Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funmale Am Montag, Dienstag, Donnerstag, « amstag und Sountag; 2mal wöchentlich mit Unterhauungt⸗ 
ßlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljahrlich 1 AM 60 A einschließlich Traägerlohn; durch die Post bezogen 1) 75 , einschließlich 
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auf welche die Ervedition Auskunft ertheilt, I5 A. Neclamen 80 3. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 107. Dienstag,' 2. Juni 1888. 20. Jahrg. 
die Jahresberichte der bayerischen 
Fabriken⸗Inspektoren für 18834. 
Bayern zerfällt, wie bekannt, in drei Fabriken⸗ 
Inspektoren⸗ Bezirke, deren ersterer Oberbayern, 
Riederbahern und Schwaben, der zweite die drei 
ränkischen Kreise und die Oberpfalz und der dritte 
die Rheinpfalz umfaßt. Abgesehen von der geo⸗ 
zraphischen Lage der Pfalz rechtfertigt sich die Auf⸗ 
Jellung eines besonderen Fabrik · Inspektors für diesen 
Zreis durch die dort besonders hochentwickelte In— 
zusttie, welche an Zahl Is der in dem weit ge⸗ 
aßten ersten Bezirke beschäftigten Arbeiter umfaßt. 
Daß die Erfüllung der Aufgaben, welche in so aus— 
jedehnten Inspektionsgebieten, wie es die deiden 
rsten sind, den Beamten obliegen, mit viel größeren 
Zchwierigkeiten verbunden ist, als in einem kleine⸗ 
en Umkreis erhellt auch aus den amtlichen Be— 
ichten der drei Inspektoren für 1884, welche so— 
ben bei Th. Ackermann in München erschienen 
ind: in dem Bericht über die Pfalz konnte z. B. 
er hochwichtige Punkt der Unfälle in Fabriken 
iel eingehender und erschöpfender behandelt werden 
4s in den Mittheilungen über die sieben Kreise 
ꝛes rechtsrheinischen Bayern, deren räumlicher Um⸗ 
ang die Beschaffung des ganzen Materials auch 
nem tüchtigsten Beamten unmöglich macht. Unseres 
Frachtens tritt von Jahr zu Jahr aus den Berichten 
nehr die Nothwendigkeit hervor, die Beaufsichtig 
ungsgebiete nicht größer zu machen, als daß der 
Inspeltor jede der Fabriken wenigstens einmal im 
zahre besichtigen kann. Das ist jetzt trotz allen 
gleißes und aller Bemühung im rechtsrheinischen 
zayern nicht möglich. 
Im Ganzen und Großen geben die Jahresbe⸗ 
ichte, in denen wir auch in ihrer jetzigen Gestalt 
chon eine wichtige Quelle für die Erkenntniß der 
ndustriellen Zustände erblicken, ein zufriedenstellen ⸗ 
des Bild, von dem sich freilich einige Flecken um 
o gresller abheben. Uebereinstimmend wird für alle 
drei Bezirke festgestellt, daß eine Zunahme der ge⸗ 
verblichen Anlagen, eine sehr rege Arbeitsthätigleit 
ind trotz einzelner Klagen eine befriedigende Ge⸗ 
chaftslage zu derzeichnen ist. Dies wird noch be⸗ 
onders bewiesen durch die erhebliche Steigerung 
yer Arbeiterzahl, die im ersten Bezirt um rund 
000 12 pZt. J. in der Pfalz sogar um 1862 
8 pZt. der Gesammtzahl] gegen das Vorjahr ge⸗ 
wachsen ist. Diese Mehtung erstredt fich sowohl 
nuf die jugendlichen Arbeiter als auch auf die er⸗ 
vachsenen Arbeiter beiderlei Geschlechts; doch gibl 
die Zunahme der jugendlichen und weiblichen Ar⸗ 
)eiter zu Besorgniß kaum Anlaß, da sie verhältnitz⸗ 
naßig sehr gering und wie der Inspeltor für Mittel- 
ne glaubt, in dem Streben begründei ist, junge 
rafte nachzuziehen. Noch erfreulicher wäre es, 
* die allerdings höchst geringfügige Zunnahme 
in Fabriken deschäftigten Kinder unter vierzehn 
hren in Zukunft sich ins Gegentheil verwandelte. 
Ioleig die Berichte den Geschäftsgang der 
habriken im vergangenen Jahre als meist befriedi⸗ 
n hinstellen, so wissen fie leider nichts von Lohn ⸗ 
speszunger an meden ¶ In den Lohnverhölr 
wiet sich nichts geändert, so heißt es für alle 
* ezitke und ist damit aufs Reue der — mit 
mn selbstverstandlich zutreffende — Satz 
an daß die Höhe der Arbeitslöhne ir keinem 
n aren Zusammenhang mit dem Geschafts 
* eht. Das Angebot von Arbeitskräften ist 
oß, daß auch stark vermebrie Nachfrage wie im 
letzten Jahre sofort gedeckt werden kann, ohne die ) Rath und That in Anspruch nehmen, Auskunft 
Loͤhne in die Höhe zu treiben. bdon ihnen erbititen, Anregungen geben, ihre Ver⸗ 
Wohlthätig scheinen im Allgemeinen die Be⸗ nittelung in Streitigkeiten mit den Fabrikbesitzern 
ttimmungen der Gewerbe ˖ Ordnung über die Bee vünschen. Es wäre mit großer Freude zu be⸗ 
chaftigung der Arbeiter in Fabtiken gewirkt zu grüßen, wenn die Arbeiter immer mehr einsehen 
haben. Bei den jugendlichen Arbeitern wie bei vürden, daß die Einsetzung von staatlichen Fabrik. 
Hen Arbeiterinnen ecgaben sich nicht allzuviele Be- nspeltoren ihnen und ihren Rechten einen starken 
mstandungen und diese trasen für den ersten Bezirk Rückhalt zu geben bestimmt ist. Solche Einsicht 
aft ausschließlich Ziegeleien, wo allein noch Kinder, würde zur Folge haben, daß die segensreiche 
neist italienischer Eltern, unter zwölf Jahren be- Thätigkeit dieser Beamten sowohl weiteren Umfang 
chäftigt waren. Unpassende Beschäftigung war als größere Vertiefung erfährt. 
eine zu rügen. In der Pfalz klagt der Inspektor —— 
iber die ungenügende Befolgung der Bestimmungen 9 iti 
insichtlich der Arbeitsbücher. Ziemlich hart klingt Politische Uebersicht. 
as UÜrtheil vom 1. Bezirk über die Zündholz Deutsches Reich. 
abriken; von 20 erfüllt nur eine die Bundesraths Berlin, 31. Mai. Der Kaiser, dessen 
vorschrifien in Bezug auf ihre Hauptarbeitsräume, Befinden in andauernder Besserung begriffen ist, 
2'bis 13 waren kaum in der Lage, die durch empfing gestern Nachmittag auch noch den Reichs- 
diese Vorschriften bedingten baulichen Veränderungen anzler Fürsten Bismarck zum Vortrage. Nach einer 
iberhaupt auszuführen. Daher auch 7 Fälle von zut verbrachten Nacht erledigte Allerhöchstderselbe 
diefernekrose, zwei davon mit tödtlichem Ausgang, Jeute, nach einem längeren Besuch der Großherzogin 
vährend die Zustände in der Pfalz hier viel bessee von Baden, die laufenden Tagesgeschäfte und nahm 
uu sein scheinen. Die Arbeitszeit ist durchschnittlich mehrere Vorträge entgegen. 
eine elfstüundige, ohne die Pausen; doch kommen Berlin, 1. Juni. Der Kaiser hatte eine 
leberschreitungen dieses Maßes in Mittel- und lehr gute Nacht, sein Befinden ist vorzüglich. 
unterfranken (Meiallindustrie und Ziegeleien) vor, Ausland. 
ir höchst bedenklich sind: in einer Anlage bis zu Varis, 1. Juni. Die ganze Nacht umlager⸗ 
15312 Stunden. ohne die Pausen, so daß dem ien Tausende den Triumphbogen, an welchem ein 
Arbeiter nur 6323 Stunden für Schlaf, Erholung vollständiges Nachtfest eine unerhörte Profanirung 
ic. blieb. Das ist allerdings gerade entsetzlich! der Trauerfeier verursachte, worüber selbst republi⸗ 
Die Nachtarbeit für Frauen ist nur in geringem lanische Organe Elkel ausdrücken. Augenblicklich ist 
Umfange eingeführt und der pfaälzische Inspektor der Anmarsch der Truppen und zahllosen Delega⸗ 
demerkt ausdrücklich, daß er ihre Folge in sittlicher tionen im vollen Gange. Der Himmel ist bedeckt. 
und koörperlichet Beziehung nicht übertrieben wissen Die revolutionaren Morgenblätter wiegeln theil⸗ 
möchte. weise ab. 
Durchaus nicht erschöpfend sind, wie schon er— Paris, 1. Juni. Die Ceremonie ist würdig 
pähnt, die Mittheilungen über die Unfälle in Fa- derlaufen. Seit Mittag ist der Zug, der an Groß⸗ 
driksen im rechtsrheinischen Bayern. Im ersten artigkeit alles bisherige übertrifft, in Bewegung. 
Bezirk iourden nur 82, im zweiten 66 zur Kennmmiß Bis jetzt herrscht musterhafte Ordnung; es befinden 
der Inspektoren gebracht, während der pfälzische sich keine rothen Fahnen im Zuge. Die denselben 
Beamte 1126 Verletzungen mit nachgefolgter Ar⸗ mitmachenden Kommunarden tragen rothe Immor⸗ 
eitsunfähigkeit (oder Tod) meldet: auf 1000 ellen. Man schätzt die Theilnehmer am Zuge auf 
Arbeiter 46 Unfälle (51 im Vorjahre, 47 im Jahre dreihundert Tausend. 
1884). Das gleiche Verhälmiß dürfte wohl für 
das ganze Konigreich zutreffen. Leider glauben 
wei der Inspeltoren (Mitteifranken ꝛc. und Pfalz), 
daß nur in höchst geringem Maße der Mangel an 
Schutzvorrichtungen. wohl aber Unachtsamkeit und 
Leichtsinn, der Arbeiter die Schuld an diesen Un⸗ 
fällen tragt, während dagegen der Aufsichtsbeamte 
für Oberbahern mit großer Entschiedenheit den 
Satz aufstellt: „Fast alle zut Kenntniß gekommenen 
ichweren Unfalle hätten recht wohl durch geeignete 
Zchutzvorkehrungen vermieden werden loͤnnen. Nur 
venige sind einzig und allein der eigenen Unvor⸗ 
ichtigleit der Verletzten zuzuschteiben.“ Wer hier 
Rtecht hat, ist schwer zu sagen, doch ist es jedenfalls 
obenswerth, daß die Fabrikanten den sehr zahl⸗ 
reichen Anregungen der Inspektoren auf Einführ⸗ 
ing von Schutzvorrichtungen in den weitaus meisten 
Fällen bereitwillig nachkommen. In der Zukunft 
vird das Unfallgesetz wohl noch scharfer die Arbeit⸗ 
jeber antreiben, ihr eigenes Interesse durch Ver⸗ 
Jjütung von Unfällen zu fördern. 
Daß die Arbeitgeber den Inspektoren willig 
entgegenkommen, ist schon früher konstatiert worden; 
dagegen dauern die Klagen über die Lässigleit der 
ebderwachung seitens det Orispolizeibehörden auf 
dem Lande fort. Neuerdings wird die Wahrnehm⸗ 
uing gemacht, daß auch die Arbeiter, wenn auch 
aut vereinzelt noch. die Hilfe der Beamten mit