse, wirthschaftlich lassen end⸗ 
iich die Verkehrseinrichtungen nach den Kolonien 
und in den Kolonien noch viel zu wünschen übrig. 
Jeder einsichtige Mann wird deßhalb sich nicht 
vundern, wenn erst noch einige Jahre verfließen 
nüssen, um die wirthschaftliche Rentabilität der 
dolonien zu erreichen und zu sichern. Der Fleiß 
ind die Ausdauer, die Gründlichkeit und Unter⸗ 
nehmungslust, lauter Eigenschaften, die man unseren 
sandsleuten nachrühmt, werden aber auch sicher in 
inem gewissen Zeitraume, wahrscheinlich in drei 
zis fünf Jahren, die wirthschaftlichen Schwierig⸗ 
eilen in den Kolonien überwinden und deren au⸗ 
nählige Rentabilität herbeiführen. Dann kann 
as einer großen Nation würdige Gefühl uns mit 
henugthuung erfüllen, daß der deutsche Unternehm⸗ 
angsgeist erfolgreich am internationalen Weltbewerbe 
in überseeischen Landern theilnimmt und daß das 
in großer Theil unserer Auswanderer nicht dem 
Laterlande entfremdet, sondern deutschee Macht, 
dultur und Sitte in unseren Kolonien erhallen dieibt 
Wie am Eingange dieser Zeilen erwähnt wurde, 
müssen die deutschen Kolonialunternehmungen, aber 
nicht nur eine wirthschaftliche. sondern auch eine 
politische Krisis besiehen. Allerlei Anfeindungen 
drangten sich schon ursprünglich an Deutschlands 
dolonialpolilik deran, sind aber sheils durch die 
Maßigung, theiis durch die Energie der demschen 
Regierung zumal England gegenüber befeinig 
worden. Dieses Kapitei der poltischen Anfeind- 
ungen der deutschen Kolonien ist aber noch nicht 
schlohen, sondern es wird in der RNad— 
barschaft der Kolonien selbst forigesetzt und 
wahrscheinlich von neidischen Angehörigen anderer 
uropaischen Nationen weiter gefüͤhtt. Dabel haben 
die deutschen Kolonialunternehmungen den Naqchtheil 
für sich, daß Deutschland eine junge, bei dielen 
boltern Afrika's noch nicht genügend belannte und 
nesdeltirte Seemacht ist. Diesem Umstande ist es 
—ã zuzuschreiben, daß in Kamerun mehrere 
egerstamme fich gegen die deutsche Riederlaffung 
e hatten und jetzt der Sultan von Zanzibar 
einer fast unglaublichen Verkennung der Sach⸗ 
das Gebiet der,, Deutsch⸗Oftafrikanischen Gesell⸗ 
oe durch seine Soldaien hat beseßen lassen. 
R politischen Schwierigleiten werden aber sicher 
en Folonien leichtet überwunden werden als 
9 wirthschaftlichen, dasür burgt die Geschiclichten 
dursien Bigmara und seitter Milcbeiler und 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Aus der Pfalz, 27. Mai. Die“ An⸗ 
Jelegenheit der Straßenbahn von Dürkheim a. H. 
nach Ludwigshafen a. Rh. scheint allmaͤhlich ihrer 
Berwirklichung entgegenzusehen. Der Unternehmer 
Bachstein in Berlin hat fich im Verein mit der 
Darmstadter Bank bereit erklärt, die Ausführung 
unter sehr billigen Borausseßungen zu übernehmen. 
— Neuftadt, 29. Mal.Gestern faund 
hierselbst die Generalversammlung des Bayeri⸗ 
schen Frauenvereins zum rofthen 
Zreuz unter zahlreicher Betheiligung von Nah 
und Fern statt. Aus München waren Ihre Ex⸗ 
ellenz Frau Generallieutenant Grafin Yfenburg, 
owie das Freifräulein Laroche anwesend. Bei 
kroffnung der Verhandlungen wurden zwei Tele⸗ 
ramme Ihrer Majestat der Konigin-Rutter zur 
derlesung gebracht, welche von der Versammlung 
tehend angehört wurden und welche in herzlichen 
Worten die Erschienenen begrüßten. Der Koͤnigin⸗ 
Mutter. der hohen Protektorin des Vereins, wurde 
parauf von der Versammlung ein dreimaliges be⸗ 
jeistertes Hoch ausgebracht. Ein ähnliches Tele⸗ 
ramm war vom Ceutral;Ausschuß München einge⸗ 
aufen. Der Kreisfekretär des Frauendereins er⸗ 
jattete darauf feinen Bericht. Der Referent hob 
as erfteuliche Wachsthum der Mitgliederzahl. sowie 
en steigenden Einfluß des Vereins im Lande her⸗ 
vor und fügte dem bei, daß der Verein seine 
Feuerprobe bestanden habe anlaßlich der XX 
roßen Ueberschwemmungen, aus deren Veranlafsung 
Ulles in Allem vom Vereine gegen 286,8359 Man 
esammelt worden seien. Den fiatistischen Daten 
ntnehmen wir, soweit sie auf die Pfalz Bezug 
zaben: 18883 bestanden 12 Vereine mit 167 
Nitgliedern, 1884 16 Vereine mit 2439 MNin- 
cliedern, 1885 21 Vereine mit 2615 Mitgliedern. 
— Wie der „Hamb. Korresp.“ heute mitzutheilen 
in der Lage ist, ist nunmehr die in Aussicht genom⸗ 
mene Ernennung des Geh. Regierungsraths Dr. 
Julius v. Eckardt zum Gen⸗-9onsul 
in Tunis definitiv erfolgt. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 81. Mai. Der Kaiser hatte eine 
zute Nacht und nahm im Laufe des heutigen 
Tages mehrere Vorträge entgegen. 
Berlin, 31. Mai. Wie die „Nordd. Allg 
Ztg.“ meldet, hat fich der Reichslanzler entschlossen, 
nus dem anläßlich seines Geburtstages gesammelten 
Fonds, um bei dem großen Andrang zum philo⸗ 
ogischen Studium den Anreiz dazu nicht zu ver⸗ 
nehren, nur solche Kandidaten des Lehrfachs aus 
zer zu errichtenden Stiftung zu unterftützen, welche 
hre Studienzeit schon odsolvirt, aber noch keint 
5tellung mit auskömmlichem Gehalt erlangt haben.